Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2017, Az. XII ZB 590/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10179

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Gegenstand

Erhöhte Vergütung des Berufsbetreuers: Vergleichbarkeit des Fernkurses "Hochschulzertifikatskurs Rechtliche Betreuung" der BeckAkademie mit einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule


Leitsatz

Der von der BeckAkademie angebotene, auf die Dauer von neun Monaten angelegte Fernkurs "Hochschulzertifikatskurs Rechtliche Betreuung" mit einem Arbeitspensum ("workload") von 1.080 Stunden (36 ECTS-Punkte) ist nicht mit einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG vergleichbar (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 12. April 2017, XII ZB 86/16, FGPrax 2017, 144).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.] (Oder) vom 22. November 2016 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Wert: 22 €

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 1 begehrt eine Vergütung als Betreuer u.a. in Höhe von 44 € pro Stunde.

2

Er ist seit mehreren Jahren als Berufsbetreuer des mittellosen Betroffenen bestellt und verfügt über einen Berufsabschluss als staatlich anerkannter Rettungsassistent. Ferner schloss er im Juni 2016 erfolgreich einen von der [X.] und der [X.] Fernkurse veranstalteten "Hochschulzertifikatskurs Rechtliche Betreuung" ab. Die Qualifizierungsmaßnahme ist auf die Dauer von neun Monaten angelegt und umfasst ein Arbeitspensum ("workload") von 1.080 Stunden (36 [X.]-Punkte).

3

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt, seine Vergütung für die Tätigkeit im Zeitraum vom 23. März 2016 bis zum 22. Juni 2016 auf 373,80 € zu Lasten der Staatskasse festzusetzen, ausgehend von einem Stundensatz von 33,50 € und ab dem 5. Juni 2016 von 44 €. Das Amtsgericht hat die Vergütung auf 351,75 € festgesetzt und dabei einen durchgehenden Stundensatz von 33,50 € zugrunde gelegt. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

5

1. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

6

Bei der Festsetzung der Betreuervergütung habe das Amtsgericht gemäß §§ 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3, 1908 i Abs. 1 BGB iVm §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] zu Recht lediglich einen Stundensatz von 33,50 Euro zugrunde gelegt.

7

Der Beteiligte zu 1 erfülle nicht die Voraussetzungen für einen erhöhten Stundensatz von 44 €. Hierfür sei der bei der [X.] bzw. der [X.] absolvierte "Hochschulzertifikatskurs Rechtliche Betreuung" nicht ausreichend. Der Fernlehrgang sei in seiner Wertigkeit nicht mit einem Hochschulstudium vergleichbar. Denn bei Betrachtung der maßgeblichen Kriterien des Zeitaufwandes und der Zulassungsvoraussetzungen zeige sich, dass der Lehrgang mit einer Stundenzahl von nur 1.080 und ohne erkennbare Zulassungsbeschränkungen keinem Hochschulstudium gleichkommen könne. Dabei bleibe nicht unberücksichtigt, dass der Fernlehrgang offenbar ausschließlich für das Betreuungsverfahren relevantes Wissen vermitteln soll, so dass insoweit wohl ein breiteres Spektrum betreuungsrelevanter Kenntnisse vermittelt werde als in einem Hochschulstudium, das dennoch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] erfülle. Entscheidend sei, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] nicht ausschließlich an den Umfang vermittelter Kenntnisse, sondern auch an das Erreichen einer nicht selbstverständlichen beruflichen Qualifikation anknüpfe. Ein grundsätzlich auf viele Jahre angelegtes Hochschulstudium erfolgreich zu absolvieren, stelle schon an sich ein besonderes Leistungsmerkmal dar. Ansonsten hätte es der vergütungsrechtlichen Unterscheidung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 [X.] zwischen einer abgeschlossenen Lehre und der abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule nicht bedurft. Im Übrigen gehe auch der [X.] ausdrücklich davon aus, dass Fortbildungen und/oder Ausbildungen mit einem festzustellenden Zeitaufwand von um die 1.000 Stunden gerade nicht mit einer Hochschulausbildung vergleichbar sein könnten, weil dies nicht im Ansatz den üblichen [X.] entspreche. Allein die Tatsache, dass der vorliegende Lehrgang regulär sogar in nur neun Monaten absolviert werden könne, zeige bereits hinreichend auf, dass er einem Hochschulstudium nicht vergleichbar gegenüberstehen könne.

8

2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

9

a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] beträgt der Stundensatz eines Berufsbetreuers 44 €, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

Einer Hochschulausbildung vergleichbar ist eine Ausbildung, die in ihrer Wertigkeit einer Hochschulausbildung entspricht und einen formalen Abschluss aufweist. Gleichwertig ist eine Ausbildung nach ständiger Rechtsprechung des Senats, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt ist und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem eines Hochschulstudiums entspricht. Als Kriterien können somit insbesondere der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, der Umfang und Inhalt des Lehrstoffs und die Zulassungsvoraussetzungen herangezogen werden. Für die Annahme der Vergleichbarkeit einer Ausbildung mit einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung kann auch sprechen, wenn die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation Zugang zu beruflichen Tätigkeiten ermöglicht, deren Ausübung üblicherweise Hochschulabsolventen vorbehalten ist. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit hat der Tatrichter strenge Maßstäbe anzulegen (Senatsbeschluss vom 12. April 2017 - [X.]/16 - juris Rn. 9; s. auch Senatsbeschlüsse vom 4. April 2012 - [X.] 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 16 und vom 18. Januar 2012 - [X.] 409/10 - FamRZ 2012, 629 Rn. 11 f.).

Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 12. April 2017 - [X.]/16 - juris Rn. 10 mwN).

b) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des [X.]s stand. Es ist nichts dagegen zu erinnern, dass das [X.] den von dem Beteiligten zu 1 erfolgreich abgeschlossenen "Hochschulzertifikatskurs Rechtliche Betreuung" nicht als eine mit einem Hochschulstudium i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] vergleichbare Ausbildung angesehen und ihm deshalb eine Vergütung in Höhe von 44 € pro Stunde versagt hat.

Das [X.] hat die Vergleichbarkeit der hier gegenständlichen Fortbildung mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium bereits an dem vergleichsweise geringen zeitlichen Umfang und an den fehlenden Zulassungsbeschränkungen scheitern lassen. Dass die hierzu getroffenen Feststellungen des [X.]s unzutreffend sind, ist nicht ersichtlich und von der Rechtsbeschwerde auch nicht dargelegt. Da vorliegend bereits aufgrund dieser beiden Kriterien eine Vergleichbarkeit ausgeschlossen ist, bedurfte es im Übrigen keiner weiteren Feststellungen. Die Entscheidung des [X.]s beruht daher entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf einer unvollständigen und rechtsfehlerhaften tatrichterlichen Würdigung. Das [X.] hat die maßgeblichen Kriterien rechtsfehlerfrei auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats gewürdigt. [X.] Ermessensfehler zeigt die Rechtsbeschwerde insoweit nicht auf.

aa) Unstreitig umfasst die vom Beteiligten zu 1 absolvierte Ausbildung zum Betreuer ein Arbeitspensum ("workload") von 1.080 Stunden (36 [X.]) bei einer Ausbildungsdauer von neun Monaten und bleibt damit erheblich hinter dem eines [X.] zurück, das sich in der Regel auf mindestens 180 [X.] bei sechs Studiensemestern erstreckt (vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2017 - [X.]/16 - juris Rn. 15).

Zwar hat der Senat für die Ausbildung zum "Zertifizierten Betreuer - Curator de jure" mit 90 [X.] (2.700 Stunden) bei einer Ausbildungsdauer von vier Semestern die tatrichterliche Würdigung noch gebilligt, wonach die zeitliche Abweichung nicht so gewichtig ist, weil die Ausbildung andere Kriterien erfülle, die für die Vergleichbarkeit mit einem Hochschulstudium kennzeichnend seien (Senatsbeschluss vom 12. April 2017 - [X.]/16 - juris Rn. 15). Dabei hat er diese Entscheidung zu seiner bisherigen Rechtsprechung aber auch dahin abgegrenzt, dass letzterer jeweils Sachverhalte zugrunde lagen, in denen der mit den Ausbildungen verbundene Zeitaufwand erheblich von dem eines (Fach-)Hochschulstudiums abgewichen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2012 - [X.] 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 18: 626 Unterrichtseinheiten von je 45 Minuten [Sparkassenbetriebswirt]; und vom 18. Januar 2012 - [X.] 409/10 - FamRZ 2012, 629 Rn. 17: 900 Unterrichtseinheiten [staatlich anerkannte [X.]]; s. auch Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2013 - [X.] 23/13 - FamRZ 2014, 117 Rn. 15: 1.000 Unterrichtsstunden [Betriebswirt (VWA)]). Zudem fehlten den Ausbildungen - anders als bei der Ausbildung zum "Zertifizierten Betreuer - Curator de jure" - auch andere für die Vergleichbarkeit mit einer Hochschulausbildung kennzeichnende Merkmale (Senatsbeschluss vom 12. April 2017 - [X.]/16 - juris Rn. 15).

Hinzu kommt, dass es vorliegend - worauf das [X.] ebenfalls zu Recht abhebt - nach den getroffenen Feststellungen an besonderen Zulassungsvoraussetzungen für die Aufnahme der Ausbildung fehlt. Während in dem vom Senat abweichend entschiedenen Fall (Senatsbeschluss vom 12. April 2017 - [X.]/16 - juris Rn. 14) der Zugang nach der Prüfungsordnung eine abgeschlossene Berufsausbildung oder die Hoch- bzw. Fachhochschulreife sowie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung als Betreuer und zusätzlich eine positive Zulassungsentscheidung durch eine vom Fakultätsrat bestellte [X.] voraussetzte, fehlt es hier an entsprechenden Zugangsvoraussetzungen. Aus dem vom [X.] in Bezug genommenen Internetauftritt der [X.] folgt vielmehr, dass weder das Abitur erforderlich ist noch eine Aufnahmeprüfung stattfindet. Die Prüfungsordnung selbst enthält keine bestimmten Anforderungen für den Zugang zur Ausbildung, also auch nicht den Abschluss einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Dass es besondere Zugangsanforderungen gäbe, legt auch die Rechtsbeschwerde nicht dar.

Die tatrichterliche Würdigung des [X.]s, dass bei einem Arbeitsumfang von 1.080 Stunden für die gesamte Ausbildung bzw. die Dauer des Fernlehrgangs von nur neun Monaten und fehlenden Zulassungsbeschränkungen eine Vergleichbarkeit mit einem Hochschulstudium nicht gegeben ist, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht zu beanstanden. Vielmehr liegt insoweit eine erhebliche Abweichung zum (Fach-)Hochschulstudium vor, die auch durch andere Kriterien, die für die Vergleichbarkeit mit einem Hochschulstudium kennzeichnend sein könnten, nicht mehr kompensiert werden kann.

bb) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, dass der Fernlehrgang ausweislich der zur Akte gereichten Unterlagen staatlich geprüft bzw. von der [X.] zugelassen ist, und dass die Ausbildung ersichtlich im Schwerpunkt besondere Kenntnisse vermittelt, die für die Führung der Betreuung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] nutzbar sind. Zutreffend weist das [X.] daraufhin, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] nicht ausschließlich an den Umfang vermittelter Kenntnisse, sondern auch an das Erreichen einer bestimmten beruflichen Qualifikation anknüpft. Eine lediglich 1.080 Stunden umfassende und über einen Zeitraum von neun Monaten laufende Ausbildung kann danach nicht mit einem Hochschulstudium vergleichbar sein, auch wenn sie im Übrigen Elemente eines solchen aufweist.

Dose     

      

Schilling     

      

Günter

      

Botur     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 590/16

31.05.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 22. November 2016, Az: 19 T 349/16

§ 4 Abs 1 S 2 Nr 2 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2017, Az. XII ZB 590/16 (REWIS RS 2017, 10179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10179

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