Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2004, Az. IX ZR 258/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2590

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/02
Verkündet am: 29. Juni 2004 [X.] als Urkundsbeamtin der Ges[X.]häftsstelle in dem Re[X.]htsstreit

Na[X.]hs[X.]hlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

[X.] §§ 1, 11; [X.] § 90

Begründet die Übertragung eines dem S[X.]huldner gehörenden Grundstü[X.]ks an einen [X.] einen Anspru[X.]h des Gläubigers auf Duldung der Zwangsvollstrek-kung na[X.]h dem Anfe[X.]htungsgesetz, so bleibt dieser Anspru[X.]h au[X.]h dann be-stehen, wenn dem [X.] später das Grundstü[X.]k in der Zwangsversteigerung zuges[X.]hlagen worden ist.

[X.], Urteil vom 29. Juni 2004 - [X.]/02 - OLG Celle

LG Verden - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündli[X.]he Verhandlung vom 29. Juni 2004 dur[X.]h [X.] [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Re[X.]ht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 24. Oktober 2002 aufgehoben.
Die Sa[X.]he wird zur neuen Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten der Revision, an das Berufungsgeri[X.]ht [X.]. Von Re[X.]hts wegen

Tatbestand:

Dur[X.]h notarielles S[X.]huldanerkenntnis vom 13. August 1999 verpfli[X.]htete si[X.]h der Ehemann der [X.], an die Klägerin 873.232,05 DM in 36 monatli[X.]hen Raten, beginnend im November 1999, zu zahlen. Wegen dieser Forderung unterwarf er si[X.]h persönli[X.]h der sofortigen Zwangsvollstre[X.]kung in sein gesamtes Vermögen. Der S[X.]huldner hat in der Folgezeit ledigli[X.]h [X.] an die Klägerin bezahlt. Diese hat am 17. April 2000 einen fru[X.]htlos verlaufenen Vollstre[X.]kungsversu[X.]h unternommen.
- 3 - Am 7. Februar 2000 übertrug der S[X.]huldner das ihm in [X.]gehören-de Hausgrundstü[X.]k mit notariellem Vertrag an die Beklagte, die am 16. März 2000 als Eigentümerin im Grundbu[X.]h eingetragen wurde.

Die Klägerin hat diese Grundstü[X.]ksübertragung angefo[X.]hten und [X.] der Zwangsvollstre[X.]kung in das Grundstü[X.]k begehrt. Das [X.] hat der Klage wegen vorsätzli[X.]her Gläubigerbena[X.]hteiligung stattgegeben. [X.] des Berufungsre[X.]htszuges wurde das Grundstü[X.]k auf Antrag einer Grund-s[X.]huldgläubigerin versteigert und der [X.] gegen ein Bargebot von 28.500 • zuges[X.]hlagen. [X.] Re[X.]hte im Gesamtbetrag von 136.093,65 • blieben als Teil des geringsten Gebots bestehen. Das Berufungsgeri[X.]ht hat daraufhin die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelasse-nen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzli[X.]hen Ents[X.]heidung.

Ents[X.]heidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurü[X.]kverweisung.

[X.]
Das Berufungsgeri[X.]ht meint, die Klägerin dürfe ni[X.]ht in das Grundstü[X.]k vollstre[X.]ken, weil die Beklagte dieses letztli[X.]h dur[X.]h den Zus[X.]hlag in der Zwangsversteigerung in ni[X.]ht anfe[X.]htbarer Weise erworben habe. Die Beklagte sei nunmehr Eigentümerin infolge dieses Zus[X.]hlags, ni[X.]ht aufgrund des Vertra-ges mit ihrem Ehemann. - 4 - I[X.]

Gegen diese Erwägungen wendet si[X.]h die Revision mit Erfolg. Der mit der Klage geltend gema[X.]hte Anspru[X.]h ist ni[X.]ht deshalb unbegründet, weil der [X.] das bereits im Vertragswege zu Eigentum erworbene Grundstü[X.]k später im [X.] zuges[X.]hlagen worden ist.

1. Im Streitfall kommt das Anfe[X.]htungsgesetz vom 5. Oktober 1994 zur Anwendung, weil die angefo[X.]htene Re[X.]htshandlung na[X.]h dem 31. Dezember 1998 vorgenommen wurde (§ 20 Abs. 1 [X.]).

2. Die Anfe[X.]htungsklage ist zulässig (§ 2 [X.]). Die Klägerin hat gegen den S[X.]huldner einen fälligen Anspru[X.]h und dur[X.]h dessen notarielles S[X.]huldan-erkenntnis einen vollstre[X.]kbaren Titel erlangt. Der von ihr unternommene [X.] ist fru[X.]htlos verlaufen; unstreitig hat der S[X.]huld-ner kein Vermögen, das zur Befriedigung der titulierten Forderung ausrei[X.]ht.

3. Im Wege der Gläubigeranfe[X.]htung kann der Kläger verlangen, daß ihm das zur Verfügung gestellt wird, was dur[X.]h eine anfe[X.]htbare Re[X.]htshand-lung aus dem Vermögen des S[X.]huldners veräußert, weggegeben oder aufge-geben worden ist, soweit er es zu seiner Befriedigung benötigt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Einen sol[X.]hen Anspru[X.]h ma[X.]ht die Klägerin im Streitfall geltend.

a) Hat der S[X.]huldner den streitbefangenen Vermögensgegenstand ni[X.]ht dur[X.]h Veräußerung, Weggabe oder Aufgabe, also dur[X.]h einen von seinem Wil-len mindestens mitbestimmten Re[X.]htsakt, verloren, kommt ein Anspru[X.]h na[X.]h dem Anfe[X.]htungsgesetz allerdings ni[X.]ht in Betra[X.]ht. Beruht der Vermögensver-lust des S[X.]huldners auf einem hoheitli[X.]hen Re[X.]htsakt, so handelt es si[X.]h um - 5 - einen Sa[X.]hverhalt, den das Anfe[X.]htungsgesetz grundsätzli[X.]h ni[X.]ht erfaßt. Eine Klage na[X.]h §§ 3, 11 [X.] kann na[X.]h der hö[X.]hstri[X.]hterli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung ni[X.]ht darauf gestützt werden, daß der Gegner ein Grundstü[X.]k des S[X.]huldners im Wege des Zus[X.]hlags in der Zwangsversteigerung erworben hat ([X.], Urt. v. 15. Mai 1986 - [X.] ZR 2/85, [X.] 1986, 926, 927; [X.], [X.] 9. Aufl. § 1 Rn. 17 f). Der Zus[X.]hlag in der Zwangsversteigerung ist ein öffentli[X.]h-re[X.]htli[X.]her Eigentumsübertragungsakt, dur[X.]h den der Ersteher das Eigentum originär, ni[X.]ht abgeleitet vom S[X.]huldner, erwirbt ([X.] 112, 59, 61). In einem sol[X.]hen Falle fehlt es an einer in §§ 3, 11 Abs. 1 [X.] ums[X.]hriebenen Re[X.]htshandlung des S[X.]huldners ([X.], Urt. v. 15. Mai 1986, aaO). Unter wel[X.]hen Voraussetzungen der Gläubiger einen entspre[X.]henden Eigentumsverlust des S[X.]huldners glei[X.]h-wohl anfe[X.]hten kann, wenn jener in [X.] Zusammenwirken mit dem [X.] den Vermögensverlust dur[X.]h hoheitli[X.]hen Re[X.]htsakt veranlaßt hat (vgl. dazu [X.], Urt. v. 25. November 1964 - [X.], [X.] 1965, 139, 140; v. 15. Mai 1986, aaO S. 928), kann dahingestellt bleiben, weil die Klägerin einen entspre[X.]henden Sa[X.]hverhalt ni[X.]ht vorgetragen hat.

b) Das Berufungsgeri[X.]ht hat indes ni[X.]ht bea[X.]htet, daß der S[X.]huldner im Streitfall das Eigentum ni[X.]ht dur[X.]h Hoheitsakt verloren, sondern re[X.]htsges[X.]häft-li[X.]h auf die Beklagte übertragen hat. Der Vermögensverlust ist daher in seiner Person dur[X.]h eine Re[X.]htshandlung eingetreten, wie sie von § 11 Abs. 1 [X.] bes[X.]hrieben wird. Nur auf diese Tatsa[X.]he stützt si[X.]h der von der Klägerin erho-bene, im Falle einer vorsätzli[X.]hen Bena[X.]hteiligung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] entstandene Anspru[X.]h. Dieser ist ni[X.]ht dadur[X.]h erlos[X.]hen, daß das Eigentum der [X.] si[X.]h aufgrund eines zeitli[X.]h na[X.]hfolgenden Ges[X.]hehens nunmehr auf den [X.] gründet.
- 6 - § 11 Abs. 1 [X.] stellt ni[X.]ht darauf ab, wie der [X.] den streitbefangenen Gegenstand letztli[X.]h erworben hat. Maßgebli[X.]h ist vielmehr, auf wel[X.]he Weise der S[X.]huldner ihn verloren hat. Derjenige, der in einer von §§ 3 ff [X.] bes[X.]hriebenen Weise etwas erlangt hat, muß dem dadur[X.]h be-na[X.]hteiligten Gläubiger den früher dem S[X.]huldner gehörenden Gegenstand so zur Verfügung stellen, als wäre er no[X.]h Teil von dessen Vermögen ([X.] 104, 355, 357; 123, 183, 185; 130, 314, 322). Ein auf diesem Wege entstandener Anspru[X.]h erlis[X.]ht aufgrund na[X.]hfolgender Ereignisse in der Regel selbst dann ni[X.]ht, wenn der Empfänger ni[X.]ht mehr in der Lage ist, dem Gläubiger den erhal-tenen Gegenstand zur Verfügung zu stellen; in diesem Fall hat er Wertersatz zu leisten (vgl. [X.], aaO § 11 Rn. 37 ff). Selbst der Empfänger einer unentgeltli-[X.]hen Leistung haftet jedenfalls in Höhe der Berei[X.]herung fort (§ 11 Abs. 2 [X.]). Dies folgt au[X.]h daraus, daß im [X.] allein der [X.] maßgebli[X.]h ist ([X.] 104, 355 ff; 121, 179, 187). Das die Gläubigeranfe[X.]htung begründende Handeln kann daher dur[X.]h na[X.]hfolgen-des Ges[X.]hehen in seiner Wirkung grundsätzli[X.]h ni[X.]ht beeinträ[X.]htigt werden, solange die Beeinträ[X.]htigung des Gläubigerzugriffs auf das S[X.]huldnervermögen fortdauert.

Folgli[X.]h ist es re[X.]htli[X.]h unerhebli[X.]h, ob das Zwangsversteigerungsver-fahren ebenso verlaufen wäre, wenn der S[X.]huldner Grundstü[X.]kseigentümer geblieben wäre. Ledigli[X.]h geda[X.]hte Ges[X.]hehensabläufe haben auf die [X.] des einmal eingetretenen Anfe[X.]htungstatbestandes keinen Einfluß. Vielmehr ist es eine Frage wertender Beurteilung, inwieweit ein hypothetis[X.]her Kausalverlauf die an si[X.]h gegebene Haftung des [X.]s auszu-s[X.]hließen oder einzus[X.]hränken vermag ([X.] 104, 355, 360). Wäre der S[X.]huldner bis zum Zus[X.]hlag Grundstü[X.]kseigentümer geblieben, hätte die Klä-gerin im Range na[X.]h den dingli[X.]hen Gläubigern Befriedigung aus dem [X.] - stü[X.]k su[X.]hen können. Dies hätte in glei[X.]her Weise gegolten, wenn au[X.]h in je-nem Falle der [X.] als Meistbietender das Grundstü[X.]k zuges[X.]hlagen [X.] wäre. Dana[X.]h gibt es unter keinem denkbaren Gesi[X.]htspunkt einen re[X.]ht-li[X.]h tragenden Grund dafür, den Anspru[X.]h na[X.]h §§ 3, 11 [X.] nur deshalb zu versagen, weil si[X.]h das der [X.] zunä[X.]hst vertragli[X.]h eingeräumte [X.] nunmehr auf einen öffentli[X.]h-re[X.]htli[X.]hen Erwerbsakt stützen kann.

[X.]) Ist infolge des notariellen Vertrages vom 7. Februar 2000 ein Anspru[X.]h der Klägerin auf Duldung der Zwangsvollstre[X.]kung begründet worden, hat er si[X.]h dur[X.]h den [X.] vom 15. Mai 2002 au[X.]h ni[X.]ht in einen Wert-ersatzanspru[X.]h verwandelt. Der Primäranspru[X.]h geht nur dann in einen Wert-ersatzanspru[X.]h über, wenn dem [X.] die Erfüllung der ihm gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] obliegenden Verpfli[X.]htung unmögli[X.]h geworden ist ([X.], aaO § 11 Rn. 37). Insoweit gelten die glei[X.]hen Grundsätze wie im In-solvenzanfe[X.]htungsre[X.]ht (vgl. dort Mün[X.]hKomm-InsO/Kir[X.]hhof, § 143 Rn. 73 ff; [X.]/Hen[X.]kel, [X.]. § 37 Rn. 85). Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstü[X.]ks. Dur[X.]h dessen Erwerb in der Zwangsversteigerung ist sie weder re[X.]htli[X.]h no[X.]h tatsä[X.]hli[X.]h gehindert, für die Klägerin die Zugriffslage wiederher-zustellen, die für sie bestand, solange das Grundstü[X.]k dem S[X.]huldner gehörte (vgl. [X.], aaO § 11 Rn. 17). Die Beklagte hat daher, sofern der mit dem S[X.]huldner am 7. Februar 2000 ges[X.]hlossene notarielle Vertrag die in § 3 [X.] normierten Voraussetzungen erfüllt, die Zwangsvollstre[X.]kung in das Grundstü[X.]k zu dulden.
- 8 - II[X.]
Der Re[X.]htsfehler des Berufungsgeri[X.]hts erfordert die Zurü[X.]kverweisung (§ 563 Abs. 1 ZPO); denn eine abs[X.]hließende Sa[X.]hents[X.]heidung ist dem Senat ni[X.]ht mögli[X.]h.

1. Das erstinstanzli[X.]he Urteil bejaht eine Gläubigerbena[X.]hteiligung dur[X.]h den [X.] sowie einen Bena[X.]hteiligungsvorsatz des S[X.]huldners und die entspre[X.]hende Kenntnis der [X.]. Die Beklagte hat die tatri[X.]hterli[X.]he Würdigung streitiger ents[X.]heidungserhebli[X.]her Tatsa[X.]hen mit der Berufung angegriffen. Die insoweit erforderli[X.]hen Feststellungen wird das Berufungsgeri[X.]ht nunmehr na[X.]hzuholen haben.

2. Soweit die Beklagte vorrangige Grundpfandre[X.]hte Dritter abgelöst hat, ist sie bei Dur[X.]hführung der Zwangsvollstre[X.]kung wie der von ihr befriedigte Gläubiger zu stellen. Ihr gebührt vorab der Erlös in Höhe der abgelösten Dritt-re[X.]hte. Der Klägerin steht nur der verbleibende Restbetrag zu. Damit wird sie - 9 - im Ergebnis genauso behandelt, wie sie stände, wenn der S[X.]huldner [X.] des Grundstü[X.]ks geblieben wäre.

[X.]

[X.] Ganter

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 258/02

29.06.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2004, Az. IX ZR 258/02 (REWIS RS 2004, 2590)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2590

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