Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.09.2019, Az. 29 W (pat) 9/19

29. Senat | REWIS RS 2019, 3296

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 000 506

(hier: Löschungsverfahren [X.] 399/17)

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 24. September 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] und der Richterinnen [X.] und Seyfarth

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 14. Dezember 2018 insoweit aufgehoben, als die Löschung der angegriffenen Marke auch für die Waren

2. Im unter Ziffer 1. genannten Umfang wird der Markeninhaberin Wiedereinsetzung in die Frist zur Erklärung des Widerspruchs gegen den [X.] gewährt.

Gründe

I.

1

Die Markeninhaberin verfolgt im Beschwerdeverfahren ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erklärung des Widerspruchs gegen die Löschung ihrer Marke 30 2010 000 506 weiter, der durch Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 14. Dezember 2018 zurückgewiesen worden ist.

2

Der Antragsteller und hiesige Beschwerdegegner hat mit [X.] vom 15. Dezember 2017 beim [X.] ([X.]) die Löschung der Wortmarke 30 2010 000 506

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wegen Verfalls nach §§ 49, 53 [X.] beantragt. Die angegriffene Marke wurde für die Beschwerdeführerin am 25. Juni 2010 in das beim [X.] geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen eingetragen:

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Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

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Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

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Klasse 41: Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten.

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Der Löschungsantrag wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin am 10. Januar 2018 gegen [X.] zugestellt. Dabei hat die Markenabteilung 3.4 des [X.] darauf hingewiesen, dass die Eintragung der Marke gelöscht werde, wenn die Markeninhaberin der Löschung nicht binnen zwei Monaten nach Zustellung der Mitteilung widerspreche.

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Die Markeninhaberin hat der Löschung mit [X.] ihres anwaltlichen Vertreters vom 6. April 2018, eingegangen beim [X.] am gleichen Tag, im Umfang der Waren der Klasse 25 „Bekleidungsstücke“ widersprochen.

Das [X.] hat die Markeninhaberin mit [X.] vom 12. April 2018 darauf hingewiesen, dass die mit Schreiben vom 6. April 2018 per Fax eingegangene Widerspruchserklärung nicht innerhalb der Zweimonatsfrist dem [X.] zugegangen, mithin verfristet sei.

Mit Schreiben vom 20. April 2018 hat die Markeninhaberin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und vorgetragen, die Versäumung der Frist zur Einlegung des Widerspruchs gegen die Markenlöschung beruhe auf Umständen, die von der Markeninhaberin selbst nicht zu vertreten seien. Die Frist sei aufgrund eines Fehlers einer [X.] des anwaltlichen Vertreters versäumt worden, der trotz ordnungsgemäßer Büroorganisation und Auswahl sowie Überwachung der Mitarbeiter vorgekommen sei. Die Markeninhaberin werde in Sachen des Markenrechts ständig von der hier in Rede stehenden Kanzlei vertreten. Es seien mehr als 100 Marken auf die Inhaberin angemeldet. Hinsichtlich keiner der Marken sei es bislang zu einer Fristversäumung gekommen. Die Bearbeitung erfolge durch die Patentanwaltsfachangestellte Frau [X.] Diese sei eine sehr zuverlässige Mitarbeiterin, die bereits seit 17 Jahren in der Kanzlei beschäftigt und unter anderem für die Verwaltung umfangreicher Markenportfolios verantwortlich sei. Zu den Aufgaben von Frau [X.] gehörten insbesondere die Anmeldung von Marken, die Einlegung von Widersprüchen sowie die gesamte damit zusammenhängende Fristenüberwachung. Seit mindestens dem [X.] sei Frau [X.] bislang kein Fehler passiert, wie er in der vorliegenden Angelegenheit anscheinend geschehen sei. Am Tag des Eingangs der Mitteilung über den Antrag auf Löschung der in Rede stehenden Marke habe die mit der Verwaltung der Verfahrensakten beauftragte Frau [X.] die Frist zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Löschungsantrag auf dem Deckblatt sowie im kanzleiintern geführten Fristenbuch mittels eines roten Stifts notiert. Beim Errechnen der Frist sei ihr offensichtlich der Fehler unterlaufen, anstatt einer zweimonatigen Frist versehentlich eine dreimonatige Frist zu notieren. Dieser Fehler sei erst im Zuge der Mitteilung des [X.] aufgefallen. Denn zur weiteren Verfolgung von Fristen orientierten sich alle kanzleiintern mit dem Fall Beschäftigten an der mit roter Schrift notierten Frist auf dem entsprechenden Deckblatt. Dementsprechend sei die Wiedervorlage der Akte zur Einlegung des Widerspruchs am 5. April 2018 erfolgt. Zur Vermeidung ähnlich gelagerter Fälle in Zukunft seien nunmehr alle Sachbearbeiter der Kanzlei angewiesen, die Notierung der [X.] durch einen zweiten Mitarbeiter prüfen zu lassen und diese erst nach Bestätigung im Fristenbuch zu notieren.

Zur Glaubhaftmachung des vorstehenden Sachverhalts sind im Verfahren vor dem [X.] eine eidesstattliche Versicherung von Frau [X.] sowie Kopien der [X.] eingereicht worden.

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2018 hat die Markenabteilung 3.4 den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und ferner mangels fristgerechten Widerspruchs die vollständige Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet. Der Wiedereinsetzungsantrag der Markeninhaberin sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Denn der anwaltliche Vertreter sei nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die in § 53 Abs. 3 [X.] bestimmte Frist einzuhalten. An die Sorgfalt eines Rechts- und/oder Patentanwalts seien strenge Maßstäbe anzulegen. Alle Vorgänge, die nicht nur routinemäßige, einfachere Handlungen erforderten, sondern im Einzelfall rechtliche Probleme aufwerfen könnten, dürften vom Anwalt nicht auf Hilfskräfte übertragen werden, sondern gehörten zum eigenen Verantwortungsbereich des Anwalts. Lediglich einfache Verrichtungen, die keine juristische Ausbildung verlangten, dürfe der Anwalt seinem Büropersonal zur selbständigen Erledigung übertragen, soweit es sich um für die jeweilige Aufgabe konkret bestimmtes, geschultes, zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handele. Dem Rechtsanwalt obliege die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob eine zu beachtende Frist richtig ermittelt und eingetragen worden sei, wenn ihm die Akten zur Bearbeitung vorgelegt werden. Wie aus dem Schreiben des anwaltlichen Vertreters vom 20. April 2018 hervorgehe, sei von ihm am [X.] – dem 5. April 2018 – nicht geprüft worden, ob die Berechnung der Frist fehlerhaft gewesen sei. Letztlich könne dies jedoch dahinstehen, denn jedenfalls sei dem Schreiben nicht zu entnehmen, dass es sich bei Frau [X.] um eine sorgfältig überwachte Mitarbeiterin handele. Erwähnt werde lediglich, dass nach Bekanntwerden der fehlerhaft eingetragenen Frist und zur Vermeidung ähnlich gelagerter Fälle in Zukunft nunmehr alle Sachbearbeiter der Kanzlei angewiesen seien, die Notierung der [X.] durch einen zweiten Mitarbeiter prüfen zu lassen und diese erst nach Bestätigung im Fristenbuch zu notieren. Dass eine – zumindest stichprobenartige - Kontrolle des Personals sowie der Fristen zuvor überhaupt stattgefunden habe, insbesondere durch den anwaltlichen Vertreter selbst, was zu seinen Pflichten gehöre, sei weder vorgetragen noch belegt. Folglich sei der für die Markeninhaberin handelnde anwaltliche Vertreter nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist des § 53 Abs. 3 [X.] einzuhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie ihren Antrag auf Wiedereinsetzung weiterverfolgt und die teilweise Aufhebung des [X.] im Umfang der Waren „Bekleidungsstücke

Ergänzend trägt sie vor, dass die Patentanwaltsfachangestellte [X.] von 2001 bis 2003 vom Seniorpartner der Kanzlei ausgebildet worden sei und die Notierung und Überwachung der üblich vorkommenden Fristen in Verfahren vor den Markenämtern dort bereits zu ihren Aufgaben gehört habe. Spätestens seit dem [X.] habe die Führung des Fristenbuches zu den Kernaufgaben der Kanzleimitarbeiterin gehört; dies habe sie stets zuverlässig und bis auf die jetzt aufgetretene falsche Berechnung fehlerfrei erledigt. So seien in weit über 500 Amtsverfahren vor und nach dem vorliegenden Versäumnis die Fristen zutreffend notiert worden, was insbesondere auch für die 2-Monatsfrist in Löschungsverfahren gelte. In regelmäßigen Abständen werde gleichwohl eine stichprobenartige Kontrolle sowohl in Marken- wie auch in [X.] durchgeführt. Das Hinzurechnen von 2 Monaten zum 10. Januar – wie im vorliegenden Fall – zähle zu den einfachen Verrichtungen. Bei nicht unmittelbar ersichtlichen Fristen oder nicht routinemäßig vorkommenden Fristen bestehe dagegen die Arbeitsanweisung, Rücksprache mit einem Anwalt zu nehmen.

Zur weiteren Glaubhaftmachung sind die Beurteilung anlässlich der vorzeitigen Zulassung zur Abschlussprüfung von Frau [X.] aus dem [X.], eine beispielshafte Auswahl von Fristberechnungen und Eintragungen in das Fristenbuch und eidesstattliche Versicherungen des Rechtsanwalts Dr. [X.] sowie des Patentanwalts [X.]… vorgelegt worden.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

1. ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Widerspruchsfrist zu gewähren und

2. den Löschungsbeschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.]s vom 2. Februar 2016 im Umfang der Waren „Bekleidungsstücke“ aufzuheben.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist mit näherer Begründung der Auffassung, es liege ein Organisationsverschulden in der Kanzlei des anwaltlichen Vertreters vor, das sich die Beschwerdeführerin zurechnen lassen müsse. So sei weiterhin nicht dargelegt, dass es sich bei der [X.] um eine für die konkrete Aufgabe bestimmte, geschulte, zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte Mitarbeiterin handele. Ferner sei unstreitig, dass der anwaltliche Vertreter keine mehrstufigen Kontrollen der durch die Mitarbeiter berechneten und notierten Fristen vorgesehen habe. Ein Vier-Augen-Prinzip habe der Vertreter erst eingeführt, nachdem es zu der hier unzutreffenden Berechnung und Notierung gekommen sei. Zudem liege ein eigenes Verschulden des anwaltlichen Vertreters vor, weil er die eigenverantwortliche Prüfung der Frist unterlassen und so die falsch berechnete Frist nicht erkannt habe, als ihm die Akte zur Bearbeitung am 21: März 2018 und auch am 5. April 2018 vorgelegt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet.

Der Markeninhaberin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, denn die Frist zur Erklärung des (Teil)Widerspruchs gegen die beantragte Löschung ist ohne zurechenbares Verschulden versäumt worden. In Folge dessen ist der angefochtene Beschluss der Markenabteilung 3.4 im beantragten Umfang aufzuheben.

1. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist zur Erklärung des Widerspruchs gegen die beantragte Löschung ihrer Marke ist statthaft und auch ansonsten zulässig (§ 91 Abs. 1 bis 3 [X.]).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 91 Abs. 1 [X.] gewährt, wenn eine dem [X.] oder dem [X.] gegenüber einzuhaltende Frist, deren Versäumung nach einer gesetzlichen Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, ohne Verschulden versäumt wurde.

a) Die am 10. Januar 2018 erfolgte Zustellung der Unterrichtung über den Löschungsantrag durch das [X.] nach § 53 Abs. 2 [X.] an die im Register erfassten Vertreter der Markeninhaberin setzte die gesetzliche Ausschlussfrist von zwei Monaten in Lauf, innerhalb derer der Löschung hätte widersprochen werden müssen. Zweifelsfrei und von der Beschwerdeführerin unbestritten steht fest, dass diese am 10. März 2018 ablaufende Frist versäumt wurde. Der [X.] gegen den Löschungsantrag ist erst am 6. April 2018 beim [X.] eingegangen. Dies hat den in § 53 Abs. 3 [X.] vorgesehenen Rechtsnachteil zur Folge.

b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit Einreichung am 20. April 2018 gemäß § 91 Abs. 2 [X.] rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden.

Fristbeginn war hier allerdings nicht die Kenntnisnahme des [X.]s des [X.] vom 12. April 2018, in der die [X.]en über die Fristversäumung informiert worden waren. Vielmehr ist vorliegend Fristbeginn schon der - wie der eidesstattlichen Versicherung von Frau [X.] zu entnehmen ist - kanzleiintern notierte erste Wiedervorlagetermin vom 21. März 2018 als der Zeitpunkt, zu dem der Vertreter das Versehen seiner Büroangestellten hätte bemerken können und müssen. Denn die Übertragung von Maßnahmen zur Fristüberwachung entbindet den Anwalt nicht von einer eigenverantwortlichen begleitenden Überprüfung. Werden dem Anwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, trifft ihn die Obliegenheit der Prüfung, ob die zu beachtende Frist und auch alle weiteren unerledigten Fristen in dem betreffenden Verfahren richtig notiert worden sind ([X.], 165; [X.] in Ströbele/[X.]/Thiering, [X.], 12. Auflage, § 91 Rn. 14 und 15); dieser Obliegenheit ist der Vertreter offensichtlich bei beiden Wiedervorlageterminen am 21. März 2018 und am 5. April 2018 nicht nachgekommen. Diese fehlende Überprüfung durch den Anwalt war im vorliegenden Fall aber nicht ursächlich für die Fristversäumnis, denn schon am 21. März 2018 war eine rechtzeitige Widerspruchserklärung nicht mehr möglich, weil die versäumte Frist bereits am 10. März 2018, mithin deutlich zuvor bereits abgelaufen war. Jedenfalls seit dem ersten Wiedervorlagetermin war eine weitere Säumnis aber nicht mehr unverschuldet (vgl. [X.] in Ströbele/[X.] /Thiering, a. a. [X.], § 91 Rn. 23); der Wiedereinsetzungsantrag ist berechnet ab diesem Zeitpunkt jedoch fristgerecht eingegangen.

Die versäumte Handlung, nämlich der [X.] gegen die Löschung, wurde ebenfalls innerhalb dieser Frist nachgeholt, § 91 Abs. 4 [X.].

2. In der Sache hat der Wiedereinsetzungsantrag Erfolg. Auf Grundlage des vom Senat als glaubhaft angesehenen Vortrags der Markeninhaberin lässt sich ein ihr zurechenbares Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht begründen.

a) Die Markeninhaberin selbst trifft kein Verschulden. Das Verschulden eines Bevollmächtigten steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der [X.] gleich. Die im Zusammenhang mit den Wiedervorlageterminen offensichtlich unterlassene Fristprüfung des anwaltlichen Vertreters stellt zwar eine Sorgfaltspflichtverletzung dar, die der Markeninhaberin zuzurechnen wäre; darauf kommt es vorliegend aber nicht an, weil diese – wie oben bereits ausgeführt – für die Fristversäumnis nicht ursächlich war.

b) Das Versäumnis beruht vielmehr auf der unzutreffenden Berechnung und Notierung der Frist durch die Büroangestellte des Bevollmächtigten. Ist das Fristversäumnis infolge eines Fehlverhaltens von Büropersonal des Prozessbevollmächtigten eingetreten, liegt kein der [X.] zuzurechnendes Verschulden vor, wenn der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei ordnungsgemäß organisiert, insbesondere zuverlässiges Personal ausgewählt und dieses ausreichend überwacht hat ([X.], 1453). Soweit es sich wie hier um Rechts- bzw. Patentanwälte handelt, sind an deren Sorgfaltspflichten, welche auch die Büroorganisation umfassen, nach der Rechtsprechung hohe Anforderungen zu stellen.

c) Die Verfahrensbeteiligte muss im Rahmen ihres Antrags gemäß § 91 Abs. 3 [X.] die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Eine auf das Fehlverhalten einer Kanzleimitarbeiterin des Verfahrensbevollmächtigten gerichtete Wiedereinsetzung ist solange nicht schlüssig begründet, wie der Antragsteller nicht im Einzelnen darlegt, dass jene sich als zuverlässig erwiesen hat. Insoweit genügten die Angaben in dem Wiedereinsetzungsgesuch vor dem [X.] nicht, wie die Markenabteilung zutreffend ausführt. Das Amt hat aber nicht beachtet, dass es die Markeninhaberin nach § 139 ZPO darauf hätte hinweisen müssen, dass die innerhalb der Frist vorgebrachten Wiedereinsetzungsgründe erkennbar unklar bzw. ergänzungsbedürftig waren (vgl. vgl. [X.], Beschluss vom 16.08.2016 – [X.], NJW 2016, 3312, 3313). Es geht hierbei nicht um einen – nicht zulässigen – Vortrag eines neuen [X.], sondern um die auch nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist mögliche sachliche Ergänzung des fristgerecht geltend gemachten [X.] ([X.], Beschluss vom 03.12.2015 – [X.], NJW 2016, 874, 875).

Die Angaben zur Zuverlässigkeit konnten daher im Beschwerdeverfahren ergänzt werden. Der gesamte Vortrag zur Begründung des [X.] wird nunmehr in den drei eidesstattlichen Versicherungen der Prozessbevollmächtigten der Markeninhaberin und der Büroangestellten bestätigt.

beispielhafte Auswahl, wie dem Vortrag der Markeninhaberin zu entnehmen ist. Die [X.], -eintragung und -kontrolle gehört auch zum Aufgabenbereich der Angestellten M…, die zudem zwischen 2001 und 2003 in der Kanzlei ausgebildet worden war; ob und in welchem Umfang sie im Rahmen der Ausbildung bereits, wie der Beschwerdegegner meint, mit der Fristenbehandlung – unzulässig – betraut war, spielt für das vorliegende Verfahren keine Rolle. Denn nach ihrer Ausbildung war Frau M… mehr als vierzehn Jahren in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten tätig, wurde in die einzelnen Verfahren eingewiesen, hatte stets zuverlässig gearbeitet und daher keine Veranlassung gegeben, über die stichprobenartigen Überprüfungen hinaus zu kontrollieren. Ein Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten bei der Beaufsichtigung oder der Auswahl dieser Mitarbeiterin sowie ein Organisationsverschulden sind nicht ersichtlich. Denn grundsätzlich besteht eine Pflicht zur [X.] bzw. [X.] – außer im Rahmen der allgemeinen Überwachungspflicht – nicht (vgl. Zöller/[X.], a. a. [X.], § 233 Rn. 23 m. w. N.). Nicht zuletzt bestand die Anweisung, keine unbekannten Fristen zu notieren und bei Unsicherheit Rücksprache zu halten. Die Markeninhaberin hat nach alledem u. a. mittels Vorlage der drei eidesstattlichen Versicherungen ausreichend glaubhaft gemacht, dass es sich um ein einmaliges Versehen einer Mitarbeiterin ihrer Verfahrensbevollmächtigten handelt.

Da die Patentanwaltsfachangestellte [X.] seit vielen Jahren in der Kanzlei tätig, eingewiesen und regelmäßig überwacht worden ist, liegt insoweit kein (Auswahl-, [X.] oder Überwachungs-) Verschulden des anwaltlichen Vertreters vor. Die beantragte Wiedereinsetzung kann daher gewährt werden.

Der – nach Wiedereinsetzung – wirksam erklärte [X.] gegen die Löschung der Marke „[X.] [X.]“ für die Waren der Klasse 25 „Bekleidungsstücke“ führt dazu, dass der Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 14. Dezember 2018 im Umfang der Löschungsanordnung für die Waren „Bekleidungsstücke“ aufzuheben ist und das [X.] nunmehr den [X.] dahingehend unterrichten kann, dass der Antrag auf Löschung durch Klage vor den ordentlichen Gerichten gemäß § 55 [X.] geltend zu machen ist, § 53 Abs. 4 [X.].

Zur Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] besteht kein Anlass.

Meta

29 W (pat) 9/19

24.09.2019

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.09.2019, Az. 29 W (pat) 9/19 (REWIS RS 2019, 3296)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3296

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