Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2004, Az. 2 StR 492/03

2. Strafsenat | REWIS RS 2004, 3335

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 [X.] vom 5. Mai 2004 in der Strafsache gegen

wegen Geiselnahme u. a.
- 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 5. Mai 2004, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.] als Vorsitzender,

und die [X.]in am [X.] Dr. [X.], die [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], die [X.]in am [X.] Roggenbuck,

Bundesanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
- 3 - Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. Mai 2003 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Von Rechts wegen

Gründe: [X.] Das [X.] hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das [X.] hat keinen Erfolg. Nach den Feststellungen des [X.]s verdächtigte der Angeklagte die Geschädigte B., sein Portemonnaie mit 1200 • Bargeld ent- wendet zu haben. Als die Geschädigte den Diebstahl abstritt, hielten sie der Angeklagte und zwei Mittäter über mehrere Stunden in ihrer Wohnung fest, durchsuchten die Wohnung und versuchten, sie abwechselnd durch gutes [X.] und den Einsatz körperlicher Gewalt und Drohungen dazu zu bringen, den Diebstahl einzugestehen. Die Geschädigte wurde u. a. mit den Händen und mit einem Brotmesser geschlagen, mit einem zerrissenen Kissenbezug - 4 - stranguliert, so daß sie in Luftnot geriet, und mit einem heißen Bügeleisen am Gesicht bedroht. Der Angeklagte täuschte der Geschädigten vor, er werde sie durch einen [X.] Freund abholen lassen, der sie auf den Strich schicken werde. Diese Rolle übernahm der Bruder des Angeklagten, der in der [X.] erschien und die Geschädigte durch Äußerungen, man könne durch [X.] ihrer Organe zusätzliches Geld einnehmen, noch mehr ängstigte. Dennoch bestritt die Geschädigte weiterhin den Diebstahl. Eine zwischenzeitli-che Suche nach dem Portemonnaie im Gasthaus der Eltern des Angeklagten blieb erfolglos. Die vollkommen erschöpfte und verstörte Geschädigte, die da-nach mit dem Angeklagten wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt war, sah zum Schluß keinen anderen Ausweg mehr, als sich mit einem [X.] die Pulsadern aufzuschneiden, woraufhin der Angeklagte einen Notarzt rief. I[X.] Die Revision des Angeklagten hat fünf Verfahrensrügen erhoben (im einzelnen siehe nachstehend); mit der Sachrüge macht sie insbesondere gel-tend, daß die Feststellungen bezüglich der Voraussetzungen sowohl des § 46 a StGB als auch des § 239 b Abs. 2 i. V. m. § 239 a Abs. 4 StGB lückenhaft seien und daß die erkannte Strafe unvertretbar hoch sei. Die [X.] sind [X.] oder unbegründet. 1. Die vier Angeklagten waren während der Vernehmung der [X.] aus dem Sitzungssaal entfernt worden (§ 247 StPO). Während der Verneh-mung am dritten Hauptverhandlungstag wurden ausweislich des Protokolls die Lichtbilder [X.]. 29 bis 32 der Akte, welche den Tatort (Wohnung der [X.]) zeigen, "zum Gegenstand der Verhandlung gemacht, von der Zeugin und Ne-benklägerin und den Verfahrensbeteiligten eingesehen". Anschließend bekun-dete die Zeugin auf Fragen der Beteiligten weiter zur Sache. Die Ver- - 5 - nehmung der Zeugin wurde sodann unterbrochen und sie verließ den [X.]. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung mit den Angeklagten [X.] sie über den wesentlichen Inhalt der Vernehmung der Zeugin und Neben-klägerin unterrichtet. Ein Verfahrensfehler (§ 247 StPO i. V. m. § 338 Nr. 5 StPO) ist entgegen der Auffassung der Revision und des Vertreters der [X.] nicht nachgewiesen. Die Niederschrift über die Hauptverhandlung ist unklar. Das Wort "Au-genschein" wird dort nicht verwendet. Nach dem auslegungsfähigen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls kommt sowohl in Betracht, daß die Lichtbilder zur Veranschaulichung der Aussage der Zeugin bei der Darstellung der Örtlichkei-ten und somit als Vernehmungsbehelf dienten (vgl. BGHSt 18, 51, 54), als auch, daß eine förmliche Beweisaufnahme (Einnahme eines gerichtlichen Au-genscheins) stattgefunden hat. Auch die Einbeziehung der sonstigen [X.] führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis: Der Umstand, daß die Verwendung der Lichtbilder überhaupt protokol-liert worden ist, könnte zwar auf eine förmliche Beweisaufnahme hindeuten, denn die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelf im Verlauf einer Zeugenvernehmung bedarf nicht der Aufnahme in die Sitzungs-niederschrift ([X.], [X.] Aufl. § 273 Rdn. 8). Entsprechende Protokollierungen erfolgen jedoch nach der Erfahrung des Senats immer wie-der, so daß der Protokollierung als solcher kein Beweiswert für die eine oder andere Auslegung zukommt. Die Tatsache, daß die Lichtbilder in der [X.] als Beweismittel genannt worden sind, belegt nicht, daß sie auch tat-sächlich zum förmlichen Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden sind. Es ist nicht unüblich, daß nicht alle in der Anklageschrift aufgeführten - 6 - Beweismittel in der Hauptverhandlung verwendet werden. Aus dem Urteil ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Augenscheinseinnahme; dort werden die [X.] nicht erwähnt. Soweit der [X.] der Staatsanwaltschaft den Vorgang für sich als Augenscheinseinnahme notiert hat, ist er möglicherweise einem Irrtum erlegen; hierfür könnte sprechen, daß er auch das schlichte [X.] an die Angeklagten, Einsicht in die Lichtbilder zu nehmen, als Wiederho-lung der Augenscheinseinnahme vermerkt hat. Dieses Angebot an die Ange-klagten muß nicht deshalb erfolgt sein, weil eine förmliche Augenscheinsein-nahme vorangegangen ist; möglicherweise sollte ihnen die angebotene [X.] in die Lichtbilder auch nur zum besseren Verständnis des mitgeteil-ten Inhalts Zeugenaussage dienen. Hierfür könnte sprechen, daß der [X.] diesen Vorgang nach seiner dienstlichen Erklärung nicht für protokollierungsbedürftig gehalten hat, was für einen Vernehmungs-behelf zutrifft. Im übrigen läßt auch die dienstliche Erklärung des Vorsitzenden nicht erkennen, ob in Abwesenheit der Angeklagten eine Augenscheinsein-nahme stattgefunden hat. Nach alledem bleibt die Formulierung im Protokoll mehrdeutig. Eine Auslegung "in dubio pro reo" zugunsten des Angeklagten kommt nicht in Betracht. Verfahrensfehler müssen nachgewiesen sein ([X.] in [X.]. § 344 Rdn. 41). Das ist hier nicht der Fall. 2. Am vierten Verhandlungstag wurde die Hauptverhandlung nach einer Unterbrechung ab 14.05 Uhr ohne die Angeklagten fortgesetzt. In ihrer Abwe-senheit wurde auf den am ersten Hauptverhandlungstag gefaßten und ihnen bekannt gegebenen Beschluß über ihre Entfernung aus dem Sitzungszimmer für die Dauer der Vernehmung der [X.] Bezug genommen und die Vernehmung der Zeugin fortgesetzt. Dieses Vorgehen läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der [X.] galt für alle Abschnitte der Verneh-mung dieser Zeugin. - 7 - 3. Am vierten Hauptverhandlungstag hat der Verteidiger des Angeklag-ten mit der [X.] die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs in Abwesenheit des Angeklagten erörtert. Dieser Vorgang war hier Teil der [X.] und von dem am ersten Hauptverhandlungstag gefaßten Beschluß gedeckt. 4. [X.] der fehlerhaften Ablehnung des am vierten Hauptverhand-lungstag gestellten Beweisantrags auf Einholung eines psychologischen Sach-verständigengutachtens ist unzulässig, weil die Revision zwar den Inhalt die-ses Beweisantrags mitteilt, nicht aber den Inhalt des darin in Bezug genomme-nen Beweisantrags betreffend die Einholung eines psychiatrischen Sachver-ständigengutachtens zur Aussagetüchtigkeit der Zeugin. 5. Die Begründung, mit der die [X.] den Beweisantrag vom fünf-ten Hauptverhandlungstag auf Einholung eines aussagepsychologischen Sach-verständigengutachtens über die [X.] abgelehnt hat, hält der recht- lichen Nachprüfung stand. Die [X.] hat durch die Zuziehung des Sachverständigen Prof. Dr. G. die Beweisaufnahme auch auf die Frage des Einflusses einer posttraumatischen Belastungsstörung auf die [X.] und die Erinnerungsfähigkeit der [X.] erstreckt. Durch die Anhörung des Sachverständigen hat sie sich entsprechende eigene Sachkun-de verschafft, so daß sie mit dieser Begründung entsprechende Beweisanträge ablehnen konnte. 6. Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auf den unklaren Feststellungen, ob die Voraussetzungen des § 46 a StGB vorliegen, beruht das Urteil nicht. Falls die Voraussetzungen des § 46 a - 8 - StGB vorliegen, ist dieser vertypte [X.] dadurch verbraucht, daß die [X.] das Bemühen des Angeklagten um den Täter-Opfer-Ausgleich ebenso wie den Umstand, daß er die Tat abbrach, als die Zeugin einen Selbstmordversuch unternahm, bei der Bejahung eines minder schweren Falls der Geiselnahme berücksichtigt hat. Eine weitere Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB kommt dann nach § 50 StGB nicht in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 46 a StGB hingegen nicht vor, scheidet auch eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB aus. Die von der [X.] gegen den Angeklagten verhängte Strafe liegt innerhalb des dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumten Ermes-sens, ihre Höhe ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. [X.] [X.]

[X.]

Roggenbuck

Meta

2 StR 492/03

05.05.2004

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2004, Az. 2 StR 492/03 (REWIS RS 2004, 3335)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3335

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