Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2013, Az. X ARZ 423/13

10. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2788

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Gegenstand

Bestimmung des zuständigen Prozessgerichts nach vorausgegangenem Mahnverfahren gegen mehrere Antragsgegner


Leitsatz

Das zuständige Gericht kann, wenn ein Mahnverfahren vorangegangen ist und mehrere Antragsgegner Widerspruch oder Einspruch eingelegt haben, noch nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt werden, wenn der Antragsteller einen entsprechenden Antrag mit der Anspruchsbegründung stellt oder, bei Unkenntnis des dafür zuständigen Obergerichts, gegenüber den Streitgerichten zumindest ankündigt und den Antrag unverzüglich nachholt.

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das [X.] bestimmt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin, die eine Spezialwerkstatt für klassische Automobile betreibt, nimmt die in [X.] bzw. [X.] wohnhaften Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 als [X.] auf Zahlung der [X.] für von ihr reparierte und nicht abgeholte Fahrzeuge [X.] und [X.] sowie auf deren Abholung in Anspruch. Die Fahrzeuge gehören einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Sitz in [X.] liegen soll und der neben den Antragsgegnerinnen deren Vater angehört, der den Reparaturauftrag erteilt hatte.

2

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerinnen wegen der [X.] Mahnbescheide des [X.] erwirkt. Dieses hat die Verfahren nach Widerspruchseinlegung an die in den [X.] benannten Amtsgerichte [X.] bzw. [X.] abgegeben. Die Akten sind beim Amtsgericht [X.] am 13. November 2012 und beim Amtsgericht [X.] am darauf folgenden Tag eingegangen. Mit zwei Schriftsätzen vom 30. November 2012 hat die Antragstellerin ihren Anspruch begründet, die Klagen auf den Abholungsantrag erweitert und in beiden Sachen einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO angekündigt, den sie am 7. März 2013 gestellt hat.

3

Das vorlegende [X.] kann einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand nicht zuverlässig feststellen und möchte das Amtsgericht [X.], das es auch unter Berücksichtigung der [X.] sachlich weiterhin für zuständig erachtet, als das zuständige Gericht bestimmen. So zu entscheiden, sieht es sich durch eine Entscheidung des [X.]s Düsseldorf gehindert.

4

II. Die Vorlage ist zulässig.

5

Die Voraussetzungen für eine Vorlage der Sache durch das an sich nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufene [X.] Hamm nach § 36 Abs. 3 ZPO an den [X.] liegen vor. Nach Ansicht des [X.]s Düsseldorf ([X.], 56; Beschluss vom 27. März 2013 - [X.]) kommt eine Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach vorangegangenem Mahnverfahren und Einlegung des Widerspruchs nur in Betracht, solange - anders als hier - entweder gar kein Verfahren oder allenfalls eines an das Prozessgericht abgegeben worden ist.

6

III. In der Sache tritt der Senat der Ansicht des vorlegenden Gerichts bei.

7

1. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist die Bestimmung eines zuständigen Gerichts für eine Klage gegen mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben und als Streitgenossen in diesem verklagt werden sollen, zwar nicht mehr möglich, wenn der Antragsteller gegen die Beklagten bereits vor verschiedenen Gerichten Klage erhoben hat ([X.], Beschluss vom 23. Februar 2011 - [X.] 388/10, [X.] 2011, 929). Dieser Grundsatz kann entgegen der Ansicht des [X.]s Düsseldorf aber nicht uneingeschränkt auf Fälle der hier vorliegenden Art übertragen werden, in denen der Anspruch gegen mehrere Streitgenossen zunächst im Mahnverfahren verfolgt worden ist. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts ist nach vorangegangenem Mahnverfahren gegen mehrere Antragsgegner vielmehr grundsätzlich auch noch zulässig, nachdem Widerspruch bzw. Einspruch eingelegt worden ist und die Verfahren daraufhin an die im Mahnbescheidsantrag angegebenen, für die Antragsgegner als zuständig bezeichneten Gerichte abgegeben worden sind ([X.], Beschluss vom 2. Juni 1978 - I ARZ 202/78, NJW 1978, 1982). Die genannte Entscheidung des [X.]s ist zwar zu einer Fassung von § 696 ZPO ergangen, der zufolge die Sache nach Widerspruch zwingend an das Gericht abzugeben war, bei dem der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. Nichts anderes kann jedoch gelten, wenn sich, wie hier, ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand für den Rechtsstreit nicht zuverlässig feststellen lässt, was für eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO genügt ([X.], Beschluss vom 20. Mai 2008 - [X.] 98/08, NJW-RR 2008, 1514). Die vorübergehende Verfahrenstrennung ist auch in einem solchen Fall in den gesetzlichen Regelungen für das Verfahren nach Einlegung des Widerspruchs oder Einspruchs gegen den Mahnbescheid angelegt und kann dem Antragsrecht auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 deshalb grundsätzlich nicht entgegenstehen. Fehlt ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand, kann in Fällen wie dem vorliegenden in der Angabe des für die Streitgenossen jeweils für die Durchführung des streitigen Verfahrens zuständigen Gerichts auch keine nach § 35 ZPO bindende [X.] gesehen werden.

8

2. Ist dem streitigen Verfahren ein Mahnverfahren vorangegangen, stellt es eine der Klageerhebung im Klageverfahren gegen mehrere Beklagte vor verschiedenen Gerichten vergleichbare Zäsur, nach der die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr zulässig ist, erst dar, wenn der Antragsteller den Anspruch begründet (§ 697 Abs. 2 ZPO), ohne zugleich auf eine Zuständigkeitsbestimmung hinzuwirken. Ist der Antragsteller im Zeitpunkt der Anspruchsbegründung mangels Kenntnis vom Zeitpunkt des Eingangs der Akten bei den verschiedenen Streitgerichten noch im Unklaren über das für den Antrag zuständige [X.], reicht es aus, wenn er den Bestimmungsantrag in der [X.] zunächst nur ankündigt und die beteiligten Gerichte um diesbezügliche Mitteilung der [X.] bittet. In solchen Fällen gebietet es der Gedanke der [X.] allerdings, dass der Antrag unverzüglich nachgeholt wird, damit die getrennten Verfahren so bald wie möglich zusammengeführt werden können. Der dafür erforderliche zeitliche Zusammenhang ist im Streitfall noch gewahrt.

9

3. Die vom [X.] Düsseldorf für seinen gegenteiligen Standpunkt angeführten Gründe überzeugen nicht. Soweit es meint, der Antragsteller könne die Abgabe an verschiedene Gerichte verhindern, indem er entweder keinen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellt oder - falls die Gegenseite dies beantragt - die Gebühr nach KV Nr. 1210 nicht entrichtet, begibt es sich in Widerspruch zu seinem eigenen - zutreffenden - Ansatzpunkt, dass der Antragsteller seinen Anspruch begründen muss, damit die weiteren Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO überhaupt geprüft werden können. Soweit das [X.] Düsseldorf den Antragsteller darauf verweisen will, den Anspruch gegebenenfalls nur gegenüber einem der Antragsgegner zu begründen, ist zu bedenken, dass es dem Antragsteller grundsätzlich freistehen muss, sein gegen mehrere Schuldner gerichtetes Begehren im Rahmen der von der Zivilprozessordnung dafür bereitgestellten prozessualen Instrumentarien bestmöglich zu verfolgen und ihm deshalb nicht angesonnen werden kann, davon abzusehen, den Verfahren gerade so Fortgang zu geben, wie es das Gesetz für eine Rechtsverfolgung gegen mehrere Antragsgegner an sich vorsieht und wie es für eine effektive Verfolgung des Anspruchs gegen alle Antragsgegner auch zweckmäßig sein kann, nur um das Antragsrecht auf Zuständigkeitsbestimmung nicht zu verlieren.

IV. Wie das vorlegende [X.] ebenfalls zutreffend angenommen hat, ist es zweckmäßig und prozessökonomisch, entsprechend der Anregung der Klägerin, der die Beklagten nicht widersprochen haben, als zuständiges Gericht das Amtsgericht [X.] zu bestimmen.

[X.]                         Gröning

                    Schuster                        Deichfuß

Meta

X ARZ 423/13

17.09.2013

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARZ

§ 36 Abs 1 Nr 3 ZPO, § 697 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2013, Az. X ARZ 423/13 (REWIS RS 2013, 2788)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2788

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