Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2012, Az. V ZR 235/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4401

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
235/11
Verkündet am:

20. Juli 2012

Lesniak

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 23 Abs. 4, § 24 Abs. 4

Die unterbliebene Einladung eines Wohnungseigentümers zu einer Eigentümerver-sammlung führt regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, nicht aber zu deren Nichtigkeit.

[X.], Urteil vom 20. Juli 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2012 durch [X.]
Dr.
Krüger, die Richterin Dr.
Stresemann, die
Richter [X.] und Dr.
Roth und
die Richterin
Weinland

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 17.
Zivilkammer des [X.] vom 9. September 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwie-sen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist als Eigentümer einer Garage Mitglied einer Wohnungs-eigentümergemeinschaft. Diese verlangt von ihm die Zahlung der [X.] aus den Jahresabrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2002/2003 bis 2009/2010 sowie die Zahlung des [X.] gemäß den [X.] 2008/2009 und 2009/2010. Die Beschlussfassung über die jeweiligen [X.]
-
3
-
resabrechnungen und Wirtschaftspläne erfolgte in den Eigentümerversammlun-gen vom 8. Januar 2007, 25. April 2007, 13.
Juni 2008 und 12. Mai 2009. Der Beklagte, der an keiner der Versammlungen teilgenommen hatte, war nicht [X.] worden, weil die Verwalterin irrtümlich annahm, Garageneigentümer gehörten nicht zum Kreis der zu ladenden Wohnungseigentümer.

Das Amtsgericht hat die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft b-gewiesen. Ihre Berufung ist vor dem [X.] erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Begehren weiter.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die den [X.] zugrunde liegenden Beschlüsse aufgrund der fehlenden Ladung des [X.] zu den Eigentümerversammlungen nichtig. Zwar sei die Ladung nur versehentlich unterblieben. Dies ändere aber nichts daran, dass das Recht zur Teilnahme an der Versammlung
zum Kernbereich elementarer Mitgliedschafts-rechte gehöre und die [X.] daher ein Verstoß gegen unverzichtbare Rechtsvorschriften sei.
2
3
-
4
-
II.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Beschlüsse der [X.] nicht nichtig.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats führt die Nichteinladung einzel-ner Wohnungseigentümer regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit der in der Ver-sammlung gefassten Beschlüsse, nicht aber zu deren Nichtigkeit. Ein Be-schluss ist im Sinne von § 23 Abs. 4 Satz 1 [X.] nur dann nichtig, wenn er ge-gen eine
Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Solche unabdingbaren Rechtsvorschriften ergeben sich entweder aus den zwingenden Bestimmungen und Grundsätzen des Woh-nungseigentumsgesetzes oder aus den Normen des
übrigen Privat-
oder öffent-lichen Rechts, namentlich aus §§
134, 138 [X.] und § 56 Satz 2 [X.]. Hierzu gehören nicht die in § 24 [X.] für die Einberufung einer Eigentümerversamm-lung enthaltenen Formvorschriften, weil diese dispositiv sind und durch [X.] abgeändert werden können (Senat, Beschluss vom 23.
September 1999

[X.], [X.]Z 142, 290, 294).

2. Die überwiegende Meinung hat sich dem

u.a. auch aufgrund von [X.]

angeschlossen und teilweise ergänzt, dass aus-nahmsweise Nichtigkeit zu bejahen sei, wenn der einzelne Wohnungseigentü-mer vorsätzlich und gezielt von der Mitwirkung in der [X.] ausgeschlossen werden soll. Eine solche bewusste Umgehung des Mitwirkungsrechts komme einem Ausschluss des Wohnungseigentümers an der Mitverwaltung gleich ([X.], [X.], 630, 631;
OLG Köln, [X.], 793; [X.], [X.], 60, 62; [X.], [X.] 2002, 276, 4
5
6
-
5
-
277; [X.]/Bub, [X.] [2005], § 24 [X.] Rn. 158; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 24 [X.] Rn. 17; [X.]/Steinmeyer, [X.], § 23 Rn. 133; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 24 Rn. 57; Pa-landt/Bassenge, [X.], 71. Aufl., § 24 [X.] Rn. 14; [X.]/[X.], 9. Aufl., §
23
Rn. 16; [X.] in [X.], [X.],
2. Aufl., § 24 Rn. 53; [X.]., [X.] 2010, 233, 235 f.).

3. Nach anderer Ansicht führt die

gleich aus welchem Grund

unter-bliebene Ladung eines Wohnungseigentümers zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Die [X.] nehme dem Wohnungseigentümer die [X.], sich an der Willensbildung in der Versammlung zu beteiligen; dies verletze sein unverzichtbares Teilnahmerecht und greife in den Kernbereich der Mit-gliedschaft ein. Der ohne Mitwirkung des [X.] gefasste Beschluss könne deshalb wegen Verstoßes gegen eine unverzichtbare Rechtsvorschrift
nicht gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 [X.] bestandskräftig werden ([X.], [X.], 11. Aufl, § 23 Rn. 172; [X.]/[X.], Festschrift für [X.], S.
231, 246 f.; [X.], [X.], 10 ff.; Suilmann, Beschlussmängelverfah-ren im Wohnungseigentumsrecht, S. 34).

4. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung ([X.]Z 142, 290, 294) fest. Die unterbliebene Ladung eines Wohnungseigentümers führt nur in
ganz beson[X.] schwerwiegenden
Ausnahmefällen zur Nichtigkeit der in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, etwa wenn der [X.] in böswilliger Weise gezielt von der Teilnahme ausgeschlossen wer-den soll. Ein solcher Ausnahmefall liegt hingegen nicht vor, wenn die Ladung nur irrtümlich unterblieben ist. So verhält es sich
hier. Der Verwalter hatte den Beklagten zwar bewusst nicht zur Eigentümerversammlung geladen; dies be-ruhte aber auf einem bloßen Rechtsirrtum, da er fälschlich annahm, Garagenei-7
8
-
6
-
gentümer zählten nicht zu dem Kreis der Wohnungseigentümer und seien [X.] nicht zu laden.
Ein solcher Fehler führt nicht zur Nichtigkeit der in der Ver-sammlung gefassten Beschlüsse.

III.

Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen, da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist
(§ 563 Abs. 3 ZPO).
Zwar sind aufgrund der eingetretenen Bestandskraft der den Jahresabrechnungen und Wirtschaftsplänen zugrunde liegenden [X.] die hiergegen erhobenen Einwendungen des Beklagten unbeachtlich. Das Berufungsgericht hat jedoch

von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig

keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die die Prüfung der Frage
9
-
7
-
erlauben, ob die von der Klägerin konkret geltend gemachten Zahlungsbeträge der Hauptforderungen sowie die Nebenforderungen berechtigt sind.

Krüger

Stresemann

Czub

Roth

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
143 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 09.09.2011 -
17 [X.]/10 -

Meta

V ZR 235/11

20.07.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2012, Az. V ZR 235/11 (REWIS RS 2012, 4401)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4401

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 235/11 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentümerversammlung: Folgen unterbliebener Einladung eines Wohnungseigentümers für gefasste Beschlüsse


V ZR 241/12 (Bundesgerichtshof)

Beschlussanfechtung im Wohnungseigentumsverfahren: Verwalterbefugnis zur Rechtsanwaltsbeauftragung; Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse wegen unterbliebener Ladung eines Wohnungseigentümers ohne …


V ZR 241/12 (Bundesgerichtshof)


V ZR 60/10 (Bundesgerichtshof)


V ZR 60/10 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentum: Ausschluss von der Wohnungseigentümerversammlung bei Verzug mit Hausgeldzahlungen; Ungültigerklärung von Beschlüssen trotz fehlender Auswirkung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 235/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.