Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.01.2022, Az. 4 BN 47/21

4. Senat | REWIS RS 2022, 1930

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Gegenstand

Normenkontrolle einer Einbeziehungssatzung


Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 12. August 2021 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2

I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

3

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]E 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 225 Rn. 4).

4

1. Die [X.]eschwerde möchte grundsätzlich klären lassen,

ob eine Außenbereichsfläche, die zwischen einem Misch- oder Dorfgebiet und einem Industriegebiet liegt, nur von einem dieser [X.]augebiete nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.]auG[X.] geprägt werden kann und als ausschließliche Wohnnutzung ausgewiesen werden darf.

5

Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil der Fall sie nicht aufwirft. Die angegriffene Einbeziehungssatzung weist nicht ausschließlich Wohnnutzung aus, sondern führt zur Zulässigkeit von baulichen Nutzungen, die nach ihrer Art in einem Dorf- oder Mischgebiet zulässig wären ([X.]). Ferner hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt, dass die [X.]ebauung auf den Grundstücken der Antragstellerin als Industriegebiet zu bewerten ist ([X.]), so dass die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht feststeht. Dies hindert die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 17. März 2000 - 8 [X.] 287.99 - [X.]E 111, 61 <62> und vom 21. Januar 2016 - 4 [X.] 36.15 - juris Rn. 13).

6

Die Frage führt auch nicht zur Zulassung der Revision, wenn sie auf eine nähere [X.]estimmung des [X.]egriffs des Prägens im Sinne von § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.]auG[X.] zielte. Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.]auG[X.] kann die Gemeinde durch Satzung einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden [X.]ereichs entsprechend geprägt sind. Diese Regelung setzt voraus, dass der baulichen Nutzung des angrenzenden [X.]ereichs ein Maßstab zu entnehmen ist, der als Grundlage für die Prägung der einbezogenen Flächen herangezogen werden kann ([X.], [X.]eschluss vom 3. Dezember 2008 - 4 [X.] 26.08 - [X.]auR 2009, 617 Rn. 10). Welcher [X.]ereich insoweit maßgeblich ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei ist auch in den [X.]lick zu nehmen, ob auf angrenzenden Flächen bauliche Anlagen errichtet sind oder diese Flächen - wie hier ([X.]) - als Lagerplatz genutzt werden oder brachliegen.

7

2. Die [X.]eschwerde hält der Sache nach für [X.] klärungsbedürftig,

ob eine einbezogene Fläche, die hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch ein Dorf- oder Mischgebiet geprägt wird, ausschließlich für Wohnnutzung - etwa für ein reines Wohngebiet nach § 3 [X.] - ausgewiesen werden kann.

8

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich nicht stellt. Mit der Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.]auG[X.] bezieht die Gemeinde einzelne Außenbereichsflächen in einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil ein. Die Zulässigkeit von Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung bestimmt sich damit nach § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] oder - bei Vorliegen eines faktischen [X.]augebiets - nach § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.]. Abweichendes gilt, wenn die Gemeinde in einer Einbeziehungssatzung nach § 34 Abs. 5 Satz 2 [X.]auG[X.] eine Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]auG[X.] trifft (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 27. Januar 2015 - 4 [X.] 67.14 - juris Rn. 7 zur überbaubaren Grundstücksfläche). Eine solche Festsetzung enthält die angegriffene Satzung nicht.

9

3. Die [X.]eschwerde möchte klären lassen,

ob eine Einbeziehungssatzung im Sinne von § 34 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 [X.]auG[X.] mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, wenn die einbezogenen Flächen sich in direkter Nachbarschaft zu industrieller und Mischgebietsnutzung befinden.

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie bedarf keiner grundsätzlichen Klärung, soweit der Fall sie aufwirft. Angesichts von § 34 Abs. 5 Satz 2 [X.]auG[X.] ("einzelne" Festsetzungen) und der Planungspflicht der Gemeinden aus § 1 Abs. 3 [X.]auG[X.] wird eine Einbeziehungssatzung umso eher zu [X.]edenken Anlass geben, je höher ihre Regelungsdichte ist und je mehr sie die Funktion eines [X.]ebauungsplans übernimmt ([X.], [X.]eschluss vom 13. März 2003 - 4 [X.] 20.03 - juris Rn. 3). Die Vorinstanz hat ein [X.]edürfnis für eine [X.]ebauungsplanung indes verneint, weil bereits bei einer überschlägigen Abschätzung ein ausgleichspflichtiger Konflikt zwischen dem emittierenden [X.]etrieb und einer Wohnbebauung in dessen Nachbarschaft auszuschließen ist ([X.]). Die [X.]eschwerde legt nicht dar, warum die Einbeziehungssatzung dennoch mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht vereinbar sein sollte und inwiefern dieser [X.]egriff einer grundsätzlichen Klärung bedürfte. Sie wendet sich vielmehr gegen die tatrichterliche Würdigung des Einzelfalls.

4. Die [X.]eschwerde möchte [X.] klären lassen,

welche Anforderungen an das gemeindliche Ermittlungs- und Planungserfordernis im Sinne von § 2 Abs. 3 [X.]auG[X.] gestellt werden müssen, wenn es durch eine an einen emittierenden [X.]etrieb heranrückende Wohnbebauung zu bodenrechtlichen Spannungen kommen kann, insbesondere, ob es stets eines [X.] und der Ermittlung der tatsächlichen [X.]etriebsabläufe bedarf.

Dies führt nicht zur Zulassung der Revision, weil die Frage grundsätzlicher Klärung entzogen ist. Die Einbeziehung von Außenbereichsgrundstücken in einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.]auG[X.] ist ein Vorgang bodenrechtlicher Planung. Sie setzt eine Abwägung der berührten öffentlichen und privaten [X.]elange voraus ([X.], Urteil vom 22. September 2010 - 4 [X.]N 2.10 - [X.]E 138, 12 Rn. 15). Für [X.]auleitpläne bestimmt § 2 Abs. 3 [X.]auG[X.], dass bei ihrer Aufstellung die [X.]elange, die für die Abwägung von [X.]edeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten sind. Denn die [X.]erücksichtigung aller bedeutsamen [X.]elange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 [X.]auG[X.] setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende [X.]ewertung voraus ([X.], Urteil vom 9. April 2008 - 4 [X.]N 1.07 - [X.]E 131, 100 Rn. 18). Zu ermitteln, zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle [X.]elange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die [X.] eingestellt werden müssen (stRspr, [X.], Urteile vom 12. Dezember 1969 - 4 [X.] 105.66 - [X.]E 34, 301 <309> und vom 5. Mai 2015 - 4 [X.]N 4.14 - [X.] 406.11 § 1 [X.]auG[X.] Nr. 136 Rn. 14). Weitergehende Ermittlungspflichten bestehen bei der Einbeziehungssatzung jedenfalls nicht (vgl. Söfker, in: [X.]/[X.]/[X.]ielenberg/[X.], [X.]auG[X.], Stand: August 2021, § 34 Rn. 122). Wie weit die Pflichten reichen, ob es etwa zur sachgerechten Abschätzung einer gutachterlichen [X.]eurteilung bedarf, hängt vom Einzelfall ab ([X.], [X.]eschluss vom 22. April 2021 - 4 [X.] 59.20 - juris Rn. 7).

II. Die Revision ist nicht wegen einer Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u.a.) des [X.]undesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den [X.]edeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 21. Dezember 2017 - 6 [X.] 43.17 - [X.] 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4).

Die [X.]eschwerde macht geltend, das angegriffene Urteil weiche von dem Senatsurteil vom 19. April 2012 - 4 [X.]N 3.11 - ([X.]E 143, 24 Rn. 19) ab. Danach hat grundsätzlich jeder [X.]ebauungsplan die von ihm geschaffenen oder zurechenbaren Probleme zu lösen. Von diesem Rechtssatz ist indes das Oberverwaltungsgericht auch für die Einbeziehungssatzung ausgegangen ([X.]). Es hat aber in Übereinstimmung mit dem angeführten Urteil (ebd.) zugleich erkannt, dass das Gebot der Konfliktbewältigung es nicht ausschließt, Probleme in ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren zu verlagern. Es hat insoweit das Gebot der Rücksichtnahme für ausreichend erachtet (ebenso [X.], Urteil vom 12. September 2013 - 4 [X.] 8.12 - [X.]E 147, 379 Rn. 17). Dass die [X.]eschwerde diese Einschätzung nicht teilt, richtet sich gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall, führt aber nicht auf eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 47/21

19.01.2022

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 12. August 2021, Az: 2 K 129/19, Urteil

§ 34 Abs 4 S 1 Nr 3 BauGB, § 34 Abs 5 S 1 Nr 1 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.01.2022, Az. 4 BN 47/21 (REWIS RS 2022, 1930)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1930

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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