Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.12.2013, Az. III R 25/10

3. Senat | REWIS RS 2013, 80

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Gegenstand

(Keine Haftung nach § 71 AO bei Subventionsbetrug)


Leitsatz

1. Wer einen Subventionsbetrug begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet nicht nach § 71 AO für die zu Unrecht gewährte Investitionszulage (Änderung der Senatsrechtsprechung).

2. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB kann nicht mittels eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO geltend gemacht werden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich gegen einen nach § 71 der Abgabenordnung ([X.]) ergangenen Bescheid, durch den ihn der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) für eine der W-GmbH zu Unrecht gewährte Investitionszulage für das [X.] in Höhe von 520.000 DM (= 265.871,78 €) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat.

2

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der [X.] Er unterzeichnete für die nicht existente [X.] als Lieferant im Mai 1991 den "[X.]" mit einer [X.] als Abnehmer. Auf Anweisung eines Herrn ... eröffnete der Kläger im Oktober 1991 für die [X.] als deren Geschäftsführer ein Geschäftskonto bei einer [X.] Bank. Auf dieses Konto überwies die [X.] im Oktober 1991 einen Betrag von 6,5 Mio. DM als Anzahlung auf den genannten Vertrag. Der Kläger überwies diesen Betrag entsprechend einem bereits im Voraus abgegebenen Überweisungsversprechen unmittelbar wieder an die [X.] zurück. Am 31. Juli 1993 erklärte der Kläger gegenüber der W-GmbH sinngemäß, er sei damit einverstanden, dass die W-GmbH bezüglich des genannten Vertrages an die Stelle der [X.] trete und die [X.] auf diesen Vertrag eine Anzahlung von 6,5 Mio. DM erhalten habe. Weiter gab der Kläger im August 1993 gegenüber dem bei der steuerlichen Beraterin der W-GmbH tätigen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ... eine von ihm unterschriebene Erklärung ab, wonach er mit dem von der [X.] ermittelten Saldo per 31. Juli 1993 zu "unseren" Lasten bezüglich des genannten [X.] von 6,5 Mio. DM und der Übernahme dieses Vertrages durch die W-GmbH einverstanden sei. In einem von der steuerlichen Beraterin der W-GmbH im August 1993 erstellten Bericht über die Prüfung einer Kapitalerhöhung im Wege von Sacheinlagen der W-GmbH wurde u.a. ausgeführt, Sacheinlagen im Wert von 31.631.000 DM seien dadurch erbracht worden, dass die [X.] ihre Rechte und Pflichten aus den im Einzelnen genannten Verträgen mit bereits vorgenommenen Zahlungen auf die W-GmbH übertragen habe. Unter den übertragenen Verträgen und Zahlungen wird die im Oktober 1991 geleistete "Anzahlung" in Höhe von 6,5 Mio. DM aus dem obengenannten Vertrag angeführt.

3

Die W-GmbH beantragte bereits für das [X.] ohne Erfolg Investitionszulage für die im Jahr 1991 geleistete Anzahlung. Aufgrund eines [X.] vom Oktober 1995 wurde ihr durch geänderten Investitionszulagenbescheid für das [X.] vom 29. Dezember 1995 eine Investitionszulage gewährt, in deren Bemessungsgrundlage die genannte Anzahlung in Höhe von 6,5 Mio. DM einbezogen war.

4

Nach Eröffnung des [X.] über das Vermögen der W-GmbH am 1. Mai 1996 meldete das [X.] den Anspruch auf Rückzahlung der für das [X.] gewährten Investitionszulage mit Schreiben vom 25. Juni 1996 zum Forderungsverzeichnis an. Der Anspruch wurde festgestellt. Zahlungen hierauf sind nicht erfolgt. Das [X.] wurde am 2. November 2007 eingestellt.

5

Der Kläger wurde in dieser Sache mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts ... wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug (§ 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 des Strafgesetzbuches --StGB--) verurteilt.

6

Das [X.] nahm den Kläger mit Bescheid vom 19. September 2003 nach § 71 [X.] wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug in Höhe von 520.000 DM (= 6,5 Mio. DM x 8 %; dies entspricht 265.871,78 €) für die im Zusammenhang mit der nicht geleisteten Anzahlung zu Unrecht ausbezahlte Investitionszulage für das [X.] in Haftung. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 691 veröffentlichten Urteil ab.

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.] sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er --der [X.] als Gehilfe eines Subventionsbetrugs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des [X.] 1993 ([X.]) i.V.m. §§ 71, 191 [X.] hafte. Der Subventionsbetrug sei nicht vom möglichen Wortsinn des § 71 [X.] erfasst. Ebenso scheide eine analoge Anwendung des § 71 [X.] aus. Aber selbst wenn § 71 [X.] (analog) anwendbar sein sollte, hätte das [X.] gegen [X.] (§ 5 [X.], § 102 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) verstoßen.

8

Der Kläger beantragt, das angefochtene [X.]-Urteil, den Haftungsbescheid des [X.] vom 19. September 2003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. August 2004 aufzuheben.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, im Streitfall komme infolge des Verweises in § 7 Abs. 1 [X.] die Haftungsvorschrift des § 71 [X.] zur Anwendung. Daneben sei die vom [X.] ([X.]) zu § 71 [X.] ergangene Rechtsprechung, wonach in Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung das Ermessen vorgeprägt sei, uneingeschränkt auf Fälle der Beihilfe zum Subventionsbetrug übertragbar.

Das beigetretene [X.] ([X.]) vertritt ebenfalls die Auffassung, dass infolge der in § 7 Abs. 1 [X.] angeordneten entsprechenden Anwendung des § 71 [X.] das in dieser Norm genannte Tatbestandsmerkmal der "Steuerhinterziehung" bei der Investitionszulage als "Subventionsbetrug" zu verstehen sei. Die Frage einer analogen Rechtsanwendung stelle sich daher nicht. Abgesehen davon seien auch die Voraussetzungen einer Analogie gegeben.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung, der Haftungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 7 Abs. [X.] 1993 [X.]. § 71 [X.] haftet (dazu 1. und 2.). Auch kann der im Streitfall ggf. vorliegende deliktische Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) [X.]. § 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB nicht mittels eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 [X.] geltend gemacht werden (dazu 3.).

1. Das [X.] hat die Anwendbarkeit des § 71 [X.] --im Einklang mit der bisherigen [X.]srechtsprechung-- zu Unrecht bejaht.

a) Nach bisheriger Auffassung des [X.]s war auf eine Person, die sich als Gehilfe eines Subventionsbetrugs strafbar gemacht hat, die Haftungsnorm des § 71 [X.] entsprechend anwendbar. Der [X.] hat dies in seinem zum Investitionszulagengesetz 1982 ([X.]) ergangenen Urteil vom 27. April 1999 III R 21/96 ([X.], 255, [X.] 1999, 670) mit der in § 5 Abs. 5 Satz [X.] 1982 (= § 7 Abs. 1 Satz [X.] 1993) enthaltenen [X.] begründet, wonach die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der [X.] entsprechend anwendbar seien. Diese allgemein gehaltene Verweisung auf die [X.] umfasse auch die Vorschriften über die Haftung (§§ 69 ff. [X.]). Insbesondere scheitere eine entsprechende Anwendung des § 71 [X.] nicht daran, dass diese Vorschrift lediglich eine Haftung (u.a.) des Steuerhinterziehers, nicht jedoch des Subventionsbetrügers normiere. Die in der [X.] angeordnete entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften sei vielmehr so zu verstehen, dass der Fall des Subventionsbetruges im Rahmen der Haftung nach § 71 [X.] abgabenrechtlich wie ein Fall der Steuerhinterziehung zu behandeln sei (vgl. auch [X.]surteil vom 28. August 1997 III R 3/94, [X.], 324, [X.] 1997, 827, zur Investitionszulage nach dem Berlinförderungsgesetz --Berlin[X.]-- wegen verlängerter Festsetzungsverjährung). Die Frage einer analogen Rechtsanwendung stelle sich daher nicht.

Die Verwaltung hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BMF-Schreiben vom 28. Juni 2001, [X.], 379, [X.]. 188).

b) Hieran hält der [X.] nicht mehr fest. Die in § 7 Abs. 1 Satz [X.] enthaltene (allgemeine) Verweisung, nach der die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der [X.] entsprechend anzuwenden sind, erlaubt es nach ihrem Wortsinn nicht, das auf die "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten als eine Steuerhinterziehung i.S. des § 71 [X.] zu behandeln.

aa) Die Investitionszulage ist keine Steuer i.S. des § 3 Abs. 1 [X.] ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 1 [X.] Rz 23). Der Gesetzgeber hat die Investitionszulage materiell-rechtlich auch nicht als eine Steuervergütung ausgestaltet. Es fehlt --anders als z.B. für das Kindergeld (vgl. § 31 Satz 3 des [X.] eine Norm, welche die Investitionszulage als Steuervergütung qualifiziert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in den Investitionszulagengesetzen enthaltenen [X.] (z.B. § 5 Abs. 5 Satz [X.] 1982, § 7 Abs. 1 Satz [X.] 1993), die eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der [X.] anordnet. Durch diese Verweisungsnorm wird die Investitionszulage abgabenrechtlich nicht in eine Steuervergütung umqualifiziert, sondern allgemein das [X.] geregelt (ebenso Urteil des [X.] --[X.]-- vom 6. Juni 2007  5 StR 127/07, [X.] --[X.]-- 2007, 1157, zur Eigenheimzulage). Demnach hat der Gesetzgeber in Anbetracht des in § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelten Anwendungsbereichs der [X.] und des Umstands, dass die Investitionszulage gerade keine Steuervergütung ist, in § 7 Abs. 1 Satz [X.] 1993 folgerichtig nur eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der [X.] angeordnet.

Aufgrund dieser Verweisung sind zwar auch die Haftungsnormen der §§ 69 ff. [X.] entsprechend anwendbar. Nach dem Wortsinn des § 71 [X.] scheitert dessen Anwendung auf die Investitionszulage aber daran, dass das auf die "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten strafrechtlich keine Steuerhinterziehung, sondern ein Betrug (§ 263 StGB) bzw. ein Subventionsbetrug (§ 264 StGB) ist (vgl. [X.] vom 7. Februar 1984  1 StR 10/83, [X.] 1984, 391). Auch wenn die Abgrenzung zwischen den unter § 370 [X.] fallenden Steuern bzw. Steuervorteilen und den von § 264 StGB erfassten Subventionen schwierig sein kann, gehört doch die Investitionszulage zu den Subventionen i.S. des § 264 Abs. 7 StGB und nicht zu den Steuern oder Steuervorteilen (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], Strafgesetzbuch, 28. Aufl., § 264 Rz 10 a.E.). Abweichendes ergibt sich nicht aus § 370 Abs. 4 Satz 2 [X.], wonach auch Steuervergütungen Steuervorteile sind. Die Investitionszulage ist --wie aufgezeigt-- materiell-rechtlich gerade keine Steuervergütung. Schließlich lässt sich etwas anderes auch nicht aus § [X.] 1993 (= § 5a [X.] 1977/1982/1986) entnehmen, nach dem die Vorschriften der [X.] über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend gelten. Hierdurch werden lediglich die Verfahrensvorschriften der §§ 385 ff. [X.] einschließlich der Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden (vgl. § 386 Abs. 2 [X.]) für anwendbar erklärt (ebenso [X.] in [X.] 2007, 1157, zur Eigenheimzulage).

bb) Auch die in § 7 Abs. 1 Satz [X.] 1993 angeordnete "entsprechende" Anwendung des § 71 [X.] rechtfertigt es nicht, von dem tatbestandlichen Erfordernis einer Steuerhinterziehung abzusehen oder das auf die "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten als eine Steuerhinterziehung i.S. des § 71 [X.] zu behandeln.

Dass es sich hierbei um eine Rechtsgrund- und nicht um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, entspricht auch der bisherigen [X.]srechtsprechung. Ein bloßer Verweis nur auf die Rechtsfolge des § 71 [X.] könnte schon gar nicht umgesetzt werden, weil der Haftungsumfang im Dunkeln bliebe. Allerdings reicht --entgegen der bisherigen Rechtsprechung-- im Zusammenhang mit der Investitionszulage der Subventionsbetrug als Rechtsgrund nicht aus. Eine derartige --auf das Wort "entsprechend" gestützte-- Gesetzesauslegung überspannt den möglichen Wortsinn. Die entsprechende Geltung der Steuervergütungsvorschriften führt zwar --wie bereits [X.] dazu, dass die §§ 69 ff. [X.] dem Grunde nach anwendbar sind. Der Gesetzgeber hat aber bewusst davon abgesehen, im [X.] --im Gegensatz zu anderen Zulagen- und [X.] auch eine entsprechende Anwendung des § 370 Abs. 1 bis Abs. 4 [X.] anzuordnen, weil er die Investitionszulage unter den besonderen strafrechtlichen Schutz des § 264 StGB gestellt hat (dazu nachfolgend 2.). Hiernach ist § 370 [X.] auf die Investitionszulage gerade nicht entsprechend anwendbar. Damit wäre jedoch der Wortsinn einer entsprechenden Anwendung überspannt, wollte man die Erschleichung einer Investitionszulage abgabenrechtlich doch wieder wie eine Steuerhinterziehung behandeln.

2. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 71 [X.] liegen nicht vor.

Eine Analogie würde voraussetzen, dass sich zum einen eine Gesetzeslücke feststellen ließe, zum anderen, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut bzw. Gesamtzusammenhang oder aus den Gesetzesmaterialien eindeutig Rechtsprinzipien ergäben, nach denen diese Lücke zu schließen wäre (BFH-Urteil vom 14. Februar 2007 II R 66/05, [X.], 176, [X.] 2007, 621, m.w.N.). Hieran fehlt es.

Ein Prinzip, wonach der im Zusammenhang mit einer Investitionszulage begangene Subventionsbetrug abgabenrechtlich wie eine Steuerhinterziehung zu behandeln ist, ist nicht eindeutig erkennbar. Ein solches Prinzip lässt sich weder § 7 Abs. [X.] 1993 noch § [X.] 1993 entnehmen.

§ [X.] 1993 (= § 5a [X.] 1977/1982/1986) bestimmt, dass die Vorschriften der [X.] über die Verfolgung von Steuerstraftaten (§§ 385 ff. [X.]) entsprechend gelten. Diese Regelung geht auf das [X.] (1. [X.]) vom 29. Juli 1976 ([X.] 1976, 2034) zurück, mit dem die Vorschrift des § 264 StGB in das StGB neu eingefügt wurde. Der Gesetzgeber betrachtete die Investitionszulage als eine Subvention i.S. des § 264 StGB und wollte deren Vergabe strafrechtlich besonders schützen (BTDrucks 7/3441, S. 48, BTDrucks 7/5291, S. 24). Da die Investitionszulage von den Finanzbehörden verwaltet wurde, fügte er den § 5a [X.] neu ein, wonach u.a. für die Verfolgung einer Straftat nach § 264 StGB die Vorschriften der Reichsabgabenordnung vom 23. Mai 1931 über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend gelten. Demnach werden nach § [X.] 1993 (bzw. § 5a [X.] 1977) lediglich die Verfahrensvorschriften der §§ 385 ff. [X.] einschließlich der Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden (vgl. § 386 Abs. 2 [X.]) für anwendbar erklärt (ebenso [X.] in [X.] 2007, 1157, zur Eigenheimzulage). Hieraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass der Subventionsbetrug abgabenrechtlich wie eine Steuerhinterziehung zu behandeln ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz [X.] 1993. Diese Vorschrift hat die für den Streitfall maßgebliche Fassung im [X.] bereits durch das [X.] (EG[X.] 1977) vom 14. Dezember 1976 ([X.] 1976, 3341) erhalten. § 5 Abs. 5 Satz [X.] 1977 --die Vorgängerregelung zu § 7 Abs. 1 Satz [X.] 1993-- lautete, dass "auf die Investitionszulage die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung ... entsprechend anzuwenden" sind (vgl. Art. 64 Nr. 1 EG[X.] 1977). Daneben wurde in § 5a [X.] das Wort "Reichsabgabenordnung" durch das Wort "Abgabenordnung" ersetzt (vgl. Art. 64 Nr. 2 EG[X.] 1977). In den Gesetzesmaterialien heißt es lediglich, dass nunmehr auch für die Investitionszulagen die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften der [X.] gelten sollen (BTDrucks 7/261, S. 54), ferner, dass sich die Anwendbarkeit der Vorschriften der [X.] über die Verfolgung von Steuerstraftaten auf die Investitionszulage bereits aus dem durch das 1. [X.] eingefügten § 5a [X.] ergibt (BTDrucks 7/5458, S. 20). Zugleich normierte der Gesetzgeber im EG[X.] 1977 für andere Zulagen- und Prämien-Gesetze, in denen ebenfalls --wie im [X.]-- die Steuervergütungsvorschriften der [X.] für entsprechend anwendbar erklärt werden, dass auch § 370 Abs. 1 bis 4 [X.] entsprechend gilt (z.B. Art. 5 Nr. 5 und 6 EG[X.] 1977 zum Berlin[X.], Art. 50 Nr. 5 EG[X.] 1977 zum [X.], Art. 83 Nr. 1 und 2 EG[X.] 1977 zum [X.]). Eine solche Anordnung ist für das [X.] unterblieben.

3. Es kann dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das [X.] im Klageverfahren oder der [X.] im Revisionsverfahren die vom [X.] im Haftungsbescheid konkret zugrunde gelegte Haftungsnorm des § 7 Abs. [X.] 1993 [X.]. §§ 71, 191 [X.] durch § 191 Abs. 1 [X.] [X.]. § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB [X.]. § 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB hätte austauschen dürfen. Denn dieser ggf. verwirklichte deliktische Schadensersatzanspruch kann nicht durch einen Haftungsbescheid geltend gemacht werden.

a) Nach § 191 Abs. 1 [X.] kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Hiermit ist nicht nur die Haftung für Steuerschulden, sondern generell die Haftung für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 [X.]) gemeint ([X.] in [X.], § 191 [X.] Rz 16). Da auf das Investitionszulagenverfahren nach § 7 Abs. [X.] 1993 die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, ist auch der Anspruch auf Rückzahlung der Investitionszulage wie ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zu behandeln (vgl. § 37 Abs. 1, Abs. 2 [X.]). Das Haftungsverfahren nach § 191 [X.] ist daher im Grundsatz auch auf die Investitionszulage anwendbar.

b) Der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB [X.]. § 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB ist jedoch kein gesetzlicher Haftungsanspruch i.S. des § 191 Abs. 1 [X.].

Nach ständiger Rechtsprechung können sich gesetzliche Haftungsansprüche i.S. des § 191 [X.] sowohl aus dem Steuerrecht als auch aus dem Zivilrecht ergeben (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82, [X.], 13, [X.] 1986, 156; vom 9. Mai 2006 VII R 50/05, [X.], 194, [X.] 2007, 600). Die Frage, ob auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB hierunter zu fassen sind, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

aa) Soweit sich das Fachschrifttum mit dieser Frage beschäftigt, liefert es kein einheitliches Meinungsbild. Teilweise wird für deliktische Schadensersatzansprüche --ohne nähere Begründung-- die Möglichkeit des Erlasses eines Haftungsbescheids bejaht (Loose in Tipke/[X.], § 71 [X.] Rz 5, § 191 [X.] Rz 6; [X.], [X.], 4. Aufl., Rz 590). Andere vertreten die Auffassung, dass Schadensersatzansprüche gemäß § 823 BGB keine Haftungsansprüche seien und im [X.] verfolgt werden müssten (Nacke, [X.], 3. Aufl., Rz 165).

bb) Die Gesetzesmaterialien enthalten zu dieser Frage keine ausdrückliche Stellungnahme. [X.] man diesen jedoch eine Aussage entnehmen, deuten sie eher darauf hin, dass ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB wegen einer Schutzgesetzverletzung nicht mittels Haftungsbescheid geltend gemacht werden kann. Nach der Gesetzesbegründung bezieht sich die Vorschrift des § 191 [X.] (im Gesetzentwurf § 172) zwar auch auf "die [X.] des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, soweit sie auch auf Steuerschulden anwendbar sind, wie z.B. § 128 HGB" ([X.], S. 159). Der Gesetzgeber spricht in diesem Zusammenhang aber von [X.], nicht von Schadensersatzansprüchen, und verdeutlicht dies anhand § 128 des Handelsgesetzbuchs (HGB), einer Norm, die als Rechtsfolge das Einstehenmüssen für eine Verbindlichkeit eines Dritten --der offenen [X.] begründet. In den Gesetzesmaterialien wird von Schadensersatzansprüchen nur in der Begründung zu § 71 [X.] gesprochen. Dort heißt es, dass Schadensersatzansprüche des Steuergläubigers, soweit sich solche aus der Steuerhinterziehung oder der Steuerhehlerei --etwa aufgrund der Vorschriften über unerlaubte Handlungen ergeben-- nicht durch § 71 [X.] ausgeschlossen werden ([X.], S. 120). Der Gesetzgeber dürfte daher als zivilrechtliche Haftungsansprüche i.S. des § 191 [X.] eher solche Vorschriften vor Augen gehabt haben, die auf der [X.] eine Einstandspflicht für anderweitig entstandene Steuerschulden begründen, wie z.B. die [X.] nach § 128 HGB oder Vorschriften wie §§ 25 ff. HGB.

Dieser Sichtweise entspricht auch die vom [X.] gefundene Auslegung. So hat er in dem Urteil vom 1. Dezember 1988 [X.] ([X.]Z 106, 134) ausgeführt, dass unter zivilrechtlichen Haftungsansprüchen i.S. des § 191 [X.] einerseits gesellschaftsrechtliche u.ä. Bestimmungen und andererseits solche Bestimmungen gemeint sind, die wie § 25 HGB oder § 419 BGB für anderweitig entstandene Steuerschulden die Einstandspflicht eines Dritten begründen.

cc) Als maßgeblich für die hier vertretene Ansicht sieht der [X.] jedoch an, dass selbst die abgabenrechtlichen Haftungsnormen, denen nach der Rechtsprechung des [X.] zukommt, letztlich in ihrer vom Gesetz vorgegebenen abstrakt-generellen Struktur keine Schadensersatznormen sind.

Abgabenrechtliche Haftungsnormen mit Schadensersatzcharakter sind namentlich die §§ 69 und 71 [X.] (BFH-Urteile vom 26. September 2012 VII R 3/11, [X.], 337, zu § 71 [X.]; vom 11. November 2008 VII R 19/08, [X.], 303, [X.] 2009, 342, zu § 69 [X.]). Insbesondere die Haftung nach § 71 [X.] und die nach § 823 Abs. 2 BGB [X.]. § 264 StGB ähneln sich sehr. In beiden Fällen soll gegenüber demjenigen, der eine vorsätzliche Straftat begangen hat, eine Ersatzmöglichkeit bestehen. Unterschiede existieren aber in dem gesetzlich --abstrakt-generell-- normierten Haftungsumfang. In Fällen des § 71 [X.] richtet sich der Haftungsumfang danach, inwieweit das strafrechtlich erhebliche Verhalten für den Steuerausfall (BFH-Urteil in [X.], 337), in Fällen des § 69 [X.], inwieweit die Pflichtverletzung für den Steuerausfall ursächlich ist (BFH-Urteil vom 5. September 1989 VII R 61/87, [X.], 13, [X.] 1989, 979). Auf diese steuerliche Haftung kann der im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht anerkannte Grundsatz des Vorteilsausgleichs ebenso wenig uneingeschränkt übertragen werden wie die Berücksichtigung des Mitverschuldens nach § 254 BGB, eines hypothetischen Kausalverlaufs oder die Lehre vom Schutzzweck der verletzten Norm (vgl. BFH-Urteile in [X.], 337, m.w.N.; vom 5. Juni 2007 VII R 65/05, [X.], 233, [X.] 2008, 273). Vielmehr entstehen die Haftungsansprüche nach §§ 69 und 71 [X.] gemäß § 38 [X.], wenn deren Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil in [X.], 337). Die vorstehend bezeichneten Gesichtspunkte des zivilrechtrechtlichen Schadensersatzrechts haben in den genannten abgabenrechtlichen Haftungsansprüchen keinen Niederschlag gefunden.

Die Ersatzmöglichkeit aus § 823 Abs. 2 BGB führt hingegen zu einem originär zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch. Es mag zwar sein, dass --bei Vergleichbarkeit der Sachverhalte-- ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen einen Gehilfen eines Subventionsbetrugs nach § 823 Abs. 2, § 830 BGB [X.]. §§ 264, 27 StGB im Ergebnis auch der Höhe nach zu einer ähnlichen Ersatzmöglichkeit führt wie ein abgabenrechtlicher Haftungsanspruch nach § 71 [X.] gegen einen Gehilfen einer Steuerhinterziehung, insbesondere unter Berücksichtigung der bei § 191 [X.] anzustellenden Ermessenserwägungen (§ 5 [X.]). Entscheidend ist aber, dass der Gesetzgeber die genannten abgabenrechtlichen Haftungsnormen, auch wenn sie Schadensersatzcharakter besitzen, auf der [X.] abstrakt-generell nicht als Schadensersatzansprüche ausgestaltet hat.

dd) Dass es aufgrund der [X.] des [X.] als der für die Verwaltung der Investitionszulage (§ 7 Abs. [X.] 1993) und der für die Verfolgung eines hiermit im Zusammenhang stehenden Subventionsbetrugs (§ [X.] 1993 [X.]. § 385 ff. [X.]) zuständigen Behörde zweckmäßig sein mag, dem [X.] auch die Möglichkeit des Erlasses eines Haftungsbescheids einzuräumen, ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

III R 25/10

19.12.2013

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 24. Juni 2009, Az: 4 K 2207/04, Urteil

§ 7 Abs 1 S 1 InvZulG 1993, § 9 InvZulG 1993, § 3 Abs 1 AO, § 71 AO, § 191 Abs 1 AO, § 370 Abs 4 S 2 AO, § 264 Abs 1 Nr 1 StGB, § 27 StGB, § 823 Abs 2 BGB, § 830 Abs 1 S 1 BGB, § 263 StGB, § 264 Abs 7 StGB, § 830 Abs 2 BGB, § 37 Abs 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.12.2013, Az. III R 25/10 (REWIS RS 2013, 80)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 80

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

4 K 268/17

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5 StR 127/07

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