Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.10.2013, Az. 33 W (pat) 558/12

33. Senat | REWIS RS 2013, 1592

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Primera" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 030 112.6

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] durch die Richterin [X.] als Vorsitzende, [X.] und die Richterin [X.] am 29. Oktober 2013

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des [X.] vom 20. September 2012 aufgehoben.

Gründe

1

I.    

2

Am 14. Mai 2012 hat die Anmelderin die Wortmarke

3

[X.]

4

für folgende Dienstleistungen angemeldet:

5

Klasse 35:

6

Verkaufsförderung für die Waren und Dienstleistungen Dritter durch Bereitstellung einer Website mit Rabatten, Preisvergleichsinformationen, Produktrezensionen, Links zu den [X.] Dritter sowie Rabattinformationen; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von e-Commerce; Versendung von Werbemailings für Dritte; Veranstaltung von Online-Verkaufsaktionen für Geschäfts- und Werbezwecke für Dritte; Planung und Verwaltung in Bezug auf die Vermarktung, Verkaufsförderung oder Werbung für Waren und Dienstleistungen Dritter;

7

Klasse 36:

8

Finanzdienstleistungen, nämlich Zurverfügungstellen einer virtuellen Währung zur Verwendung durch Mitglieder einer Online-Community über Computer- und Kommunikationszwecke; Verarbeitung finanzieller Transaktionen, nämlich Clearing und Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mittels Computer- und Kommunikationsnetzwerken; elektronische Kapitaltransferdienste; Abwicklung von Zahlungen für Dritte;

9

Klasse 38:

Bereitstellung des Zugriffs auf Online-Foren, Plattformen im [X.] und Portalen im [X.]; Bereitstellung des Zugriffs auf [X.] zur Weiterleitung der Benutzer von Websites auf andere lokale und weltweite Websites; Bereitstellung des Zugriffs auf eine Website mit Rabatten, Preisvergleichsinformationen, Produktrezensionen sowie Rabattinformationen, Bereitstellung des Zugriffs auf Websites Dritter, elektronische Übertragung von Rechnungszahlungsdaten für Nutzer von Computer- und Kommunikationsnetzwerken; Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich elektronische Übermittlung von Daten, Nachrichten und Informationen.

Die Markenstelle für Klasse 36 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 20. September 2012 wegen des [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zurückgewiesen.

Sie hat hierzu ausgeführt, dass es sich um eine Bezeichnung handele, die zur Beschreibung der Dienstleistungen geeignet sei. Das [X.] Wort „[X.]“ sei zu übersetzen mit „erste, frühere, allererst, erstmalig, erste, erstes, erstgenannt“. Das Wort finde sich auch in Zusammenhang mit Qualitätsaussagen und bezeichne daher adjektivisch den qualitativen sowie zeitlichen Vorrang der gekennzeichneten Dienstleistungen vor anderen. Es sei anzunehmen, dass die beteiligten [X.] und die konkurrierenden Dienstleistungserbringer, welche Handelsbeziehungen mit dem EU-Mitglied [X.] und anderen spanisch-sprachigen Ländern pflegten, das Zeichen mit dieser Bedeutung verstehen. Selbst wenn der angesprochene Verkehr nicht durchgängig konversationsfähig [X.] spreche, sei auf der Basis einer gewissen Vertrautheit mit der [X.]n Sprache das Wort „primera“ in seinen Bedeutungen zu verstehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

den Beschluss des [X.] aufzuheben und hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Die Anmelderin ist der Ansicht, dass die Anmeldung der Marke „[X.]“ zu Unrecht zurückgewiesen worden sei. Die Marke sei nicht zur Beschreibung der angemeldeten Dienstleistungen geeignet. Dabei sei maßgeblich auf das Verständnis der beteiligen Verkehrskreise abzustellen, an die sich die relevanten Dienstleistungen wenden; diese seien nicht der Handel, sondern inländische durchschnittlich informierte Durchschnittsverbraucher, deren Sprachverständnis entscheidend sei. Der Durchschnittsverbraucher verstehe das [X.] Wort „[X.]“ nicht. Selbst wenn der internationale Handel zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehöre und das Wort verstehe, sei das Wort „[X.]“ in Alleinstellung nicht beschreibend, da es stets nur in Kombination mit einem anderen Wort verwendet werde. Die Anmelderin ist weiterhin der Ansicht, dass das Zeichen unterscheidungskräftig sei, weil „[X.]“ vom durchschnittlich informierten und interessierten Verbraucher als Phantasiewort wahrgenommen werde. Weiterhin sei der Verkehr an die Bezeichnung „[X.]“ gewöhnt, insbesondere gebe es bereits eine Reihe von eingetragenen [X.] Marken namens „[X.]“.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem angemeldeten Zeichen steht hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen kein [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 [X.] entgegen.

1.

Dem begehrten Wortzeichen „[X.]“ stehen keine [X.]se, insbesondere nicht solche nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 [X.] entgegen, weil der angesprochene Verkehr die Wortbedeutung nicht erfasst.

Das aus der [X.]n Sprache stammende Wort „primera“ leitet sich ab von dem [X.] Begriff „prime“ mit der Bedeutung „besonders“, „geeignet“ ([X.], [X.], [X.]). In der [X.]n Sprache kann es als Substantiv benutzt werden und bedeutet dann „die Erste“ ([X.], [X.], [X.]-Deutsch). Gleiches gilt für die Verwendung als Präposition vor einem Substantiv (z. B: „primera divisiòn de fútbol“ - erste Bundesliga, LEO-[X.]). Eine Verwendung als Adjektiv zusammen mit der [X.]n Präposition „de“ (de primera…) bedeutet u. a. „prima“, „erstklassig“ ([X.], [X.], [X.]-Deutsch; LEO-[X.]). Sämtliche Grundbedeutungen haben eine zeitliche, ordnende und auch qualitative Komponente, wobei aber in allen Bedeutungen insoweit eine gewisse Gemeinsamkeit besteht, als „[X.]“ etwas bezeichnet, was sich von anderen Subjekten oder Objekten abhebt, und zwar regelmäßig dadurch, dass das jeweilige Subjekt oder Objekt Vorrang vor anderen hat bzw. in einer (zeitlichen oder qualitativen Reihung) vorne steht (BPatG 25 W (pat) 12/12 - [X.]). Selbst wenn man jedoch unterstellen würde, dass die Bedeutung „erstklassig“ auch dem isoliert verwendeten Adjektiv „primera“ ohne die Präposition „de“ beigemessen würde oder dass das Substantiv „primera“ mit der Bedeutung „die Erste“ ein beschreibender oder nicht unterscheidungskräftiger Begriff wäre, der vermitteln soll, dass es sich bei den so gekennzeichneten Dienstleistungen um erstklassige, am Markt führende Produkte oder um Produkte mit den höchsten Verkaufszahlen oder das erste Produkt seiner Gattung auf dem Markt handele (so für „[X.]“ BPatG 25 W (pat) 12/12), setzt ein entsprechendes Verständnis spezifizierte Kenntnisse der [X.]n Sprache voraus, die über allgemeines Grundlagenwissen hinausgehen. Eine solche Kenntnis bzw. ein derartiges Sprachgefühl kann bei den hier maßgeblichen inländischen Verkehrskreisen indes nicht unterstellt werden.

Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen im vorliegenden Fall Endverbraucher und [X.]. Auszugehen ist vom normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ([X.] GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - [X.]; [X.] GRUR 1999, 723 (Nr. 29) - [X.]; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rd. 29 ff.). Die unter Klasse 35 begehrten Dienstleistungen allerdings werden teilweise (insbesondere Werbung, Vermarktung, e-Commerce, Versendung von Werbemailings) nur von Unternehmen bzw. Personen in Anspruch genommen, die gewerblich tätig sind.

Es ist nicht mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass der [X.] Verkehr, auf dessen Verständnis es bei einer fremdsprachigen Wortanmeldung alleine ankommt (vgl. [X.] GRUR 2006, 411 (Nr. 32, 26) - [X.]), das [X.] Wort „[X.]“ übersetzen kann. Der [X.] hat in der Entscheidung „[X.]“ im Rahmen seiner Kompetenz zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 lit. b, [X.] entschieden, dass ein [X.] nur dann vorliegt, wenn die beteiligten Verkehrskreise in dem Mitgliedsstaat, in dem die Eintragung beantragt wird, im Stande sind, die beschreibende Bedeutung des Wortes zu erkennen ([X.] GRUR 2006, 411 (Nr. 32, 26) - [X.]). Die Verständnisfähigkeit des [X.] Durchschnittsverbrauchers darf zwar nicht zu gering veranschlagt werden ([X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rd. 395), und es würde auch genügen, wenn lediglich der Fachverkehr die Begriffsbedeutung erkennt (vgl. [X.] GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - [X.]; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rd. 396). Vorliegend gibt es indes keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der angesprochene [X.] Verkehr das [X.] Wort „primera“ übersetzen kann (vgl. im Ergebnis ebenso für verschiedene Dienstleistungen der Klasse 35: BPatG 25 W (pat) 12/12 - [X.]; BPatG 25 W (pat) 13/12 [X.]). [X.] wird - anders als [X.] - nicht als Pflichtfremdsprache in Schulen angeboten und nur von einigen Schülern erlernt. Auch der hier maßgebliche Fachverkehr bzw. die angesprochenen gewerblich tätigen Personen und Unternehmen verfügen nicht zwingend über [X.]kenntnisse. Die in Klasse 35 begehrten Dienste betreffen vor allem [X.]- und Verkaufsförderungsdienste, die von ganz unterschiedlichen Unternehmen angeboten und in Anspruch genommen werden können und keinen besonderen Bezug zum Welthandel und damit zur Welthandelssprache „[X.]“ aufweisen. Auch für die in Klasse 36 begehrten Finanzdienstleistungen und die in Klasse 38 angemeldeten [X.]- und Telekommunikationsdienste ist [X.] nicht als Fachsprache anzusehen.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass sich dem Verkehr die Wortbedeutung von „[X.]“ durch ähnliche, ihm bekannte Begriffe erschließt. Die Übersetzung des begehrten [X.]n Wortes „primera“ ergibt sich wegen anderer Bedeutungen insbesondere nicht aus folgenden Worten: „primär“ ([X.], Die [X.] Rechtschreibung: ursprünglich), „Primzahl“ ([X.], Die [X.] Rechtschreibung: nur durch die Zahl Eins und sich selbst teilbare Zahl) oder „Primärstufe“ ([X.], Die [X.] Rechtschreibung: 1.-4. Schuljahr). Andererseits haben Begriffe mit einem ähnlichen Bedeutungsgehalt, wie z. B. „prima“ ([X.], Die [X.] Rechtschreibung: erstklassig, großartig), „Primus“ ([X.], Die [X.] Rechtschreibung: Klassenbester), „[X.]/Prima“ ([X.], Die [X.] Rechtschreibung: (Schüler) der oberen Klassen des Gymnasiums), einen anderen Stamm („prim“, statt „primer“), so dass der Verkehr nicht geneigt sein wird, Bezüge zwischen diesen Begriffen herzustellen.

2.

Dem beanspruchten Zeichen steht auch nicht das [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wären von der Eintragung diejenigen Marken ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - [X.]; [X.] GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f.) - [X.]). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - [X.]; [X.] GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; [X.], 710 (Nr. 12) - [X.]). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist. Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat dabei streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern ([X.] GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.] GRUR 2003, 604 ([X.]) - [X.]; [X.] GRUR 2003, 58 (Nr. 20) - Companyline).

Das hier beanspruchte Wortzeichen „[X.]“ ist bei Zugrundelegung des dargelegten [X.] hinreichend unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum wird ihm im Hinblick auf die beanspruchten Dienste den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen können. Da dem begehrten Begriff für die beanspruchten Dienstleistungen - wie oben dargelegt - keine dem inländischen Verkehr verständliche Bedeutung zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort handelt, das stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden würde, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der Marke die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. [X.], 850 (Nr. 19) - [X.]; [X.], 1071 (Nr. 25) - Kinder II; [X.], 1042 (1042) - [X.] UND SCHÖN).

Bei dem beanspruchten Zeichen „[X.]“ handelt es sich nämlich nicht um einen Begriff der Alltagssprache und es wird auch nicht in Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Dienstleistungen benutzt. Weder die [X.]recherche des Senats noch die Prüfung der Markenstelle belegt die übliche Benutzung des verfahrensgegenständlichen Zeichens und zwar weder in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen noch losgelöst davon.

Aus alldem ergibt sich, dass der angesprochene Verkehr das angemeldete Zeichen in Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen als Hinweis auf die Herkunft der Produkte aus einem bestimmten Unternehmen wahrnehmen wird, so dass es hinreichend unterscheidungskräftig ist.

Meta

33 W (pat) 558/12

29.10.2013

Bundespatentgericht 33. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.10.2013, Az. 33 W (pat) 558/12 (REWIS RS 2013, 1592)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1592

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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