Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2012, Az. 4 AZR 199/10

4. Senat | REWIS RS 2012, 8941

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Gegenstand

Eingruppierung als Oberarzt nach dem TV-Ärzte/VKA - Auslegung der Merkmale medizinische Verantwortung und ausdrückliche Übertragung


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2010 - 1 [X.]/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des [X.] auf Eingruppierung nach der [X.] (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen [X.]rankenhäusern im Bereich der [X.] vom 17. August 2006 ([X.]/[X.]).

2

Der [X.]läger ist Facharzt und seit dem 1. August 1980 bei der [X.] beschäftigt. Mit Schreiben des [X.] der [X.] vom 9. Mai 1994 wurde ihm die „Stelle Nr. 54 250; Oberarzt im [X.]/Chirurgie II; [X.] Ia [X.]“ unter „gleichzeitiger Bestellung zum Oberarzt und Höhergruppierung nach [X.] Ia [X.]“ übertragen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet [X.] der [X.]/[X.] Anwendung.

3

Der [X.]läger ist in der Chirurgischen [X.]nik II der [X.] tätig, die von dem Chefarzt Dr. W geleitet wird und zu der vier Stationen von unterschiedlicher Größe gehören. Der leitende Oberarzt der Chirurgischen [X.]nik II, [X.], wird nach der [X.] IV [X.]/[X.] vergütet und sein Stellvertreter - iS eines Abwesenheitsvertreters - Oberarzt Dr. F, der gleichzeitig Leiter des [X.] „D-Arzt-Management“ sowie der Station 39 ist, nach [X.] [X.]/[X.]. Nach den Feststellungen des [X.] kommen danach in der Personalhierarchie die nach [X.] II [X.]/[X.] vergüteten „Stationsoberärzte“, nämlich der [X.]läger und die Fachärzte Dres. B, [X.] und [X.] Der [X.]läger selbst ist teilzeitbeschäftigt mit [X.] der tariflichen Arbeitszeit und teilt sich die Stationsleitung, wobei es sich seit April 2009 um die Station 38 handelt, hälftig mit Frau Dr. [X.]. Die weiteren „Stationsoberärzte“ leiten jeweils eine Station. An jedem Morgen findet in der Chirurgischen [X.]nik II eine ärztliche Besprechung mit dem Chefarzt - und bei dessen Verhinderung mit dem leitenden Oberarzt - statt (von den Parteien „Morgenbesprechung“ oder „obligate Frühbesprechung“ genannt), bei der schwierige oder strittige Therapieentscheidungen aus den Stationen, auch der des [X.], getroffen werden. Die Station 38 verfügt über 5,5 Planstellen für Assistenzärzte. Unter den dort tätigen Assistenzärzten befinden sich jeweils auch immer solche Ärzte, die die Facharztausbildung abgeschlossen haben.

4

Mit seiner [X.]lage geht es dem [X.]läger nach erfolgloser Geltendmachung gegenüber der [X.] um die Feststellung, dass er ab August des Jahres 2006 nach der [X.] Stufe 2 [X.]/[X.] zu vergüten sei. Ihm sei die medizinische Verantwortung in Form der Leitung einer Station ausdrücklich übertragen worden, die ein selbständiger Teilbereich mit eigenem ärztlichen und nichtärztlichen Personal und eigenen Räumlichkeiten sei. Die [X.] teile er sich mit Frau Dr. [X.] iS eines echten Job-Sharings in Teilzeit zu jeweils [X.] im Blockmodell mit einem Arbeit-/Freizeit-Rhythmus von zwei Wochen. Früher habe es sich dabei um die Leitung der Station 39 gehandelt, seit April 2009 um die der Station 38. Mit dem Wechsel von der einen zur anderen Station habe sich am Charakter der Arbeit nichts geändert, der Umfang der medizinischen Verantwortung sei bei beiden Stationen gleich. Mindestens zwei der auf der Station 38 unter seiner Leitung eingesetzten Stationsärzte seien Fachärzte für Chirurgie mit der Zusatzbezeichnung Unfallchirurgie. Ihm stehe nach dreijähriger oberärztlicher Tätigkeit die Stufe 2 der [X.] [X.]/[X.] zu.

5

Der [X.]läger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm seit dem 1. August 2006 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III Stufe 2 (Oberärztin/Oberarzt) gemäß § 16 Buchstabe c des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen [X.]rankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 zu zahlen und ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die [X.]lage abzuweisen. Sie bestreitet, dass der [X.]läger die Voraussetzungen für die Eingruppierung nach der [X.] [X.]/[X.] erfüllt. Insbesondere liege die Verantwortung und Letztentscheidung für die Station, der der [X.]läger vorstehe, beim Chefarzt. Auch durch die Beaufsichtigung der nachgeordneten, überwiegend noch in der Weiterbildung zum Facharzt befindlichen Stationsärzte seien die Eingruppierungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung habe nicht stattgefunden.

7

Die Vorinstanzen haben die [X.]lage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der [X.]läger seine [X.]lage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das [X.] die Klage nicht abweisen. Da es für eine abschließende Entscheidung an Tatsachenfeststellungen des [X.]s fehlt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO).

9

I. Die Klage ist zulässig.

1. Der Antrag ist nach ständiger Rechtsprechung als allgemein üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

2. Auch hinsichtlich der Feststellung der geltend gemachten [X.] in die Stufe 2 der [X.] bestehen keine Zulässigkeitsbedenken, da sich die Höhe der Vergütungspflicht der Beklagten nicht allein aus der [X.] ergibt, sondern auch aus der [X.]. Nach dem Stand des Rechtsstreits bestünde auch für den Fall der Feststellung einer Vergütungspflicht nach der [X.] III [X.]/[X.] mit hoher Wahrscheinlichkeit noch Streit über die richtige [X.].

II. Ob die Klage begründet ist und der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entgelt nach der [X.] III Stufe 2 [X.]/[X.] hat, kann der Senat mit den bisher erfolgten Feststellungen nicht entscheiden.

1. Damit sind für die Eingruppierung des [X.] folgende Tarifvertragsbestimmungen maßgebend:

        

„§ 15 

        

Allgemeine Eingruppierungsregelungen

        

(1)     

Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 16. Die Ärztin/ [X.] erhält Entgelt nach der [X.], in der sie/ er eingruppiert ist.

        

(2)     

Die Ärztin/ [X.] ist in der [X.] eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.

                 

Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer [X.], wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser [X.] erfüllen. …

                 

Protokollerklärungen zu § 15 Abs. 2

                 

1.    

Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/ des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. Erstellung eines EKG). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

                 

…       

        

§ 16   

        

Eingruppierung

        

Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:

        

…       

        

c)    

[X.] III:

                 

Oberärztin/ Oberarzt

                 

Protokollerklärung zu Buchst. c:

                 

Oberärztin/ Oberarzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der [X.]nik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

        

...“   

2. Nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen kann mit den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.]s die Klage nicht abgewiesen werden, weil dem Kläger die entsprechende medizinische Verantwortung als Oberarzt (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden ausschließlich die männliche Form benutzt) nicht übertragen worden wäre.

a) Das [X.] hat das Tatbestandsmerkmal „medizinische Verantwortung“ zwar wohl nicht gänzlich, jedoch graduell verkannt und ihm eine unzutreffende Ausrichtung auf eine Letztentscheidung in schwierigen Diagnose- und Therapiefragen gegeben.

aa) Nach der Senatsrechtsprechung stellt das [X.] der [X.] III [X.]/[X.] wie auch das der [X.] Ä 3 erste Fallgr. [X.]/[X.] hinsichtlich der übertragenen Verantwortung maßgebend auf deren Reichweite ab. Diese muss sich in organisatorischer Hinsicht als medizinische Alleinverantwortung auf den gesamten betreffenden Bereich der [X.]nik oder Abteilung beziehen. Aus der Struktur der Regelung in § 16 [X.]/[X.] folgt, dass die den Oberärzten im [X.] obliegende „medizinische“ Verantwortung über die allgemeine „ärztliche“ Verantwortung eines Assistenzarztes und eines Facharztes deutlich hinausgeht. Dabei wird an die tatsächliche [X.] angeknüpft. Es muss sich um eine Verantwortung handeln, die sich in einer gesteigerten Aufsichts- und - teilweise eingeschränkten - Weisungsbefugnis niederschlägt. Aus der Unterordnung unter den leitenden Arzt und seinen ständigen Vertreter, der in die [X.] IV [X.]/[X.] eingruppiert ist, ergibt sich weiterhin, dass die von einem Oberarzt wahrzunehmende Verantwortung keine Allein- oder Letztverantwortung innerhalb der Abteilung oder [X.]nik sein kann (grdl. [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 836/08 - Rn. 22 ff., [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5 zum [X.]/[X.]; - 4 [X.] 495/08 - Rn. 47 ff., [X.]E 132, 365 zum [X.]/[X.]).

bb) Das [X.] hat im ersten Schritt zutreffend angenommen, dass sich die medizinische Verantwortung des Oberarztes erkennbar deutlich aus derjenigen des Facharztes herausheben muss. Soweit es jedoch der Auffassung ist, die notwendige Heraushebung müsse sich darauf beziehen, dass für schwierige Diagnose- und Therapieentscheidungen regelmäßig eine Art „Schluss“-Entscheidung oder -Verantwortung des Oberarztes gegeben sein müsse und die Letztentscheidungskompetenz des Chefarztes nur formaler Natur sein dürfe, entspricht dies nicht der Senatsrechtsprechung, die jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung des [X.]s nur in Form einer Pressemitteilung veröffentlicht war.

(1) Entgegen der Auffassung des [X.]s kann sich aus der Unterordnung des Oberarztes unter den leitenden Arzt und seinen ständigen Vertreter auch ergeben, dass diese sich schwierige Diagnose- und Therapieentscheidungen vorbehalten oder zumindest im regelmäßigen Austausch in diese einbezogen sind und dass trotzdem die medizinische Verantwortung im [X.] bei dem Oberarzt liegt.

Eine tägliche ärztliche Morgenbesprechung schließt nicht notwendig aus, dass die medizinische Verantwortung für die Patientenbehandlung auf der Station von dem Kläger getragen wird. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn abgesehen von schwierigen medizinischen Fragen die medizinischen Entscheidungen im Routineablauf bei der Stationsleitung liegen, oder noch mehr, wenn eine Morgenbesprechung lediglich der Information und kollegialen Beratung dient, insbesondere in schwierigen Fällen, die Entscheidungen jedoch von der Stationsleitung getroffen werden.

(2) Entgegen der Auffassung des [X.]s muss sich die Unterordnung unter den leitenden Arzt und seinen ständigen Vertreter auch nicht auf eine „mehr formale Letztverantwortung“ beschränken. Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt im Wortlaut und in der Struktur der Regelung in § 16 [X.]/[X.]. Mit der Tarifregelung wird an die tatsächliche [X.] angeknüpft. [X.]niken sind arbeitsteilig organisiert und weisen zahlreiche spezialisierte und fragmentierte Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeabläufe mit einer abgestuften Verantwortungsstruktur der handelnden Personen auf. Nichts spricht dafür, dass zwei leitende Ebenen - Chefarzt und ständiger Vertreter - nur noch für die formale Seite der medizinischen Verantwortung zuständig sein dürften, damit ihnen noch Oberärzte im tariflichen Sinn untergeordnet sein können.

(3) Das [X.] hat vorliegend festgestellt, dass schwierige oder strittige Therapieentscheidungen aus den Stationen, auch der des [X.], bei der Morgenbesprechung durch den Chefarzt oder bei dessen Abwesenheit durch seinen ständigen Vertreter getroffen werden. Daneben fehlen jedoch weitere tatsächliche Feststellungen zur Verantwortungs- und Weisungsstruktur, insbesondere zu den Entscheidungskompetenzen im Stationsbetrieb und zur tatsächlichen Bedeutung der täglichen ärztlichen Morgenbesprechung. Das [X.] wird entsprechende Feststellungen und Schlussfolgerungen nachholen müssen, nachdem es den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

b) Das [X.] hat das Tatbestandsmerkmal „vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen“ verkannt.

In § 16 [X.]/[X.] ist entgegen der Auffassung des [X.]s nicht vorgesehen, dass allein durch einen Willensakt des Arbeitgebers seit Inkrafttreten des neuen [X.] die medizinische Verantwortung iSd. [X.] III [X.]/[X.] übertragen werden konnte. Es handelt sich bei der Tarifregelung vielmehr um eine Klarstellung der Tarifvertragsparteien, was die zivilrechtliche Zurechenbarkeit der entsprechenden Aufgabenzuweisung angeht, die keine von allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen abweichende besondere Anforderung an die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen aufstellt. Das hat der Senat bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet (22. September 2010 - 4 [X.] 112/09 - Rn. 28; 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 495/08 - Rn. 56 ff., [X.]E 132, 365; zum [X.]/[X.] 22. September 2010 - 4 [X.] 166/09 - Rn. 16, [X.] 2011, 314).

3. Eine Zurückverweisung an das [X.] ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Klage aus anderen Gründen entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insbesondere ist der Klage nicht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung aus anderen Gründen stattzugeben.

Der Kläger kann nichts daraus herleiten, dass ihm mit Schreiben des [X.] der [X.] vom 9. Mai 1994 die „Stelle Nr. 54 250; Oberarzt im [X.]/Chirurgie II; [X.] Ia [X.]“ unter „gleichzeitiger Bestellung zum Oberarzt und Höhergruppierung nach [X.] Ia [X.]“ übertragen worden ist und dass er im [X.]nikalltag als „Oberarzt“ bezeichnet wird. Davon ist zutreffend auch das [X.] ausgegangen. Der Senat hat in mehreren Entscheidungen seit dem 9. Dezember 2009 ausgeführt, dass der Titel oder der Status eines Oberarztes, soweit vor dem Inkrafttreten des [X.]/[X.] verliehen, für sich genommen keine tarifliche Bedeutung hat. Auch das Fehlen eines solchen Status oder Titels ist ohne Bedeutung (vgl. [X.] 22. September 2010 - 4 [X.] 149/09 - Rn. 37, [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 39; 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 836/08 - Rn. 18, [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5 zu einer „Ernennung“ zum „Funktionsoberarzt“). Dies geht, wie das [X.] zutreffend erkannt hat, für den Bereich des [X.]/[X.] deutlich aus der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/[X.] hervor. Danach gehen die Tarifvertragsparteien ausdrücklich davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung „Oberärztin/Oberarzt“ führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 [X.]/[X.] zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Sie stellen mit dieser Erklärung gleichzeitig klar, dass eine Eingruppierung in die [X.] III [X.]/[X.] damit nicht verbunden ist. Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser Niederschriftserklärung bekräftigt, dass sie in Kenntnis der in der Vergangenheit bestehenden Praxis der „Ernennung“ zum Oberarzt die tarifliche Eingruppierung als Oberarzt hiervon unabhängig ausschließlich an die Erfüllung der in § 16 [X.]/[X.] aufgeführten [X.]e angeknüpft haben. Damit scheidet eine auf eine frühere „Ernennung“ oder arbeitsvertragliche Bezeichnung als „Oberarzt“ gestützte Eingruppierung von vornherein aus. Auch eine solche Bezeichnung im [X.]nikalltag ist ohne Belang für die streitgegenständliche Eingruppierung.

III. Das Urteil des [X.]s ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Den Parteien ist Gelegenheit zur Präzisierung ihres Vortrages zu geben. Dies gebietet - auch angesichts der strengen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsrechtsstreit - der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs insbesondere im Hinblick auf neue tarifliche [X.]e, die gemessen an der komplexen Wirklichkeit einen außerordentlich hohen Abstraktionsgrad aufweisen und dementsprechend einer intensiven Auslegung unterzogen werden müssen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass weder dem Kläger noch dem [X.] die Senatsentscheidungen vom 9. Dezember 2009 zur Auslegung der Anforderungen an die Erfüllung der [X.]e bekannt waren. Dabei werden neben den bereits erfolgten Hinweisen insbesondere die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein.

1. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] richtet sich die Eingruppierung bei Ärzten nach der nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.]/[X.] entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit den [X.]en einer [X.], wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines [X.]es oder mehrerer [X.]e dieser [X.] erfüllen. Zutreffend ist das [X.] von der ständigen Senatsrechtsprechung zu § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Bundes-Angestelltentarifvertrag ([X.]) ausgegangen, die wegen wortgleicher Formulierung und identischer Tarifvertragsparteien übertragbar ist (vgl. ua. [X.] 22. September 2010 - 4 [X.] 149/09 - Rn. 16, [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 39). Danach ist der Bezugspunkt der Eingruppierung immer der Arbeitsvorgang als maßgebende Einheit für die Zuordnung zu einem [X.] (näher [X.] 28. Januar 2009 - 4 [X.] 13/08 - Rn. 33, [X.]E 129, 208). Das [X.] hat unter besonderer Berücksichtigung des [X.] die gesamte ärztliche Tätigkeit des [X.] in der Stationsleitung als einheitlichen großen Arbeitsvorgang angesehen. Dabei hat es unterstellt, dass diese Tätigkeit der Stationsleitung für den Zeitraum ab Mitte Mai 2009 den ganz überwiegenden Teil der klägerischen Arbeitsaufgabe ausmacht. Auch aus revisionsrechtlicher Sicht spricht vieles dafür, dass es sich bei der Tätigkeit des [X.] als Stationsleitung um einen einzigen großen Arbeitsvorgang handelt, der einem einheitlichen Arbeitsergebnis dient, nämlich der Leitung der Patientenversorgung der jeweiligen Station. Wenn daneben keine davon zu unterscheidenden Tätigkeitsbereiche des [X.] ersichtlich sind, kann dieser Arbeitsvorgang die gesamte Arbeitszeit des [X.] ausfüllen. Dies wird ggf. vom [X.] mit Feststellungen zu präzisieren sein.

Zu Recht hat das [X.] in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung eines Zeitraums ab Mitte Mai 2009 nicht ausreicht, ein Feststellungsbegehren zu stützen, das sich auf weit davor liegende Zeiträume ab dem 1. August 2006 erstreckt. Hinzu kommt, dass wegen des Begehrens der Zuordnung zur Stufe 2 gemäß § 19 Abs. 1 [X.]/[X.] weitere drei zurückliegende Jahre zu berücksichtigen sind. Es obliegt dem darlegungs- und beweisbelasteten Kläger, dem zum Zeitpunkt der Entscheidungen der Vorinstanzen die Anforderungen an die Erfüllung der [X.]e noch nicht im Einzelnen bekannt waren, entsprechenden Vortrag nachzuholen.

2. Hinsichtlich der mit Frau Dr. K geteilten Leitung der Station spricht alles dafür, dass es sich dabei um eine Konstellation des „[X.]“ handelt, in der eine alternierende, sich in den Zeiträumen jeweils nicht überschneidende Verantwortung ausgeübt wird, die nach der Senatsrechtsprechung der begehrten Eingruppierung nicht entgegensteht (zB 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 495/08 - Rn. 52, [X.]E 132, 365; 7. Juli 2010 - 4 [X.] 863/08 - Rn. 34, [X.], 27; 20. April 2011 - 4 [X.] 453/09 - Rn. 36, [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 42). Auch diese Frage nach entsprechenden Feststellungen zu beurteilen, obliegt dem [X.].

3. Von der Übertragung einer medizinischen Verantwortung nach § 16 [X.]/[X.] kann regelmäßig nur dann gesprochen werden, wenn sich das Aufsichts- und - teilweise eingeschränkte - Weisungsrecht hinsichtlich des medizinischen Personals, welches in dem betreffenden Teil- oder Funktionsbereich tätig ist, nicht nur auf Ärzte der [X.] I (Assistenzärzte und Ärzte in Weiterbildung), sondern in aller Regel auch auf mindestens einen Facharzt der [X.] II [X.]/[X.] erstreckt (grdl. ua. [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 836/08 - Rn. 20, [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5 und - 4 [X.] 687/08 - Rn. 15, [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 10, beide ebenfalls zum [X.]/[X.] sowie zum gleichgelagerten [X.]/[X.] insbesondere 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 495/08 - Rn. 45, [X.]E 132, 365 und auch - 4 [X.] 841/08 - Rn. 21 ff.; zu den später ergangenen Entscheidungen zum [X.]/[X.] vgl. ua. 22. September 2010 - 4 [X.] 149/09 - Rn. 33, [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 39 und - 4 [X.] 166/09 - Rn. 41, [X.] 2011, 314; 18. Mai 2011 - 4 [X.] 511/09 - Rn. 16, [X.], 675; weiterhin zum [X.]/[X.] 26. Januar 2011 - 4 [X.] 263/09 - Rn. 16, [X.] 2011, 420; 17. November 2010 - 4 [X.] 188/09 - Rn. 38, [X.] 2001, 304). Zwar ist dem [X.] zuzustimmen, dass die Zufälligkeit einer abgelegten Facharztprüfung nicht den Ausschlag gibt. Voraussetzung ist nicht nur der erreichte [X.], sondern auch eine entsprechende Tätigkeit. Dabei kommt es nicht allein auf das Vorhandensein einer fachärztlichen „Planstelle“ an, sondern ggf. auch auf sonstige Umstände, die darauf schließen lassen, dass in dem betreffenden Teil- oder Funktionsbereich für längere Zeiträume nicht nur übergangsweise tätige Fachärzte nach der auszuübenden Tätigkeit und den tarifvertraglichen Vorgaben unabhängig von ihrer Vergütung durch die Beklagte solche der [X.] II [X.]/[X.] sind. Es obliegt dem [X.], nach Gewährung rechtlichen Gehörs die nötigen Feststellungen zu treffen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    H. Klotz    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 199/10

22.02.2012

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Nürnberg, 11. November 2008, Az: 6 Ca 2541/08, Urteil

§ 1 Abs 1 TVG, § 15 Abs 1 TV-Ärzte/VKA, § 15 Abs 2 TV-Ärzte/VKA, § 15 Abs 2 ProtErkl TV-Ärzte/VKA, § 16 Buchst c Entgeltgr III TV-Ärzte/VKA, § 16 Buchst c ProtErkl TV-Ärzte/VKA

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2012, Az. 4 AZR 199/10 (REWIS RS 2012, 8941)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8941

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 AZR 863/08

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