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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 139/05 Verkündet am:
5. April 2006
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja _____________________ BGB § 2039 Satz 1; ZPO § 767 Ein einzelner Miterbe ist gemäß § 2039 Satz 1 BGB prozessführungsbefugt für eine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO gegen die Zwangsvollstreckung in ein Nachlassgrundstück, wenn damit ein zum Nachlass gehörender Anspruch durchge-setzt werden soll (im Anschluss an BGHZ 14, 251). BGH, Urteil vom 5. April 2006 - IV ZR 139/05 - OLG München LG München I - 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-zenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2006 für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Mai 2005 im Kostenausspruch und insoweit aufge-hoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus zwei Grundschulden. 1 2 Er ist mit seinem Bruder - dem vormaligen Kläger zu 2) - in unge-teilter Erbengemeinschaft Eigentümer eines Grundstücks. Hieran bestell-- 3 -
ten beide der beklagten Bank mit notariellen Urkunden vom 16. Januar und 14. April 1998 zwei Grundschulden über 400.000 DM bzw. 270.000 DM und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Die Grundschulden sollten von der Beklagten an die B.
GmbH ausgereichte Darlehen sichern. Der Kläger wirft der Be-klagten vor, ihn über Liquiditätsprobleme der GmbH nicht aufgeklärt und insoweit getäuscht zu haben. Die finanzielle Situation sei ihr als Haus-bank der - inzwischen insolventen - GmbH bekannt gewesen. Die Be-klagte dürfe wegen Sittenwidrigkeit der Grundschuldbestellungen und bestehender Gegenansprüche auf Schadensersatz aus § 826 BGB und Verschulden bei Vertragsschluss (cic) nicht aus den Grundschulden voll-strecken; sie müsse diese Sicherheiten zurückgewähren. Zusätzlich hat der Kläger die Grundschuldbestellungen wegen arglistiger Täuschung angefochten, da er nicht über den - seiner Ansicht nach überhöhten - Grundschuldzins von 18% aufgeklärt worden sei.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der ersten Grundschuld stattgegeben, im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Vollstreckungsgegenklage ins-gesamt als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es zu-rückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren insgesamt weiter. 3 Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. - 4 -
I. Das Berufungsgericht hält den Kläger nicht für allein prozessfüh-rungsbefugt. Diese Befugnis ergebe sich unter anderem nicht aus § 2039 Satz 1 BGB. Dessen Anwendungsbereich sei auf materiell-rechtliche An-sprüche beschränkt. Dafür sprächen prozessökonomische Erwägungen wegen sonst möglicher "Vervielfachung von Klageverfahren mit identi-schem Streitgegenstand" und ein Vergleich mit dem weiter gefassten § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch nach der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofes (BGHZ 14, 251) lägen die Voraussetzungen des § 2039 Satz 1 BGB nicht vor, da weder die Anfechtung der Grundschuldbestel-lungen noch deren Sittenwidrigkeit oder auf § 826 BGB oder cic gestütz-te Zurückbehaltungsrechte materiell-rechtliche Ansprüche seien. Im Üb-rigen stehe § 767 Abs. 3 ZPO, der in prozessualer Hinsicht lex specialis zu § 2039 BGB sei, Vollstreckungsabwehrklagen einzelner Miterben ent-gegen. Anderenfalls könnten nicht alle Einwendungen - die einzelner Miterben nach § 2039 BGB einerseits und die, wie etwa Gestaltungs-rechte, gemäß § 2040 BGB zwingend von der gesamten Erbengemein-schaft vorzubringenden andererseits - gebündelt geltend gemacht wer-den. 5 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung bereits im Ansatz nicht stand. 6 1. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers ergibt sich aus § 2039 Satz 1 BGB, der ihn berechtigt, in gesetzlicher Prozessstand-schaft für die Erbengemeinschaft - und nicht etwa in Vertretung der übri-gen Miterben - zum Nachlass gehörende Ansprüche ohne deren Mitwir-7 - 5 -
kung auch klageweise geltend zu machen (einhellige Auffassung, vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2004 - XII ZR 323/01 - ZEV 2005, 63 unter 1 b; BGHZ 44, 367, 370 ff.; RGZ 149, 193, 194; BVerfG, NJW-RR 1998, 1081; BVerwG, Buchholz 424.01 § 149 FlurbG Nr. 5; Ann, Die Erbenge-meinschaft S. 258; Soergel/Wolf, BGB 13. Aufl. § 2039 BGB Rdn. 9; Lohmann in Bamberger/Roth, BGB § 2039 Rdn. 2; Staudinger/Werner, BGB [2002] § 2039 Rdn. 25; MünchKomm-BGB/Heldrich, 4. Aufl. § 2039 Rdn. 20; Schlüter in Erman, BGB 11. Aufl. § 2039 Rdn. 1; Stürner in Jauernig, BGB 11. Aufl. § 2039 Rdn. 3). Die davon abweichende Auffas-sung des Berufungsgerichts überzeugt nicht; die von ihm dafür angeführ-ten Gründe sind nicht tragfähig.
a) Die verschiedenen sprachlichen Fassungen der §§ 2038 Abs. 1 Satz 2 und 2039 Satz 1 BGB beruhen allein auf deren unterschiedlichen Regelungsbereichen. Sie rechtfertigen deshalb auch keine einschrän-kende Auslegung des § 2039 BGB, wie sie das Berufungsgericht vor-nehmen möchte. So reicht § 2038 BGB einerseits weiter als § 2039 BGB, da er nicht auf Ansprüche beschränkt ist, sondern auch rein tatsächliche und - anders als § 2039 BGB - auch belastende und nicht nur begünsti-gende Maßnahmen gestattet (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2005 - IV ZR 82/04 - zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ 164, 181 Rdn. 12). Andererseits geht § 2039 Satz 1 BGB über § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus, indem er zur Geltendmachung eines Anspruchs durch einen einzelnen Miterben keine Dringlichkeit voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2004 - XII ZR 323/01 - ZEV 2005, 63 unter 1 c bb). § 2039 Satz 1 BGB soll so gewährleisten, dass jeder Miterbe die durch Untätigkeit einzelner Miterben drohenden Nachteile abwenden kann, ohne selbst einen unberechtigten Sondervorteil zu haben und ohne 8 - 6 -
erst umständlich auf Zustimmung der übrigen klagen zu müssen (Proto-kolle zum BGB Bd. V S. 864 f.; RGZ 149, 193, 194; Soergel/Wolf, aaO § 2039 BGB Rdn. 1).
b) Das Bündelungsgebot des § 767 Abs. 3 ZPO steht der durch § 2039 Satz 1 BGB gewährten Prozessführungsbefugnis nicht entgegen. Es bewirkt nur eine Präklusion von Einwendungen für spätere - wiederholte - Vollstreckungsgegenklagen (Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 767 Rdn. 22). Daraus ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungs-gerichts aber keine prozessuale Pflicht, alle möglichen Einwendungen schon im ersten Verfahren geltend zu machen, mit der Folge, dass bei Nichteinhaltung dieser Pflicht eine sonst gegebene Prozessführungsbe-fugnis entfiele. 9 c) Im Falle mehrerer Klagen einzelner Miterben hinsichtlich des-selben Anspruchs können sich allerdings - prozessökonomisch gese-hen - Reibungsverluste ergeben. Das liegt in der Natur des jeweils indi-viduellen Streitgegenstandes. Danach erstreckt sich die Rechtskraft ei-nes durch einen einzelnen Miterben nach § 2039 Satz 1 BGB erwirkten Urteils nicht auf die am Prozess nicht beteiligten Miterben (RGZ aaO; BFHE 156, 8, 10). Dies ist als notwendige Folge der gesetzlichen Rege-lung hinzunehmen (BVerwG RÜ BARoV 2003, 7; Ann, aaO S. 259; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Dezember 1988 - VIII ZR 277/87 - NJW 1989, 2133 unter II 2 b). 10 11 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger mache keinen Nachlassanspruch im Sinne des § 2039 Satz 1 BGB geltend und sei deswegen daraus auch nicht prozessführungsbefugt, ist mit dem grund-- 7 -
legenden Urteil des Bundesgerichtshofes vom 13. Juli 1954 (BGHZ 14, 251) nicht zu vereinbaren.
a) Richtig ist allerdings, dass auch nach dieser Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, Nachlassansprüche gemäß § 2039 Satz 1 BGB nur solche im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB sein können. Das hindert einen einzelnen Miterben aber nicht schon grundsätzlich, eine prozessuale Gestaltungsklage zu erheben, wie sie die auf Beseitigung der einem Anspruch gewährten Vollstreckbarkeit ge-richtete Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO i.V. mit §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 797 ZPO darstellt (BGHZ 118, 229, 235 f.; 22, 54, 56). Zwar behält § 2040 BGB auch die Ausübung von Gestaltungsrechten der gesamten Erbengemeinschaft vor, doch gilt dies nur für rechtsgeschäftli-che Verfügungen. Bei der Vollstreckungsgegenklage hat indes nur - wie bei der Nichtigkeitsklage aus § 579 ZPO (BGHZ 14, 251, 255) - das rich-terliche Urteil Gestaltungswirkung. 12 b) Die bloße Einkleidung der Vollstreckungsgegenklage als Rechtsgestaltungsklage kann - ebenso wie bei der Nichtigkeitsklage - nicht verhüllen, dass die Klage nur das Mittel ist, den vom Kläger be-haupteten (materiellen) Anspruch durchzusetzen (vgl. BGHZ aaO). Die-ser zielt darauf, die Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden und damit letztlich deren Rückgewähr zu erreichen. Für dieses sachlichrechtliche Begehren kommen Ansprüche aus der Siche-rungsabrede (vgl. Wenzel, Sicherung von Krediten durch Grundschulden Rdn. 2410, 2421, 2426 m.w.N.), § 812 Abs. 1 BGB i.V. mit § 138 BGB, § 826 BGB oder cic in Betracht (vgl. BGHZ 151, 316, 327; BGH, Urteil vom 7. Mai 1987 - IX ZR 198/85 - NJW-RR 1987, 1291 unter 1). Mit sei-13 - 8 -
nem für das Revisionsverfahren als zutreffend zu unterstellenden Vortrag legt der Kläger deren Voraussetzungen hinreichend schlüssig dar. Sol-che im Zusammenhang mit der Bestellung von Grundschulden für ein Nachlassgrundstück stehende Ansprüche auf Rückgewähr oder entspre-chenden Schadensersatz könnte jeder Miterbe nach § 2039 Satz 1 BGB geltend machen. Nichts anderes kann dann aber gelten, wenn diese An-sprüche nicht unmittelbar, sondern in der verfahrensrechtlichen Einklei-dung einer Vollstreckungsgegenklage durchgesetzt werden sollen (vgl. BGHZ 14, 251; ausdrücklich zustimmend Soergel/Wolf, aaO § 2039 Rdn. 5, 8; vgl. auch MünchKomm-BGB/Heldrich, aaO § 2039 Rdn. 2, 19; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 43 III 4 a). 3. Entgegen der Revision bestehen schließlich keine Zweifel, dass der vom Kläger verfolgte Anspruch zum Nachlass gehört. Diese Zugehö-rigkeit ist gegeben, wenn die Erbengemeinschaft als solche Rechtsträge-rin des Anspruchs ist (BGHZ 23, 207, 212; Staudinger/Werner, aaO § 2039 Rdn. 7; Soergel/Wolf, aaO § 2039 Rdn. 3; MünchKomm-BGB/Hel-drich, aaO Rdn. 3). Hier richtet sich der titulierte dingliche Anspruch aus §§ 1147, 1192 Abs. 1 BGB gegen die Miterbengemeinschaft, der das Ei-gentum am belasteten Grundstück zur gesamten Hand zusteht (§§ 2032 ff. BGB; Senatsurteil vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 174/03 - NJW 2005, 284 unter 2 a). Ist aber die Gesamthand Schuldnerin eines Grundpfandrechts, so kann für einen Anspruch, der im Ergebnis auf die Rückabwicklung eben dieser Sicherheitenbestellung abzielt, nichts ande-res gelten (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1986 - IX ZR 126/85 - NJW 1987, 434 unter II 3 b zu § 2041 Satz 1 BGB; auch MünchKomm-BGB/Heldrich, aaO § 2039 Rdn. 2). Auch dieser Anspruch steht den Mit-erben zur gesamten Hand zu, er gehört zum Nachlass und kann vom 14 - 9 -
Kläger allein für die Erbengemeinschaft geltend gemacht werden. Der damit möglich gewordenen Zeugenstellung seines Miterben (vgl. nur MünchKomm-BGB/Heldrich, aaO § 2039 Rdn. 20) kann im Rahmen der Beweiswürdigung hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BGH, Ur-teile vom 2. Oktober 1987 - V ZR 182/86 - NJW-RR 1988, 126 unter II 2 b; vom 12. Dezember 1987 - II ZR 21/87 - NJW 1988, 1585 unter II 1).
Terno
Seiffert Wendt Dr. Kessal-Wulf Felsch Vorinstanzen: LG München I, Entscheidung vom 21.09.2004 - 28 O 18325/99 - OLG München, Entscheidung vom 19.05.2005 - 19 U 5594/04 -
Meta
05.04.2006
Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2006, Az. IV ZR 139/05 (REWIS RS 2006, 4110)
Papierfundstellen: REWIS RS 2006, 4110
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
LwZR 10/05 (Bundesgerichtshof)
XII ZR 210/05 (Bundesgerichtshof)
XII ZR 323/01 (Bundesgerichtshof)
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Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag neben den Regelungen über die Verwaltung des …
IV ZR 82/04 (Bundesgerichtshof)
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