30. Senat | REWIS RS 2020, 290
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Markenbeschwerdeverfahren – "CAPE" – fehlende Unterscheidungskraft
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2019 027 038.6
hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] in der Sitzung vom 3. Dezember 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
[X.].
Das am 27. November 2019 angemeldete Wortzeichen
[X.]
soll nach einer mit Schriftsatz vom 20. März 2020 vorgenommenen Einschränkung des ursprünglich angemeldeten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses noch für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 09: Unterrichts- und Lernsoftware; elektronische Unterrichts- und Lernapparate und -instrumente;
[X.]: wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen“
in das beim [X.] geführte Register eingetragen werden.
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s hat die Anmeldung mit Beschluss vom 3. April 2020 zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) und sie als beschreibende Angabe einem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterliege.
Bei der Bezeichnung [X.] handele es sich um die Abkürzung für „computer-aided/assisted process engineering“ (= „computerunterstützte Verfahrenstechnik“), was der Verkehr und dabei insbesondere der Fachverkehr ohne weiteres erkennen werde, da [X.] mit dieser Bedeutung im Fachsprachgebrauch nachweisbar sei.
Mit dieser Bedeutung erschöpfe sich die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einem Hinweis darauf, dass diese für ein solches computerunterstütztes Verfahren bestimmt und geeignet seien bzw. sich inhaltlich und thematisch mit [X.] befassten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass die angemeldete Bezeichnung jedenfalls hinsichtlich der noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen beschreibenden Bezug aufweise, da die in Klasse 09 benannte Unterrichts- und Lernsoftware im Schulunterricht und nicht im Bereich der Fertigungs- und Verfahrenstechnik eingesetzt werde sowie die zu [X.] benannten Designer- und Analysearbeiten nicht von [X.]ngenieuren ausgeführt würden.
Eine Eintragung sei zudem im Hinblick auf die vergleichbare Wortmarke „[X.] [X.]“ sowie die am 20. Juli 2020 angemeldete und seit dem 26. August 2020 ebenfalls für Dienstleistungen der [X.] eingetragene identische Wortmarke 30 2020 228 360 „[X.]“ geboten. Es sei nicht hinnehmbar, dass von verschiedenen Markenstellen des [X.] unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe bei den gesetzlich definierten Eintragungsvoraussetzungen zugrunde gelegt würden.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s vom 3. April 2020 aufzuheben.
Mit Hinweis des Vorsitzenden vom 20. Oktober 2020 wurde der Anmelderin u. a. eine Recherche zur Verwendung des Begriffs [X.] übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
[X.][X.].
Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da es der angemeldeten Wortmarke [X.] in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 Marken).
1. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegli-che Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukom-mende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Wa-ren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 932 Rn. 7 – #darferdas? [X.]; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewähr-leisten ([X.] [X.], 608 Rn. [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]/[X.] [Bio[X.]D]; BGH [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 565 Rn. 12 – smartbook).
Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis be-gründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 934 Rn. 10 – [X.]; [X.], 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmelde-zeitpunkt (BGH [X.],1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind [X.] die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die [X.] der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und ver-ständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/[X.] [#darferdas?]; [X.], 608 Rn. 67 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 411 Rn. 24 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreiben-den Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienst-leistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird ([X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – [X.]/[X.] [Postkantoor]; [X.], 932 Rn. 8 – #darferdas? [X.]). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht un-mittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein en-ger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen her-gestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den [X.] Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten [X.] und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).
2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angemeldete Marke [X.] in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf.
a. Bei der angemeldeten Bezeichnung [X.] handelt es sich u.a. um eine seit längerer [X.] gebräuchliche fachbegriffliche Abkürzung für „computer-aided/assisted process engineering“ (= „computerunterstützte Verfahrenstechnik“), einer Teildisziplin der Verfahrenstechnik, welche Gegenstand eines eigenen ingenieurwissenschaftlichen Studiengangs ist. So bieten ausweislich der mit Hinweis des Vorsitzenden vom 20. Oktober 2020 übersandten Recherche die TH Nürnberg und die [X.] seit Jahren einen eigenen Studiengang „Computerunterstützte Verfahrenstechnik ([X.])“ bzw. schlicht „[X.]“ an (vgl. dazu die am 31. Mai 2017 abrufbare [X.]nternetseite [X.]/, welche den Bachelorstudiengang „Computerunterstützte Verfahrenstechnik ([X.])“ ausweist sowie die weitere Fundstelle [X.]/ studieninteressierte/computer-aided-process-engineering-cape/ vom 24. Januar 2014, auf welcher u.a. ausgeführt ist: „[X.]m Masterstudiengang [X.] werden neben vertieftem Fachwissen auch Handhabungskompetenzen in den Bereichen rechnergestützter Werkzeuge und effizienter [X.] vermittelt.“). Zudem ist [X.] auch bereits im DUDEN-Wörterbuch der Abkürzungen 6. Aufl. 2011 als Fachabkürzung für „computer-aided/assisted process engineering“ ausgewiesen.
b. Mit dieser Bedeutung erschöpft sich die angemeldete Bezeichnung [X.] hinsichtlich der noch beanspruchten Waren „Unterrichts- und Lernsoftware; elektronische Unterrichts- und Lernapparate und -instrumente“ in einer glatt beschreibenden Angabe zu deren Bestimmungs- und Verwendungszweck. Denn diese [X.] umfassen oberbegrifflich entgegen der Auffassung der Anmelderin nicht nur für „Schulen“ bestimmte, sondern jedwede für Studium, Ausbildung, Schulungen etc. geeignete „Unterrichts- und Lernsoftware; elektronische Unterrichts- und Lernapparate und -instrumente“ und damit auch solche, die für „computerunterstützte Verfahrenstechnik“ konzipiert sind. Bei solchen von den beanspruchten Warenoberbegriffen umfassten Waren wird der (Fach)Verkehr [X.] lediglich den Hinweis entnehmen wird, dass diese für ein Studium, einer Ausbildung oder Fortbildung zum Thema [X.] (= computerunterstützte Verfahrenstechnik) bestimmt und geeignet sind.
Was die zu [X.] beanspruchten Dienstleistungen betrifft, können diese ohne weiteres eine mit [X.] bezeichnete computerunterstützte Verfahrenstechnik zum Gegenstand haben bzw. unter Anwendung von [X.] erbracht werden.
c. Unerheblich ist, dass die Bezeichnung [X.] für sich gesehen noch eine Vielzahl weiterer Bedeutungen aufweisen kann und in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen jeweils nur in einer seiner möglichen Bedeutungs- und Verständnismöglichkeiten einen beschreibenden bzw. sachbezogenen Aussagegehalt entfaltet. [X.]nsoweit ist zu beachten, dass bei allen absoluten Schutzhindernissen die Prüfung der Schutzfähigkeit eines Zeichens konkret in Bezug auf die mit der Anmeldung gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 4 [X.] beanspruchten Waren/Dienstleistungen zu erfolgen hat. [X.]n Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Waren und Dienstleistungen, welche für Studium, Ausbildung, Schulungen etc. im Bereich der fachbegrifflich mit [X.] abgekürzten „computerunterstützten Verfahrenstechnik“ bestimmt sein bzw. sich ihrem Gegenstand und [X.]nhalt nach damit beschäftigen können, drängt sich für den Verkehr jedoch allein ein Verständnis in dem jeweils dargelegten Sinne auf.
3. Der Hinweis auf die Marken „[X.] [X.]“ und „[X.]“ ist unerheblich, da in rechtlicher Hinsicht selbst identische Voreintragungen keine Bindungswirkung entfalten (vgl. [X.] GRUR 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; [X.] 2008, 1093 Nr. 8 - [X.]; [X.] 2011, 230 -SUPERgirl; BGH [X.] 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu treffen ist.
4. Die angemeldete Marke kann damit in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit ihr gekennzeichneten Waren zu garantieren, nicht erfüllen. Sie ist deshalb insoweit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.
Meta
03.12.2020
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.12.2020, Az. 30 W (pat) 559/20 (REWIS RS 2020, 290)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 290
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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