Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2008, Az. 4 StR 391/07

4. Strafsenat | REWIS RS 2008, 3279

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 19. Juni 2008 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der [X.]

rung - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat am 19. Juni 2008 beschlossen: Dem [X.] wird gemäß § 132 Abs. 2 und 4 [X.] folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Steht es der Anordnung der nachträglichen Sicherungsver-wahrung nach § 66 b Abs. 3 StGB entgegen, dass der Betrof-fene nach Erklärung der Erledigung der Unterbringung in ei-nem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67 d Abs. 6 StGB) noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, auf die zugleich mit der Un-terbringung erkannt worden ist? Gründe: [X.] 1. Beim 4. Strafsenat sind zwei [X.] zur Durchführung des Verfahrens nach § 132 [X.] verbundene [X.] Revisionsverfahren anhängig, in denen gegen die revisionsführenden Angeklagten gemäß § 66 b Abs. 3 StGB nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. In beiden Fällen hatten die Angeklagten zum Zeitpunkt der Erklärung der Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischem Krankenhaus (§ 67 d Abs. 6 StGB) noch (Rest-) Freiheitsstrafen zu verbüßen, auf die zugleich mit der Unterbrin-gung nach § 63 StGB erkannt worden war, und zwar der Angeklagte [X.](Verfahren 4 StR 314/07) eine Freiheitsstrafe von drei Monaten und 26 Tagen, der Angeklagte [X.](Verfahren 4 StR 391/07) eine solche von einem Jahr und sechs Monaten. 1 - 3 - 2. Der Senat beabsichtigt, beide Rechtsmittel als unbegründet zu ver-werfen. Hieran sieht er sich jedoch durch das Urteil des 1. Strafsenats vom 28. August 2007 [X.] 1 [X.] (NJW 2008, 240) gehindert. In dieser Ent-scheidung hat der 1. Strafsenat unter Bezugnahme auf die [X.] die Ansicht vertreten, dass die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 b Abs. 3 StGB —regelmäßigfi nicht in Betracht kommt, wenn der Angeklagte zum Zeitpunkt der Erledigungsentschei-dung nach § 67 d Abs. 6 StGB noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt worden war. Er hat allerdings offen ge-lassen, ob dies auch gilt, wenn nach der Erledigungsentscheidung nur noch für —sehr kurze Zeitfi Freiheitsstrafe zu vollstrecken wäre. 2 3. Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen, auch wenn er grundsätzlich das Bestreben teilt, die Vorschriften über die [X.] Anordnung der Sicherungsverwahrung wegen des schwerwiegenden Ein-griffs in Freiheitsrechte der Betroffenen restriktiv auszulegen. Er ist der Ansicht, dass die vom 1. Strafsenat vorgenommene Auslegung nicht nur im Gesetzes-wortlaut keine Stütze findet, sondern dass auch die für sie angeführten Geset-zesmaterialien unklar sind. Nach Auffassung des Senats führt zudem die vom 1. Strafsenat vorgenommene Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 66 b Abs. 3 StGB insbesondere mit Blick auf diejenigen Täter, die ohne Schuld (§ 20 StGB) gehandelt haben und gegen die daher keine Freiheitsstrafe verhängt worden ist, zu [X.]. Schließlich könnte die Frage, ob § 66 b Abs. 3 StGB oder aber die enger gefassten Absätze 1 und 2 des § 66 b StGB anwendbar sind, von bloßen Zufälligkeiten des Vollstreckungsverfah-rens abhängen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, auch bezüglich des Ge-genstandes und Ablaufes der beiden betroffenen Revisionsverfahren, wird auf die Darstellung im [X.] des Senats vom 5. Februar 2008 ([X.], 333 m. Anm. [X.]) Bezug genommen. 3 - 4 - 4. Mit dem vorgenannten Beschluss hat der Senat bei dem 1. Strafsenat des [X.] angefragt, ob er an seiner entgegenstehenden Ent-scheidung vom 28. August 2007 festhält, bei den übrigen Strafsenaten, ob der beabsichtigten Entscheidung dortige Rechtsprechung entgegensteht und ob gegebenenfalls an dieser festgehalten wird. 4 Der 1. Strafsenat hat mit Beschluss vom 2. April 2008 ausgesprochen, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält. Die übrigen Strafsenate des [X.] haben mitgeteilt, dass dortige Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegensteht. 5 I[X.] Der Senat legt die streitige Rechtsfrage dem [X.] zur Entscheidung vor (§ 132 Abs. 2 [X.]); nach seiner Auffassung ist sie auch von grundsätzlicher Bedeutung, so dass die Vorlage sowohl aus Gründen der Divergenz zur Rechtsprechung des 1. Strafsenats als auch nach § 132 Abs. 4 [X.] erfolgt. 6 Zur Begründung der Vorlage nimmt der Senat auf die Ausführungen im [X.] vom 5. Februar 2008 Bezug. Lediglich zu den im Antwortbe-schluss des 1. Strafsenats vom 2. April 2008 angesprochenen zusätzlichen Gesichtspunkten wird ergänzend folgendes angemerkt: 7 1. Aus dem Wortlaut des § 66 b Abs. 3 Nr. 2 StGB, wonach im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose —ergänzend – (die) Entwicklung (des Verurteilten) während des [X.] heranzuziehen ist (vgl. [X.]. 5 und 6 des [X.]), lässt sich für die Auffassung des 1. Strafsenats nichts herleiten. Die genannte Bestimmung verlangt für die Gefährlichkeitsprognose eine —Gesamtwürdigung des [X.] (Hervorhebung durch den Senat) 8 - 5 - zum Zeitpunkt der Entscheidung. Hierzu zählt naturgemäß auch die Entwick-lung in einem vorausgegangenen Strafvollzug. Niemand wird etwa in Frage stellen, dass bei einem (vollständigen) [X.] von Freiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 StGB die während des Vollzugs der Freiheitsstrafe erfolgte Ent-wicklung des Verurteilten in die Prognose nach § 66 b Abs. 3 Nr. 2 StGB mit einzustellen ist. Dass dieser Gesichtspunkt nicht ausdrücklich in den [X.] aufgenommen worden ist (etwa: —während des [X.] sowie während eines etwaigen Strafvollzugsfi), lässt keine Rückschlüsse auf einen bestimmten gesetzgeberischen Willen zu. Dies zeigt gerade der Blick auf die entsprechenden Regelungen in § 66 b Abs. 1 und 2 StGB, in denen [X.] nunmehr umgekehrt [X.] ausschließlich die Entwicklung des Verurteilten während des Strafvollzuges angesprochen wird. Auch hieraus ist bisher nicht der Schluss auf eine Einengung der Beurteilungsgrundlage oder gar des Anwen-dungsbereichs dieser Bestimmungen gezogen worden. 2. Die vom 1. Strafsenat herangezogene Passage in der Stellungnahme des [X.] vom 2. April 2004 ([X.]. 202/04 [Beschluss] S. 4) zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen [X.]rung (vgl. [X.]. 17 des [X.]) führt nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht weiter. Der Bundesrat hat dort lediglich [X.] ohne dies näher zu spezifizieren [X.] darauf hingewiesen, dass vieles von den —Zufälligkeiten des [X.] abhinge und im Übrigen eine Reihe von Fragen [X.], die seiner Auffassung nach noch eingehender Erörterung bedürften. Die Antwort der Bundesregierung hierauf hat sich in dem Hinweis erschöpft, —dass sich alle in der Begründung für die Stellungnahme [des [X.]] auf-geworfenen Fragen auf der Basis der vorgeschlagenen Vorschrift nebst ihrer Begründung schlüssig beantworten lassenfi ([X.]. 15/2945 S. 5). Dieser pauschalen Bemerkung kann wohl kaum entnommen werden, der Gesetzgeber habe es bewusst hingenommen, dass die Anwendbarkeit des § 66 b Abs. 3 9 - 6 - StGB von den vom Senat in seinem [X.] aufgezeigten Zufälligkei-ten des [X.] abhängig ist. 3. Offen bleibt weiterhin, wie zu verfahren ist, wenn nach der Entschei-dung über die Erledigung nur noch —für kurze Zeitfi, d.h. unter Umständen nur noch für wenige Tage, Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist. Der Hinweis auf die —fragmentarische Natur des Strafrechtsfi erscheint wenig hilfreich, wenn die [X.] die Folge einer Gesetzesauslegung ist, die im Wortlaut der Norm keinen Niederschlag gefunden hat. Auch der [X.] der (nach-träglichen) Sicherungsverwahrung führt hier nicht weiter. Er vermag nicht zu erklären, warum von zwei gleichermaßen gefährlichen Straftätern der eine, der seine Strafe vor der Maßregel voll verbüßt hat, nach § 66 b Abs. 3 StGB unter-gebracht werden kann, wohingegen der andere, gegen den einige Monate, gegebenenfalls aber auch nur noch wenige Tage Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind, im [X.] unmittelbar in Freiheit gelangt. Soweit der 1. Strafsenat Ausnahmen für denkbar hält, wenn nach der Erledigungsentscheidung nur 10 - 7 - noch für —sehr kurze Zeitfi Freiheitsstrafe zu vollstrecken wäre, verweist der [X.] darauf, dass die Grenzen richterlicher Rechtsschöpfung überschritten wür-den, wollte der [X.] diese Zeitspanne ohne jeden Anhalt im [X.] willkürlich auf weniger als sechs Monate oder drei Monate oder einen Mo-nat festlegen. Tepperwien Maatz Kuckein [X.] Ernemann

Meta

4 StR 391/07

19.06.2008

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2008, Az. 4 StR 391/07 (REWIS RS 2008, 3279)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3279

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.