Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. IV ZR 343/07

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1925

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[X.] BESCHLUSS [X.]/07 vom 17. September 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________

ZPO § 121 Abs. 1 Im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann der [X.] eine Rechtsanwaltssozietät beigeordnet werden.
[X.], Beschluss vom 17. September 2008 - [X.]/07 - [X.]

LG Hannover
- 2 -

[X.] hat durch [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] am 17. September 2008 beschlossen: Dem Kläger wird für das Verfahren über die Nichtzulas-sungsbeschwerde der Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 22. No-vember 2007 Prozesskostenhilfe gewährt und die Sozietät der Rechtsanwälte Prof. Dr. Vorwerk und [X.], [X.] 27, [X.], beigeordnet. Der Kläger hat monatliche Raten in Höhe von 60 • an die Landeskasse zu zahlen.
Gründe: Dem Kläger war im Rahmen der nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO gewährten Prozesskostenhilfe antragsgemäß die Rechtsanwaltssozietät Prof. Dr. Vorwerk und [X.] nach § 121 Abs. 1 ZPO für das Nicht-zulassungsbeschwerdeverfahren beizuordnen. Diese Vorschrift ist ver-fassungskonform dahin auszulegen, dass nicht nur eine persönliche Bei-ordnung eines einzelnen Rechtsanwalts vom Gesetz gestattet wird. [X.] sind die folgenden Erwägungen maßgebend: 1 - 3 -

1. Die Bundesrechtsanwaltsordnung ([X.]) ermöglicht [X.], deren Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist, die Zulassung als Rechtsanwaltsgesell-schaft (§ 59c Abs. 1 [X.]). Nach § 59l [X.] kann die Rechtsanwalts-gesellschaft als Prozess- und Verfahrensbevollmächtigte beauftragt wer-den. Sie hat dann die Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts, kann allerdings nur durch solche Organe und Vertreter handeln, in deren Per-son die für die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen gesetzlich vor-geschriebenen Voraussetzungen vorliegen. Trotz dieser Einschränkung wird die Bestimmung teilweise dahin verstanden, dass die [X.] selbst - und nicht nur die für sie nach § 59l Satz 3 [X.] jeweils handlungsbefugte Person - prozess- und postulationsfähig ist mit der Folge, dass die Gesellschaft als solche einer [X.] im Rah-men der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 121 Abs. 1 ZPO [X.] werden kann ([X.] NJW 2002, 3715 m.w.N.; [X.] OLGR 2001, 153, juris [X.]. 11, zustimmend [X.], ZPO 6. Aufl. § 121 Rdn. 6 a.E.; [X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 121 Rdn. 2). 2 2. Ähnliches gilt für die Partnerschaftsgesellschaft. § 7 Abs. 4 [X.] lässt es ähnlich wie §§ 59c i.V. mit 59l [X.] zu, dass [X.] als Prozess- und Verfahrensbevollmächtigte be-auftragen, wobei auch hier die Gesellschaft durch ihre Partner und Ver-treter handelt und § 7 Abs. 4 Satz 2 [X.] anordnet, dass diese jeweils in ihrer Person die für die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen ge-setzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen aufweisen müssen. 3 - 4 -

3. Für die in der Rechtsform einer [X.] (GbR) betriebene Anwaltssozietät ist spätestens mit der Ent-scheidung des [X.] vom 29. Januar 2001 ([X.], [X.]Z 146, 341 ff.) eine grundlegende Änderung der rechtlichen An-schauung eingetreten, weil ihr nunmehr die Rechtsfähigkeit einschließ-lich der [X.]fähigkeit zugestanden wird, soweit sie am Rechtsverkehr teilnimmt ([X.]Z aaO S. 343 ff.). Sie untersteht insoweit auch dem Schutz der [X.]. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. 4 4. Eine Beschränkung der Beiordnungsmöglichkeit auf Rechtsan-wälte als Einzelpersonen würde die Rechtsanwaltssozietät in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübung einschränken, ohne dass sich dafür heute noch tragfähige Gründe finden ließen (vgl. dazu auch [X.] in [X.], 847). Zugleich könnte die Anwaltssozietät gegen-über Einzelanwälten, der Rechtsanwaltsgesellschaft und der [X.] in einer den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG be-rührenden Weise benachteiligt sein. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass der dem Prozesskostenhilferecht immanente Grundsatz der [X.] berührt ist, wenn einerseits eine vermögende [X.] in der Lage ist, für sich eine Anwaltssozietät mit den aus deren Arbeitsteilung erwachsenden Vorteilen zu verpflichten, andererseits aber die auf [X.] angewiesene [X.] jeweils auf die Vertretung durch ei-nen einzelnen Rechtsanwalt beschränkt ist (vgl. [X.] aaO). 5 Es tritt hinzu, dass die Rechtslage für den Mandanten einer [X.] schwer durchschaubar wird, wenn ihm während des [X.] lediglich ein bestimmter Sozius nach § 121 Abs. 1 ZPO beigeordnet wird. Nach der Rechtsprechung des [X.] fin-6 - 5 -

det ein zuvor mit der Sozietät geschlossener Mandats-Vertrag mit der Beiordnung nicht ohne Weiteres sein Ende ([X.], Urteil vom 23. Sep-tember 2004 - IX ZR 137/03 - NJW-RR 2005, 261 unter [X.]). Aus dem fehlenden Gleichlauf von Mandat und Beiordnung erwachsen sodann weitere Probleme hinsichtlich der Frage, inwieweit die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch den Honoraranspruch der Sozietät erfasst, bzw. inwieweit jedenfalls der schließlich allein beigeordnete Rechtsan-walt gehalten ist, den Mandanten über die gebührenrechtlichen Folgen des fehlenden Gleichlaufs von Mandat und Beiordnung zu belehren, um sich nicht mit Blick auf den mitunter fortbestehenden Honoraranspruch der Sozietät schadensersatzpflichtig zu machen (vgl. dazu [X.] aaO). 5. Zwar wird in der Rechtsprechung auch nach der mit der Ent-scheidung [X.]Z 146, 341 ff. verbundenen Zuerkennung der Rechtsfä-higkeit der [X.] teilweise weiterhin die [X.] vertreten, der Wortlaut des § 121 Abs. 1 ZPO verbiete die Bei-ordnung einer Rechtsanwaltssozietät ([X.], Beschluss vom 2. Mai 2003 - 7 U 11/03 -; [X.], Beschluss vom 4. Juli 2006- L 15 [X.]/03 R KO - beide veröffentlicht in juris). Das stützt sich zum einen darauf, dass der Gesetzgeber trotz der Neuregelungen über die Rechtsanwaltsgesell-schaft (§§ 59c ff. [X.]) davon abgesehen hat, die §§ 78 und 121 ZPO neu zu fassen und die Beiordnungsmöglichkeit auf die Rechtsanwaltsge-sellschaft zu erweitern, zum anderen darauf, dass mit der persönlichen Beiordnung eines einzelnen Rechtsanwalts vermieden werde, dass etwa ein in einer entfernt gelegenen Niederlassung derselben Sozietät tätiger Rechtsanwalt für die bedürftige [X.] auftreten und hierdurch höhere Kosten verursachen könne. 7 - 6 -

Beide Argumente überzeugen nicht. 8 a) Wie bereits dargelegt, ist die Beiordnungsfähigkeit der [X.] mittlerweile ungeachtet der Tatsache anerkannt, dass der Gesetzgeber insoweit von einer Änderung des § 121 Abs. 1 ZPO abgesehen hat. Allein die Tatsache, dass der Wortlaut des § 121 ZPO unverändert fortbesteht, beantwortet im Übrigen nicht die Frage, ob die Vorschrift vor dem Hintergrund der inzwischen eingetretenen Rechts-entwicklung in Bezug auf die Rechtsanwalts- und die Partnerschaftsge-sellschaft einer Korrektur mittels verfassungskonformer Auslegung [X.]. Zu der im Jahre 1998 geschaffenen Neuregelung der §§ 59c ff. [X.] und den bereits im Jahre 1995 geschaffenen Regelungen über die Partnerschaftsgesellschaft (vgl. dazu Schultz in Festschrift für [X.], 2008, [X.], 526) tritt inzwischen hinzu, dass spätestens seit der zu Beginn des Jahres 2001 ergangenen Entscheidung [X.]Z 146, 341 ff. die Rechtsfähigkeit der [X.], damit auch der Rechtsanwaltssozietät, anerkannt ist. Damit ist der wesentliche Grund, die Sozietät von einer Beiordnung auszuschließen, entfallen. 9 b) Auch das vom [X.] (aaO juris [X.]. 3-5) und - ihm folgend - dem [X.] (aaO juris [X.]. 22) ins Feld geführte [X.] ist nicht geeignet, die Rechtsanwalts-sozietät von einer Beiordnung nach § 121 Abs. 1 ZPO auszuschließen. Der Gefahr, dass im Rahmen einer Sozietätsbeiordnung ein auswärtiger Rechtsanwalt für die bedürftige [X.] auftritt und Kosten verursacht, die bei einer Einzelbeiordnung nicht entstanden wären, kann im Einzelfall nach § 121 Abs. 3 ZPO ausreichend begegnet werden, etwa dadurch, dass das Gericht die Beiordnung einer überörtlich tätigen Sozietät von 10 - 7 -

der Zusage abhängig macht, auf die Erstattung von Reisekosten für [X.] aus entfernt gelegenen Niederlassungen zu verzichten, oder bereits der Beiordnungsantrag dahin ausgelegt wird, dass er einen solchen Ver-zicht enthalte (vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 10. Oktober 2006 - [X.] - NJW 2006, 3783 unter [X.]. 7; [X.]/[X.] aaO Rdn. 13b).
[X.] [X.] [X.] Dr. [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.03.2007 - 13 O 125/06 - [X.], Entscheidung vom 22.11.2007 - 8 U 105/07 -

Meta

IV ZR 343/07

17.09.2008

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. IV ZR 343/07 (REWIS RS 2008, 1925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1925

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