Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 24.11.2022, Az. 2 BvR 2316/21

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2022, 7189

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsbeschwerde bzgl Modalitäten der Ausführung eines Strafgefangenen nach Erledigung unzulässig - Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses nicht dargelegt - angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Der inhaftierte Beschwerdeführer wandte sich [X.] im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen seine Fesselung im Rahmen einer Ausführung sowie dagegen, dass die ihn begleitenden Beamten Uniform tragen.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine Freiheitsstrafe in der [X.], [X.], mit im [X.] notierter Sicherungsverwahrung. Laut Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans vom 20. September 2021 ist der Beschwerdeführer aufgrund bestehender Missbrauchsgefahr für [X.] und [X.] nicht geeignet. Zu einer möglichen Fluchtgefahr verhält sich der Vollzugs- und Eingliederungsplan nicht.

3

2. Am 13. Dezember 2021 beantragte der Beschwerdeführer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beim Landgericht [X.], der Justizvollzugsanstalt zu untersagen, ihn bei einer für den 13. Januar 2022 in eine kirchliche Begegnungsstätte geplanten Ausführung zu fesseln sowie dass die ihn begleitenden Beamten Dienstuniform tragen. Nach dem Vollzugsplan vom 20. September 2021 bestehe keine Fluchtgefahr. Die bisherigen Ausführungen seien beanstandungsfrei verlaufen.

4

3. Mit angegriffenem Beschluss vom 23. Dezember 2021, dem Beschwerdeführer am 29. Dezember 2021 zugestellt, verwarf das Landgericht [X.] den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil eine vorläufige Zustandsregelung weder zur Abwendung eines dem Beschwerdeführer drohenden unverhältnismäßigen Nachteils noch aus anderen vorgreiflichen Gründen geboten erscheine.

II.

5

1. Mit am 31. Dezember 2021 fristgemäß erhobener Verfassungsbeschwerde, die der Beschwerdeführer mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden hat, rügt er eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

6

2. Mit Beschluss vom 11. Januar 2022 hat die [X.] des Zweiten Senats den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ergeben habe, dass eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile geeignet und dringend geboten gewesen sei.

7

3. Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung [X.] hat von einer Stellungnahme abgesehen.

8

4. Die Akte des [X.]en Verfahrens hat dem [X.] vorgelegen.

III.

9

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegt. Sie ist unzulässig.

1. a) Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung des angegriffenen Hoheitsaktes oder jedenfalls für die Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit vorliegt (vgl. [X.] 81, 138 <140>; 146, 294 <308 f. Rn. 24>). Dieses Rechtsschutzbedürfnis muss noch im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.]s fortbestehen (vgl. [X.] 21, 139 <143>; 30, 54 <58>; 33, 247 <253>; 50, 244 <247>; 56, 99 <106>; 72, 1 <5>; 81, 138 <140>; 146, 294 <308 f. Rn. 24>; stRspr).

Ein Beschwerdeführer ist angehalten, seine Verfassungsbeschwerde bei entscheidungserheblicher Veränderung der Sach- und Rechtslage aktuell zu halten und die Beschwerdebegründung gegebenenfalls auch nachträglich zu ergänzen (vgl. [X.] 106, 210 <214 f.>; 158, 170 <194 Rn. 57>). Ihn trifft eine aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 [X.] fließende [X.] für das (Fort-) Bestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.]s (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. Oktober 2021 - 1 BvR 1416/17 -, Rn. 7).

b) Dieser [X.] ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde geht nicht hervor, dass noch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Ausführung hat zwischenzeitlich stattgefunden; es ist somit Erledigung eingetreten.

2. a) Auch ein ausnahmsweise fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich aus dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht. Der Umstand, dass die Fachgerichte und das [X.] häufig außerstande sind, schwierige Rechtsfragen in kurzer Zeit zu entscheiden, darf grundsätzlich nicht dazu führen, dass eine Verfassungsbeschwerde allein wegen des vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Zeitablaufs als unzulässig verworfen wird (vgl. [X.] 74, 163 <172 f.>; 76, 1 <38 f.>; 81, 138 <141>). Bei Erledigung des mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Begehrens besteht das Rechtsschutzbedürfnis deshalb fort, wenn entweder die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung andernfalls unterbliebe und der gerügte Grundrechtseingriff besonders belastend erscheint oder eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu besorgen ist oder die aufgehobene oder gegenstandslos gewordene Maßnahme den Beschwerdeführer noch weiterhin beeinträchtigt (vgl. [X.] 33, 247 <257 f.>; 69, 161 <168>; 81, 138 <140>; 139, 245 <263 f. Rn. 53>; 146, 294 <308 f. Rn. 24>; stRspr).

b) Eine andauernde oder besonders belastende Beeinträchtigung durch die durchgeführte Ausführung hat der Beschwerdeführer weder dargetan noch ist eine solche sonst ersichtlich. Nach unwidersprochenen Angaben der Justizvollzugsanstalt im [X.]en Verfahren ist der Beschwerdeführer bei Durchführung der Ausführung am 13. Januar 2022 in der kirchlichen Begegnungsstätte während des gesamten Aufenthalts entfesselt worden. Zum tatsächlichen Ablauf der Ausführung und zur Intensität etwaiger tatsächlich erfolgter Grundrechtseingriffe trägt der Beschwerdeführer nicht vor.

3. Im Übrigen wird eine Verletzung von Grundrechten, insbesondere von Art. 19 Abs. 4 GG, durch den angegriffenen Beschluss nicht substantiiert dargelegt. Die Auslegung des Antragsbegehrens und Prüfung anhand der Voraussetzungen der § 114 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 123 Abs. 1 VwGO ist vertretbar und begegnet nach eingehender erneuter Prüfung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2316/21

24.11.2022

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerfG, 11. Januar 2022, Az: 2 BvR 2316/21, Ablehnung einstweilige Anordnung

Art 19 Abs 4 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 114 Abs 2 S 2 StVollzG, § 123 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 24.11.2022, Az. 2 BvR 2316/21 (REWIS RS 2022, 7189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7189

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 BvR 2027/19 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Unzulässige Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen § 608 Abs 3 ZPO - Wegfall des Rechtsschutzinteresses hinsichtlich Sonderregelungen …


2 BvR 39/22 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Anforderungen des Gebots bestmöglicher Sachaufklärung im Überprüfungsverfahren nach § 119a StVollzG (Betreuungsangebot im Strafvollzug …


1 BvR 2578/21 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs - mangelndes Rechtsschutzbedürfnis bei Zuständigkeitswechsel im Ausgangsverfahren


2 BvR 917/20 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Zur Gewährung der Möglichkeit von Telefonaten im Strafvollzug sowie zu den Grenzen einer Überwachung …


1 BvR 1623/17 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Mitwirkung eines seit mehreren Jahren abgeordneten Richters an Entscheidung eines LSG verletzt Art 101 …


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.