Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.06.2021, Az. 2 BvB 1/19

2. Senat | REWIS RS 2021, 4734

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

PARTEIEN BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT RECHTSEXTREMISMUS NPD PARTEIENFINANZIERUNG BVERFG

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Gegenstand

Erfolgloses Ablehnungsgesuch (Richter Müller) im Verfahren über den Ausschluss der NPD von staatlicher Finanzierung gem Art 21 Abs 3 GG - Parallelentscheidung


Tenor

Die Ablehnung des Richters Müller wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

1

1. Mit Antragsschrift vom 17. Juli 2019 haben die Antragsteller einen Antrag auf Ausschluss der Antragsgegnerin von staatlicher Finanzierung gestellt.

2

2. Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020 hat die Antragsgegnerin auf den Antrag erwidert und den [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt zur Begründung ihres [X.] im Wesentlichen vor:

3

a) [X.] habe sich in seiner Zeit als Ministerpräsident des [X.] von 1999 bis 2011 mehrfach abwertend über die Antragsgegnerin geäußert. In einem Artikel des [X.]s vom 29. Januar 2005 mit dem Titel "[X.] gegen staatliche Finanzierung der [X.]" werde berichtet, dass er sich dafür ausgesprochen habe, verfassungsfeindlichen [X.]en generell die staatliche Finanzierung zu entziehen. Dem Artikel zufolge habe er gefordert, zu prüfen, ob es rechtlich möglich sei, dass verfassungsfeindliche [X.]en keine staatliche Finanzierung erhielten, und gesagt, dass dann die Antragsgegnerin, die unstreitig verfassungsfeindliche Ziele verfolge, von der [X.]enfinanzierung ausgeschlossen werden könne.

4

Auf [X.] ONLINE finde sich ein Artikel aus dem [X.], laut dem [X.] sich zustimmend zu einer [X.] Initiative betreffend ein Verbot der Antragsgegnerin geäußert habe. Schließlich behaupte die [X.] in einem Artikel aus dem [X.], dass [X.] sich gegenüber der [X.] im [X.] wie folgt über die Antragsgegnerin geäußert habe:

Es ist unstreitig, dass die [X.] verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und rassistische Inhalte vertritt. Das Gedankengut der [X.] finde ich Ekel erregend.

5

b) Diese Äußerungen begründeten die Besorgnis der Befangenheit. [X.] lasse keinen Zweifel daran, dass er der Antragsgegnerin zutiefst ablehnend gegenüberstehe und sie als "Ekel erregend" ansehe. Eine solche derbe Wortwahl lasse auf eine [X.] Haltung des [X.]s gegenüber der Antragsgegnerin schließen. Dies gelte umso mehr, als [X.] die Forderung erhoben habe, die Antragsgegnerin im Bereich der staatlichen [X.]enfinanzierung zu diskriminieren. Die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit dieser Forderung und ihrer Umsetzung stelle die zentrale Rechtsfrage des vorliegenden Verfahrens dar. Die Annahme, ein [X.] ziehe es in Betracht, die Umsetzung seiner politischen Forderungen für verfassungswidrig zu erklären, erscheine abwegig. Es dürfte einleuchten, dass die Unvoreingenommenheit eines [X.]s, der einen Verfahrensbeteiligten als "Ekel erregend" bezeichne, dessen Verfassungswidrigkeit als unstreitig ansehe und offen zu dessen parteienfinanzierungsrechtlicher Diskriminierung auffordere, durchgreifenden Bedenken ausgesetzt sei.

6

c) Der Beschluss des Senats vom 1. März 2016 in dem Verfahren 2 BvB 1/13 ([X.] 142, 18 ff.) nötige zu keiner abweichenden Beurteilung. Er sei bereits unwirksam, weil er unter Mitwirkung des damals ebenfalls abgelehnten [X.]s [X.] gefasst worden sei. Zudem sei die psychologische Hemmschwelle, sich aufgrund verfestigter Rechtsmeinungen zum Ausspruch eines [X.]verbots hinreißen zu lassen, deutlich höher als beim Ausspruch eines bloßen Entzugs der [X.]enfinanzierung. Soweit der Senat im damaligen Verfahren eine [X.] bezüglich des [X.]s [X.] mit dem Argument abgelehnt habe, er habe sich gerade gegen ein Verbot und stattdessen für einen Entzug der [X.]enfinanzierung ausgesprochen, kehre sich dies hier in sein Gegenteil.

7

3. Die Antragsteller haben in einer Replik vom 11. März 2020 mitgeteilt, dass sie die Besorgnis der Befangenheit des [X.]s [X.] nicht teilen.

8

4. [X.] hat in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 4. März 2020 mitgeteilt, dass die von der Antragsgegnerin zur Begründung des [X.] in Bezug genommenen Zitate inhaltlich zutreffend wiedergegeben seien. Er sehe sich deswegen nicht als befangen an. Er habe diese mehr als 15 Jahre zurückliegenden Äußerungen in seinem früheren Amt als Ministerpräsident des [X.] im Rahmen des politischen Meinungskampfes getätigt. Eine verfassungsrechtliche Bewertung hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Rechtsfragen sei darin weder enthalten, noch sei diese intendiert gewesen. Dies dokumentiere insbesondere der Artikel des [X.]s vom 29. Januar 2005, in dem lediglich die rechtliche Prüfung der Möglichkeit eines Ausschlusses der Antragsgegnerin von der staatlichen [X.]enfinanzierung gefordert werde.

9

5. a) Hierauf hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 6. Mai 2020 insbesondere vorgetragen, dem Umstand, dass die beanstandeten Verlautbarungen schon geraume Zeit zurücklägen, komme keine gesteigerte Bedeutung zu, wie der Beschluss des Senats vom 12. Februar 2018 ([X.] 148, 1 ff.) anschaulich zeige.

b) Soweit [X.] darauf verweise, er habe lediglich eine rechtliche Prüfung der Möglichkeit eines Entzugs der [X.]enfinanzierung angeregt, lasse sich dies schwerlich mit dem Wortlaut des vorgelegten Artikels des [X.]s in Einklang bringen, in dem es heiße:

Der [X.] Ministerpräsident, Peter [X.] ([X.]), hat sich dafür ausgesprochen, verfassungsfeindlichen [X.]en generell die staatliche Finanzierung zu entziehen.

Diese - von ihm selbst als zutreffend wiedergegeben bezeichnete - Aussage gehe über die bloße Forderung nach einer (ergebnisoffenen) Prüfung hinaus und deute auf eine inhaltliche [X.] hinsichtlich der mit diesem Themenkomplex verbundenen Rechtsfragen hin. Dieser sich einem verständigen Verfahrensbeteiligten aufdrängende Eindruck werde durch die weiteren Äußerungen des [X.]s [X.] über das "Ekel erregende" Gedankengut der Antragsgegnerin sowie den Umstand, dass diese "unstreitig" verfassungswidrige Ziele verfolge, verstärkt.

c) Es komme hinzu, dass [X.] trotz des [X.] in der Jahresvorschau des Gerichts für das [X.] als "Berichterstatter" geführt werde, er sich aber aufgrund des [X.] jeglicher aufschiebbarer Amtshandlung in dem Verfahren zu enthalten habe. Sollte er sich weiterhin als Berichterstatter betätigt haben, könne dies einen weiteren Grund darstellen, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Es werde daher die Einholung einer diesbezüglichen Stellungnahme beantragt. Zudem werde beantragt, mitzuteilen, wer für die Erstellung der Jahresvorschau verantwortlich sei. Falls dies Präsident [X.] sei, könne dies ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit begründen, da die Bezeichnung eines [X.]s als Berichterstatter darauf hindeute, dass Präsident [X.] sich schon eine abschließende Auffassung hinsichtlich des [X.] betreffend [X.] gebildet habe.

6. Die Antragsteller haben sich zu der dienstlichen Stellungnahme nicht geäußert.

Zur Mitwirkung an dem vorliegenden Beschluss sind alle Senatsmitglieder mit Ausnahme des abgelehnten [X.]s [X.] berufen. Von der Mitwirkung ist insbesondere [X.] [X.] nicht ausgeschlossen, obwohl gegen ihn ebenfalls eine Ablehnung wegen behaupteter Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht worden ist. Denn wegen der besonderen Organisation des [X.] kann über jedes Ablehnungsgesuch gesondert entschieden werden, um der Gefahr zu begegnen, dass das Gericht durch eine Vielzahl von [X.] und eine daraus sich ergebende Beschlussunfähigkeit nach Ausschöpfung aller Vertretungsmöglichkeiten (vgl. § 15 Abs. 2 [X.]) seiner Handlungsfähigkeit beraubt wird (vgl. [X.] 2, 295 <298>).

Der Antrag auf Ablehnung des [X.]s [X.] gemäß 19 Abs. 1 [X.] ist zulässig, aber unbegründet.

1. a) Die Besorgnis der Befangenheit eines [X.]s oder einer [X.]in des [X.] nach § 19 [X.] setzt einen Grund voraus, der geeignet ist, Zweifel an der Unparteilichkeit des [X.]s oder der [X.]in zu rechtfertigen (vgl. [X.] 82, 30 <37>; 98, 134 <137>; 101, 46 <50 f.>; 102, 122 <125>; 108, 122 <126>; 142, 9 <14 Rn. 14>; 142, 18 <21 Rn. 11>; 142, 302 <307 Rn. 18>; 148, 1 <6 Rn. 17>; 152, 332 <337 Rn. 15>; 154, 312 <316 Rn. 13>; [X.], Beschluss des [X.] vom 12. Januar 2021 - 2 BvR 2006/15 -, Rn. 21). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der [X.] oder die [X.]in tatsächlich parteilich oder befangen ist oder sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des [X.]s oder der [X.]in zu zweifeln (vgl. [X.] 20, 1 <5>; 73, 330 <335>; 82, 30 <37 f.>; 108, 122 <126>; 135, 248 <257 Rn. 23>; 142, 9 <14 Rn. 14>; 142, 18 <21 Rn. 11>; 142, 302 <307 Rn. 18>; 148, 1 <6 Rn. 17>; 152, 332 <337 Rn. 15>; 154, 312 <316 Rn. 13>; [X.], Beschluss des [X.] vom 12. Januar 2021 - 2 BvR 2006/15 -, Rn. 21). Das ist der Fall, wenn die Umstände Anlass zur Sorge geben, dass ein [X.] oder eine [X.]in aus persönlichen oder anderen Gründen schon so festgelegt ist, dass er oder sie sich gedanklich nicht mehr lösen kann oder will und entsprechend für Gegenargumente nicht mehr offen ist. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass [X.]innen und [X.] des [X.] über jene innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, in Unvoreingenommenheit und Objektivität zu entscheiden. Bei den Vorschriften über die Besorgnis der Befangenheit geht es aber auch darum, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden (vgl. [X.] 108, 122 <129>; 148, 1 <6 Rn. 17>; 152, 332 <337 f. Rn. 15>; [X.], Beschluss des [X.] vom 12. Januar 2021 - 2 BvR 2006/15 -, Rn. 21).

b) Die Kundgabe politischer Meinungen, die ein [X.] oder eine [X.]in zu einer Zeit geäußert hat, als er oder sie noch nicht Mitglied des [X.] war und daher den besonderen Anforderungen dieses [X.]amts noch nicht Rechnung zu tragen hatte, rechtfertigt grundsätzlich eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht (vgl. [X.] 99, 51 <56>; 142, 9 <14 Rn. 17>; 142, 18 <21 Rn. 14>; 148, 1 <7 Rn. 18>; 154, 312 <316 Rn. 15>). Den Bestimmungen über die Wahl von [X.]innen und [X.]n des [X.] (Art. 94 Abs. 1 GG, §§ 3 ff. [X.]) liegt als selbstverständlich, sogar als erwünscht, zugrunde, dass auch Personen, die als Repräsentanten von [X.]en politische Funktionen in den Parlamenten ausgeübt oder politische Ämter in den Regierungen bekleidet haben, zu Mitgliedern des [X.] gewählt und ernannt werden können, um ihre politischen Erfahrungen für die Verfassungsrechtsprechung fruchtbar zu machen (vgl. [X.] 99, 51 <56 f.>; 142, 9 <14 Rn. 17>; 142, 18 <21 Rn. 14>; 148, 1 <7 Rn. 18>). Damit geht die Erwartung des Verfassungs- und Gesetzgebers einher, dass [X.]innen und [X.] des [X.] über jene Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, in Unvoreingenommenheit und Objektivität zu entscheiden (vgl. [X.] 35, 171 <173 f.>), und dass sie ihre Rolle unabhängig von früheren parteipolitischen Auseinandersetzungen ausüben werden (vgl. [X.] 99, 51 <57>; 142, 9 <14 f. Rn. 17>; 142, 18 <21 f. Rn. 14>; 148, 1 <7 Rn. 18>). Wenn ein [X.] oder eine [X.]in zuvor Aufgaben politischer Gestaltung zu erfüllen hatte und in diesem Zusammenhang am Wettstreit unterschiedlicher politischer Auffassungen teilnahm, genügt dies für sich genommen nicht, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. [X.] 99, 51 <56>; 148, 1 <7 Rn. 18>).

Zweifel an der Objektivität eines [X.]s oder einer [X.]in des [X.] können allerdings berechtigt sein, wenn sich aufdrängt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen einer - mit Engagement geäußerten - politischen Überzeugung und seiner oder ihrer Rechtsauffassung besteht (vgl. [X.] 35, 246 <253 f.>; 73, 330 <337>; 142, 9 <15 Rn. 18>; 142, 18 <22 Rn. 15>; 148, 1 <7 Rn. 19>), oder wenn frühere Forderungen des [X.]s oder der [X.]in nach einer Rechtsänderung in einer konkreten Beziehung zu einem während der Amtszeit beim [X.] anhängigen Verfahren stehen (vgl. [X.] 148, 1 <7 f. Rn. 19> m.w.N.). Entscheidend ist, dass das jeweilige Verhalten den Schluss zulässt, dass der [X.] oder die [X.]in einer der eigenen Ansicht widersprechenden Rechtsauffassung nicht mehr frei und unvoreingenommen gegenübersteht, sondern festgelegt ist (vgl. [X.] 35, 246 <254>; 142, 9 <15 Rn. 18>; 142, 18 <22 Rn. 15>; 148, 1 <8 Rn. 19>; [X.], Beschluss des [X.] vom 12. Januar 2021 - 2 BvR 2006/15 -, Rn. 22). Dabei kann der Eindruck der [X.] aus der maßgeblichen Sicht der Verfahrensbeteiligten umso eher entstehen, je enger der zeitliche Zusammenhang mit einem solchen Verfahren ist. Je länger hingegen eine politische Äußerung zurückliegt, desto weniger kann sie die Besorgnis der Befangenheit begründen. Das Zeitmoment ist allerdings für die Beurteilung im Rahmen von § 19 [X.] nicht allein maßgeblich. Erforderlich ist stets eine Gesamtwürdigung von Inhalt, Form und Rahmen (Ort, Adressatenkreis) der jeweiligen Äußerung sowie dem sachlichen und zeitlichen Bezug zu einem anhängigen Verfahren (vgl. [X.] 142, 9 <15 Rn. 18>; 142, 18 <22 Rn. 15>; [X.], Beschluss des [X.] vom 12. Januar 2021 - 2 BvR 2006/15 -, Rn. 24 f.; jeweils m.w.N.).

2. Ausgehend von diesem Maßstab ist nicht von einer Besorgnis der Befangenheit des [X.]s [X.] auszugehen. Die benannten Äußerungen des [X.]s [X.] bieten bei vernünftiger Würdigung keinen Anlass, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln.

a) Soweit die Antragsgegnerin auf einen Artikel im [X.] vom 29. Januar 2005 verweist, in dem sich [X.] in seiner damaligen Funktion als [X.]r Ministerpräsident dafür ausgesprochen habe, die rechtlichen Möglichkeiten eines Ausschlusses der [X.] von staatlicher Finanzierung zu prüfen, vermag dies die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen (vgl. dazu bereits [X.] 142, 18 <23 Rn. 18>). Denn mit den dort genannten Aussagen geht gerade nicht einher, dass [X.] die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG als erfüllt ansieht, zumal diese Norm erst über zwölf Jahre nach den Äußerungen mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 21) vom 13. Juli 2017 ([X.]) eingeführt wurde. Vielmehr plädierte er ausweislich des Artikels dafür, zu überprüfen, ob ein Ausschluss der Antragsgegnerin von der staatlichen Finanzierung nach der damaligen Rechtslage in Betracht komme. Etwas Anderes folgt auch nicht aus der von der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 6. Mai 2020 vom Kontext losgelöst zitierten Passage. Dabei handelt es sich nicht um ein wörtliches Zitat, sondern um eine journalistische Bewertung. Aus dem nachfolgenden Text ergibt sich, dass [X.] gefordert habe, "zu prüfen, ob es rechtlich möglich sei, dass verfassungsfeindliche [X.]en keine staatliche Finanzierung erhielten". Damit hat er aber keine Rechtsauffassung zum Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG in Bezug auf die Antragsgegnerin geäußert, sondern lediglich eine rechtliche Prüfung angeregt. Soweit [X.] als [X.]r Ministerpräsident ausweislich des Artikels die Antragsgegnerin als [X.], die "unstreitig verfassungsfeindliche Ziele" verfolge, bezeichnet hat, liegt darin offensichtlich keine juristische Aussage über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des erst wesentlich später in [X.] getretenen Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern eine politische Bewertung (vgl. [X.] 142, 18 <22 f. Rn. 17>).

b) Auch die auf [X.] ONLINE behauptete Zustimmung des damaligen Ministerpräsidenten des [X.] zu einem Verbotsantrag gegen die Antragsgegnerin kann die Besorgnis der Befangenheit des [X.]s [X.] nicht begründen. Es handelt sich hierbei um eine Äußerung aus dem [X.] im Vorfeld des ersten [X.] gegen die Antragsgegnerin, den [X.] als [X.]r Ministerpräsident im Ergebnis nicht mitgetragen, sondern im Bundesrat abgelehnt hat (vgl. [X.] 142, 18 <23 Rn. 19>). Eine Festlegung hinsichtlich des Ergebnisses des anhängigen Verfahrens über den Ausschluss der Antragsgegnerin von staatlicher Finanzierung nach Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.

c) Bei der ausweislich des vorgelegten [X.]-Artikels Ende 2000 in der [X.] getätigten Äußerung des [X.]s [X.] in seiner damaligen Funktion als Ministerpräsident des [X.], er finde das Gedankengut der [X.] "Ekel erregend", handelt es sich um ein Werturteil im politischen Meinungskampf. Damit hat er zwar eine deutliche Abneigung gegenüber den Positionen der Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht. Zeitlich weit zurückliegende Äußerungen von Sympathie, Antipathie oder Gleichgültigkeit eines [X.]s oder einer [X.]in gegenüber Verfahrensbeteiligten sind jedoch keine zuverlässigen Anzeichen dafür, dass der- oder diejenige nicht pflichtgemäß ohne Ansehen der Person entscheiden wird (vgl. [X.] 73, 330 <338 f.>; 142, 18 <23 Rn. 20>). Eine Besorgnis der Befangenheit ist hierdurch regelmäßig nicht begründet ([X.] 142, 18 <23 f. Rn. 20>). Auch insoweit kann der Äußerung eine Festlegung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Ausschlusses der Antragsgegnerin von staatlicher Finanzierung nach Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG nicht entnommen werden.

d) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass frühere Stellungnahmen im Rahmen der Wahrnehmung politischer Ämter nur dann eine Befangenheit besorgen lassen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die befürchten lassen, dass der [X.] oder die [X.]in auch in dem veränderten institutionellen Rahmen, in den er oder sie als [X.] oder [X.]in des [X.] gestellt ist, nicht unvoreingenommen entscheiden wird (vgl. [X.] 142, 9 <17 Rn. 23>; 142, 18 <24 Rn. 21>). Solche Umstände sind vorliegend hinsichtlich der bereits viele Jahre zurückliegenden Äußerungen des [X.]s [X.] nicht ersichtlich. Insbesondere können seine Äußerungen nicht als Verlangen einer Rechtsänderung aufgefasst werden, die in einer konkreten Beziehung zu dem vorliegenden Verfahren nach Art. 21 Abs. 3 und 4 GG stehen.

3. Es bedurfte weder der Einholung einer von der Antragsgegnerin unter dem 6. Mai 2020 beantragten erneuten dienstlichen Stellungnahme noch der Mitteilung darüber, wer für die Jahresvorschau 2020 verantwortlich war.

a) Ein auf eine etwaige Wahrnehmung der [X.] gestütztes Ablehnungsgesuch gegen den [X.] wäre von vornherein offensichtlich unzulässig, sodass es hierzu schon deshalb keiner weiteren dienstlichen Stellungnahme bedurfte (vgl. [X.] 11, 1 <3>; 133, 377 <405 Rn. 69>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 27. November 2019 - 2 BvR 2046/19 -, juris, Rn. 2). Ein abgelehnter [X.] ist bis zur Entscheidung über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch an der weiteren Mitwirkung am Verfahren nicht gehindert (vgl. [X.] 2, 295 <298>) und erst danach - mit ex-nunc-Wirkung - vom weiteren Verfahren ausgeschlossen (vgl. [X.], in: [X.]/ [X.]/[X.], [X.], 2015, § 19 Rn. 38; Kliegel, in: [X.], [X.], 2018, § 19 Rn. 20, 53; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl. 2020, § 19 Rn. 33). Vor diesem Hintergrund ist schon nicht zu erkennen, dass hier ein Tätigwerden in der Sache zu beanstanden wäre. Jedenfalls bleibt es dem Senat unbenommen, abweichend von der Einschätzung des Berichterstatters oder der Berichterstatterin zu entscheiden (vgl. [X.] 154, 312 <319 Rn. 22> m.w.N.). Auch deshalb ist nicht ersichtlich, inwieweit aus der weiteren Wahrnehmung der [X.] vorliegend die Besorgnis der Befangenheit mit Blick auf die in der Hauptsache zu treffende Entscheidung folgen sollte.

b) Einer gesonderten Mitteilung darüber, wer die Jahresvorschau des Gerichts für das [X.] erstellt hat, bedarf es nicht. Präsident [X.], den die Antragsgegnerin nach Auskunftserteilung gegebenenfalls wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen möchte, gehört zum Entscheidungszeitpunkt dem Gericht nicht mehr an; ein Ablehnungsgesuch gegen ihn wäre daher offensichtlich unzulässig (vgl. hierzu [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 29. Mai 2019 - 2 BvR 80/19 -, juris, Rn. 5).

Meta

2 BvB 1/19

23.06.2021

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvB

nachgehend BVerfG, 23. Mai 2023, Az: 2 BvB 1/19, Beschluss

Art 21 Abs 3 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.06.2021, Az. 2 BvB 1/19 (REWIS RS 2021, 4734)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4734

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