Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.09.2011, Az. 10 AZR 198/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 3372

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Karenzentschädigung - Anrechnung von Arbeitslosengeld


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. November 2009 - 2 Sa 449/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anrechnung von [X.] auf den Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.

2

Der Kläger war für die Beklagte als Außendienstmitarbeiter tätig. Die Parteien schlossen 2003 eine [X.], die auszugsweise wie folgt lautet:

        

„1.     

GELTUNGSBEREICH

                 

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit dem Arbeitgeber in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist.

                 

…       

                 

Diese [X.] gilt für das gesamte Gebiet der [X.].

                          
        

2.    

ENTSCHÄDIGUNG

                 

Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt von ihm bezogenen Leistungen. Die Entschädigung wird jeweils am Schluss eines Monats gezahlt.

                 

Auf die Entschädigung ist anderweitiger Erwerb sowie böswillig unterlassener Erwerb nach Maßgabe des [X.] anzurechnen.

                 

…“    

3

Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgerechte Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 29. Februar 2008. Die zuletzt bezogene Leistung iSv. Ziff. 2 der [X.] betrug 3.215,00 [X.].

4

Der Kläger erhielt seit dem 1. März 2008 [X.] iHv. monatlich 1.659,90 [X.] bzw. ab 1. Juli 2008 iHv. monatlich 1.486,50 [X.]. Die Beklagte rechnete auf die Karenzentschädigung das um fiktive Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung erhöhte [X.] des Klägers an, soweit es zusammen mit der Hälfte der letzten Bruttovergütung den Betrag von 3.536,50 [X.] (110 % der letzten Bruttovergütung) überstieg. Sie brachte demnach für die Monate März bis Juni 2008 je 219,77 [X.] und für die Monate Juli bis Dezember 2008 je 37,92 [X.], insgesamt 1.106,60 [X.], in Abzug.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die volle Karenzentschädigung zu. Unabhängig davon, ob überhaupt eine Anrechnung von [X.] auf eine Karenzentschädigung zulässig sei, sei allenfalls der tatsächliche Zahlbetrag, nicht aber ein hochgerechneter Bruttobetrag anrechenbar.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.106,60 [X.] nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 219,77 [X.] ab dem 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008 und 1. Juli 2008 sowie auf jeweils weitere 37,92 [X.] ab dem 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008 und 1. Januar 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. [X.] sei mit einem hochgerechneten Bruttobetrag anzurechnen. Anderenfalls erziele der arbeitslose Empfänger einer Karenzentschädigung insgesamt höhere Bezüge als derjenige, der unter Beachtung der [X.] ein neues Arbeitsverhältnis begründet habe.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der [X.] hat die Revision in Höhe des noch streitigen Betrags zugelassen. Mit der Revision begehrt die Beklagte in diesem Umfang Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat aus Ziff. 2 der [X.] Anspruch auf Zahlung der vollen Karenzentschädigung.

I. Der Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung ist dem Grunde nach entstanden.

1. [X.]verbote iSv. § 74 HGB beruhen auf gegenseitigen Verträgen. Der Arbeitnehmer schuldet die Unterlassung von Wettbewerb und der Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung. Damit sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Arbeitnehmer durch die Einschränkung seines Erwerbslebens entstehen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Karenzentschädigung setzt allein voraus, dass der Arbeitnehmer den ihm verbotenen Wettbewerb unterlässt ([X.] 22. Oktober 2008 - 10 [X.]/08 - Rn. 14, [X.] HGB § 74 Nr. 83 = EzA HGB § 74 Nr. 71; 23. November 2004 - 9 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 112, 376).

2. Der Kläger hat sich nach Ziff. 1 der [X.] verpflichtet, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Wettbewerb zu der Beklagten zu treten. Er hat sich im Streitzeitraum des [X.] enthalten und damit seine geschuldete Leistung erbracht. Ihm steht deshalb eine Karenzentschädigung zu.

II. Die Beklagte war nicht berechtigt, das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld nach § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB auf die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung anzurechnen.

1. Es begegnet Bedenken, ob nach § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB Arbeitslosengeld überhaupt auf den Anspruch auf Karenzentschädigung angerechnet werden kann.

a) Nach § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB muss sich der [X.] auf die fällige Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde.

b) Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung ([X.] 16. November 2005 - 10 [X.]/05 - zu II 2 a aa der Gründe, [X.] HGB § [X.] Nr. 21 = EzA HGB § [X.] Nr. 35; 7. November 1989 - 3 [X.] - zu 3 a der Gründe, [X.]E 63, 206). [X.] sind damit grundsätzlich Arbeitsentgelt und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. In beiden Fällen handelt es sich um den Ertrag aus persönlichem Arbeitseinsatz, der erst durch die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist (vgl. [X.] 16. November 2005 - 10 [X.]/05 - zu II 2 a aa der Gründe, aaO). Der Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 ff. [X.] beruht nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Arbeitslosengeld ist ein Lohnersatz und wird von der Solidargemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als Sozialleistung aufgebracht; diese ist nicht Gegenleistung verwerteter, also tatsächlich erbrachter Arbeit ([X.] 25. Juni 1985 - 3 [X.] - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 49, 109).

c) Zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 128a [X.] hat das [X.] angenommen, durch die den § 74 ff. HGB nachfolgende Einführung einer dem Arbeitslosengeld ähnlichen Leistung durch die Verordnung über [X.] vom 13. November 1918 ([X.]. S. 1305) sowie der Arbeitslosenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ([X.]) vom 16. Juli 1927 ([X.]. S. 187) sei nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die zur Vermeidung von [X.]n durch entsprechende Anwendung des § [X.] Abs. 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld geschlossen werden müsse ([X.] 25. Juni 1985 - 3 [X.] - zu II 2 c der Gründe, [X.]E 49, 109). Beziehe der zur [X.]unterlassung Verpflichtete ungekürzt Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld, so habe er sonst bei einer den Mindestbetrag des § 74 Abs. 2 HGB übersteigenden Karenzentschädigung höhere Einkünfte als ein Arbeitnehmer, der während der Karenzzeit einer nicht verbotenen Tätigkeit nachgehe.

d) Durch Ergänzung von § 128a [X.] um Satz 3 (Siebtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2484) ist die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gesetzlich geregelt worden. Der Arbeitnehmer musste sich das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber der [X.] zu erstatten hatte, wie Arbeitsentgelt auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen. Da die volle Erstattung von Arbeitslosengeld durch den Arbeitgeber verfassungswidrig war ([X.] 10. November 1998 - 1 [X.] und 1 BvR 1081/97 - [X.]E 99, 202), wurde die gesetzliche Regelung (nunmehr § 148 [X.]) dahingehend geändert, dass der Arbeitgeber nur noch 30 % des Arbeitslosengelds zu erstatten hatte (Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 21. Dezember 2000, BGBl. I S. 1971). § 148 Abs. 1 Satz 2 [X.] bestimmte weiterhin, dass der Arbeitnehmer sich den Teil des Arbeitslosengelds, den der Arbeitgeber erstattet hatte, auf die Entschädigung für die [X.]beschränkung anrechnen lassen musste. Durch die [X.] sollte die Doppelbelastung des erstattungspflichtigen Arbeitgebers vermieden werden. § 148 [X.] ist zum 1. Januar 2004 ersatzlos aufgehoben worden ([X.] am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848), weil dem erheblichen Verwaltungsaufwand der Arbeitsverwaltung nur eine geringe Zahl von tatsächlichen Erstattungsfällen gegenüberstand (BT-Drucks. 15/1515 S. 88).

e) Nach der Aufhebung von § 148 [X.] ist nach verbreiteter Auffassung [X.] in Großkomm. HGB 5. Aufl. § [X.] Rn. 11; [X.]/[X.] 11. Aufl. § [X.] HGB Rn. 4; Bauer/Diller [X.]verbote 5. Aufl. Rn. 532; MünchKommHGB/von [X.] 3. Aufl. § [X.] Rn. 11) die bis zum Inkrafttreten des § 128a Satz 3 [X.] vorhandene Regelungslücke wieder entstanden, sodass § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld wieder entsprechend anzuwenden sein soll. Die Aufhebung der Anrechnungsregelung des § 148 Abs. 1 Satz 2 [X.] sei im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers zu sehen und nur ihre konsequente Folge [X.] aaO). Das [X.] hat die Frage der Anrechnung bisher offengelassen ([X.] 16. November 2005 - 10 [X.]/05 - Rn. 20, [X.] HGB § [X.] Nr. 21 = EzA HGB § [X.] Nr. 35; 23. November 2004 - 9 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 112, 376).

f) Es ist zweifelhaft, ob es nach der Aufhebung von § 148 [X.] noch eine gesetzliche Grundlage für die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gibt. Die Annahme einer erneuten „planwidrigen“ Regelungslücke begegnet Bedenken, weil eine bestehende gesetzliche Anrechnungsbestimmung aufgehoben worden ist. Dies gilt umso mehr, als nach § 148 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 [X.] nur 30 % des Arbeitslosengelds angerechnet werden konnten und die Schließung einer vermeintlichen Regelungslücke durch analoge Anwendung von § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB nunmehr zu einer vollen Anrechnung führen würde.

Dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen. Er kann die Solidargemeinschaft der Versicherten entlasten und die Anrechnung von Karenzentschädigung auf den Bezug von Arbeitslosengeld im Rahmen von Obergrenzen bestimmen oder er kann den vormaligen Arbeitgeber entlasten und die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung regeln. Denkbar ist auch, von einer Anrechnung grundsätzlich abzusehen. Der Arbeitnehmer, der sich des [X.] enthält, erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung und hat deshalb Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung. [X.] zu § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Nr. 3 [X.] müssen dabei nicht entstehen, weil vertragliche Situation und Interessenlage gegenüber dem Fall des Annahmeverzugs nicht deckungsgleich sind. Bei Bezug von Arbeitslosengeld während des Annahmeverzugs geht der Vergütungsanspruch nach § 115 SGB X auf die [X.] über; der Arbeitnehmer behält seine vertraglich gesicherte Position. Nach Ablauf eines [X.]verbots trägt der arbeitslose Arbeitnehmer dagegen das Risiko, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Dieses Risiko besteht nicht, wenn er während der Dauer des [X.]verbots einer erlaubten Arbeit nachgeht. In diesem Fall ist der anderweitige Verdienst allerdings nach § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB anzurechnen; hierdurch wird eine Übersicherung des Arbeitnehmers durch den Bezug von Karenzentschädigung, obwohl er wegen des [X.]verbots keine beruflichen Nachteile erleidet, vermieden (vgl. [X.] 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, [X.] 2008, 1558; MünchKommHGB/von [X.] § [X.] Rn. 2).

2. Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung von § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB dennoch in Betracht kommt. Die Einkünfte des [X.] aus Karenzentschädigung und ausgezahltem Arbeitslosengeld erreichen die [X.] des § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB nicht. Selbst wenn zugunsten der Beklagten eine Anrechnungsmöglichkeit unterstellt wird, besteht der geltend gemachte Anspruch, weil der Arbeitgeber allenfalls den tatsächlichen Auszahlungsbetrag, nicht jedoch einen fiktiv aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneten Bruttobetrag anrechnen kann (zur Rechtslage vor Aufhebung des § 148 [X.]: [X.] 23. November 2004 - 9 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 112, 376; zur früheren Rechtslage nach § 128a Satz 3 [X.]: 27. November 1991 - 4 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.]E 69, 119; zur jetzigen Rechtslage: [X.] 14. August 2007 - 4 [X.]/07 - zu II 2 b bb der Gründe; [X.]/[X.] § [X.] HGB Rn. 4; [X.]/[X.]. 14. Aufl. § 55 Rn. 82; [X.] in Großkomm. HGB § [X.] Rn. 12; [X.] Rn. 534 ff.; [X.] 2008, 1680, 1682 f.).

a) Anderweitige Einkünfte aus unselbstständiger Beschäftigung sind zwar mit dem Bruttoarbeitslohn anzusetzen. Das Sozialversicherungsrecht kennt aber weder ein „[X.] noch ein „Brutto“-, sondern nur ein sozialversicherungsrechtlich ausgestaltetes Arbeitslosengeld. Bemessungsgrundlage ist das durchschnittlich auf einen Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt (§§ 131, 132 [X.]), das um eine Sozialversicherungspauschale und um die Lohnsteuer und den [X.] vermindert wird. Daraus resultiert das Leistungsentgelt gemäß § 133 [X.], aus dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld prozentual ermittelt wird. Der Auszahlungsbetrag ist steuerfrei (§ 3 Nr. 2 EStG), die Beiträge zur Sozialversicherung trägt die [X.] allein (§ 251 Abs. 4a SGB V, § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI, § 59 Abs. 1 SGB XI). Der Anspruch des Arbeitslosen besteht (nur) auf den Auszahlungsbetrag.

b) Diese Besonderheiten des sozialversicherungsrechtlichen [X.] rechtfertigen keine an Sinn und Zweck von § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB orientierte Auslegung, ein auf die Karenzentschädigung anrechenbares Arbeitslosengeld auf einen fiktiven Bruttobetrag hochzurechnen. Die Anrechnung ist ein Eingriff in das vereinbarte Leistungsprogramm der Parteien; dass Leistungen Dritter innerhalb eines gegenseitigen Vertrags überhaupt auf die Gegenleistung angerechnet werden können, ist eine Ausnahme ([X.]/[X.] § [X.] HGB Rn. 1). Die Beschränkung der Anrechnung auf den Auszahlungsbetrag kann zwar bewirken, dass der Arbeitslose während der Bezugsdauer höhere [X.] erzielt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der für die Zeit des nachvertraglichen [X.]verbots einer konkurrenzfreien Tätigkeit nachgeht; dies rechtfertigt es aber nicht, die Sozialleistung des Arbeitslosengelds ohne gesetzliche Grundlage wie [X.] zu behandeln. Durch die Inanspruchnahme des Arbeitslosengelds wird der Anspruch nach Maßgabe der §§ 127, 128 [X.] verbraucht. Der vormalige Arbeitgeber und die Solidargemeinschaft der Versicherten werden nach den gesetzlichen Bestimmungen auch vor missbräuchlichem Verhalten geschützt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen. Bei unzureichenden Eigenbemühungen oder Arbeitsablehnung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 144 [X.] für die Dauer einer Sperrzeit. Der frühere Arbeitgeber kann böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen, wenn der Arbeitnehmer eine ihm mögliche und nach den gesamten Umständen zumutbare Tätigkeit nicht aufnimmt (vgl. [X.] 13. November 1975 - 3 [X.] - zu IV 1 der Gründe, [X.] HGB § [X.] Nr. 7 = EzA HGB § [X.] Nr. 16). Nur in diesem Fall besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeit der Anrechnung fiktiver Bruttobezüge. Bei bestehender Arbeitslosigkeit und der durch das [X.]verbot bedingten erschwerten Wiedereingliederung des Arbeitslosen in das Erwerbsleben besteht kein Anlass, zum Schutz des Arbeitgebers die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung durch extensive Auslegung der Anrechnungsvorschrift des § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB zu mindern. Nach dem Schutzzweck von § [X.] Abs. 1 Satz 1 HGB dient die Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbs auch nicht der Entlastung des Arbeitgebers; diese ist bloßer Reflex der Regelung ([X.] 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, [X.] 2008, 1558).

III. [X.] ist der Höhe nach begründet. Die Karenzentschädigung des [X.] beträgt 1.607,50 [X.] monatlich. Sie übersteigt zusammen mit dem monatlichen Arbeitslosengeld iHv. 1.659,90 [X.] (1. März bis 30. Juni 2008) bzw. iHv. 1.486,50 [X.] (ab 1. Juli 2008) das frühere Einkommen (3.215,00 [X.] brutto) nicht um mehr als ein Zehntel. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    [X.]    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    A. Effenberger    

                 

Meta

10 AZR 198/10

14.09.2011

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 3. Februar 2009, Az: 7 Ca 193/08, Urteil

§ 615 S 2 BGB, § 74 HGB, § 74c HGB, § 11 S 1 Nr 3 KSchG, § 133 SGB 3, § 148 SGB 3 vom 21.12.2000

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.09.2011, Az. 10 AZR 198/10 (REWIS RS 2011, 3372)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3372

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 AZR 243/13 (Bundesarbeitsgericht)

Wettbewerbsverbot - Entschädigung nach Ermessen


8 AZR 498/20 (Bundesarbeitsgericht)

Karenzentschädigung - Anrechnung anderweitigen Erwerbs


10 AZR 291/09 (Bundesarbeitsgericht)

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot - Wahlrecht des Arbeitnehmers bei unverbindlichen Vorvertrag - Schriftform - Gesamturkunde


10 AZR 448/15 (Bundesarbeitsgericht)

Wettbewerbsverbot - salvatorische Klausel


10 AZR 340/18 (Bundesarbeitsgericht)

Karenzentschädigung - Auskunft - Gewinnanrechnung


Referenzen
Wird zitiert von

9 Sa 152/15

14 Sa 1385/11

4 Sa 416/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.