Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.12.2019, Az. VI R 30/17

6. Senat | REWIS RS 2019, 238

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Gegenstand

Keine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer bei überwiegend nicht qualifiziertem Betrieb eines Handelsschiffes im Wirtschaftsjahr


Leitsatz

Eine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer nach § 41a Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG kommt nicht in Betracht, wenn das Schiff im maßgebenden Lohnzahlungszeitraum nicht im internationalen Verkehr betrieben wird. Ein qualifizierter Betrieb an wenigen Tagen im Jahr reicht daher nicht aus, um die einbehaltene Lohnsteuer für das gesamte Wirtschaftsjahr zu kürzen .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 27.04.2017 - 14 K 15/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr (2010) u.a. das Frachtschiff [X.] ([X.]) für den Transport schwerer und großvolumiger Güter. Das Schiff ist in das Seeschiffsregister ... eingetragen und führt die [X.] Flagge. Im Streitjahr war die [X.] nur in den Monaten Mai und Juni an insgesamt fünf Tagen außerhalb [X.]r Hoheitsgewässer tätig, indem es die Klägerin zwischen dem --in der [X.]n ausschließlichen Wirtschaftszone belegenen-- Offshore Windpark ... und ... in [X.] einsetzte. Im Übrigen setzte die Klägerin die [X.] im Inland zwischen ... und ... ein.

2

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, die Voraussetzungen des von der Klägerin in den monatlichen [X.] in Anspruch genommenen § 41a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lägen nicht vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ daher einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die [X.] von Januar 2010 bis Dezember 2013. Darin sind nicht abgeführte [X.] in Höhe von ... € als Haftungsbetrag für das [X.] enthalten. Hiervon entfielen ... € auf die Monate Mai und Juni 2010. Das [X.] stützte die Haftung auf § 42d Abs. 1 EStG, weil die Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt worden sei. Zudem habe sich die Klägerin mit der Inanspruchnahme einverstanden erklärt.

3

In der Einspruchsentscheidung verminderte das [X.] den Haftungsbetrag um ... € für die Monate Mai und Juni 2010 und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1386 veröffentlichten Gründen ab. Aufgrund des von der Klägerin zu Unrecht in Anspruch genommenen Kürzungsbetrags nach § 41a Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG sei ein zu geringer Betrag an das [X.] abgeführt worden, so dass die Klägerin hierfür hafte (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG).

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

6

Sie beantragt sinngemäß,
das angefochtene [X.] sowie den Haftungsbescheid vom 24.10.2014, soweit er das [X.] betrifft, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.12.2016 aufzuheben.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Haftungsbescheid des [X.] rechtmäßig ist. Die Klägerin hat die ihr als Arbeitgeberin obliegende Pflicht zur Abführung der Lohnsteuer (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ESt[X.]) für die Monate Januar bis April und Juli bis Dezember 2010 verletzt (§ 42d ESt[X.]), indem sie die zutreffend einbehaltene Lohnsteuer zu Unrecht um 40 % gekürzt und nur den verbleibenden Teil an das [X.] abgeführt hat. Die Voraussetzungen für eine Kürzung der Lohnsteuer nach § 41a Abs. 4 Sätze 1 und 2 ESt[X.] lagen in diesen Monaten nicht vor.

9

1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 ESt[X.] haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 ESt[X.] bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ESt[X.] abzuführen hat.

a) [X.]emäß § 41a Abs. 4 Satz 1 ESt[X.] dürfen Arbeitgeber, die eigene oder gecharterte Handelsschiffe betreiben, vom [X.]esamtbetrag der anzumeldenden und abzuführenden Lohnsteuer einen Betrag von 40 % der Lohnsteuer der auf solchen Schiffen in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen beschäftigten Besatzungsmitglieder abziehen und einbehalten. Die Handelsschiffe müssen in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sein, die [X.] Flagge führen und zur Beförderung von Personen oder [X.]ütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der [X.] betrieben werden (§ 41a Abs. 4 Satz 2 ESt[X.]).

aa) Dem Wortlaut nach setzt § 41a Abs. 4 Satz 2 ESt[X.] daher u.a. voraus, dass das Schiff zur Beförderung von Personen oder [X.]ütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der [X.] (tatsächlich) betrieben wird. Damit ist das Betreiben eines kommerziellen Schiffes zur Beförderung von Personen oder [X.]ütern im internationalen Verkehr unter [X.]r Flagge gemeint (Urbahns, [X.] 2016, 1578, 1581). [X.] sind folglich nur solche Schiffe, die dem Inland zuzurechnen sind und die den Verkehr zum Ausland sicherstellen (Reuss in [X.]/ [X.]/[X.], § 41a ESt[X.] Rz 20). Ein Handelsschiff, das nur ausnahmsweise im internationalen Verkehr und ansonsten nicht qualifiziert i.S. von § 41a Abs. 4 Satz 2 ESt[X.] betrieben wird, erfüllt für die Zeiten des nicht qualifizierten Betriebs daher nicht die Voraussetzungen für eine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer.

bb) Die Regelung der [X.] innerhalb des § 41a ESt[X.] zeigt, wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat, dass die Ermittlung des [X.] nicht unabhängig von der im [X.] nach § 38 Abs. 3 Satz 1 ESt[X.] vom Arbeitgeber einzubehaltenden Lohnsteuer erfolgen kann. Denn die [X.] hat nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ESt[X.] alle lohnsteuerpflichtigen Sachverhalte zeitraumbezogen zu erfassen ([X.]/[X.], ESt[X.], 38. Aufl., § 41a Rz 4); der [X.] bestimmt sich dabei nach § 41a Abs. 2 ESt[X.] und ist grundsätzlich der Kalendermonat. In der [X.] hat der Arbeitgeber nicht nur die Summe der einzubehaltenden Lohnsteuer, sondern auch den Kürzungsbetrag nach § 41a Abs. 4 ESt[X.] einzutragen. Die maßgebliche Pflicht zur Einbehaltung der Lohnsteuer knüpft wiederum an die Verhältnisse des jeweiligen [X.] an ([X.]/[X.], § 38 ESt[X.] Rz 121). Insoweit besteht zwischen der nach § 38 Abs. 3 Satz 1 ESt[X.] für einen Lohnzahlungszeitraum vom Arbeitgeber einzubehaltenden Lohnsteuer und der von ihm im [X.] im Rahmen der [X.] gemäß § 41a Abs. 4 ESt[X.] erfolgenden Kürzung ein Zusammenhang. Das Schiff muss deshalb im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum tatsächlich zu den im [X.]esetz genannten Zwecken eingesetzt worden sein, um die Kürzung vornehmen zu können (ebenso [X.]/[X.], a.a.[X.], § 41a Rz 8; [X.] in [X.], ESt[X.], 18. Aufl., § 41a Rz 10).

cc) Demgegenüber lässt die 183-Tage-Regelung des § 41a Abs. 4 Satz 1 ESt[X.] nicht darauf schließen, "Abrechnungsperiode" für die vom Arbeitgeber vorzunehmende Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer sei das gesamte Wirtschaftsjahr. So unterscheidet § 41a Abs. 4 ESt[X.] --wie vom [X.] zu Recht angemerkt-- zwischen personenbezogenen Voraussetzungen in Satz 1 (qualifizierte Arbeitnehmer, qualifizierte Beschäftigungsverhältnisse) und schiffsbezogenen Voraussetzungen in Satz 2 (qualifiziertes Betreiben). Hieraus ergibt sich allenfalls, dass die Lohnsteuervergünstigung zwar auch für die Zeiten möglich ist, in denen der (qualifizierte) Betrieb des Schiffes durch Be- und Entladezeiten oder durch Zeiten notwendiger Reparaturen oder Leerfahrten unterbrochen ist, das Beschäftigungsverhältnis aber andauert (s. [X.]/[X.]mann, § 41a ESt[X.] Rz 45; [X.]mann/Wagner, [X.], [X.] Rz 177).

dd) Dem Verständnis, dass ein nur vereinzeltes, sporadisches und kurzfristiges Betreiben im internationalen Verkehr die vom [X.]esetz vorgesehene Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer gleichwohl für ein komplettes Wirtschaftsjahr erlaubt, widersprechen auch Sinn und Zweck der Regelung.

Die Vorschrift wurde zum 01.01.1999 mit dem Seeschifffahrtsanpassungsgesetz vom [X.] (B[X.]Bl I 1998, 2860) nach [X.] Vorbild eingeführt, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze der [X.]n Seeleute durch gezielte Verringerung der Personalkostenbelastung zu stärken und so den [X.] [X.] zu sichern und zu stärken (s. BTDrucks 13/8023, S. 27 und BTDrucks 13/10271, S. 8 f.). Insoweit handelt es sich um eine fest umrissene Lenkungsmaßnahme, die restriktiv auszulegen ist ([X.]/[X.]mann, § 41a ESt[X.] Rz 41). Wie auch die zeitgleich eingeführte pauschale [X.]ewinnermittlung nach der Tonnage (§ 5a ESt[X.]) bewirkt die pauschale Lohnsteuerermäßigung eine effektive Steuerentlastung der Unternehmer bzw. Arbeitgeber (s. Urteile des [X.] vom 26.09.2013 - IV R 46/10, [X.], 223, [X.], 253, Rz 19 f., und vom 22.01.2015 - IV R 10/12, Rz 19). Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Subventionsnorm ist auch bei der Lohnsteuerermäßigung erforderlich, dass zwischen der Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer und dem qualifizierten Betrieb des [X.] im internationalen Verkehr ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dem entspricht, dass nach der Legaldefinition in § 5a Abs. 2 Satz 1 ESt[X.] Handelsschiffe dann im internationalen Verkehr betrieben werden, wenn eigene oder gecharterte Seeschiffe, die im Wirtschaftsjahr überwiegend in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind, in diesem Wirtschaftsjahr überwiegend zur Beförderung von Personen oder [X.]ütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der [X.] eingesetzt werden.

b) Bei Heranziehung dieser [X.]rundsätze hat das [X.] zutreffend entschieden, dass eine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer durch die Klägerin über die nicht im Streit stehenden Monate Mai und Juni 2010 hinaus nicht in Betracht kommt, da die [X.] außerhalb dieser Lohnzahlungszeiträume nicht i.S. von § 41a Abs. 4 Satz 2 ESt[X.] qualifiziert betrieben wurde.

Dass das [X.] die streitbefangene, der Höhe nach unstreitige Lohnsteuer --ungeachtet der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 41a Abs. 4 Satz 2 ESt[X.]-- durch einen Haftungsbescheid festsetzen durfte, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 30/17

18.12.2019

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 27. April 2017, Az: 14 K 15/17, Urteil

§ 38 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 38 Abs 1 S 3 EStG 2009, § 38 Abs 3 S 1 EStG 2009, § 41a Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 41a Abs 4 S 1 EStG 2009, § 41a Abs 4 S 2 EStG 2009, § 42d Abs 1 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.12.2019, Az. VI R 30/17 (REWIS RS 2019, 238)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 238

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