Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.06.2010, Az. 3 AZR 994/06

3. Senat | REWIS RS 2010, 5879

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 20. Oktober 2006 - 11 [X.] - aufgehoben.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2005 - 30 Ca 13235/04 - abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, den Versicherungsanspruch des [X.] bei der [X.], Versicherungsnummer LV auszusondern und dem Kläger den Versicherungsschein zu dieser Versicherung herauszugeben.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Schicksal einer Direktversicherung in der Insolvenz.

2

Der Kläger wurde 1950 geboren. Seit dem 6. Januar 1992 war er bei der späteren Insolvenzschuldnerin, der [X.] beschäftigt. Diese erteilte dem Kläger unter dem 19. Dezember 1994 eine „Zusage einer Rentenversorgung an die Kraftfahrer im Güterfernverkehr“, die auszugsweise wie folgt lautet:

        

„...   

        

Die Firma [X.] schließt ab Erreichen der 3-Jahresvorgabe, frühestens zum [X.], für jeden unselbständig beschäftigten Kraftfahrer bei der [X.] eine ‚Betriebliche Rentenversicherung’ für einen Monatsbeitrag von DM 150,00 ab.

        

...     

        

Die Beiträge zu dieser Rentenversicherung werden von uns als Versicherungsnehmer solange und in soweit entrichtet, wie wir zur Zahlung von Lohn oder Gehalt aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet sind. …

        

Werden die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit dieser Versorgungszusage erfüllt, so wird Ihr Anspruch auf die nach dem Versicherungsvertrag dann zu erbringende Versicherungsleistung beschränkt, wenn dies gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 des Betriebsrentengesetzes verlangt wird. Wir werden in diesem Fall die bestehende Versicherung auf Sie übertragen. Sie können dann, falls dies gewünscht wird, den Vertrag mit eigenen Beiträgen fortführen.

        

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt der … Unverfallbarkeit, besteht kein Anspruch auf diese Übertragung.“

3

Im dazugehörigen Versicherungsvertrag heißt es auszugsweise:

        

„...   

        

Besondere Vereinbarungen

        

Unwiderrufliches Bezugsrecht mit Vorbehalt

        

Der versicherte Arbeitnehmer ist für die im Erlebensfall fälligen Versicherungsleistungen und für die durch das Ableben entstehenden Versicherungsansprüche bezugsberechtigt, und zwar unwiderruflich mit dem Vorbehalt, daß der Arbeitnehmer nicht vor Eintritt der Unverfallbarkeit (gemäß Paragraph 1 Abs. 1 BetrAVG) ausscheidet ...“

4

Am 30. Oktober 2003 wurde über das Vermögen der [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom selben Tage kündigte er das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Januar 2004. Der Kläger arbeitet seit dem 3. November 2003 ebenso wie seine übrigen Arbeitskollegen für die [X.], von der er auch seinen Lohn in bisheriger Höhe erhält. Er fährt wie bisher seinen Lkw. Einen neuen Arbeitsvertrag hat er nicht erhalten.

5

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Rechte aus dem Versicherungsvertrag gegenüber dem Beklagten geltend. Er hat behauptet, die Zusage einer Direktversicherung sei statt einer Gehaltserhöhung vereinbart worden. Er hat weiter geltend gemacht, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch einen Betriebsübergang auf die [X.] übergegangen. Jedenfalls habe dies wegen § 613a BGB nicht zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geführt. Er hat ferner die Ansicht vertreten, ihm stehe an den Rechten aus dem Versicherungsvertrag ein Aussonderungsrecht zu.

6

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

        

1.    

den Versicherungsanspruch des Klägers aus der Direktversicherung bei der [X.], Versicherungsnummer, auszusondern und dem Kläger den Versicherungsschein für diese Versicherung herauszugeben,

                 

hilfsweise

        

2.    

den vereinnahmten Rückkaufswert der Direktversicherung bei der [X.], Versicherungsnummer, an den Kläger auszukehren.

7

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

8

Er hat die Ansicht vertreten, der Rückkaufswert stehe der Masse zu.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] war erfolglos. Mit seiner Revision verfolgt er seine zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Der Beklagte begehrt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Klage ist im Hauptantrag begründet, so dass der Hilfsantrag nicht zur Entscheidung anfällt. Der Kläger ist im Verhältnis zum beklagten Insolvenzverwalter Inhaber der Rechte aus dem Versicherungsvertrag, so dass ihm ein Aussonderungsrecht nach § 47 [X.] zusteht. Als [X.]erechtigter der Versicherungsleistung ist der Kläger auch Eigentümer des Versicherungsscheins (§ 952 [X.]G[X.]), so dass der [X.]eklagte diesen an ihn herauszugeben hat (§ 985 [X.]G[X.]; vgl. [X.] 8. Juni 1999 - 3 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 92, 1). Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Zu unterscheiden ist zwischen dem Rechtsverhältnis des Arbeitgebers und Versicherungsnehmers zum Versicherer (Deckungsverhältnis) und dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ([X.], [X.]). Das Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zum Versicherer richtet sich allein nach dem Versicherungsvertrag. Demgegenüber richten sich die auf die Versicherung bezogenen Verpflichtungen des Arbeitgebers nach dem Rechtsverhältnis, das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht. Das kann dazu führen, dass der Arbeitgeber aus dem Versicherungsvertrag abgeleitete Rechte versicherungsrechtlich ausüben kann, obwohl er dies nach den arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnissen nicht darf. [X.] ist in diesem Fall die Ausübung wirksam. [X.] können jedoch Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche, bestehen (vgl. [X.] 8. Juni 1993 - 3 [X.] - zu 3 der Gründe, [X.]E 73, 209; [X.]GH 19. Juni 1996 - IV ZR 243/95 - [X.] [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 25).

2. Die Frage, ob die Rechte aus dem Versicherungsvertrag der Masse zustehen oder der Arbeitnehmer ein Aussonderungsrecht nach § 47 [X.] hat, beantwortet sich nach folgenden Grundsätzen:

a) Ausschlaggebend ist die versicherungsrechtliche Lage. Allein danach richtet sich, in welcher Weise der Arbeitgeber noch in der Lage ist, rechtswirksam auf die Versicherung zuzugreifen, und ob diese Rechte noch zu seinem Vermögen gehören, in das der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 [X.] bei Insolvenzeröffnung eintritt (st. Rspr. des [X.], zuletzt 31. Juli 2007 - 3 [X.] - Rn. 14, [X.] 2008, 32 sowie z[X.] 8. Juni 1999 - 3 [X.] - zu [X.] I der Gründe, [X.]E 92, 1; ebenso: [X.]GH 18. Juli 2002 - [X.]/01 - zu II der Gründe, D[X.] 2002, 2104; [X.]VerwG 28. Juni 1994 - 1 [X.] 20.92 - zu 2 c cc ccc der Gründe, [X.]VerwGE 96, 160). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Direktversicherung arbeitsrechtlich eine Entgeltumwandlung zugrunde liegt, für die die Neuregelung über die sofortige gesetzliche Unverfallbarkeit noch nicht anwendbar ist, weil die Versorgungszusage vor dem 1. Januar 2001 erteilt wurde (§ 1b Abs. 5, § 30f Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 [X.]etrAVG), oder wenn die [X.] arbeitsvertraglich unverfallbar ist so wie die des [X.] im Verhältnis zur Insolvenzschuldnerin. Auch bei einer derartigen Fallgestaltung liegt kein [X.]handverhältnis vor, aufgrund dessen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag vom sonstigen Vermögen des Arbeitgebers ausreichend getrennt wären, um sie nicht der Masse zuzuordnen (vgl. [X.] 17. Oktober 1995 - 3 [X.] - zu I 1 b der Gründe, [X.] [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 23 = EzA [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 7; 8. Juni 1999 - 3 [X.] - zu [X.] I 2 b bb der Gründe, aaO; [X.]GH 18. Juli 2002 - [X.]/01 - zu II 2 der Gründe, aaO).

b) Im Ergebnis kommt es deshalb darauf an, wie sich die konkrete versicherungsrechtliche Lage darstellt.

Hat der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer dem Arbeitnehmer als Versichertem - was nach § 159 [X.] (früher: § 166 [X.]) der gesetzliche Normalfall ist - lediglich ein widerrufliches [X.]ezugsrecht im Versicherungsfall eingeräumt, kann er die bezugsberechtigte Person jederzeit ersetzen. Der Versicherte hat vorher lediglich eine Hoffnung auf die später fällig werdende Leistung (vgl. [X.]GH 22. März 1984 - [X.]/83 - D[X.] 1984, 1776). In der Insolvenz fallen die Rechte aus der Lebensversicherung deshalb in das Vermögen des Arbeitgebers und gehören zur Insolvenzmasse (vgl. z[X.] [X.] 17. Oktober 1995 - 3 [X.] - zu I der Gründe, [X.] [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 23 = EzA [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 7; [X.]GH 18. Juli 2002 - [X.]/01 - zu II der Gründe, D[X.] 2002, 2104). Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst nur zur Folge hat, dass die gegenseitigen Ansprüche auf Leistungen ihre Durchsetzbarkeit verlieren (so [X.]GH 7. April 2005 - [X.] ZR 138/04 - zu II 2 b aa der Gründe, D[X.] 2005, 1453; anders noch: [X.]GH 4. März 1993 - [X.] - NJW 1993, 1994), muss der Verwalter allerdings den Vertrag beenden und den Rückkaufswert zur Masse ziehen.

Räumt der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer dem Arbeitnehmer als Versichertem dagegen abweichend vom gesetzlichen Normalfall ein unwiderrufliches [X.]ezugsrecht ein, stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag von vornherein dem Arbeitnehmer zu ([X.]GH 17. Februar 1966 - II [X.] - zu II der Gründe, [X.]GHZ 45, 162). Mit der Unwiderruflichkeit erhält das [X.]ezugsrecht dingliche Wirkung ([X.]GH 19. Juni 1996 - IV ZR 243/95 - zu 1 der Gründe, [X.] [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 25). [X.] hat dies zur Folge, dass die Rechte aus dem Versicherungsvertrag von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zum Vermögen des Arbeitgebers und damit auch nicht mehr zur Insolvenzmasse gehören. Sie stehen vielmehr dem Arbeitnehmer zu, der deshalb ein Aussonderungsrecht hat ([X.] 26. Juni 1990 - 3 [X.] - zu 2 b der Gründe, [X.]E 65, 208; 26. Juni 1990 - 3 [X.] - zu 2 b der Gründe, [X.] [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 12 = EzA KO § 43 Nr. 1).

Hat der Arbeitgeber hingegen dem Arbeitnehmer im Versicherungsvertrag ein unwiderrufliches [X.]ezugsrecht eingeräumt, dieses jedoch unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Widerrufsvorbehalt versehen - „eingeschränkt unwiderrufliches [X.]ezugsrecht“ -, so ist zu unterscheiden: Wenn die Voraussetzungen des [X.] vorliegen, bleibt das Widerrufsrecht ebenso erhalten wie im Normalfall. Das [X.]ezugsrecht kann dann widerrufen werden. Der Insolvenzverwalter kann von der Widerrufsmöglichkeit Gebrauch machen mit der Folge, dass der Rückkaufswert der Masse zusteht ([X.] 8. Juni 1999 - 3 [X.] - zu [X.] I 2 der Gründe, [X.]E 92, 1). Sind die Voraussetzungen des Vorbehalts demgegenüber nicht gegeben, kann das [X.]ezugsrecht nicht widerrufen werden ([X.] 26. Juni 1990 - 3 [X.] - zu 3 und 4 der Gründe, [X.]E 65, 208 und - 3 [X.] - zu 3 und 4 der Gründe, [X.] [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 12 = EzA KO § 43 Nr. 1; ebenso: [X.]GH 19. Juni 1996 - IV ZR 243/95 - zu 2 der Gründe, [X.] [X.]etrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 25). Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gehören dann zum Vermögen des Arbeitnehmers und nicht zur Masse. Der Arbeitnehmer hat ein Aussonderungsrecht.

3. Der Versicherungsvertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und der [X.] ist dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen des [X.] nicht vorlagen und der [X.]eklagte deshalb nicht berechtigt ist, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag für sich in Anspruch zu nehmen, sondern dass diese dem Kläger zustehen. Unerheblich ist, ob es sich bei dem Versicherungsvertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und der [X.] um typische oder um atypische Vertragsbedingungen handelt.

a) Es gelten folgende Auslegungsgrundsätze:

aa) Handelt es sich um typische Vertragsbedingungen in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen gilt Folgendes:

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. [X.] 7. Dezember 2005 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 116, 267).

Umstände außerhalb der Urkunde sind einzubeziehen, soweit §§ 133, 157 [X.]G[X.] dies gebieten. Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände können - wie § 310 Abs. 3 Nr. 3 [X.]G[X.] zeigt - nicht bei der Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern nur bei der Prüfung der unangemessenen [X.]enachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 [X.]G[X.] berücksichtigt werden (vgl. [X.] 7. Dezember 2005 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 116, 267). Alle außerhalb der Urkunde liegenden Umstände sind jedoch einzubeziehen, wenn es darum geht zu ermitteln, ob im konkreten Einzelfall die [X.]eteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden haben (vgl. dazu [X.] 15. September 2009 - 3 [X.]/08 - Rn. 27, [X.] [X.]G[X.] § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = EzA [X.]G[X.] 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13).

[X.]ei der Auslegung von Versicherungsbedingungen einer Lebensversicherung, mit denen Ansprüche von Arbeitnehmern auf betriebliche Altersversorgung durchgeführt werden sollen, sind entsprechend dem Zweck dieser Versicherung auch die Interessen der versicherten [X.]eschäftigten zu berücksichtigen ([X.] 31. Juli 2007 - 3 [X.] - Rn. 20, D[X.] 2008, 939; [X.]GH 3. Mai 2006 - IV ZR 134/05 - Rn. 12 mwN, NJW-RR 2006, 1258).

Typische Vertragsbedingungen kann das Revisionsgericht selbst auslegen ([X.] 11. Dezember 2001 - 3 [X.] der Gründe, [X.] [X.]etrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA [X.]etrAVG § 1 Nr. 80).

bb) Liegen dagegen individuelle Willenserklärungen vor, gilt Folgendes:

Nach §§ 133, 157 [X.]G[X.] sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach [X.] und Glauben unter [X.]erücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle [X.]eteiligten eine Erklärung übereinstimmend im selben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch ([X.] 2. Juli 2009 - 3 [X.] - Rn. 19 mwN, [X.] [X.]etrAVG § 1b Nr. 9). Auch insoweit ist der Zweck des Vertrages, eine betriebliche Altersversorgung durchzuführen, zu berücksichtigen und damit das Interesse auch der Arbeitnehmer in die Auslegung einzubeziehen.

Die Auslegung individueller Willenserklärungen kann der [X.] als Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das [X.]erufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat ([X.] 11. Dezember 2001 - 3 [X.] der Gründe, [X.] [X.]etrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA [X.]etrAVG § 1 Nr. 80).

cc) Das bedeutet, dass bei der Auslegung von Versicherungsverträgen, die der Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung dienen, entscheidend auf die betriebsrentenrechtlichen Wertungen abzustellen ist (so dezidiert auch [X.]. [X.] [X.]etrAVG § 1b Nr. 8). Die Parteien eines Vertragsgefüges, das dazu dient, dem Arbeitnehmer auf der Grundlage des [X.]etriebsrentengesetzes Ansprüche zu verschaffen, wollen in der Regel an das anknüpfen, was nach dem [X.]etriebsrentengesetz maßgeblich ist (ähnlich bereits [X.] 26. Mai 2009 - 3 [X.] - Rn. 24, [X.] [X.]etrAVG § 2 Nr. 61 = EzA [X.]etrAVG § 1b Nr. 6; 31. Juli 2007 - 3 [X.] - Rn. 18 ff., [X.] 2008, 32). Das gilt nicht nur, wenn auf die gesetzliche Unverfallbarkeit der Versorgungszusage nach dem [X.]etriebsrentengesetz abgestellt wird, sondern auch dann, wenn es um die Frage geht, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne der Versicherungsbedingungen beendet ist.

Demnach ist in den Fällen, in denen ein [X.]etrieb oder [X.]etriebsteil iSd. § 613a [X.]G[X.] veräußert wird, grundsätzlich nicht von einer [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses iSd. jeweiligen Versicherungsbedingungen auszugehen. Denn auch betriebsrentenrechtlich besteht ein Arbeitsverhältnis nach einem [X.]etriebsübergang fort, da der Erwerber nach § 613a [X.]G[X.] in die Verpflichtungen aus der Versorgungszusage eintritt. Der Veräußerer hat für sie mit Ausnahme der Renten, die innerhalb eines Jahres nach dem [X.]etriebsübergang fällig werden (§ 613a Abs. 2 [X.]G[X.]), nicht mehr einzustehen ([X.] 22. Juni 1978 - 3 [X.] 832/76 - [X.] [X.]G[X.] § 613a Nr. 12 = EzA [X.]G[X.] § 613a Nr. 19). [X.]eim Veräußerer zugebrachte Zeiten der [X.]etriebszugehörigkeit sind auch beim Erwerber hinsichtlich des Eintritts der Unverfallbarkeit einer Versorgungszusage zu berücksichtigen ([X.] 20. Juli 1993 - 3 [X.] 99/93 - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 73, 350).

Demgegenüber trägt der im Vorlagebeschluss des [X.]s vom 22. Mai 2007 (- 3 [X.] 334/06 (A) - Rn. 25 f., [X.]E 122, 351) angeführte Gedanke nicht, im Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber bestehe kein Interesse des Veräußerers daran, dass Ansprüche, für die der Erwerber im Wesentlichen allein einzutreten habe, gedeckt würden. Der [X.] kann diesen Gesichtspunkt nach erneuter Überprüfung nicht mehr durchgreifen lassen. Mit der Zahlung der [X.]eiträge für eine Direktversicherung zur Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung erfüllt der Veräußerer Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitnehmer (vgl. [X.] 12. Juni 2007 - 3 [X.] 186/06 - Rn. 22, [X.]E 123, 82). [X.] Vertragsparteien können nicht davon ausgehen, dass dem Veräußerer Gelegenheit gegeben wird, seine Vertragserfüllung gegenüber dem Arbeitnehmer aus Anlass eines [X.]etriebsübergangs rückgängig zu machen, wenn es aufgrund des [X.]etriebsübergangs möglich bleibt, dass die Versorgungszusage gesetzlich unverfallbar wird.

dd) [X.]e [X.]esonderheiten spielen bei der Auslegung unabhängig davon keine entscheidende Rolle, ob es sich um typische oder atypische Verträge handelt.

(1) Nicht gerechtfertigt ist in der Regel eine Auslegung, wonach das [X.]ezugsrecht gerade in der Insolvenz unter Umständen, in denen außerhalb der Insolvenz ein Widerruf möglich wäre, nicht mehr widerrufen werden kann. Eine derartige Vereinbarung wäre nämlich unwirksam und es kann den Vertragsparteien nicht unterstellt werden, eine unwirksame Vereinbarung abzuschließen.

Das Insolvenzrecht ist vom Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung geprägt (§ 38 [X.]). Dieses Ziel wird beispielsweise dadurch abgesichert, dass Vereinbarungen mit dem Insolvenzschuldner, nach denen die in §§ 103 bis 118 [X.] angeordneten besonderen Wirkungen der Insolvenz ausgeschlossen werden sollen, nach § 119 [X.] unwirksam sind. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass von dem geschlossenen System der [X.] im Interesse der Gläubiger nicht durch Vereinbarungen abgewichen werden darf. Zu diesen gesetzlichen Wertungen stünde es in Widerspruch, würde ein Aussonderungsrecht entgegen § 47 [X.] nicht nach den außerhalb der Insolvenz geltenden Gesetzen, sondern durch Vereinbarungen begründet, die nur im Insolvenzfall greifen. Hierdurch würde das gesetzlich festgelegte und in seinen Grenzen bestimmte Aussonderungsrecht durch einen Vertrag zu Lasten der Gläubiger erweitert. Ausschließlich der Masse und damit den Gläubigern würde nur im Insolvenzfall Vermögen entzogen, das dem Insolvenzschuldner zusteht und durch den Eintritt des Insolvenzverwalters in das Recht, das Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 [X.]), zur Verteilung zur Verfügung stünde. Ein derartiger Erwerb von Rechten an Gegenständen der Masse nach der Insolvenzeröffnung wird nach § 91 Abs. 1 [X.] ausgeschlossen ([X.]/[X.] Z[X.] 2006, 1253, 1255 f.).

Demgemäß hat der [X.] bereits in seinem Urteil vom 16. Juni 1978 (- 3 [X.] 783/76 - [X.] KO § 30 Nr. 4 = EzA KO § 30 Nr. 1), wenn auch nicht tragend, ausgesprochen, dass mit der Vereinbarung einer bis zur Stellung eines Konkursantrages aufschiebend bedingten Abtretung der Rechte aus einer (Rückdeckungs-)Versicherung (für eine unverfallbare Anwartschaft auf [X.]etriebsrente) der konkursrechtliche Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung umgangen wird.

Allerdings ist es grundsätzlich zulässig, Rechtsbeziehungen so zu gestalten, dass Ansprüche auch in der Insolvenz gesichert sind. Das ist zum Teil sogar gesetzlich vorgeschrieben (etwa in § 7e SG[X.] IV, § 8a [X.]). Es setzt aber voraus, dass Vermögenswerte bereits vor Eintritt der Insolvenz vom Schuldnervermögen getrennt sind, beispielsweise durch eine [X.]handabrede (vgl. [X.] 24. September 2003 - 10 [X.] 640/02 - [X.]E 108, 1; [X.]GH 24. Juni 2003 - [X.]/01 - zu II 2 b und c der Gründe, [X.]GHZ 155, 227). In derartigen Fällen gehört der fragliche Gegenstand bereits nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Gesetzen iSd. § 47 [X.] nicht mehr zum Vermögen des späteren Insolvenzschuldners und unterliegt auch nicht der [X.] (vgl. [X.]GH 1. Juli 1993 - [X.] - D[X.] 1993, 2378). Deshalb geht den Gläubigern im [X.] nichts verloren, was dem Schuldner zusteht.

(2) Ebenso wenig ist es geboten, bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen für den Fall der Insolvenz eine Ausnahme von der betriebsrentenrechtlichen Wertung zu machen, dass das Arbeitsverhältnis durch einen [X.]etriebsübergang nicht endet.

Auch im Insolvenzverfahren bleibt es bei der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen, wie sie außerhalb des Insolvenzverfahrens zwischen Arbeitnehmer und Insolvenzschuldner geschlossen wurden. Nach der Interessenlage der Parteien kann eine Verschlechterung zu Lasten des Arbeitnehmers für den Fall der Insolvenz nicht als vereinbart angenommen werden. Es ist grundsätzlich möglich, durch die Vereinbarung eines unwiderruflichen [X.]ezugsrechts die Rechtsposition des Arbeitnehmers gegenüber der Versicherung [X.] zu machen. Eine Vereinbarung, die lediglich im Insolvenzfall greifen soll, liegt nicht vor. Die Interessen der Masse sind im Übrigen durch das Recht der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. [X.]) geschützt.

Zudem gilt der Grundsatz, dass durch einen [X.]etriebsübergang das Arbeitsverhältnis nicht endet, auch in der Insolvenz. Der [X.]estandsschutz des § 613a [X.]G[X.] bleibt gewahrt, wenngleich der Erwerber aus insolvenzrechtlichen Gründen in vor der Insolvenzeröffnung entstandene Ansprüche des Arbeitnehmers nicht einzutreten hat (vgl. nur [X.] 19. Mai 2005 - 3 [X.] 649/03 - zu [X.] I 2 d der Gründe, [X.]E 114, 349). [X.]ei der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis endet, geht es allein um den [X.]estandsschutzaspekt der [X.]estimmung.

(3) Die Insolvenzeröffnung selbst unterbricht den Lauf der gesetzlichen Fristen zur Erreichung der Unverfallbarkeit nicht (vgl. [X.] 15. Dezember 1987 - 3 [X.] 420/87 - [X.]E 57, 152).

ee) Der [X.] ist - wie er im Einzelnen in der Entscheidung vom selben Tage (- 3 [X.] 334/06 - unter II 3 d der Gründe) bereits begründet hat - an der Aufstellung dieser Auslegungsgrundsätze weder durch die Urteile des [X.] des [X.]undesgerichtshofs vom 8. Juni 2005 (- IV ZR 30/04 - NJW-RR 2005, 1412), vom 3. Mai 2006 (- IV ZR 134/05 - D[X.] 2006, 1488) und vom 2. Dezember 2009 (- IV ZR 65/09 - VersR 2010, 517) noch durch die [X.]eschlüsse des [X.]. Zivilsenats des [X.]undesgerichtshofs vom 22. September 2005 (- [X.] ZR 85/04 - ZIP 2005, 1836) oder vom 1. Dezember 2005 (- [X.] ZR 85/04 - juris) gehindert.

b) Im Streitfall bedeutet dies, dass die Versicherungsbedingungen entsprechend den betriebsrentenrechtlichen Rechtsgrundsätzen auszulegen sind. Gegenteilige Umstände ergeben sich weder aus dem Versicherungsvertrag noch aus sonstigen Umständen. Die Voraussetzungen des [X.] sind danach nicht erfüllt:

aa) Geht man davon aus, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund eines [X.]etriebsübergangs geendet hat, liegt darin - worauf sich der Kläger hilfsweise auch beruft - kein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des Versicherungsvertrages. Die gegenteilige Auslegung des Versicherungsvertrages durch das [X.] hält nach dem Vorgesagten einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch dann nicht stand, falls dem Versicherungsvertrag atypische Willenserklärungen zugrunde liegen.

bb) Geht man davon aus, dass kein [X.]etriebsübergang vorliegt, wurde das Arbeitsverhältnis frühestens durch die Kündigung zum 31. Januar 2004 beendet. Zu diesem Zeitpunkt war die Versorgungsanwartschaft des [X.] aber bereits gesetzlich unverfallbar.

Da die Versorgungszusage vor dem 1. Januar 2001 erfolgte, ist § 30f iVm. § 1b [X.]etrAVG einschlägig. Danach ist eine Versorgungszusage, wenn das Arbeitsverhältnis - wie hier dann anzunehmen wäre - vor Eintritt des [X.] jedoch nach Vollendung des 35. Lebensjahres endet ua. dann unverfallbar, falls bei mindestens 12-jähriger [X.]etriebszugehörigkeit die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre bestanden hat (§ 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 2 [X.]etrAVG). Der Kläger ist am 6. Januar 1992 bei der Insolvenzschuldnerin eingetreten, so dass er bei einem Austritt zum 31. Januar 2004 etwas mehr als 12 Jahre [X.]etriebszugehörigkeit aufwies. Die Versorgungszusage bestand auch länger als drei Jahre.

        

    Mikosch    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Rau    

        

    Wischnath    

        

        

Meta

3 AZR 994/06

15.06.2010

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 14. Juni 2005, Az: 30 Ca 13235/04, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.06.2010, Az. 3 AZR 994/06 (REWIS RS 2010, 5879)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5879

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Betriebliche Altersversorgung - Direktversicherung - Insolvenz - Aussonderung der Direktversicherung - Schadensersatz


3 AZR 985/06 (Bundesarbeitsgericht)


3 AZR 31/07 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebliche Altersversorgung - Direktversicherung - Unverfallbarkeit - Insolvenz


4 Sa 629/06 (Landesarbeitsgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

3 Ca 914/18

10 Sa 802/11

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