Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.03.2022, Az. XI B 2/21 (AdV)

11. Senat | REWIS RS 2022, 875

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Gegenstand

(Beherbergungsumsätze; Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG aufgrund des beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsersuchens Az. C-516/21 ernstlich zweifelhaft)


Leitsatz

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit Unionsrecht vereinbar ist (Anschluss an den BFH-Beschluss vom 26.05.2021 - V R 22/20, BFHE 273, 351).

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des [X.] vom 18.12.2020 - 2 V 1159/20 aufgehoben, soweit er die Aussetzung der Vollziehung des [X.] für 2017 vom 16.04.2020 und die Entscheidung über die Kosten betrifft.

Die Vollziehung des vorgenannten Bescheids wird bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung im Einspruchsverfahren in Höhe eines Teilbetrags von ... € ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig verworfen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Antragstellerin zu 6/10 und der Antragsgegner zu 4/10 zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist in der Hauptsache, ob Leistungen der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) an ihre Hotelgäste als einheitliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen.

2

Die Antragstellerin, eine GmbH, betreibt ein Hotel und Restaurant. In den Jahren 2014 bis 2017 (Streitjahre) erhielten alle Hotelgäste auch ein Frühstück sowie Zugang zur hoteleigenen Badelandschaft (Spa). Übernachtungen ohne Frühstück oder Zugang allein zum Spa bot die Antragstellerin nicht an. In ihren Ausgangsrechnungen wies die Antragstellerin Umsatzsteuer in Höhe von 7 % für die Übernachtungen und --mindestens bis einschließlich Dezember 2016-- Umsatzsteuer in Höhe von 19 % für Frühstück und Spa aus. In ihren Umsatzsteuererklärungen für 2014 bis 2016 ging die Antragstellerin bei Übernachtung, Frühstück und Spa jeweils von eigenständigen Leistungen zu 7 % Umsatzsteuer für Übernachtung bzw. 19 % Umsatzsteuer für Frühstück und Spa aus. In der Umsatzsteuererklärung für 2017 vertrat sie erstmals die Auffassung, Übernachtung und Frühstück seien eine einheitliche Leistung zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von 7 %. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) stimmte den Steuererklärungen jeweils zu.

3

Im September 2018 beantragte die Antragstellerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) die Herabsetzung der Umsatzsteuer für 2014 bis 2016, da Übernachtung und Frühstück als eine einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz in Höhe von 7 % unterlägen. Im Januar 2019 beantragte die Antragstellerin wiederum unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] eine weitere Herabsetzung der Umsatzsteuer für 2014 bis 2016 und erstmals ebenso eine Herabsetzung der Umsatzsteuer für 2017, da auch der Zugang zum Spa zu der ermäßigt besteuerten einheitlichen Leistung gehöre. Das [X.] entsprach zunächst den Anträgen und setzte mit Bescheiden vom [X.] die Umsatzsteuer für die Streitjahre jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung dementsprechend fest.

4

Nach einer Außenprüfung vertrat das [X.] unter Hinweis auf das Urteil des [X.] ([X.]) vom 24.04.2013 - XI R 3/11 ([X.]E 242, 410, [X.], 86) dagegen die Auffassung, dass Übernachtung, Frühstück und Spa jeweils eigenständige Leistungen seien, von denen die Übernachtung einerseits dem ermäßigten und Frühstück sowie Spa anderseits dem allgemeinen Steuersatz in Höhe von 7 % bzw. 19 % zu unterwerfen seien. Das [X.] änderte daher (und wegen weiterer unstrittiger Prüfungsfeststellungen) unter dem 16.04.2020 die [X.] für die Streitjahre erneut; die Umsatzsteuer für die Streitjahre wurde jeweils höher festgesetzt.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Zugleich beantragte sie beim [X.] die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen [X.] für die Streitjahre vom 16.04.2020, hilfsweise die Stundung der Steuernachzahlungen. Das [X.] lehnte die AdV mit Verfügung vom 04.06.2020 ab. Auch hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den gleichfalls noch nicht entschieden worden ist.

6

Die Antragstellerin beantragte hierauf AdV beim Finanzgericht ([X.]) Nürnberg, das den Antrag mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2021, 422 veröffentlichten Beschluss vom 18.12.2020 - 2 V 1159/20 als unbegründet ablehnte.

7

An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen [X.] bestünden keine ernstlichen Zweifel. Für die Streitjahre 2014 bis 2016 schulde die Antragstellerin für Frühstück und Spa schon deshalb Umsatzsteuer in Höhe von 19 %, weil sie diese Steuer in ihren Ausgangsrechnungen i.S. des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG ausgewiesen habe.

8

Das [X.] ist die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2017 betreffend der Ansicht, dass das [X.] nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG auch im Lichte des [X.]-Urteils [X.] vom 18.01.2018 - [X.]/16 ([X.]:[X.]) unionsrechtskonform sei.

9

Unbillige Härte sei im Streitfall nicht erkennbar. Die Antragstellerin habe ihre Behauptung, die Beträge, deren Aussetzung sie begehre, derzeit nicht aufbringen zu können, nicht näher belegt.

Das [X.] ließ die Beschwerde wegen AdV des [X.] für 2017 gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zu.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung der AdV der angefochtenen Bescheide sowohl wegen Umsatzsteuer für 2014 bis 2016 als auch wegen Umsatzsteuer für 2017.

Anders als die Vorentscheidung meine, komme es bei der AdV der angefochtenen [X.] nicht auf § 14c UStG an. Weder Form noch Inhalt der in den Streitjahren 2014 bis 2016 erteilten Rechnungen seien für die Frage, ob es sich bei den in Rede stehenden Leistungen jeweils um eine einheitliche Leistung zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von 7 % handele, entscheidungserheblich.

Die Antragstellerin führt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] im [X.] aus, dass es nach dem Ergehen des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:[X.]) fraglich sei, ob das für die angefochtenen [X.] maßgebliche [X.] des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Der [X.] habe diese Frage in seinem zu einer "Dinner-Show" ergangenen Urteil vom 13.06.2018 - XI R 2/16 ([X.]E 262, 187, [X.], 678) ausdrücklich offengelassen. Daraus folge, dass die Vollziehung der angefochtenen [X.] im beantragten Umfang auszusetzen sei, da die Rechtsgrundlage, auf der diese beruhten, unionsrechtlich zweifelhaft sei.

Die AdV sei im Übrigen nicht wegen unbilliger Härte, sondern allein wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte beantragt worden.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der angefochtenen [X.] für 2014 bis 2017 vom 16.04.2020 in Höhe von ... € (2014), ... € (2015), ... € (2016) und ... € (2017) auszusetzen.

Das [X.] beantragt sinngemäß,
die Beschwerde teils als unzulässig zu verwerfen, teils als unbegründet zurückzuweisen.

Es tritt der Beschwerde der Antragstellerin entgegen und ist der Ansicht, dass die Beschwerde wegen AdV der [X.] für 2014 bis 2016 nicht zulässig sei. Im Übrigen hält das [X.] den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss des [X.] für zutreffend.

Das [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie die Ablehnung der AdV der angefochtenen [X.] für die Streitjahre 2014 bis 2016 betrifft. Sie ist dagegen zulässig und begründet, soweit sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung der AdV des angefochtenen [X.] für das Streitjahr 2017 wendet.

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ablehnenden Beschluss des [X.], die angefochtenen [X.] in Höhe des jeweils näher bezifferten Betrags auszusetzen, ist hinsichtlich der Streitjahre 2014 bis 2016 nicht statthaft. Sie ist insoweit als unzulässig zu verwerfen.

a) Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 [X.]O steht den Beteiligten gegen eine Entscheidung des [X.] u.a. über eine AdV gemäß § 69 Abs. 3 [X.]O die Beschwerde nur zu, wenn sie entweder in der Entscheidung selbst oder in einem späteren Beschluss vom [X.] zugelassen worden ist. Daran fehlt es im Streitfall für die Streitjahre 2014 bis 2016.

b) Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde sieht die [X.]O bei Entscheidungen des [X.] über einen Antrag auf AdV im Übrigen nicht vor. § 128 Abs. 3 Satz 2 [X.]O ordnet die entsprechende Anwendung des § 115 Abs. 2 [X.]O lediglich in dem Sinne an, dass die dort genannten Kriterien für die Zulassung der Beschwerde durch das [X.] maßgebend sind (vgl. [X.] vom 16.12.2010 - V B 83/10, [X.], 621, Rz 6, m.w.[X.]).

2. Die im Hinblick auf die AdV des angefochtenen [X.] für 2017 gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 [X.]O statthafte und zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

a) Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 [X.]O ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn u.a. ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. [X.] vom 24.05.2016 - V B 123/15, [X.], 1253, Rz 25; vom 31.07.2019 - XI B 15/19, [X.], 1259, Rz 12; vom 18.08.2021 - V B 25/21 (AdV), [X.], 404, [X.] 2021, 931, Rz 21; jeweils m.w.[X.]).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen [X.] für 2017 vom 16.04.2020.

aa) Die Steuer beträgt gemäß § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage (sog. Regelsteuersatz). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von [X.]. Dies gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG wurde durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22.12.2009 ([X.], 3950) mit Wirkung vom 01.01.2010 neu in das UStG eingefügt. Der Gesetzgeber hat mit § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG --wie er in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Ausdruck bringt (BTDrucks 17/15, S. [X.] von der Option in Art. 98 Abs. 1 und 2 (seit dem 01.01.2010: Unterabs. 1) i.V.m. Anhang III Kategorie 12 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) Gebrauch gemacht. In Anhang III Kategorie 12 MwStSystRL heißt es: "Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften, und Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen" (vgl. dazu [X.]-Urteil in [X.], 410, [X.] 2014, 86, Rz 43).

(1) Frühstücksleistungen --für das vorliegend gleichfalls im Streit stehende Spa gilt nichts anderes-- gehören zu den Leistungen, die i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht unmittelbar der Vermietung dienen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sind.

(a) Dies gilt nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] auch, soweit diese weiteren Leistungen als Nebenleistungen zu der ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistung, der Hauptleistung, erbracht werden; auch insoweit normiert § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG ein Aufteilungsgebot (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 410, [X.] 2014, 86, Rz 43, Rz 44 ff.; [X.] vom 03.08.2017 - V R 60/16, [X.]E 258, 558, [X.] 2018, 37, Rz 41).

(b) Das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, wurde vom erkennenden Senat bisher als unionsrechtskonform angesehen (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 410, [X.] 2014, 86, Rz 51, m.w.[X.]; offen lassend [X.]-Urteil in [X.]E 262,187, [X.] 2018, 678, Rz 24).

(aa) Nach Art. 98 Abs. 1 und 2 MwStSystRL haben die Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt, die Möglichkeit, (nur) konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Dienstleistungen i.S. des Anhangs III MwStSystRL mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 410, [X.] 2014, 86, Rz 52, m.w.[X.]).

([X.]) Der nationale Gesetzgeber hat mit § 12 Abs. 2 Nr. 11 Sätze 1 und 2 UStG von der Ermächtigung in Art. 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 12 MwStSystRL in selektiver Weise --und ohne Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität-- dadurch Gebrauch gemacht, dass nicht sämtliche "Beherbergungen in Hotels und ähnlichen Einrichtungen" einschließlich der dabei erbrachten Nebenleistungen dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden, sondern nur die Leistungen, die unmittelbar der Vermietung dienen. Dies ist nach der bisher vom erkennenden Senat vertretenen Ansicht unionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 410, [X.] 2014, 86, Rz 53).

(2) Es ist inzwischen jedoch fraglich, ob an dieser Rechtsprechung des Senats nach Ergehen des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:[X.]) festzuhalten ist.

(a) Der [X.] hat im Urteil [X.] ([X.]:[X.]) entschieden, dass eine einheitliche Leistung wie die im dortigen Ausgangsverfahren fragliche, die aus zwei separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gälten, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 36). Hieraus könnte für das gesetzliche Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG folgen, dass bei unselbständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung "Übernachtung" zu unterwerfen ist. Die sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ergebende Rechtsfolge, dass die unselbständige Nebenleistung stets das Schicksal der Hauptleistung zu teilen hat, könnte insoweit das Aufteilungsgebot aus § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG verdrängen (vgl. dazu [X.] in [X.], Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 11 Rz 51).

(b) Die veröffentlichte Rechtsprechung der [X.] geht ebenso wie das [X.] Nürnberg in der Vorentscheidung davon aus, dass das Aufteilungsgebot i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG auch unter Berücksichtigung des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:[X.]) den unionsrechtlichen Vorgaben genüge (vgl. [X.] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.11.2018 - 7 K 7314/16, E[X.] 2019, 294, rechtskräftig; Hessisches [X.], Urteil vom 16.09.2020 - 1 K 772/19, juris, [X.]. unter XI R 7/21 anhängig; Sächsisches [X.], Urteil vom 23.09.2020 - 2 K 352/20, E[X.] 2021, 244, [X.]. unter XI R 34/20 anhängig; [X.] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.09.2020 - 6 K 2273/17, E[X.] 2020, 1887, [X.]. unter XI R 35/20 anhängig; Niedersächsisches [X.], Urteil vom 19.08.2021 - 5 K 174/19, E[X.] 2022, 140, [X.]. unter XI R 22/21 anhängig).

(c) Dagegen wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, dass auch Nebenleistungen zu Übernachtungsleistungen im Hotelgewerbe an der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG teilhaben müssten (vgl. u.a. [X.], Zeitschrift für das gesamte Mehrwertsteuerrecht --[X.]-- 2018, 505; [X.], [X.], 181; derselbe in [X.], a.a.[X.], § 12 Abs. 2 Nr. 11 Rz 51; [X.], Der Betrieb 2018, 541; von Streit, [X.] 2018, 106; Prätzler, juris [X.] Steuerrecht 6/2018 [X.]. 1; Nacke, Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht 2018, 2314; [X.], Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 843; [X.] in [X.]/[X.], [X.] Steuerrecht, § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG Rz 17). Die Gegenauffassung im Schrifttum geht davon aus, dass dem gesetzlichen Aufteilungsgebot i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG auch nach dem [X.]-Urteil im Verfahren [X.] ([X.]:[X.]) Vorrang gegenüber den aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung resultierenden Rechtsfolgen einzuräumen sei, weil damit zum allgemeinen Grundsatz der gesonderten Betrachtung jeder einzelnen Leistung zurückgekehrt werde (vgl. u.a. [X.], Betriebs-Berater 2018, 734; Treiber, [X.], 1922; [X.], [X.] 2018, 266; Wäger, UR 2019, 41).

(d) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in [X.]E 262, 187, [X.] 2018, 678, Rz 24 die Frage, ob trotz des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:[X.]) aufgrund des [X.]-Urteils Kommission/Frankreich vom 06.05.2010 - [X.]/09 ([X.]:[X.]) an der Rechtsprechung zu im nationalen Recht angeordneten Aufteilungsgeboten (vgl. u.a. [X.]-Urteile in [X.], 410, [X.] 2014, 86; vom 01.03.2016 - XI R 11/14, [X.]E 253, 438, [X.] 2016, 753) festgehalten werden kann, mangels Entscheidungserheblichkeit in jenem Streitfall ausdrücklich offen lassen.

(e) Der Senat muss nicht entscheiden, ob schon deshalb ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestanden haben. Jedenfalls bestehen solche Zweifel nunmehr, nachdem der [X.] des [X.] durch den Beschluss vom 26.05.2021 - V R 22/20 ([X.], 351) --das Verfahren wird beim [X.] unter dem [X.]. [X.]/21 geführt-- den [X.] um Vorabentscheidung dazu ersucht hat, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG mit Unionsrecht vereinbar ist. Außerdem ist es ungeklärt, ob den Grundsätzen zur Bestimmung eines einheitlichen Umsatzes Vorrang gegenüber Art. 135 Abs. 2 Buchst. [X.], wonach die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen steuerpflichtig ist, zukommt, oder aus Art. 135 Abs. 2 Buchst. [X.] ein Aufteilungsgebot abzuleiten sein könnte, so dass einheitliche Umsätze in einen (nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken betreffend) steuerfreien und einen (nach Art. 135 Abs. 2 Buchst. [X.] die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen betreffend) steuerpflichtigen Teil aufzuspalten sind. Die vom [X.] in diesem Vorabentscheidungsersuchen zur Klärung der Frage, ob bei einer einheitlichen Leistung die Hauptleistung einerseits steuerfrei und die Nebenleistung andererseits steuerpflichtig sein können, heranzuziehenden Grundsätze könnten auf die den Streitfall betreffende Frage, ob bei einer einheitlichen Leistung unterschiedliche Steuersätze nach dem im nationalen Recht angeordneten Aufteilungsgebot i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG möglich sind, zu übertragen sein.

[X.]) Angesichts dieser ungeklärten --auch in der Literatur umstrittenen-- Rechtslage ist die beantragte AdV zu gewähren. Ist --wie hier-- die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen grundsätzlich nicht im summarischen Beschlussverfahren zu entscheiden; die Klärung muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (vgl. u.a. [X.] vom 14.10.2002 - V B 60/02, [X.]/NV 2003, 87, unter II.3.; vom 25.11.2005 - V B 75/05, [X.]E 212, 176, [X.] 2006, 484, unter [X.]; vom 13.03.2012 - I B 111/11, [X.]E 236, 501, [X.] 2012, 611, Rz 22; vom 12.12.2013 - XI B 88/13, [X.]/NV 2014, 550, Rz 26; vom 02.07.2014 - XI S 8/14, [X.]/NV 2014, 1601, Rz 31; vom 17.12.2015 - XI B 84/15, [X.]E 252, 181, [X.] 2016, 192, Rz 31; jeweils m.w.[X.]).

Die Entscheidung, ob --was der erkennende Senat im Rahmen des summarischen Verfahrens nach Ergehen des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:[X.]) und im Lichte des Vorabentscheidungsersuchens des [X.] mit Beschluss in [X.], 351 nicht ausschließt-- bei einheitlicher Leistung an der Rechtsprechung zu dem im nationalen Recht angeordneten Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG festgehalten werden kann, ist mithin dem Hauptsacheverfahren einer noch zu erhebenden Klage vorbehalten.

c) Die Vollziehung des angefochtenen [X.] für 2017 vom 16.04.2020 ist danach in Höhe eines [X.] von ... € auszusetzen. Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des auszusetzenden [X.] nicht im Streit.

d) Der zeitliche Umfang der gewährten Aussetzung ist auf einen Monat nach Zustellung der diesen Einspruch betreffenden Entscheidung des [X.] zu beschränken, da eine Entscheidung über den Einspruch der Antragstellerin gegen den [X.] für 2017 vom 16.04.2020 bislang nicht ergangen ist (vgl. u.a. [X.] vom 30.03.2021 - V B 63/20 (AdV), [X.]/NV 2021, 1212, Rz 41, m.w.[X.]).

3. Die gewährte AdV ist nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Eine Gefährdung der umstrittenen [X.] (vgl. dazu u.a. [X.] vom 12.09.2011 - VIII B 70/09, [X.]/NV 2012, 229, Rz 21; vom 21.11.2013 - II B 46/13, [X.]E 243, 162, [X.] 2014, 263, Rz 28; vom 18.12.2013 - I B 85/13, [X.]E 244, 320, [X.] 2014, 947, Rz 37; in [X.]E 252, 181, [X.] 2016, 192, Rz 34; jeweils m.w.[X.]; vgl. auch [X.] in [X.]/NV 2021, 1212, Rz 42) für das Streitjahr 2017 ist weder vom [X.] vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

4. [X.] beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 [X.]O.

Meta

XI B 2/21 (AdV)

07.03.2022

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 18. Dezember 2020, Az: 2 V 1159/20, Beschluss

§ 12 Abs 2 Nr 11 S 2 UStG 2005, § 69 Abs 2 S 2 FGO, Art 98 Abs 1 EGRL 112/2006, Art 98 Abs 2 EGRL 112/2006, Anh 3 EGRL 112/2006, Art 135 Abs 2 Buchst c EGRL 112/2006, Art 135 Abs 1 Buchst l EGRL 112/2006, UStG VZ 2014, UStG VZ 2015, UStG VZ 2016, UStG VZ 2017

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.03.2022, Az. XI B 2/21 (AdV) (REWIS RS 2022, 875)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 875


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI B 2/21 (AdV)

Bundesfinanzhof, XI B 2/21 (AdV), 07.03.2022.


Az. 2 V 1159/20

FG Nürnberg, 2 V 1159/20, 18.12.2020.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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