Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.01.2021, Az. 25 W (pat) 575/19

25. Senat | REWIS RS 2021, 9107

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „Wir kümmern uns!“ – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 100 733.6

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 28. Januar 2021 unter Mitwirkung der Richterin [X.] sowie [X.] [X.] und Schödel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

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Wir kümmern uns!

3

ist am 21. Januar 2019 unter der Nummer 30 2019 100 733.6 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Dienstleistungen der

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Klasse 36: Wertpapierdepots; [X.]; Vermittlung von Bausparverträgen; Vermittlung und Abwicklung im Bereich der Versicherungen; Vergabe von Verbraucherdarlehen; Vergabe von Hypothekendarlehen und Finanzierungen; Über das [X.] und Telefon bereitgestellte Finanzdienstleistungen; Online-Banking; Führung von Bankkonten; [X.]; Finanzierung von Bauvorhaben; Finanzielle Dienstleistungen in Bezug auf [X.]; Finanzgeschäfte mit Fremdwährungen; Finanzdienstleistungen in Bezug auf Spareinlagen; Finanzdienstleistungen in Bezug auf Immobilien; Finanzdienstleistungen in Bezug auf den Verkauf und Kauf von Wertpapieren; Finanzdienstleistungen in Bezug auf Aktiensparpläne; Finanzdienstleistungen; Finanzberatung; Finanzanlagegeschäfte; Durchführung von Finanztransaktionen; Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bankkarten, Kreditkarten, Debitkarten und Karten für den elektronischen Zahlungsverkehr; Dienstleistungen des Geldverkehrs; Computergestützte Bankgeschäfte; Beratung in Bezug auf Versicherungsdienstleistungen; Bankgeschäfte für Privatpersonen; Bankdienstleistungen; Vermittlung von Vermögensanlagen, insbesondere Kapitalanlagen.

5

Mit Beschluss vom 10. Juli 2019 hat die Markenstelle für Klasse 36 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen, das grammatikalisch richtig und [X.] gebildet sei, erschöpfe sich in einem schlichten Werbeslogan. „Kümmern“ bedeute, sich einer Person oder Sache anzunehmen. Es stelle lediglich eine anpreisende Angabe im Sinn eines Leistungsversprechens dar, dass sich der Anbieter der Dienstleistungen um den Kunden und seine Anliegen kümmere. Die Wortfolge werde bereits in den verschiedensten Branchen, auch in der Finanzbranche, werbemäßig ver[X.]det. Dabei sei unschädlich, welche Dienstleistungen genau konkret umfasst seien oder um welche Anliegen sich der Anbieter kümmere, da eine begriffliche Unschärfe der Feststellung einer fehlenden Unterscheidungskraft nicht entgegenstehe. Das Ausrufezeichen helfe darüber nicht hinweg, sondern bekräftige nur die Sachaussage.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, der Beschluss der Markenstelle leide an einem Begründungsmangel, da er nicht [X.]igstens nach den einzelnen Dienstleistungsgruppen aus dem Finanz-, Bank- oder Versicherungssektor differenziere. Dem Anmeldezeichen sei kein hinreichend konkret beschreibender Sinngehalt für die beanspruchten Dienstleistungen zu entnehmen. Es sei eigentümlich, kurz und eingängig. Dem Zeichen könne nicht entnommen werden, um was, [X.], wann und wie sich gekümmert werde. Somit sei es mehrdeutig und rege zum Nachdenken an. Es lasse sich nicht feststellen, dass die konkret angemeldete Wortfolge in der Werbung üblich sei. Zudem seien in der Vergangenheit vergleichbare Marken durch das [X.] und [X.] eingetragen worden.

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Sie beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des [X.]s vom 10. Juli 2019 aufzuheben.

9

Mit gerichtlichem Schreiben vom 2. Dezember 2020 ist die Anmelderin darauf hingewiesen worden, dass die angemeldete Wortfolge nicht für schutzfähig erachtet werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Wir kümmern uns!“ als Marke steht im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 36 das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat.

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.], 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]; [X.], 270 Rn. 8 – Link economy; [X.], 1100 Rn. 10 – [X.]!; [X.], 825 Rn. 13 – [X.]; [X.], 850 Rn. 18 – [X.]; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – [X.]). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. [X.] GRUR 2003, 604 Rn. 60 – [X.]; [X.], 565 Rn. 17 – [X.]). Bei der Beurteilung von [X.] ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Ver[X.]dung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. [X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Rn. 24 – [X.] 2; [X.], 428 Rn. 30 f. – [X.]; [X.] [X.], 850 – [X.]) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. [X.] [X.], 1143, 1144 Rn. 15 – [X.] werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – [X.]; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; [X.], [X.] 2010, 439 Rn. 41 – 57 – Flugbörse).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.] GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/[X.] [[X.] DAS [X.]]; a.a.[X.] Rn. 36 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 1027, Rn. 33 und 34 – [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; [X.], 872 Rn. 14 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 14 – smartbook). Nicht gerechtfertigt ist es daher, das Kriterium der Unterscheidungskraft zu ersetzen oder von ihm abzuweichen, etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (vgl. [X.] a.a.[X.] Rn. 38 und 39 – [X.] AG/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; a.a.[X.] Rn. 31 und 32 – [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; [X.] GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Gleichwohl werden Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht not[X.]dig in gleicher Weise wahrgenommen wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen schließen. Wortfolgen, die nach Art eines Slogans gebildet sind, wird der Verkehr daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. [X.] a.a.[X.] Rn. 35 – [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; [X.] GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; [X.] GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Demgegenüber können Indizien für die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis - auch [X.]n sie keine not[X.]dige Voraussetzung für die Feststellung der Unterscheidungskraft darstellen - die Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Wortfolge kann einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten ([X.] a.a.[X.] Rn. 47 – [X.] AG/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] [X.], 552 Rn. 9 – [X.] schönste Seiten). Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur [X.] abgesprochen werden (vgl. [X.] a.a.[X.] Rn. 25 – 30 – Smart/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.] GRUR 2009, 949 Rn. 12 – [X.]; [X.] 29 W (pat) 82/12 – b.connected).

2. Gemessen an diesen Maßstäben kann dem angemeldeten Satz „Wir kümmern uns!“ keine Unterscheidungskraft zugebilligt werden. Zunächst kann auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss der Markenstelle vom 10. Juli 2019 Bezug genommen werden. Das Anmeldezeichen wird vom angesprochenen Verkehr, der insbesondere aus den breiten, allgemeinen Verkehrskreisen der Verbraucher besteht, ausschließlich als Werbeslogan im o. g. Sinn verstanden werden.

a) Die Wortfolge „Wir kümmern uns“ ist grammatikalisch korrekt aus dem Personalpronomen „wir“ als Subjekt sowie dem reflexiven Verb „sich kümmern“ gebildet und stellt einen vollständigen Satz dar, der insbesondere keiner weiteren Ergänzung bedarf. Zwar ist er kurz und prägnant, jedoch nicht interpretationsbedürftig oder mehrdeutig und regt in keiner Weise zum Nachdenken an. Bereits dies ist ein Indiz für dessen fehlende Unterscheidungskraft. Darüber hinaus hat die Markenstelle bereits ausführlich belegt, dass in der Werbung dieser oder ähnliche Ausdrücke mit dem Verb „sich kümmern“ in unterschiedlichen Branchen umfangreich eingesetzt werden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt es für die Beurteilung der Schutzfähigkeit von als Werbeslogan geeigneten Wortfolgen nicht darauf an, ob diese die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreiben können. Denn an der nötigen Unterscheidungskraft mangelt es ihnen schon dann, [X.]n die angesprochenen Verkehrskreise in dem Zeichen nur eine werbliche Anpreisung, aber keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen. Dies ist hier der Fall, da das Zeichen – wie die Beschwerdeführerin selbst angibt – ein Motto oder eine Unternehmensphilosophie ausdrückt und die beanspruchten Dienstleistungen über die Vermittlung einer Zufriedenheitsvorstellung bewirbt (S. 4 der Beschwerdebegründung). Die beanspruchten Bank- und Finanzdienstleistungen der Klasse 36 gehen regelmäßig mit einer eingehenden, auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenen Beratung einher, so dass der Begriff des „sich [X.]“ in besonderer Weise geeignet ist, auf die ernsthafte und sorgfältige Erbringung der Dienstleistungen werblich hinzuweisen. Eine Funktion als betrieblicher Herkunftshinweis scheidet daneben aus.

b) Auch das Ausrufezeichen statt eines Punktes am Satzende kann dem Anmeldezeichen nicht zur Schutzfähigkeit verhelfen. Die Hervorhebung einer Aussage durch ein Ausrufezeichen ist auch in der Werbung ein häufig ver[X.]detes Stil- und Gestaltungsmittel. Mittlerweile wird es u. a. in der [X.] inflationär ver[X.]det (vgl. Artikel „[X.] überzeichnet“ in Süddeutsche Zeitung-Magazin Heft 21/2014 unter „sz-magazin.[X.]“ sowie [X.] „Lasst! Sie!! Weg!!!“ aus der [X.] vom 2. März 2016 unter „[X.]). Die grammatikalisch richtige Ver[X.]dung spielt dabei keine Rolle. Vielmehr wirkt das Ausrufezeichen unabhängig davon, an welcher Stelle es angeordnet ist, als Hinweis darauf, wie wichtig die Aussage ist; es dient dazu, den Inhalt der Wortfolge oder des vorangehenden Wortes werbemäßig hervorzuheben bzw. dessen Aussage besonders zu unterstreichen (vgl. [X.], 29 W (pat) 34/12 – [X.] Ein Land in Bewegung; 27 W (pat) 22/11 – [X.] [X.]!; 27 W (pat) 89/11 – ! Solid; 27 W (pat) 530/10 – [X.]; 29 W (pat) 532/16 – W¡R).

3. Die Beschwerdeführerin kann sich nicht auf vergleichbare Voreintragungen berufen. Diese liegen entweder schon zu lange zurück, um hieraus eine entsprechende Verwaltungspraxis ableiten zu können, oder die Marken sind bereits gelöscht. Darauf hat der Senat in seinem Schreiben vom 2. Dezember 2020 bereits im Detail hingewiesen.

Meta

25 W (pat) 575/19

28.01.2021

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.01.2021, Az. 25 W (pat) 575/19 (REWIS RS 2021, 9107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9107

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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