Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 11.08.2003, Az. 18 U 13/03

18. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1938

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Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.1.2002 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (85 O 174/02) abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.947,61 EURO nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz der EZB seit dem 1.5.2002 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

T a t b e s t a n d

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG mit etwa 200 Kommanditisten, betreibt die Verwaltung des Einkaufs- und Dienstleistungszentrums "N." in T.. Der Beklagte ist an der Klägerin mit einer Einlage von DM 100.000,00 als Kommanditist beteiligt.

In dem der KG zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrag sind Ausschüttungen an die Gesellschafter in § 11 wie folgt geregelt:

"…

2. Der nach der vorstehenden Bestimmung zu verteilende Gewinn wird an die Gesellschafter ausgeschüttet, es sei denn, dass die Liquiditätslage der Gesellschaft eine Ausschüttung nicht zulässt.

3. Unabhängig von einem im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn oder Verlust schüttet die Gesellschaft für den Fall, dass die Liquiditätslage es zulässt, jährlich einen Betrag in Höhe von voraussichtlich 5 % des Kommanditkapitals an die Gesellschafter aus, der auf das Darlehenskonto gebucht wird. Sofern ein Gesellschafter im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung auf diese Entnahmen verzichtet, entfällt für ihn insoweit die Bildung der Darlehensverbindlichkeit.

4. Weiter Entnahmen außerhalb der vorgenannten Ausschüttungen sind nur zulässig, wenn die Gesellschafter einen entsprechenden Beschluß mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen fassen, die persönlich haftenden Gesellschafterin zustimmt und die Liquiditätslage der Gesellschaft es zulässt. Auch in diesem Fall kann jeder Gesellschafter für sich entscheiden, ob er eine Entnahme tätigt."

Im Hinblick auf die Gesellschaftskonten trifft § 12 des Gesellschaftsvertrags folgende Regelung:

"1. Für jeden Gesellschafter wird ein Kapitalkonto I und ein Kapitalkonto II sowie ein Verlustvortragskonto geführt.

2. Auf dem Kapitalkonto I wird der Kapitalanteil des Gesellschafters gebucht. Dieser ist unveränderlich und maßgebend für das Stimmrecht, für die Ergebnisverteilung, für die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen sowie den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben.

3. Auf dem Kapitalkonto II werden die entnahmefähigen Gewinne, zusätzliche Einlagen, Entnahmen sowie der sonstige Zahlungsverkehr zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern gebucht.

4. Die ein Gesellschafter betreffenden Anteile am Verlust werden auf einem Verlustvortragskonto gebucht.

…"

Für das Jahr 1993 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin mittels schriftlicher Abstimmung eine als "Sonderausschüttung" "aufgrund der guten Liquiditätslage" bezeichnete Auszahlung an die Kommanditisten in Höhe von 2,5 % bezogen auf deren Kommanditeinlage. Daraufhin erhielt der Beklagte von der Klägerin DM 2.500,00 ausbezahlt. In den Folgejahren 1994 bis 1996 zahlte die Klägerin dem Beklagten jeweils DM 5.000,00. Die Gesamtzahlungen an den Beklagten betrugen damit DM 17.500,00 bzw. EURO 8.947,61.

In der Gesellschafterversammlung vom 17.8.2001 beschlossen die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit der anwesenden Stimmen, dass die Geschäftsführung die an die Gesellschafter geleisteten Ausschüttungen "entgegen den gesellschaftsvertraglichen Regelungen" zurückfordern solle. Der Beklagte wurde daraufhin durch ein Schreiben der Klägerin aufgefordert, den ausgezahlten Betrag von DM 17.500,00 bis zum 5.4.2002 an sie zurückzuzahlen.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin den Anspruch auf Rückzahlung der Ausschüttungen geltend, wobei sie sich auf die Regelung des § 11 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages und den Gesellschafterbeschluß vom 17.8.2001 stützt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, 8.947,61 EURO nebst 5 % Zinsen über den Basiszinsatz seit dem 1.5.2002 an sie zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat mit dem am 14.1.2002 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Es hat einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten Ausschüttungen verneint. § 11 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrages ergebe bei der für Publikumsgesellschaften gebotenen objektiven Auslegung nicht, dass die entsprechend vorgenommenen Ausschüttungen eventuell rückzahlbar sein sollten. Eine solche Regelung hätte aber einer deutlichen Klarstellung im Gesellschaftsvertrag bedurft.

Gegen das der Klägerin am 15.1.2003 zugestellte Urteil hat diese am 22.1.2003 Berufung eingelegt und rechtzeitig begründet.

Sie macht geltend, dass es sich bei den Ausschüttungen um eine gewinnunabhängige Entnahme der Kommanditisten gehandelt habe, deren Rückzahlbarkeit unter bestimmten und hier vorliegenden Umständen sich bereits unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe.

Die Klägerin beantragt,

1. Das Urteil des Landgerichts vom 14.1.2003 – AZ: 85 O 184/02 – aufzuheben;

2. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 8.947,61 EURO nebest 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1.5.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte schließt sich der Argumentation des Landgerichts an und vertritt wie in der ersten Instanz die Auffassung, dass § 11 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrages für eine Rückzahlung der Ausschüttungen keine Anspruchgrundlage darstelle.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst eingereichten Unterlagen verwiesen.

Die formell unbedenkliche Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten Ausschüttungen. Er ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag, der in § 11 Ziff. 3          gewinnunabhängige Ausschüttungen bei entsprechender Liquiditätslage zulässt, die aber auf "das Darlehenskonto" gebucht werden.

Unzutreffend ist zunächst die Annahme des Landgerichts, dass der mit einfacher Mehrheit gefasste Gesellschafterbeschluß über die Rückforderung der gewinnunabhängigen Ausschüttungen an den Beklagten daran scheitere, dass nach dem Gesellschaftsvertrag eine Nachschusspflicht nicht begründet werden könne. Von einer Nachschusspflicht kann nur dann gesprochen werden, wenn entweder die Hafteinlagen der Kommanditisten erhöht oder Verluste ausgeglichen werden sollen. Beides ist hier nicht der Fall. Es geht vielmehr um die Rückforderung von Teilrückzahlungen der erbrachten Einlagen in Form von Sonderausschüttungen. Dies hat mit Nachschusspflichten nichts zu tun.

Irrelevant ist, ob die gewinnunabhängigen Ausschüttungen gemäß § 11 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrags Darlehenscharakter im technischen Sinne hatten. Die Klägerin leitet dies daraus ab, dass sie auf ein "Darlehenskonto" gebucht werden sollten. Das Landgericht hält diesen Schluss für rechtsfehlerhaft und meint, bei Darlehenskonten handele es sich im Regelfall eher umgekehrt um Darlehen der Gesellschafter an die Gesellschaft, wie etwa bei stehengelassenen Gewinnen. Schon dies ist zweifelhaft. Insbesondere deutet der ergänzende Begriff der "Bildung der Darlehensverbindlichkeiten" (durch Ausschüttung) eher auf ein Darlehen der Gesellschaft an den Gesellschafter hin, zumal ein sonstiger Rechtsanspruch der Gesellschafter gegen die Gesellschaft nicht erkennbar ist.

Dies kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil sich eine Rückzahlungspflicht bei sachgerechter Auslegung des § 11 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrages bereits unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt. Bei gewinnunabhängigen Sonderausschüttungen, wie sie in § 11 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrages vorgesehen sind, handelt es sich rechtlich und wirtschaftlich um Rückzahlungen des eingezahlten Haftungskapitels ohne förmliche Herabsetzung der Hafteinlage. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Kommanditisten gemäß § 169 Abs. 1 S. 2 HGB solche gewinnunabhängigen Ausschüttungen nicht verlangen können; ebenso besteht aber auch Einigkeit darüber, dass diese Regelungen mit der Folge dispositiv ist, dass Gesellschaftsverträge – wie hier – solche Rückzahlungen vorsehen können (vgl. Ebenroth-Boujong-Joost/Weipert, HGB, 2001, § 169 Rn 23 mit weit. Nachw.).

Im Hinblick auf die Frage, ob solche Rückzahlungen endgültigen Charakter haben sollen oder aber von der Gesellschaft insbesondere bei Verschlechterung der Liquidität wieder eingefordert werden können, enthält der Gesellschaftsvertrag keine ausdrückliche Aussage. Darauf stützt sich maßgeblich das angefochtene Urteil: Unter Heranziehung der herrschenden Rechtsauffassung, wonach Gesellschaftsverträge vom Publikumsgesellschaften im Zweifel zugunsten der Kommanditisten und nicht zugunsten der Gesellschaft auszulegen seien, geht es dementsprechend davon aus, dass mangels entsprechender Klarstellung im Gesellschaftsvertrag ein Rückzahlungsanspruch nicht bestehe. Dies ist letztlich nicht haltbar. Richtig ist zwar, dass es auf die subjektive Auffassung der Beteiligten nicht ankommt; deswegen sind auch die hierauf bezogenen Beweisangebote der Parteien irrelevant. Unberührt bleibt jedoch "eine am System des Vertrags orientierte Interpretation sowie eine am Ziel der Gesellschaft ausgerichtete Auslegung" (sog. dynamisches Vertragsverständnis, MünchKomm/Grunewald, § 161 Rn. 108). Insoweit ist aber bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Einlageanspruch der Gesellschaft gegenüber den Kommanditisten von der gewinnunabhängigen Ausschüttung unberührt bleibt, da ja eine förmliche Herabsetzung der Einlage nicht vorgenommen wurde (so auch Ebenroth-Boujong-Joost/Weipert, a.a.O., § 169 HGB Rn. 23: "Und begründen deshalb im gleichen Umfang wieder Einlageverpflichtungen gegenüber der Gesellschaft", vom LG zwar zitiert aber inhaltlich nicht vollständig berücksichtigt). Für eine entsprechende Rückzahlungspflicht auch aus der Sicht der Kommanditisten spricht ferner, dass ihre Außenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 S. 1 HGB ohnehin wieder auflebt, so dass sie in entsprechender Höhe mit Gläubigerzugriffen rechnen müssen. Dementsprechend haben sie keine Veranlassung, davon auszugehen, dass ihnen die gewinnunabhängigen Ausschüttungen auf der Grundlage von § 11 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages endgültig verbleiben werden.

Die Revision war nicht zuzulassen. Weder kommt der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Streitwert und Beschwer für den Beklagten:

8.947,61 Euro

Meta

18 U 13/03

11.08.2003

Oberlandesgericht Köln 18. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 11.08.2003, Az. 18 U 13/03 (REWIS RS 2003, 1938)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1938

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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