Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2019, Az. 1 StR 230/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 5061

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beihilfe zur Steuerhinterziehung: Fördern mehrerer rechtlich selbstständiger Taten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Januar 2019 aufgehoben

a) im Schuldspruch in Bezug auf die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen (Ziffer [X.] der Urteilsgründe – „[X.]    “),

b) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

2

Der Angeklagte beanstandet mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s unterstützte der Angeklagte im [X.]    “ den rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung zu Gunsten der [X.].                UG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren Verurteilten M.        dabei, mit [X.] zu handeln. Der Angeklagte vermittelte die Kontakte zu den Abnehmern von [X.], nahm Bargeldabhebungen vor und führte Kurierfahrten zu den Kunden durch. Dabei wusste der Angeklagte von Anfang an, dass M.        mit [X.] handeln wollte, in denen unberechtigt Umsatzsteuer für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen ausgewiesen war, und er mit seinem Handeln dieses „Geschäftsmodell“ unterstützte. Obwohl – wie dem Angeklagten bekannt war – wegen der in den Scheinrechnungen ausgewiesenen [X.] gemäß § 14c UStG Umsatzsteuern entstanden und gegenüber den Finanzbehörden anzumelden waren (§ 18 Abs. 1 bis 3, 4a und 4b UStG), wurden von den hierzu gemäß §§ 34 und 35 [X.] verpflichteten Personen der [X.].                 UG keine Steueranmeldungen abgegeben. Durch die nicht abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung 2015 sowie die Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum von Januar bis April 2016 wurde die Umsatzsteuer in diesem Tatzeitraum um insgesamt 1.672.682,52 Euro verkürzt. Für sein Tätigwerden erhielt der Angeklagte von M.        im Tatzeitraum einen PKW [X.] zur alleinigen Nutzung, für den die [X.].                 UG monatliche Leasingraten von 1.500 Euro zahlte, sowie eine Entlohnung für Bargeldabhebungen und Kurierfahrten.

4

2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des [X.]s tragen einen Schuldspruch des Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, nicht aber wegen fünf tatmehrheitlich zueinander stehender Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Der Schuldspruch konnte daher insoweit keinen Bestand haben.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Handlungseinheit oder -mehrheit nach dem individuellen Tatbeitrag eines jeden Beteiligten zu beurteilen. Fördert der Gehilfe durch ein und [X.] mehrere rechtlich selbständige Taten des [X.], so ist nur eine Beihilfe im Rechtssinne gegeben (vgl. nur [X.], Urteil vom 23. Oktober 2018 – 1 [X.], [X.], 190 Rn. 65; Urteil vom 28. Oktober 2004 – 4 StR 59/04, [X.]St 49, 306, 316; Beschluss vom 13. März 2013 – 2 [X.], NJW 2013, 2211 Rn.6).

6

b) Die bisherigen Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte in jedem der fünf vom [X.] abgeurteilten Tatzeiträume der Steuerhinterziehung einen individuellen tatfördernden Beitrag erbracht hat. Das fördernde Verhalten des Angeklagten stellt sich vielmehr nur als eine einheitliche Unterstützungshandlung zu den durch M.        im Tatzeitraum für die [X.].                 UG nicht abgegebenen Steueranmeldungen dar.

7

c) Da der [X.] nicht ausschließen kann, dass noch weitere Feststellungen zu den individuellen tatfördernden Beiträgen des Angeklagten zu den jeweiligen [X.] getroffen werden können, war der Schuldspruch insoweit aufzuheben, ebenso wie der Ausspruch über die hierfür verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe.

8

3. Die bisherigen Feststellungen zum [X.]    “ können bestehen bleiben, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter kann aber ergänzende Feststellungen zu den individuellen Tatbeiträgen des Angeklagten in den jeweiligen [X.] treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

9

4. Ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass auch – wie vom [X.] in seiner Antragsschrift bereits beantragt – der Strafausspruch in Bezug auf die Beihilfehandlungen des Angeklagten einer rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht standhält, weil das [X.] neben einer Verschiebung des Strafrahmens des § 370 Abs. 1 [X.] gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB keine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB vorgenommen hat.

a) Durch Urteil vom 23. Oktober 2018 im Verfahren 1 [X.] hat der [X.] seine bisherige Rechtsprechung (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 1995 – 1 [X.], [X.]St 41, 1 mwN) geändert und entschieden, dass es sich bei der vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) vorausgesetzten steuerlichen Erklärungspflicht um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB handelt, der eine Strafrahmenverschiebung eröffnet. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] scheidet eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB lediglich dann aus, wenn die Tat allein wegen des Fehlens des strafbegründenden besonderen persönlichen Merkmals als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Januar 2015 – 4 [X.]; vom 25. Oktober 2017 – 1 [X.]/16 Rn. 23; vom 22. Januar 2013 – 1 [X.], [X.]St 58, 115 Rn. 10 und vom 25. Oktober 2011 – 3 [X.] Rn. 3).

b) Ein solcher Fall lag hier indes nicht vor. Zwar kann Täter – auch Mittäter – einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. dazu [X.], Urteile vom 23. Oktober 2018 – 1 [X.] Rn. 19 und vom 9. April 2013 – 1 [X.], [X.]St 58, 218 Rn. 52; Beschlüsse vom 23. August 2017 – 1 StR 33/17 Rn. 14 und vom 14. April 2010 – 1 [X.]), was beim Angeklagten nicht der Fall war. Jedoch hat das [X.] die Unterstützung des Angeklagten bereits ohne Anknüpfung an den Umstand, dass den Angeklagten keine steuerliche Erklärungspflicht traf, als Gehilfenbeitrag qualifiziert. Die Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der des § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lagen daher vor und hätten bei der Strafzumessung beachtet werden müssen.

Raum     

      

Cirener     

      

Fischer

      

Bär     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 230/19

25.07.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 8. Januar 2019, Az: 616 Js 211/17

§ 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 27 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2019, Az. 1 StR 230/19 (REWIS RS 2019, 5061)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5061

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 555/19 (Bundesgerichtshof)

Umsatzsteuerhinterziehung im Rahmen einer Scheinlieferbeziehung: Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe nicht angemeldeter Umsätze …


1 StR 265/16 (Bundesgerichtshof)

Verhängung einer Geldbuße gegen einen Nebenbeteiligten im Steuerstrafverfahren: Minderung der Geldbuße gegen eine sog. Leitungsperson …


1 StR 436/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Steuerhinterziehung u.a.: Abgrenzung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit bei Steuerverkürzung durch Ausstellung von Scheinrechnungen


4 StR 617/16 (Bundesgerichtshof)

Revision in Strafsachen: Beschwer des wegen Beihilfe statt Mittäterschaft verurteilten Angeklagten; natürliche Handlungseinheit zwischen der …


1 StR 486/19 (Bundesgerichtshof)

Beihilfe: Abgrenzung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.