Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2017, Az. IV ZR 289/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15180

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Gegenstand

Berufsunfähigkeitsversicherung: Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzung im Rahmen der Erhebungen zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht; Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers; Umfang der Mitwirkungspflicht des Versicherungsnehmers bei der Erhebung von Daten durch den Versicherer


Leitsatz

1. Zu den zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG zählen auch solche, die klären sollen, ob der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG erfüllt hat.

2a. Zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers sind auch solche Auskünfte erforderlich im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 VVG, die der Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen dienen. Die den Versicherungsnehmer insoweit treffende Mitwirkungsobliegenheit ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen bereits eine konkrete Verdachtslage für eine Anzeigeobliegenheitsverletzung besteht.

2b. Der Versicherungsnehmer hat bei der Erhebung von Daten durch den Versicherer grundsätzlich nur insoweit mitzuwirken, als diese zur Prüfung des Leistungsfalles relevant sind. Kann der Umfang der Datenerhebung nicht von vornherein auf entsprechende Informationen beschränkt werden, weil dem Versicherer noch unbekannt ist, worauf er sein Augenmerk zu richten hat, so erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst auf die Einholung solcher weniger weitreichender und persönlichkeitsrelevanter Vorinformationen, die dem Versicherer eine Konkretisierung ermöglichen, welche Informationen im Weiteren tatsächlich für die Leistungsprüfung relevant sind.

3. § 213 Abs. 1 VVG steht einer Datenerhebung des Versicherers zum Zwecke der Überprüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers nicht entgegen.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 8. Juli 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 95.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die unbekannten Erben des während des Revisionsverfahrens verstorbenen [X.] (im Folgenden weiterhin als Kläger bezeichnet) fordern Leistungen aus einer bei der Beklagten seit April 2009 gehaltenen Berufsunfähigkeitsversicherung, welcher "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die [X.]        " der Beklagten (im Folgenden: [X.]) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 22 Welche Mitwirkungspflichten sind zu beachten, wenn Leistungen wegen Berufsunfähigkeit verlangt werden?

[…]

(2) Wir können außerdem, dann allerdings auf unsere Kosten, weitere Untersuchungen durch von uns beauftragte Ärzte und sonstige Sachverständige sowie notwendige Nachweise - auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Veränderungen - verlangen, insbesondere zusätzliche Auskünfte und Aufklärungen, auch die des Arbeitgebers über den Beruf im [X.]punkt des Abschlusses des Vertrages. Die versicherte Person hat Ärzte, Krankenhäuser und sonstige Krankenanstalten sowie Pflegeheime, bei denen sie in Behandlung oder Pflege war oder sein wird, sowie Sachverständige, Pflegepersonen, andere Personenversicherer und Behörden sowie wegen des Berufs auch den Arbeitgeber zu ermächtigen, uns auf Verlangen Auskunft zu erteilen. […]"

2

Mit Schreiben vom 18. Mai 2010 zeigte der Kläger, zu diesem [X.]punkt noch Bezirksleiter einer Bausparkasse, der Beklagten an, dass er aufgrund eines Burnout-Syndroms nicht mehr in der Lage sei, seine berufliche Tätigkeit auszuüben.

3

Im Februar 2011 meldete er bei der Beklagten Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung an. Hierauf bat ihn die Beklagte unter anderem um die Unterzeichnung von Schweigepflichtentbindungserklärungen zur Einholung von Auskünften bei verschiedenen Stellen. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er werde die Erhebung von Auskünften bei der Krankenkasse nur genehmigen, soweit sie sich auf die Berufsunfähigkeit bezögen, wies die Beklagte ihn darauf hin, dass sie auch prüfen wolle, ob der Versicherungsvertrag ordnungsgemäß zustande gekommen sei.

4

Zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindung zu diesem Zweck war der Kläger im Weiteren nicht bereit. Eine von ihm zuvor noch formulierte und unterzeichnete "Einwilligung und Schweigepflichtentbindungserklärung" hatte die Beklagte zunächst als unzureichend abgelehnt; als sie diese später dennoch für eine Abfrage der Gesundheitsverhältnisse des [X.] für die [X.] ab Juni 2002 nutzen wollte, widersprach der Kläger dieser Datenerhebung ausdrücklich, soweit sie die Überprüfung "vorvertraglicher [X.]" betreffe. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie stelle die weitere Leistungsprüfung ein, und berief sich darauf, die geltend gemachten Leistungsansprüche des [X.] seien nicht fällig.

5

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente, die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur jährlichen Rentenerhöhung sowie die Freistellung von der Prämienzahlung begehrt.

6

Das [X.] hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Die Revision des [X.] verfolgt die erhobenen Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1191 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, der Leistungsanspruch des [X.] sei derzeit jedenfalls nicht fällig, da die Beklagte ihre Leistungsprüfung nicht abschließen könne. Es fehle die erforderliche Einwilligung des [X.], die es der [X.] ermögliche, Gesundheitsdaten aus der [X.] vor dem Vertragsschluss zu erheben. Infolgedessen habe die Beklagte nicht prüfen können, ob die behauptete Berufsunfähigkeit bereits vor Vertragsbeginn eingetreten sei und ob ihr eventuell wegen einer Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten des [X.] ein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht zustehe.

9

Zur Feststellung des Versicherungsfalles gehöre auch die [X.]rüfung, ob der Versicherungsvertrag wirksam zustande gekommen sei und sich das versicherte Risiko erst nach Beginn des Versicherungsschutzes verwirklicht habe. Die hierfür benötigten Daten dürfe der Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung erheben. Dem stehe weder § 213 [X.] noch das Recht des [X.] auf informationelle Selbstbestimmung entgegen.

Der Versicherer sei nicht verpflichtet, die Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten ausschließlich vor Vertragsschluss zu prüfen. Die Erhebung vorvertraglicher Gesundheitsdaten sei weder auf Umstände beschränkt, die Einfluss auf den Versicherungsfall gehabt haben könnten, noch auf Fälle, in denen bereits ein konkreter Anfangsverdacht für eine vorvertragliche Anzeigeobliegenheitsverletzung vorliege. Im Streitfall habe aber ohnehin ein ausreichender [X.]rüfungsanlass wegen der zeitlichen Nähe der Vertragserklärung des [X.] zu der vorgetragenen Diagnose bestanden.

Die Beklagte habe im Laufe des Rechtsstreits auch nicht auf die Datenerhebung verzichtet.

II. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

Ein Leistungsanspruch des [X.] ist derzeit jedenfalls noch nicht fällig, weil die Beklagte notwendige Erhebungen zur [X.]rüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des [X.] aufgrund dessen unzureichender Mitwirkung nicht hat abschließen können.

1. Die Fälligkeit des Leistungsanspruchs hängt nach § 14 Abs. 1 [X.] auch vom Abschluss der Ermittlungen des Versicherers zur Frage einer vorvertraglichen Anzeigeobliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers ab.

a) Gemäß § 14 Abs. 1 [X.] sind Geldleistungen des Versicherers mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Leistungsumfangs notwendigen Erhebungen fällig. Hierzu zählen entgegen der Auffassung der Revision auch solche Nachforschungen, die klären sollen, ob der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] ordnungsgemäß erfüllt hat ([X.], 749, 750; [X.], 1497, 1498; [X.] [X.], 305; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 14 Rn. 16, 25; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 14 Rn. 22; Armbrüster in [X.]/[X.], [X.] 29. Aufl. § 14 Rn. 8; Rixecker in Langheid/Rixecker, [X.] 5. Aufl. § 14 Rn. 6; [X.]/[X.], Das Neue [X.] kompakt 4. Aufl. Rn. 1460; [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. [X.] Rn. 84; [X.], [X.], 410, 411; [X.], [X.], 297, 300; [X.], r+s 2008, 89, 93; Rixecker, [X.], 556; a.[X.], [X.], 1209, 1211).

b) An[X.] als die Revision meint, steht dem nicht entgegen, dass vorvertragliche Anzeigeobliegenheitsverletzungen weder den Eintritt des Versicherungsfalles betreffen, noch Auswirkungen auf die Bemessung der Versicherungsleistung haben, da sie lediglich rechtsvernichtende Gestaltungsrechte (Rücktritt nach § 19 Abs. 2 [X.] und [X.] nach § 22 [X.] [X.]. § 123 BGB) begründen können [X.], [X.], 1209, 1210 f.; [X.]., [X.], 1304, 1306).

[X.]) Soweit der Wortlaut des § 14 Abs. 1 [X.] die Fälligkeit der Geldleistungen des Versicherers von der Beendigung der "zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen" abhängig macht, wird davon auch die [X.]rüfung der Vertragswirksamkeit erfasst. Sowohl der Versicherungsfall als auch der Umfang einer auf diesen gestützten Versicherungsleistung setzen einen wirksamen Versicherungsvertrag voraus.

bb) Für dieses weite Verständnis des § 14 Abs. 1 [X.] sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift, die dem Versicherer angesichts häufig schwieriger rechtlicher und tatsächlicher Fragen [X.] zur [X.]rüfung einräumen will, ob und in welcher Höhe er zur Leistung verpflichtet ist ([X.] in [X.], 9. Aufl. § 14 [X.] Rn. 3). Dies erstreckt sich auch auf Fragen nach der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages, welche die grundlegende Voraussetzung für die Leistungsverpflichtung des Versicherers bildet. Denn es wi[X.]präche dem Zweck des § 14 Abs. 1 [X.], die Fälligkeit der Versicherungsleistung ungeachtet des Vorliegens von Umständen eintreten zu lassen, welche die Vertragswirksamkeit infrage stellen.

cc) Eine Unterscheidung danach, ob tatsächliche Umstände die Leistungspflicht des Versicherers unmittelbar entfallen lassen oder ihm lediglich ein Gestaltungsrecht verschaffen, den Versicherungsvertrag durch eine Anfechtungs- oder Rücktrittserklärung zu Fall zu bringen, ist insoweit nicht geboten. Denn das von § 14 Abs. 1 [X.] letztlich geschützte Interesse des Versicherers und der Versichertengemeinschaft, Leistungen nicht ohne Grund oder auf Grundlage einer unzureichenden [X.]rüfung erbringen zu müssen, ist in beiden Fällen gleichermaßen berührt.

2. Die Erhebungen der [X.] zur Frage vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des [X.] sind in Anbetracht seiner Weigerung, in jeglicher Weise an der Beschaffung der insoweit relev[X.]n Gesundheitsdaten bei seinen Krankenkassen sowie dem ihn behandelnden Arzt mitzuwirken, nicht als beendet im Sinne des § 14 Abs. 1 [X.] anzusehen.

a) Ob das auch dann gälte, wenn der Versicherungsnehmer aus keinem rechtlichen Grund zur Mitwirkung bei einer solchen Datenerhebung des Versicherers gehalten wäre ([X.], [X.], 1, 4; Looschel[X.], [X.], 530, 532), kann dahinstehen, denn im Streitfall traf den Kläger eine entsprechende Obliegenheit. Diese ergibt sich allerdings nicht aus § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.], der infolge unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 BGB unwirksam ist (hierzu [X.])), sondern aus § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.] [X.]. § 31 Abs. 1 Satz 2 [X.] (hierzu bb)).

[X.]) § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Die Klausel bestimmt, dass die versicherte [X.]erson im Rahmen der Leistungsprüfung bestimmte Auskunftspersonen zu ermächtigen hat, auf Verlangen des Versicherers Auskunft zu erteilen. Das benachteiligt den Versicherungsnehmer entgegen dem Gebot von [X.] und Glauben unangemessen, weil das Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 [X.] [X.]. Art. 1 Abs. 1 [X.] missachtet wird. Damit wi[X.]pricht die Klausel zugleich dem Grundgedanken des § 213 [X.].

(1) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet als besondere Ausprägung des allgemeinen [X.]ersönlichkeitsrechts die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die [X.]reisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (grundlegend: [X.] 65, 1, 43). Als Grundrecht entfaltet es im [X.]rivatrecht seine Wirkkraft über die Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen (sog. mittelbare Drittwirkung; hierzu grundlegend: [X.] 7, 198, 205), und ist insbesondere bei der Auslegung von Generalklauseln ([X.] [X.]O 205 f.), wie hier von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, zu beachten.

(2) Demgemäß sind Bestimmungen in allgemeinen Versicherungsbedingungen als unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers anzusehen, die einen informationellen Selbstschutz vereiteln oder unzumutbar werden lassen (Senatsurteil vom 13. Juli 2016 - [X.], [X.], 1173 Rn. 29 m.w.[X.]). Nach Auslegung von § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist das hier der Fall.

(a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Senatsurteile vom 17. Februar 2016 - [X.], [X.], 720 Rn. 15; vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.], 83, 85; st. Rspr.).

(b) Ein solcher Versicherungsnehmer entnimmt § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.], dass der Versicherte im Fall der Geltendmachung von Leistungsansprüchen die dort genannten Auskunftspersonen uneingeschränkt zu ermächtigen hat, dem Versicherer auf dessen Verlangen hin unmittelbar Auskunft zu erteilen. Eine inhaltliche Begrenzung dieser Verpflichtung auf Auskünfte etwa nur zu bestimmten Themen oder [X.]räumen lässt sich für ihn nicht ersehen.

In dieser Auslegung nimmt die Klausel dem Versicherten die Möglichkeit, die Sachdienlichkeit der Informationserhebung zu überprüfen und die [X.]reisgabe - auch sensibler - Daten selbst zu steuern (vgl. [X.] in [X.], [X.] 9. Aufl. § 213 Rn. 68; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 31 Rn. 68; [X.]/[X.], Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. § 4 [X.] 2008 Rn. 6; [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. [X.] Rn. 7; [X.]./[X.], [X.] 2009, 1370, 1393; Rixecker, [X.], 37).

(c) Zugleich steht § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] damit in Wi[X.]pruch zu dem Grundgedanken des § 213 [X.]. Dieser regelt zwar nach seinem Wortlaut lediglich die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer berechtigt ist, personenbezogene Daten bei [X.] zu erheben, und nicht die Frage, inwiefern der Versicherte vertraglich angehalten werden kann, für den Versicherer diese Voraussetzungen zu schaffen. Die Vorschrift soll aber nach dem Willen des Gesetzgebers gerade auch die Grundsätze aus der Entscheidung des [X.] vom 23. Oktober 2006 ([X.], 1669) umsetzen und den verfassungsrechtlich geforderten wirkungsvollen Selbstschutz gewährleisten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 28. Juni 2007, BT-Drucks. 16/5862 S. 100; [X.], r+s 2008, 89, 93). Dem wi[X.]präche es, die Ausübung der dazu geschaffenen gesetzlichen Möglichkeiten des Versicherten, die nach Abs. 1 erforderliche Einwilligung zu verweigern oder trotz erteilter Einwilligung der Datenerhebung nach Abs. 2 Satz 2 zu wi[X.]prechen, regelmäßig als Verstoß gegen vertragliche Mitwirkungsobliegenheiten anzusehen (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], § 213 Rn. 75). Denn die Wahrnehmung verfassungsrechtlich gebotener Rechte kann grundsätzlich nicht als Obliegenheitsverletzung gewertet werden ([X.] in [X.], 9. Aufl. § 213 [X.] Rn. 68; [X.], Die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch Versicherungsunternehmen bei [X.] gemäß § 213 [X.] unter Berücksichtigung des Gendiagnostikgesetzes, 2011 S. 211; [X.]/[X.], Das Neue [X.] kompakt 4. Aufl. Rn. 1473).

bb) Den Kläger trifft indes eine Obliegenheit zur Mitwirkung bei der Datenerhebung der [X.] - auch zur Frage vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen - aus § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.] [X.]. § 31 Abs. 1 Satz 2 [X.].

(1) Gemäß § 31 Abs. 1 [X.] kann der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (Satz 1), und dass ihm insoweit Belege vorgelegt werden, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann (Satz 2). § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.] gestaltet die gesetzliche Regelung dahingehend aus, dass der Versicherer auf seine Kosten vom Versicherungsnehmer notwendige Nachweise - auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Veränderungen - fordern kann, insbesondere zusätzliche Auskünfte und Aufklärungen, auch die des Arbeitgebers über den Beruf im [X.]punkt des Vertragsabschlusses.

§ 31 Abs. 1 [X.] entspricht § 34 [X.] a.F. (BT-Drucks. 16/3945 S. 70) und beruht auf dem Gedanken einer kooperativen Regulierung des Versicherungsfalles auf der Basis eines strukturierten, von [X.] und Glauben beherrschten Informations- und Kommunikationsprozesses, der die zwischen den Vertragsparteien bestehende Informationsasymmetrie ausgleichen und dem Versicherer damit die [X.]rüfung seiner eventuellen Leistungspflicht ermöglichen soll (vgl. [X.] in [X.], 9. Aufl. § 31 [X.] Rn. 2 m.w.[X.]). Die nach dem Gesetz zwar sanktionslose, für den Versicherungsnehmer dennoch verbindliche Obliegenheit nach § 31 Abs. 1 [X.] setzt ein Verlangen des Versicherers voraus (vgl. zur Erforderlichkeit einer Aufforderung des Versicherers im Fall der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers: Senatsurteil vom 16. November 2005 - [X.], [X.], 258 Rn. 16 m.w.[X.]). Danach muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer, der sich ein klares Bild von seiner Leistungspflicht machen will, erst auf entsprechende Aufforderung hin weitere Kenntnisse verschaffen und Beweise erbringen ([X.] in [X.], 8. Aufl. § 34 [X.] Anm. 3 f.).

Dabei kommt dem Versicherer grundsätzlich ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob sich die geforderten Angaben nach dem Ergebnis der [X.]rüfung tatsächlich als wesentlich erweisen, da die Frage der Erforderlichkeit ex [X.] zu beurteilen ist (zum Vorstehenden: Senatsurteile vom 13. Juli 2016 - [X.], [X.], 1173 Rn. 34; vom 22. Oktober 2014 - [X.], [X.], 45 Rn. 18; vom 16. November 2005 - [X.], [X.], 258 Rn. 14; jeweils m.w.[X.]).

(2) Umstritten ist aber, ob der Versicherer auch nach Umständen fragen und die Vorlage von Belegen verlangen darf, die es ihm erlauben, die Verletzung von vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten durch den Versicherungsnehmer zu beurteilen, insbesondere wie das Tatbestandsmerkmal des § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] "zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich" auszulegen ist.

Älterer obergerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums zufolge soll eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten sein, nach der die Aufklärungsobliegenheit über die Abwicklung des konkreten Versicherungsfalles nicht hinausgeht und sich damit nicht auf Umstände erstreckt, die ausschließlich Anfechtungs- und Rücktrittsgründe zu begründen vermögen (noch zu § 34 [X.] a.F.: [X.] VersR 1978, 1060, 1061; [X.] r+s 1993, 72, 74; [X.] in [X.], 8. Aufl. § 34 [X.] Anm. 12; zu § 31 [X.] n.F.: MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 31 Rn. 39; Rixecker in Langheid/Rixecker, [X.] 5. Aufl. § 31 [X.] Rn. 10; [X.]. in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 3. Aufl. § 46 Rn. 210; [X.], [X.], 1209, 1210; [X.]., [X.], 1304, 1306; [X.]., [X.], 810, 812).

Gegenstimmen in der Literatur sehen demgegenüber - wie die herrschende Meinung zu § 14 Abs. 1 [X.] - auch die Aufklärung solcher Umstände als erforderlich im Sinne des § 31 Abs. 1 [X.] an, die dazu dienen, eine Anzeigeobliegenheitsverletzung oder arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers bei Vertragsschluss aufzudecken (HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 31 [X.] Rn. 5; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 3. Aufl. § 21 Rn. 32; [X.]/[X.], Das Neue [X.] kompakt 4. Aufl. Rn. 1460; [X.], [X.], 410, 411; [X.], [X.], 297, 300; [X.]/[X.], [X.] 2009, 1370, 1394).

(3) Die letztgenannte Ansicht überzeugt. Für sie streiten im Wesentlichen die gleichen Argumente, die schon für die weite Auslegung des nahezu [X.] § 14 Abs. 1 [X.] ausschlaggebend sind (siehe hierzu die Ausführungen unter 1 b):

Der Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann dahin verstanden werden, dass die [X.]rüfung der Vertragswirksamkeit mitumfasst werden soll. Dafür sprechen - ähnlich wie bei § 14 Abs. 1 [X.] - Sinn und Zweck der Vorschrift: Zielt § 14 Abs. 1 [X.] darauf ab, dem Versicherer die erforderliche [X.] zur [X.]rüfung zu verschaffen, ob und in welcher Höhe er zur Leistung verpflichtet ist (hierzu 1 [X.]), soll § 31 Abs. 1 [X.] ihn dazu befähigen, die hierzu erforderliche Tatsachengrundlage zu ermitteln. Beide Regelungen bezwecken damit im [X.], dem Versicherer eine sachgerechte [X.]rüfung seiner Leistungspflicht zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 2014 - [X.], [X.], 45 Rn. 19 zu § 34 [X.] a.F.). Hierzu zählt die [X.]rüfung der Vertragswirksamkeit. Insoweit ist auch hier ohne Belang, ob es bei der [X.]rüfung des Versicherers um tatsächliche Umstände geht, welche seine Leistungspflicht unmittelbar entfallen lassen, oder solche, die ihm lediglich ein Gestaltungsrecht verschaffen, mit dessen Hilfe er den Vertrag nachträglich zu Fall bringen kann.

(4) Das Bestehen der entsprechenden Obliegenheit ist entgegen der Auffassung der Revision nicht davon abhängig, dass dem Versicherer Anhaltspunkte für eine vorvertragliche Anzeigeobliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers vorliegen. Zwar findet die Obliegenheit - wie die Wirksamkeit von § 22 Abs. 2 Satz 2 der [X.] - ihre Grenze im Recht des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Grundrecht begrenzt indes nur den Umfang der Obliegenheit, ohne an ihr Eingreifen erhöhte Anforderungen zu stellen.

(a) Die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, bei der Beschaffung seiner persönlichen Daten durch den Versicherer mitzuwirken, berührt sein grundrechtlich geschütztes Interesse an informationellem Selbstschutz. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die [X.]reisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, unabhängig davon, ob die Daten bei einem [X.] (vgl. [X.] [X.], 1669 Rn. 43; [X.], 1425, 1427 [juris Rn. 22]) oder beim Grundrechtsträger selbst (vgl. [X.] 65, 1, 45) erhoben werden.

Das bedeutet allerdings nicht, dass jede Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Mitwirkung bei der Datenerhebung des Versicherers sein allgemeines [X.]ersönlichkeitsrecht verletzte. Vielmehr steht dem Interesse des Versicherungsnehmers an informationeller Selbstbestimmung das ebenfalls erhebliche Offenbarungsinteresse des Versicherers gegenüber, das in der Vertragsfreiheit wurzelt und damit durch Art. 12 [X.] ebenfalls grundrechtlichen Schutz genießt (Senatsurteil vom 13. Juli 2016 - [X.], [X.], 1173 Rn. 31; [X.] [X.], 1669 Rn. 50; [X.], 1425, 1427 [juris Rn. 21]).

Beiden Grundrechten ist bei der Auslegung des § 31 Abs. 1 [X.] nach dem [X.]rinzip der praktischen Konkordanz Geltung zu verschaffen, indem die kollidierenden Grundrechtspositionen so zu begrenzen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst wirksam werden (vgl. Senatsurteil vom 14. November 2007 - [X.], [X.], 127 Rn. 143; [X.], Urteil vom 2. April 2015 - [X.], [X.]Z 205, 22 Rn. 43).

(b) Dabei ist einerseits dem berechtigten Interesse des Versicherungsnehmers Geltung zu verschaffen, dass keine Daten erhoben werden, die dem Versicherer über das erforderliche Maß hinaus in weitem Umfang sensible Informationen über den Versicherungsnehmer gewähren (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2016 - [X.], [X.], 1173 Rn. 32; [X.] [X.], 1425, 1427 [juris Rn. 27]). Das wäre - wie die Revision richtig erkennt - nicht gewährleistet, wenn der Versicherungsnehmer seine Mitwirkung bei der Beschaffung entsprechender Daten durch den Versicherer zwar faktisch verweigern könnte, dadurch aber stets seine Mitwirkungsobliegenheit nach § 31 Abs. 1 [X.] missachtete und die Fälligkeit seines Leistungsanspruchs nach § 14 Abs. 1 [X.] gefährdete. Denn damit wäre der Versicherer im Ergebnis bis zu einem eventuellen Einlenken des Versicherungsnehmers faktisch leistungsfrei, obgleich nach der Rechtsprechung des [X.] Versicherte einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden können, um des informationellen Selbstschutzes willen die Leistungsfreiheit des Versicherers hinzunehmen ([X.] [X.], 1669 Rn. 39; [X.], 1425, 1427 [juris Rn. 25]).

Auf der anderen Seite ist das anerkennenswerte Interesse des Versicherers und auch der [X.] (vgl. OLG S[X.]rbrücken [X.], 1478, 1481) zu wahren, zur Vermeidung ungerechtfertigter Versicherungsleistungen alle Tatsachen - auch Hilfstatsachen - zu erfahren, die unmittelbar oder auch erst nach der Ausübung von [X.] zu seiner Leistungsfreiheit führen können (vgl. [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. [X.] Rn. 32). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es im [X.]punkt der Datenerhebung oft noch nicht möglich ist, sicher zu beurteilen, auf welche Tatsachen es bei der Beurteilung der Leistungspflicht am Ende ankommt (vgl. [X.] [X.], 1425, 1427 [juris Rn. 22]; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 213 Rn. 22; [X.], [X.], 297, 300).

(c) Die Abwägung der vorstehenden Belange führt nicht dazu, die den Versicherungsnehmer treffende Mitwirkungsobliegenheit auf Fälle zu beschränken, in denen bereits eine konkrete Verdachtslage für eine Anzeigeobliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers besteht (so aber [X.], Neue Entwicklungen und alte [X.]robleme in der Berufsunfähigkeitsversicherung nach der [X.]-Reform 2015 S. 236; [X.]/[X.], Das Neue [X.] kompakt 4. Aufl. Rn. 1461; ähnlich: [X.], [X.], 810, 813), welche - wie die Revision meint - sogar die subjektiven Voraussetzungen der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers umfassen müsste. Denn der dem Versicherer zuzubilligende Beurteilungsspielraum in der Frage, welche Angaben er zur Sachverhaltsermittlung für erforderlich hält, wäre zu weitgehend eingeschränkt, müsste er zur Rechtfertigung seiner Erhebungen zunächst jeweils im Einzelnen darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Fallumstände den konkreten Verdacht einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit durch den Versicherungsnehmer begründeten.

Vielmehr ist der Ausgleich der insoweit wi[X.]treitenden Interessen dadurch herzustellen, dass der Versicherungsnehmer bei der Erhebung von Daten durch den Versicherer grundsätzlich nur insoweit mitzuwirken hat, als diese zur [X.]rüfung des [X.] relevant sind. Kann der Umfang der Datenerhebung nicht von vornherein auf entsprechende Informationen beschränkt werden, weil dem Versicherer noch unbekannt ist, worauf er sein Augenmerk zu richten hat, so erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst auf die Einholung solcher weniger weitreichender und persönlichkeitsrelev[X.]r Vorinformationen, die dem Versicherer eine Konkretisierung ermöglichen, welche Informationen im Weiteren tatsächlich für die Leistungsprüfung relevant sind (vgl. [X.] [X.], 1425, 1428 [juris Rn. 29]).

Dies kann im Fall eines geringen Kenntnisstandes des Versicherers eine gestufte, einem Dialog vergleichbare (vgl. dazu [X.] [X.]O 1427 f. [juris Rn. 22, 28]) Datenerhebung erforderlich werden lassen, in deren Rahmen zunächst Vorinformationen allgemeiner Art erhoben werden, auf deren Grundlage der Versicherer sodann einzelne, spezifischere Anfragen zu stellen vermag, deren Beantwortung unter Umständen wiederum zur Grundlage noch weiter ins Detail gehender Erkundigungen werden kann.

Nach allem ist der Versicherungsnehmer aufgrund der ihn treffenden Aufklärungsobliegenheit weder gehalten, dem Versicherer bei der Datenerhebung - selbst wenn sich diese auf eine oder wenige Auskunftspersonen beschränken sollte - völlig freie Hand zu lassen, noch muss er seinerseits vorformulierte Entwürfe des Versicherers für weit gefasste Schweigepflichtentbindungserklärungen oder ähnliche Ermächtigungen des Versicherers in der Weise modifizieren, dass sie über das genannte Maß nicht hinausgehen (vgl. [X.] [X.]O). Vielmehr werden sich die Erhebungen des Versicherers zunächst auf solche Informationen zu beschränken haben, die ihm einen Überblick über die zur Beurteilung des Versicherungsfalles einschließlich des vorvertraglichen Anzeigeverhaltens des Versicherungsnehmers relev[X.]n Umstände ermöglichen.

Dies kann etwa auf einer ersten Stufe der Erhebungen die Frage betreffen, wann in dem für die Anzeigeobliegenheit maßgeblichen [X.]raum ärztliche Behandlungen oder Untersuchungen stattgefunden haben, was beispielsweise durch eine Auskunft des Krankenversicherers beantwortet werden könnte, den der Versicherungsnehmer zunächst nur insoweit von seiner Schweigepflicht entbinden müsste. Beson[X.] sensible Gesundheitsdaten (etwa Diagnosen, Behandlungsweisen oder Verordnungen betreffend) blieben von der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers so lange nicht umfasst, bis der Versicherer aufgrund seiner [X.]rüfung der Vorinformationen sein Auskunftsverlangen weiter konkretisiert. Erst dann wäre der Versicherungsnehmer gehalten, dieser Konkretisierung entsprechende Schweigepflichtentbindungen zu erteilen.

Allerdings bleibt es ihm unbenommen, zur Beschleunigung der Leistungsprüfung stattdessen sogleich umfassende Auskünfte zu erteilen und auch eine unbeschränkte Schweigepflichtentbindung zu erklären. Denn als Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung steht es ihm frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren (vgl. [X.] [X.], 1669 Rn. 34). Hierüber und über die andernfalls nach den vorgenannten Maßstäben schrittweise zu erfüllende Obliegenheit, Schweigepflichtentbindungen zu erteilen, hat der Versicherer den Versicherungsnehmer eingangs seiner Erhebungen zu informieren.

(5) Gegen die Annahme einer derart begrenzten Mitwirkungsobliegenheit des Versicherungsnehmers aus § 31 Abs. 1 [X.] greifen die von der Revision und Teilen der Literatur erhobenen Einwände nicht durch.

(a) Soweit der Senat im Urteil vom 28. Oktober 2009 ([X.]/08, [X.], 97 Rn. 23) das Interesse des Versicherungsnehmers als hoch eingestuft hat, Informationen über ihn betreffende Erkrankungen geheim zu halten und den Umgang damit zu kontrollieren, hat er zugleich hervorgehoben, dass das Recht des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung im Verhältnis der Vertragspartner einer Berufsunfähigkeitsversicherung dadurch modifiziert ist, dass es dem Versicherungsnehmer von Gesetzes wegen obliegt, dem Versicherer relev[X.] Informationen über seinen Gesundheitszustand auch im Leistungsfall zugänglich zu machen, soweit dies zur [X.]rüfung der Leistungspflicht erforderlich ist, um dem legitimen Interesse des Versicherers an der Kenntnis und Verwendung dieser Informationen Rechnung zu tragen (Senat [X.]O Rn. 24).

(b) Anderes ergibt sich auch nicht aus § 213 Abs. 1 [X.].

Dessen Tatbestand ist von seinem Wortlaut her weiter als der des § 31 Abs. 1 [X.], weil er die Erhebung personenbezogener Daten für zulässig erklärt, deren Kenntnis "für die Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht" erforderlich ist. Ferner wird der wirkungsvolle informationelle Selbstschutz, den die Regelung bezwecken soll, durch die Begrenzung des Obliegenheitsumfangs (s. oben 2 a bb (4) (c)) gewährleistet. Das gilt insbesondere auch für das achtens- und schützenswerte Interesse redlicher Versicherungsnehmer an der Geheimhaltung sensibler Gesundheitsdaten. Der Einwand der Revision, die vom Versicherer erhobenen Daten könnten inhaltlich falsch sein und begründeten für den redlichen Versicherungsnehmer das Risiko, mit tatsächlich nicht gegebenen [X.] konfrontiert und deshalb in einen langwierigen Rechtsstreit verwickelt zu werden, greift nicht durch. Die jeder Ermittlung anhaftende Möglichkeit eines falschen Ermittlungsergebnisses kann die Zulässigkeit der Ermittlung als solche nicht infrage stellen.

Dementsprechend geht auch die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur zu Recht davon aus, § 213 [X.] stehe einer Datenerhebung zum Zwecke der Überprüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers nicht entgegen (OLG S[X.]rbrücken [X.], 1157, 1161; [X.] in [X.]/[X.], [X.]rivate Krankenversicherung 5. Aufl. § 213 [X.] Rn. 46; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 213 [X.] Rn. 22; [X.] in Looschel[X.]/[X.]ohlmann, [X.] 3. Aufl. § 213 [X.] Rn. 7; Wolf in Looschel[X.]/[X.]ohlmann, [X.] 2. Aufl. § 213 [X.] Rn. 8; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 29. Aufl. § 213 Rn. 30; Rixecker in Langheid/Rixecker, [X.] 5. Aufl. § 213 Rn. 13; [X.], Die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch Versicherungsunternehmen bei [X.] gemäß § 213 [X.] unter Berücksichtigung des Gendiagnostikgesetzes, 2011 S. 135 f.; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 3. Aufl. § 21 Rn. 32; [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. [X.] Rn. 33; [X.], [X.], 410, 412; [X.], [X.], 297, 299 f.; [X.], r+s 2008, 89, 93; Rixecker, [X.], 556; jedenfalls soweit konkreter Anfangsverdacht vorliegt: [X.] in [X.], 9. Aufl. § 213 [X.] Rn. 36; [X.]/[X.], Das Neue [X.] kompakt 4. Aufl. Rn. 1460 f.; a.[X.], [X.], 810, 813; [X.]., [X.], 553, 554; [X.]., [X.], 1304, 1306; [X.]., [X.], 1209, 1211).

Zwar wird in der Literatur vereinzelt gefordert, zwischen der als Versicherungsfall geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigung und dem Informationsbegehren des Versicherers müsse eine kausale Verbindung bestehen ([X.], [X.], 810, 813; [X.]., [X.], 1304, 1307; [X.]/[X.], [X.] 2009, 1370, 1375 f.). Dem kann aber schon deshalb nicht gefolgt werden, weil eine solche Einschränkung der Datenerhebung im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze findet und jedenfalls das Recht des Versicherers, den Versicherungsvertrag im Fall einer arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers bei Vertragsschluss nach § 123 BGB anzufechten, eine solche Kausalität nicht voraussetzt.

(c) Soweit die Revision darauf verweist, der Versicherer könne dann, wenn ihm konkrete, greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung vorlägen, ohnehin von "seinem Recht Gebrauch machen und den Vertrag anfechten bzw. den Rücktritt erklären", so dass er keiner weiteren Auskünfte mehr bedürfe, überzeugt dies bereits deshalb nicht, weil es den Interessen beider [X.]arteien des Versicherungsvertrages wi[X.]präche, dem Versicherer eine fundierte Überprüfung des Sachverhalts im Wege der Datenerhebung zu verwehren und ihn auf diese Weise zu einem Rücktritt oder einer [X.] aufgrund eines bloßen Verdachts zu drängen.

(d) Ein die Datenerhebung rechtfertigendes schutzwürdiges Interesse des Versicherers lässt sich auch nicht mit der Erwägung verneinen, er könne durch Gestaltung der Antragsfragen und Umorganisation seines Vertriebs bereits die vorvertragliche Beschaffung der für ihn risikorelev[X.]n Informationen mitgestalten. Eine [X.]flicht des Versicherers, die Richtigkeit sämtlicher bei der Vertragsanbahnung erteilten Auskünfte des Versicherungsnehmers - so sie nicht ersichtlich unklar oder unvollständig sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom 5. März 2008 - [X.], [X.], 668 Rn. 10 m.w.[X.]) - bereits vor Vertragsschluss zu überprüfen, sieht das Gesetz nicht vor.

(e) Der so verstandenen Mitwirkungsobliegenheit des Versicherungsnehmers aus § 31 Abs. 1 [X.] steht auch nicht der allgemeine prozessuale Grundsatz entgegen, dass derjenige, der aus einer Rechtsnorm für sich günstige Rechtsfolgen herleiten möchte, deren Voraussetzungen darlegen und beweisen muss (a.[X.], [X.], 810, 818 f.; [X.]., [X.], 1209, 1218). Diese Regel ist hier nicht einschlägig.

Denn im Unterschied zum Zivilprozess wird das außergerichtliche Leistungsprüfungsverfahren des Versicherers vom Gedanken der kooperativen Regulierung des Versicherungsfalles getragen (vgl. [X.] in [X.], 9. Aufl. § 31 [X.] Rn. 2 m.w.[X.]), der unter anderem in der gesetzlichen Informationsobliegenheit des Versicherungsnehmers seine Ausprägung findet und seine Grundlage darin hat, dass sich das Versicherungsverhältnis in besonderem Maß auf das wechselseitige Vertrauen beider Vertragspartner gründet (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2013 - [X.], [X.], 609 Rn. 26).

(f) Schließlich greifen auch die in Teilen der Literatur erhobenen Bedenken nicht durch, wonach es dem Versicherungsnehmer nicht zuzumuten sei, am Entzug seiner Ansprüche und Rechtsposition mitzuwirken (so: [X.], [X.], 1209, 1217). Der im Strafprozessrecht bedeutsame Grundsatz, dass niemand sich selbst bezichtigen muss, kann grundsätzlich nicht auf das Versicherungsvertragsrecht übertragen werden (vgl. Looschel[X.] in Looschel[X.]/[X.]ohlmann, [X.] 2. Aufl. § 31 Rn. 15). Der Versicherungsnehmer hat auf entsprechendes Verlangen des Versicherers ihm bekannte Tatsachen selbst dann wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren, wenn das seinen eigenen Interessen wi[X.]treitet, weil diese Tatsachen es dem Versicherer erst ermöglichen, seine Leistungspflicht sachgerecht zu prüfen und sich gegebenenfalls auf Leistungsfreiheit zu berufen (Senatsurteile vom 13. Dezember 2006 - [X.], [X.], 389 Rn. 14; vom 16. November 2005 - [X.], [X.], 258 Rn. 13 m.w.[X.]).

b) Seiner nach all dem bestehenden Mitwirkungsobliegenheit hat der Kläger nicht genügt, weil er sich weigerte, der [X.] die Beschaffung der zur [X.]rüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen erforderlichen Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Dies war nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte mehr verlangt hätte, als dem Kläger nach Maßgabe von § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 der [X.] [X.]. § 31 Abs. 1 [X.] tatsächlich oblag.

[X.]) Entgegen der Auffassung der Revision ist es im Streitfall ausnahmsweise ohne Belang, dass die Einholung aller bei den Krankenkassen des [X.] gespeicherten Behandlungsdaten, die bis in den Juni 2002 zurückreichen, erheblichen Bedenken begegnet. Nachdem sich der Kläger ernsthaft und endgültig geweigert hatte, bei jedweder Erhebung von Gesundheitsdaten mitzuwirken, die nicht der Klärung des Versicherungsfalles, sondern der [X.]rüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen dient, erschien ein gesondertes, enger gefasstes Mitwirkungsverlangen der [X.], die in der vorgerichtlichen Korrespondenz mit dem Kläger die Bereitschaft gezeigt hatte, über den Umfang der erforderlichen Schweigepflichtentbindung eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen, letztlich aussichtslos. Insofern kommt es hier ausnahmsweise auch nicht darauf an, dass die Beklagte den Kläger nicht auf die Möglichkeit der schrittweisen Schweigepflichtentbindung hinwies (vgl. oben [X.] (4) (c)), weil der Kläger durch sein Verhalten unzweifelhaft zum Ausdruck brachte, dass er eine Datenerhebung zur Aufklärung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen grundsätzlich zurückweise.

bb) Gleiches gilt in Bezug auf die Frage, ob die geforderte Mitwirkungshandlung dem Kläger im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht zumutbar war, weil die Beklagte ihm kein Verfahren ermöglicht hat, in dessen Rahmen er die begehrten Informationen selbst hätte beschaffen und an die Beklagte weiterleiten können (vgl. hierzu: [X.] [X.], 1669 Rn. 60). Auch insoweit war eine Aufforderung zur [X.] Mitwirkung des [X.] entbehrlich, weil er jegliche Datenerhebung zum Zwecke der [X.]rüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen ernsthaft und endgültig abgelehnt hatte.

c) Anderes ergibt sich schließlich weder aus den "Verhaltensregeln für den Umgang mit personenbezogenen Daten durch die [X.] Versicherungswirtschaft", die vom [X.] ([X.]) aufgestellt wurden, noch infolge einer von der [X.] während des Rechtsstreits in erster Instanz versandten "Kundeninformation zur Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten sowie zur Schweigepflichtentbindung".

Die Datenschutzregeln des [X.] sind für den Streitfall bereits deshalb ohne Belang, weil sie erst im Revisionsverfahren vorgelegt worden sind und es daher an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts zu ihrem Inhalt fehlt (§ 559 Z[X.]O). Bei der von der [X.] versandten Kundeninformation handelt es sich nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts um eine allgemein gehaltene Information ohne Bezug zur konkreten Leistungsprüfung. Ein Verzicht der [X.] auf die hier beabsichtigte Datenerhebung ergibt sich daraus nicht.

[X.]      

        

Felsch      

        

Harsdorf-Gebhardt

        

Lehmann      

        

Dr. Bußmann      

        

Meta

IV ZR 289/14

22.02.2017

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 8. Juli 2014, Az: 6 U 134/13, Urteil

§ 14 Abs 1 VVG, § 19 Abs 1 S 1 VVG, § 31 Abs 1 S 1 VVG, § 213 Abs 1 VVG, Art 2 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2017, Az. IV ZR 289/14 (REWIS RS 2017, 15180)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1391 WM2017,520 REWIS RS 2017, 15180

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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