Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2003, Az. II ZR 161/02

II. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 458

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILII ZR 161/02Verkündet am:1. Dezember 2003VondrasekJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ:ja bis S. 11 oben (ohne IV 2 der Entscheidungsgründe)BGHR: jaAktG § 112; BGB § 626; ZPO §§ 86, 246a)Wird eine durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene GmbH währenddes Rechtsstreits auf eine AG verschmolzen, tritt diese entsprechend § 246Abs. 1 ZPO ohne Unterbrechung des Verfahrens in den Prozeß ein und wirdentsprechend § 86 ZPO durch den bisherigen Prozeßbevollmächtigten derGmbH "nach Vorschrift der Gesetze" vertreten (vgl. Senat, BGHZ 121, 263).b)Die (zulässige) Klage des Geschäftsführers einer GmbH gegen diese wirdnach deren Verschmelzung auf eine AG nicht dadurch unzulässig, daß derKläger in seiner Berufungsschrift das Vertretungsorgan der AG falsch be-zeichnet. Auch die Zulässigkeit der Berufung bleibt davon unberührt.c)Zu den Voraussetzungen des Nachschiebens von Gründen für die fristloseKündigung eines Geschäftsführerdienstvertrages (§ 626 BGB).BGH, Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02 -OLG Naumburg LG Stendal- 2 -Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-handlung vom 7. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht unddie Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer und Dr. Graffür Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenatsdes Oberlandesgerichts Naumburg vom 16. April 2002 aufgeho-ben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-fungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts wegenTatbestand:Der Kläger war Geschäftsführer der Stadtwerke S. GmbH, die im Verlaufdes Rechtsstreits auf die beklagte Aktiengesellschaft verschmolzen worden ist.Sein Anstellungsvertrag war bis 31. Dezember 2001 befristet. Mit Anwalts-schreiben an den Kläger vom 7. August 2000 erklärte die GmbH, vertretendurch den Aufsichtsrat, die außerordentliche Kündigung des Dienstverhältnis-ses, weil der Kläger wiederholt Anweisungen der Gesellschafter und des Auf-sichtsrats mißachtet und diese durch kritische Äußerungen gegenüber der- 3 -Presse in Mißkredit gebracht habe. Mit Anwaltsschreiben vom 17. August 2000wurde im Namen der GmbH, vertreten durch den Aufsichtsrat, dieser vertretendurch den Aufsichtsratsvorsitzenden, eine abermalige Kündigung ausgespro-chen, weil der Kläger auf Vorhalt der betreffenden Presseveröffentlichung durchden Aufsichtsratsvorsitzenden und Bürgermeister die ihm angelastete Äuße-rung zunächst wahrheitswidrig in Abrede gestellt habe. Beide Kündigungenwies der Kläger unter Hinweis auf § 174 BGB zurück. Während des Rechts-streits in erster Instanz erklärte die GmbH mit Anwaltsschreiben vom 9. Mai2001 unter Hinweis darauf, daß der Aufsichtsrat nicht mehr bestehe und siedeshalb durch die Geschäftsführer vertreten werde, "abermals eine außeror-dentliche Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Dienstverhält-nisses". Eine Überprüfung habe ergeben, daß der Kläger am 22. Juni 2000 oh-ne die erforderliche Zustimmung des (damaligen) Aufsichtsrats bei der D.Bank ein hoch spekulatives Fremddevisengeschäft in Form eines sog."Fremdwährungs-Swap" mit einem Volumen von 10 Mio. DM abgeschlossenhabe.Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Zahlung seines Ge-schäftsführergehalts für September 2000 bis Januar 2001 in Höhe von insge-samt 35.294,96 n-desanstalt für Arbeit zu zahlen sei (§ 115 Abs. 2 SGB X). Die Parteien streiteninsbesondere darum, ob der im Schreiben der GmbH vom 9. Mai 2001 ge-nannte Kündigungsgrund (Fremdwährungs-Swap) zur Unterstützung der Kün-digung vom 7. August 2000 "nachgeschoben" werden konnte. Das Landgerichthat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr entsprochen. Dagegenrichtet sich die - zugelassene - Revision der Beklagten.- 4 -Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.I. Die Zulassung der Revision ist wirksam, obwohl das zweitinstanzlicheVerfahren gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO noch den §§ 511 ff. a.F. ZPO unterlag unddie Beschwer der Beklagten die Wertgrenze des § 546 a.F. ZPO übersteigt.Denn mit der Zulassung wird über die Statthaftigkeit der Revision entschieden,die sich gemäß § 26 Nr. 7 EGZPO nach den neuen Vorschriften, also nach§ 543 Abs. 2 n.F. ZPO beurteilt, wenn die mündliche Verhandlung - auf die dasangefochtene Urteil ergangen ist - nach dem 31. Dezember 2001 geschlossenwurde (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 26 EGZPO Rdn. 6, 8),was hier der Fall war.II. Die Zulässigkeit der Revision scheitert im Ergebnis nicht daran, daßder in der Revisionsschrift - wie im Rubrum des angefochtenen Urteils - als ge-setzlicher Vertreter der Beklagten benannte Vorstand für deren Vertretung indem vorliegenden Rechtsstreit nicht zuständig ist.1. Gemäß § 112 AktG wird eine Aktiengesellschaft gegenüber Vor-standsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich durch den Aufsichtsrat ver-treten. Das gilt auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern, umeine unbefangene, von sachfremden Erwägungen unbeeinflußte Vertretung derGesellschaft ihnen gegenüber sicherzustellen (vgl. Senat, BGHZ 130, 108, 111;Urt. v. 22. April 1991 - II ZR 151/90, ZIP 1991, 796 m.w.N.). Gleiches gilt ge-genüber dem ehemaligen Geschäftsführer einer in eine Aktiengesellschaft um-gewandelten GmbH (Sen.Urt. v. 28. April 1997 - II ZR 282/95, ZIP 1997, 1108),und zwar unabhängig davon, ob die ehemalige GmbH vor der Umwandlung- 5 -über einen Aufsichtsrat verfügt hatte. Maßgebend ist vielmehr, daß die GmbHmit der Umwandlung bzw. Verschmelzung erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG)und an ihre Stelle die übernehmende Rechtsträgerin mit der ihr eigenen Kom-petenzordnung getreten ist.2. Es ist allerdings anerkannt, daß das Rechtsmittel einer in dem anhän-gigen Rechtsstreit von Anfang an nicht nach den Vorschriften des Gesetzesvertretenen Partei zum Zwecke der Korrektur dieses - von Amts wegen zu be-rücksichtigenden - Mangels als zulässig zu behandeln ist und zur Aufhebungeines gegen sie ergangenen Sachurteils sowie zur Abweisung der Klage alsunzulässig führt, weil andernfalls - bei Verwerfung des Rechtsmittels als unzu-lässig - ein vorinstanzliches Sachurteil bestätigt würde, das der Nichtigkeitskla-ge gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ausgesetzt wäre (vgl. BGHZ 40, 197, 198 f.;143, 122, 127; vgl. auch Sen.Urt. v. 28. April 1997 aaO). Im vorliegenden Fallwar und ist die Klage jedoch nicht wegen eines Vertretungsmangels unzulässig.Anders als in den von dem Senat bisher entschiedenen Fällen, in denenein Vertretungsmangel im Sinne von § 112 AktG zur Abweisung der Klage alsunzulässig führte (vgl. Sen.Urt. v. 28. April 1997 aaO; v. 26. Juni 1995- II ZR 122/94, BGHZ 130, 108; v. 22. April 1991 - II ZR 151/90, ZIP 1991, 796;v. 5. März 1990 - II ZR 86/89, WM 1990, 630), war im vorliegenden Fall die ur-sprünglich gegen die GmbH, vertreten durch ihren damaligen Aufsichtsrat, ge-richtete Klage ordnungsgemäß erhoben. Da die GmbH in dem anhängigenRechtsstreit durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, trat die Be-klagte als Rechtsnachfolgerin gemäß § 246 Abs. 1 ZPO ohne Unterbrechungdes Verfahrens (§§ 239, 241 ZPO) kraft Gesetzes in den Prozeß ein (vgl.Stein/Jonas/Roth, ZPO 12. Aufl. § 246 Rdn. 11) und wurde in diesem durch denbisherigen Prozeßbevollmächtigten der GmbH aufgrund des Fortbestandes der- 6 -von ihr erteilten Prozeßvollmacht entsprechend § 86 ZPO "nach Vorschrift derGesetze vertreten" (vgl. Senat, BGHZ 121, 263, 265 f.; BFH, Urt. v. 27. April2000 - I R 65/98, NJW-RR 2001, 244; BAG, Urt. v. 20. Januar 2000- 2 AZR 733/98, MDR 2000, 781). Trotz der Gesamtrechtsnachfolge kann dasVerfahren, wenn der Prozeßbevollmächtigte nicht dessen Aussetzung beantragt(§ 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO), unter der bisherigen Parteibezeichnung fortge-setzt werden; ein entsprechendes Urteilsrubrum - wie hier dasjenige des erstin-stanzlichen Urteils, das (trotz der zuvor aktenkundig gemachten Verschmel-zung) noch auf die GmbH als Beklagte lautet - ist gemäß § 319 ZPO zu berich-tigen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Februar 2002 - VI ZR 394/00, NJW 2002, 1430 f.),was dann konsequenterweise auch die zutreffende Bezeichnung des gesetzli-chen Vertreters der Nachfolgepartei einschließen muß. Angesichts dieserRechtslage ist es als unschädliche (und ebenfalls einer Berichtigung zugängli-che) Falschbezeichnung anzusehen, daß der Kläger in seiner Berufungsschrift"die Stadtwerke S. GmbH, vertreten durch deren Geschäftsführer,nunmehr a. AG, vertreten durch den Vorstand" als Beklagte und Beru-fungsbeklagte benannt hat (zur Unschädlichkeit von Falschangaben bei Identifi-zierbarkeit des angefochtenen Urteils vgl. auch BGH, Urt. v. 11. Januar 2001- III ZR 113/00, NJW 2001, 1070). Diese Bezeichnung gab der Klage keineneue Richtung gegen die bereits kraft Gesetzes in den Rechtsstreit eingetrete-ne Beklagte. Der Vertretungszusatz im Passivrubrum der Berufungsschrift istkeine "bestimmende" Bezeichnung wie bei Klageerhebung oder bei einer ge-willkürten Parteiänderung und ändert nichts daran, daß die Beklagte in demRechtsstreit durch den von ihrer Rechtsvorgängerin (GmbH) mandatierten,auch in zweiter Instanz aufgetretenen Prozeßbevollmächtigten "nach den Vor-schriften des Gesetzes vertreten" war (§§ 86, 246 Abs. 1 ZPO) und deshalb einVertretungsmangel im Sinne von §§ 551 Nr. 5, 579 Abs. 1 Nr. 4 a.F. ZPO nichtvorlag (vgl. BGHZ 121, 263, 265 f.).- 7 -3. Dahinstehen kann, ob die Wirkung der §§ 86, 246 ZPO mit Rücksichtauf die Möglichkeit der Bestellung eines Revisionsanwalts durch den vorin-stanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten (§ 81 ZPO) auch noch in dieRevisionsinstanz hineinreichte oder die Revision wegen Mandatserteilung durchein unzuständiges Organ der Beklagten zunächst unzulässig war. Zulässig istdie Revision jedenfalls deshalb, weil der Aufsichtsrat der Beklagten gemäß demin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Beschluß vom3. Juli 2003 die bisherige, auf eine sachliche Abweisung der Klage zielendeProzeßführung - wenn auch auf die Revisionsinstanz beschränkt - zulässiger-weise rückwirkend genehmigt hat (vgl. Sen.Urt. v. 13. Februar 1989 - II ZR209/88, ZIP 1989, 497; v. 21. Juni 1999 - II ZR 27/98, ZIP 1999, 1663). Einewillkürliche Beschränkung der Genehmigung, die eventuell zu ihrer Unwirksam-keit führen könnte (vgl. RGZ 110, 228, 230 f.; BGHZ 92, 137, 141), liegt darinnicht, weil die vorinstanzliche Prozeßführung der Beklagten keiner Genehmi-gung bedarf, wie oben (2.) ausgeführt.III. In der Sache geht das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf daserstinstanzliche Urteil davon aus, daß zwar nicht die in dem Kündigungsschrei-ben der Beklagten vom 7. August 2000, wohl aber die in ihrem Schreiben vom9. Mai 2001 genannten Kündigungsgründe geeignet seien, die fristlose Kündi-gung zu rechtfertigen. Diese Gründe könnten aber - so meint das Berufungsge-richt - der ursprünglichen Kündigung nicht "nachgeschoben" werden und ihrdaher nicht zur Wirksamkeit verhelfen, weil sie dadurch einen "völlig anderenCharakter" erhalten würde. Mit den ursprünglichen Kündigungsgründen stehedas "Devisen-Swap-Geschäft" in keinerlei sachlichem Zusammenhang. Es seivon dem Kläger auch nicht verheimlicht worden und hätte von der Rechtsvor-gängerin der Beklagten im Wege einer Überprüfung der Geschäftsführertätig-- 8 -keit des Klägers aus Anlaß der ersten Kündigung wesentlich früher entdecktwerden können. Mehr als neun Monate nach Ausspruch der ersten Kündigunghabe der Kläger nach Treu und Glauben nicht mehr damit rechnen müssen,daß die Kündigung nachträglich auf den aus seiner Sicht völlig neuartigen Kün-digungsgrund gestützt werde.Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.1. Nach der Rechtsprechung des Senats hängt die sachliche Rechtferti-gung der außerordentlichen Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsver-trages gemäß § 626 Abs. 1 BGB - von der Wahrung der Frist des Abs. 2 abge-sehen - allein davon ab, ob der bei ihrem Ausspruch tatsächlich vorliegendeSachverhalt bei objektiver Würdigung dem Kündigenden die Fortsetzung desDienstverhältnisses unzumutbar macht. Die Angabe eines Kündigungsgrundesgehört nicht zum notwendigen Inhalt der Kündigungserklärung (Senat, BGHZ27, 220, 225), wie sich auch aus § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB ergibt. WerdenGründe angegeben, können grundsätzlich weitere Gründe auch noch imRechtsstreit nachgeschoben werden, soweit sie bei Ausspruch der Kündigungobjektiv vorlagen (vgl. Sen.Urt. v. 2. Juni 1997 - II ZR 101/96, DStR 1997,338 f.; v. 13. Juli 1998 - II ZR 131/97, NJW-RR 1998, 1409) und dem kündigen-den Gesellschaftsorgan nicht länger als zwei Wochen zuvor bekannt gewordenwaren (Sen.Urt. v. 11. Juli 1978 - II ZR 266/77, WM 1978, 1123). Entgegen derAnsicht des Berufungsgerichts ist dabei ein sachlicher Zusammenhang zwi-schen dem ursprünglichen und dem nachgeschobenen Kündigungsgrund (hierSwap-Geschäft) nicht erforderlich (vgl. Sen.Urt. v. 14. Oktober 1991- II ZR 239/90, ZIP 1992, 32, 35). Auf einen solchen Zusammenhang kommt esnur für die unterstützende Heranziehung von bei Ausspruch der Kündigung be-reits gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristeten Gründen an (vgl. Sen.Urt. v.- 9 -10. September 2001 - II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957, 1958 f.). Daß der Beklagtenbzw. dem Aufsichtsrat ihrer Rechtsvorgängerin bei Ausspruch ihrer (ersten)Kündigung vom 7. August 2000 das später als Kündigungsgrund eingeführteund am 22. Juni 2000 von dem Kläger abgeschlossene "Swap-Geschäft" be-kannt war, ist nicht ersichtlich.Ohne Bedeutung ist, ob die Beklagte den erstmals im Schreiben vom9. Mai 2001 genannten Kündigungsgrund schon früher nach Ausspruch derKündigung vom 7. August 2000 hätte zu ihrer Kenntnis bringen können. Dennselbst eine entsprechend frühere positive Kenntnis hiervon stünde dem späte-ren Nachschieben dieses Kündigungsgrundes nicht entgegen, weil § 626 Abs. 2BGB dadurch nicht berührt würde. Ist bereits eine fristlose Kündigung ausge-sprochen, muß der Gekündigte damit rechnen, daß bei Ausspruch der Kündi-gung bereits bekannte, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht verfristete oderauch bis dahin noch nicht entdeckte Kündigungsgründe nachgeschoben wer-den (vgl. BAG, Urt. v. 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486). DerKündigende kann u.U. im Interesse seines Unternehmens oder auch des Ge-kündigten selber gute Gründe haben, einen nachträglich entdeckten Kündi-gungsgrund erst "im Notfall" heranzuziehen.2. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung scheidet ein Nach-schieben des weiteren Kündigungsgrundes (Swap-Geschäft) nicht deshalb aus,weil die Beklagte hierauf (auch) eine "abermalige" außerordentliche Kündigung(mit Schreiben vom 9. Mai 2001) gestützt hat. Dies ändert nichts daran, daß derhiermit geltend gemachte Kündigungsgrund vor Ausspruch der ersten Kündi-gung objektiv vorlag und daher zu ihrer Stützung nachgeschoben werdenkonnte. Anlaß für die erneute Kündigung bestand für die Beklagte deshalb, weilauch schon die formelle Wirksamkeit der früheren Kündigungen im Streit war- 10 -und in diesem Punkt der Beklagten ein bloßes Nachschieben von Gründennichts genützt hätte. Die abermalige Kündigung stellt sich daher ersichtlich alseine Vorsorgemaßnahme dar, die ggf. das Auflaufen weiterer Gehaltsansprü-che ab Zugang der Kündigung (bis 31. Dezember 2001) verhindern sollte, ohneein Nachschieben des betreffenden Kündigungsgrundes im vorliegendenRechtsstreit auszuschließen. Die entsprechende Absicht der Beklagten hattemit der erneuten Kündigung nichts zu tun und brauchte mit ihr nicht mitgeteilt zuwerden. Vertrauensschutz kann der Kläger insoweit nicht in Anspruch nehmen,weil die Beklagte den Inhalt des Kündigungsschreibens sogleich in den vorlie-genden Rechtsstreit eingeführt und damit erkennbar den Zweck verfolgt hat, dieursprüngliche Kündigung zu stützen, auf deren Wirksamkeit es gegenüber denstreitigen Gehaltsansprüchen des Klägers für September 2000 bis Januar 2001allein ankommt.IV. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weiles dazu noch tatrichterlicher Feststellungen bedarf.1. Offen ist, ob über die Kündigung vom 9. Mai 2001 und über das Nach-schieben des dortigen Kündigungsgrundes im vorliegenden Rechtsstreit dasdamals für eine Kündigung zuständige Organ der Rechtsvorgängerin der Be-klagten entschieden hat. Dies war deshalb erforderlich, weil es sich um einenanderen Lebenssachverhalt als denjenigen handelte, der die Beklagte zu ihrerursprünglichen Kündigung veranlaßt hatte (vgl. Senat, BGHZ 60, 333, 336; Urt.v. 14. Oktober 1991 aaO). Nach dem von der Revision aufgegriffenen Vortragder Beklagten soll zwar die nach Wegfall des Aufsichtsrats der GmbH für eineKündigung zuständige Alleingesellschafterin der GmbH (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHGsowie Sen.Urt. v. 27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 644 f.) - dieswar damals die Beklagte - durch einen zur Ausübung ihrer Gesellschafterrechte- 11 -Bevollmächtigten über die erneute Kündigung entschieden und die Geschäfts-führung der GmbH zu deren Ausspruch ermächtigt haben, was möglicherweiseauch das Nachschieben des betreffenden Kündigungsgrundes in dem anhängi-gen Rechtsstreit deckte. Das Berufungsgericht hat dazu keine Feststellungengetroffen.2. Soweit das Berufungsgericht die - von seinem Rechtsstandpunkt ausunnötige - Feststellung trifft, der nachgeschobene Kündigungsgrund rechtfertigean sich die fristlose Kündigung, erschöpft sich dies in einer Bezugnahme aufdas erstinstanzliche Urteil, obwohl für die Abfassung des Berufungsurteils § 543Abs. 2 ZPO a.F. maßgebend war (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO; BGH, Urt. v.19. Februar 2003 - VIII ZR 205/02, NJW-RR 2003, 1006) und danach eine Be-zugnahme nur insoweit zulässig ist, als hierdurch die Beurteilung des Parteivor-bringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird. Das istjedoch hier der Fall. Wie auch die Revisionserwiderung zu Recht rügt, hat sichdas Berufungsgericht mit dem zweitinstanzlichen Vortrag des Klägers (nebstBeweisantritten) zum Fehlen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626Abs. 1 BGB nicht erkennbar auseinandergesetzt, ohne aufzuzeigen, aus wel-chen Gründen eine solche Auseinandersetzung entbehrlich erschien. Dem Se-nat obliegt nicht die Prüfung anhand der Akten, ob und inwieweit das zweitin-stanzliche Vorbringen des Klägers seinem Inhalt nach bereits von dem Landge-richt beurteilt worden ist. Das gilt auch unter Berücksichtigung des gemäß § 26Nr. 7 EGZPO für das vorliegende Revisionsverfahren maßgebenden § 559Abs. 1 ZPO n.F., wonach nur das aus dem Berufungsurteil und dem Sitzungs-protokoll ersichtliche Parteivorbringen revisionsrechtlicher Beurteilung unter-liegt.- 12 -Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegen-heit, die noch erforderlichen Feststellungen zu treffen.RöhrichtGoetteKurzwellyKraemerStrohn

Meta

II ZR 161/02

01.12.2003

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2003, Az. II ZR 161/02 (REWIS RS 2003, 458)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 458

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