Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2014, Az. VI ZR 246/12

6. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6055

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Gegenstand

Persönlichkeitsrechtsverletzende Presseberichterstattung: Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs


Leitsatz

Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des [X.] vom 3. Mai 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin der [X.] (im Folgenden ebenfalls: Beklagte), die im Zeitraum von März 2009 bis August 2010 mehrfach in von ihr herausgegebenen Zeitschriften über den bekannten Entertainer [X.] (im Folgenden: Erblasser) berichtete. Gegenstand der Berichte waren unter anderem die Trauer des Erblassers um seine verstorbene Tochter sowie der Gesundheitszustand des Erblassers. Im Hinblick auf die von ihm in diesem Zusammenhang angenommene Verletzung seines Persönlichkeitsrechts nahm der Erblasser die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe eines [X.] von 30.000 € nebst Zinsen in Anspruch. Seine Klage ist beim [X.] am 11. Februar 2011 eingegangen. Am 12. Februar 2011 verstarb der Erblasser. Im März 2011 ist die Klage zugestellt worden. Der Kläger führt den Prozess als Erbe fort. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Veröffentlichungen überhaupt einen [X.] zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen begründen könnten. Denn der Anspruch sei höchstpersönlicher Natur und deshalb nicht vererblich. Ob dies anders zu beurteilen sei, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Verletzten rechtshängig werde, könne ebenfalls offenbleiben, da die Zustellung der Klage vorliegend erst nach dem Tod des Erblassers erfolgt sei. Aus § 167 ZPO folge nichts anderes. Weder lasse sich der Vorschrift der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass zugunsten des Klägers bereits der Eingang der Klage bei Gericht ausreichend sei, wenn die Zustellung "demnächst" erfolge, noch setze die Vorschrift die [X.]ängigkeit der Klage mit ihrer Rechtshängigkeit gleich.

II.

3

Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

4

Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der - unterstellte - [X.] des Erblassers mangels Vererblichkeit nicht auf den Kläger übergehen konnte.

5

Die Frage, ob der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich ist, ist höchstrichterlich bislang nicht abschließend geklärt (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 2005 - [X.], [X.], 203, 208; [X.], Urteil vom 24. März 2011 - [X.], [X.]Z 189, 65 Rn. 39 f.). Im Schrifttum ist die Frage umstritten.

6

Eine Reihe von Autoren bejaht die Vererblichkeit (z.B. Soergel/Beater, [X.], 13. Aufl., [X.] IV § 823 Rn. 25; Brändel in: [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 36 Rn. 24; [X.], [X.], 10 ff.; Dreier/Specht in Dreier/[X.], [X.], 4. Aufl., KUG § 22 Rn. 37 und §§ 33-50 Rn. 21, anders allerdings noch Dreier in der 3. Aufl., KUG § 33-50 Rn. 21; [X.], Medienrecht, 14. Aufl., [X.]. 4 Rn. 157; [X.], [X.], 147, 148 f.; [X.], Erbrecht, 19. Aufl., Rn. 635 [X.]. 51; MünchKomm[X.]/Rixecker, 6. Aufl., [X.]ang zu § 12 Rn. 237 [X.]). Begründet wird diese Auffassung zunächst mit der uneingeschränkten Vererblichkeit des [X.] seit Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF zum 1. Juli 1990, aus der entsprechende Konsequenzen auch für den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu ziehen seien (Soergel/Beater, aaO; [X.], aaO, 11 f.; [X.], aaO). Darüber hinaus wird angenommen, die unterschiedliche Behandlung des [X.] einerseits und des [X.]s wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts andererseits verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG ([X.], aaO, 11; [X.], aaO, 148). Andere gehen davon aus, eine unberechtigte Besserstellung des Verletzers durch den Tod des Verletzten vor Leistung des Geldersatzes müsse vermieden werden (Dreier/Specht, aaO, KUG § 22 Rn. 37). Überdies löse sich der auf eine Geldzahlung gerichtete Anspruch mit seiner Entstehung von den ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts (Dreier/Specht, aaO).

7

Die Gegenauffassung (z.B. [X.] in: [X.], Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., [X.]. 14 Rn. 140; [X.]/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 1011 ff.; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., [X.] § 12 Rn. 320; [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 28; [X.] in: [X.]/[X.], Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 23; [X.]/[X.], Presserecht, 5. Aufl., LPG § 6 Rn. 344) stützt sich auf den Zweck der Geldentschädigung, der darin liege, die - nicht [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 1. Dezember 1999 - [X.], [X.]Z 143, 214, 220 - [X.]; vom 20. März 1968 - [X.], [X.]Z 50, 133, 137 - [X.]) - ideellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu schützen (so ausdrücklich [X.], aaO; [X.], aaO). Weiter wird darauf verwiesen, die überwiegende Genugtuungsfunktion des [X.]s aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen und ihr höchstpersönlicher Bezug zur Individualität des Betroffenen lasse eine Vererblichkeit nicht zu (vgl. [X.]/Rehbock, aaO, Rn. 1012; [X.]/[X.], aaO).

8

Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu. Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist grundsätzlich nicht vererblich.

9

aa) Unmittelbar aus der nach wie vor zutreffenden Erkenntnis, dass die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererblich sind (vgl. [X.], Urteile vom 24. März 2011 - [X.], [X.]Z 189, 65 Rn. 38; vom 1. Dezember 1999 - [X.], [X.]Z 143, 214, 220 - [X.]; vom 20. März 1968 - [X.], [X.]Z 50, 133, 137 - [X.]), ergibt sich dies freilich - worauf die Revision zutreffend hinweist - noch nicht. Denn der [X.] hat zwar seine Grundlage im Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - [X.], [X.], 203, 204 f.; vom 5. Oktober 2004 - [X.], [X.]Z 160, 298, 302; vom 15. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 1, 15; jeweils mwN; [X.] 34, 269, 292 - Soraya) und dient gerade den vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten ideellen Interessen. Als Geldzahlungsanspruch ist er aber nicht selbst Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2011 - [X.], [X.]Z 189, 65 Rn. 39 f.).

bb) Die Unvererblichkeit ergibt sich aber aus Natur und Zweck des [X.]s selbst.

Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass der Anspruch auf Entschädigung in Geld für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht abtretbar ist. Er hat dies "aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften, die für die gesetzlich normierten Fälle ideellen Schadensersatzes gegeben sind", gefolgert. Konkret hat er dabei auf die damals geltenden Regelungen des § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF und des § 1300 Abs. 2 [X.] aF abgestellt (Senatsurteil vom 25. Februar 1969 - [X.], [X.], 519, 521). Die genannten Vorschriften regelten dabei nicht nur die fehlende Abtretbarkeit der Ansprüche aus § 847 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF bzw. § 1300 Abs. 1 [X.] aF, sondern auch ihre grundsätzliche Unvererblichkeit. Grund für den Ausschluss von Abtretbarkeit und Vererblichkeit dieser Ansprüche war, dass sie der Gesetzgeber aufgrund ihres an die Person des Berechtigten gebundenen Charakters für höchstpersönlich erachtete (vgl. für § 847 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF: Senatsurteile vom 22. Juni 1976 - [X.], NJW 1976, 1890; vom 14. März 1961 - [X.], NJW 1961, 1575; für § 1300 Abs. 2 [X.] aF: [X.]/[X.], [X.], 28. Aufl. 1969, § 1300 unter 1). Durch die entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF und des § 1300 Abs. 2 [X.] aF auf den auch zum damaligen [X.]punkt bereits aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten (vgl. Senatsurteil vom 19. September 1961 - [X.], [X.]Z 35, 363, 366 ff.) [X.] hat der Senat zum Ausdruck gebracht, dass er diesem Anspruch denselben Charakter zumisst.

An dieser Einschätzung und der sich daraus ergebenden Unvererblichkeit des [X.]s hält der Senat - wie bereits im Urteil vom 6. Dezember 2005 ([X.], [X.], 203, 208) zum Ausdruck gebracht - trotz der inzwischen erfolgten Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF und von § 1300 Abs. 2 [X.] aF fest. Weder lässt sich der Wille des Gesetzgebers feststellen, auch den [X.] wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich auszugestalten (a), noch führen Sinn und Zweck des [X.]s unabhängig von einer entsprechenden Entscheidung des Gesetzgebers zur Annahme, der [X.] sei heute vererblich (b).

Unmittelbar hat sich der Gesetzgeber mit der Frage der Vererblichkeit des [X.]s bislang nicht befasst. Eine mittelbare Aussage des Gesetzgebers, der [X.] sei vererblich, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.

(aa) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein solcher gesetzgeberischer Wille zunächst nicht aus der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF und entsprechender Vorschriften in anderen Gesetzen durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14. März 1990 ([X.]l. I, [X.]). [X.]altspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hier seine bis dahin und auch später (vgl. nur Entwurf eines [X.] zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, [X.]. 742/01, [X.]; ferner Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/7752, [X.]) geübte Zurückhaltung, den vom erkennenden Senat unmittelbar aus dem Schutzauftrag des Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten [X.] in irgendeiner Weise zu regeln, hätte aufgeben und eine Aussage zur Vererblichkeit dieses Anspruchs hätte treffen wollen, sind nicht ersichtlich.

Im Gegenteil sollte mit der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF und entsprechender Vorschriften im Luftverkehrsgesetz, im Bundesgrenzschutzgesetz sowie im [X.] ein spezifisches Problem im Bereich des Schmerzensgeldes einer Lösung zugeführt werden. Dieses Problem lag ausweislich der Gesetzesmaterialien im "Wettlauf mit der [X.]", dem sich "insbesondere die nächsten Angehörigen" ausgesetzt sahen, wenn sie "gerade bei schwersten Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr" Schmerzensgeldansprüche auch für den Fall des Todes des Verletzten wahren wollten (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze, BT-Drucks. 11/4415, [X.], 4; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum genannten Gesetzentwurf, BT-Drucks. 11/5423, [X.], 4). Auch wenn sich die Reichweite der Gesetzesänderung nicht auf die Fälle schwerster Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr beschränkte, sondern auch leichtere Verletzungen, im Falle des § 34 Bundesgrenzschutzgesetz sogar Ehrverletzungen einschloss, waren mithin doch gerade die Fälle schwerster Körperverletzungen Grund für die Streichung der Unvererblichkeit der genannten Ansprüche. Damit bezweckte die Gesetzesänderung die Beseitigung einer Problemlage, die typischerweise bei Ansprüchen infolge von Körperverletzungen, nicht aber bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung des Persönlichkeitsrechts besteht (vgl. auch [X.]/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 1012). Dass der Gesetzgeber mit der Streichung unter anderem des § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF nicht alle Ansprüche auf Ausgleich immaterieller Nachteile für vererblich erklären wollte, zeigt im Übrigen auch die Regelung des § 1300 Abs. 2 [X.] aF. Sie wurde bis zur Abschaffung des [X.]es zum 1. Juli 1998 beibehalten.

(bb) Die Aufhebung des § 1300 Abs. 2 [X.] aF im Jahr 1998 lässt offensichtlich keinen Rückschluss auf einen Willen des Gesetzgebers zu, den [X.] wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich auszugestalten. Die Streichung war notwendige Folge der Abschaffung des [X.]es überhaupt durch das [X.] des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998 ([X.]l. I, S. 833). Grund für die Abschaffung war die Annahme, das [X.] als solches, nicht seine Unvererblichkeit, sei rechtspolitisch überholt (vgl. Entwurf eines [X.] des Eheschließungsrechts, [X.]. 79/96, S. 37).

Entscheidend gegen die Vererblichkeit des [X.]s spricht seine Funktion.

Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - [X.], [X.], 673 Rn. 16; Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - [X.], [X.], 203, 206; vom 5. Oktober 2004 - [X.], [X.]Z 160, 298, 302; vom 15. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 1, 15; vom 5. Dezember 1995 - [X.], [X.], 339, 340; vom 4. Juni 1974 - [X.], [X.], 1080, 1082 - [X.]). Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus (Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - [X.], [X.], 203, 206 f. mwN; vom 4. Juni 1974 - [X.], [X.], 1080, 1082 - [X.]). Erfolgt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des [X.]s über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht.

Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann vorliegend zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar trifft es zu, dass der [X.] auch der Prävention dient (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - [X.], [X.], 381 Rn. 38; vom 6. Dezember 2005 - [X.], [X.], 203, 207 mwN; vom 5. Oktober 2004 - [X.], [X.]Z 160, 298, 302; [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 7, 10; jeweils mwN). Der Präventionsgedanke vermag die Gewährung einer Geldentschädigung - auch in dem von der Revision vorliegend für gegeben erachteten Fall der Zwangskommerzialisierung - aber nicht alleine zu tragen (Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 aaO mwN; vom 5. März 1974 - [X.], [X.], 756, 758). Dies wirkt sich nicht nur - wie im Falle postmortaler Persönlichkeitsrechtsverletzungen - auf die Beurteilung der Frage aus, ob der [X.] auch unabhängig von seiner Genugtuungsfunktion entstehen kann, sondern auch darauf, ob er - wie im vorliegend zu beurteilenden Fall - bei Fortfall dieser Funktion weiterbestehen kann.

cc) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Annahme der Unvererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht gegen § 1922 [X.]. Denn die von § 1922 Abs. 1 [X.] vorgesehene Universalsukzession ist von vornherein auf die [X.] Vermögensgegenstände beschränkt (vgl. [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2008, § 1922 Rn. 53).

dd) Auch der Einwand der Revision, es stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar und verstoße deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Anspruch auf Geldentschädigung anders als der Anspruch auf Schmerzensgeld und andere Immaterialgüterrechte nicht vererblich wäre, geht fehl.

Zwar ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten in wesentlicher Hinsicht anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Auch liegt eine solche Grundrechtsverletzung nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne hinreichenden sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern auch dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen ([X.], [X.], 897 mwN). Vorliegend scheitert die Annahme einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG aber daran, dass für die im Hinblick auf die Frage der Vererblichkeit unterschiedliche Behandlung des [X.]s wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts einerseits und des [X.] sowie anderer Immaterialgüterrechte andererseits sachliche Gründe bestehen. Denn die Unvererblichkeit des [X.]s hat - wie dargelegt - ihren Grund letztlich in der Genugtuungsfunktion, die bei ihm im Vergleich zu sonstigen Ansprüchen auf Ersatz immaterieller Nachteile und gerade auch im Vergleich zum Schmerzensgeldanspruch in besonderem Maße ausgeprägt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - [X.], [X.], 673 Rn. 14 ff.; Senatsurteile vom 5. Oktober 2004 - [X.], [X.]Z 160, 298, 302; vom 26. November 1996 - [X.], [X.], 325, 327).

Soweit die Revision auf die Vererblichkeit des Urheberrechts nach § 28 Abs. 1 [X.] verweist, die sich nicht nur auf die vermögensrechtlichen Elemente des Urheberrechts, sondern auch auf das Urheberpersönlichkeitsrecht bezieht (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2013 - [X.], [X.], 68 Rn. 25 - Beuys-Aktion; [X.] in Dreier/[X.], [X.] 4. Aufl., § 28 Rn. 2), ist ihr zuzugeben, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht insoweit anders behandelt wird als das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Diese Ungleichbehandlung hat ihren sachlichen Grund aber darin, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht so mit den vermögensrechtlichen Elementen des Urheberrechts verflochten ist, dass sie sich nicht voneinander trennen lassen (vgl. [X.], aaO), und sich das Urheberpersönlichkeitsrecht gerade hierin vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht unterscheidet. In der unterschiedlichen Ausgestaltung des Urheberpersönlichkeitsrechts als vererbliches und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als grundsätzlich unvererbliches Recht liegt zugleich ein (weiterer) sachlicher Grund für die insoweit unterschiedliche Behandlung auch des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden bei Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 97 Abs. 2 Satz 4 [X.]) einerseits und des [X.]s wegen Verletzung des (allgemeinen) Persönlichkeitsrechts andererseits. Denn die Entschädigungsansprüche sind mit dem Rechtsgut, dessen Verletzung sie entspringen, eng verknüpft.

Entgegen der hilfsweise geäußerten Auffassung der Revision wurde der - unterstellte - [X.] vorliegend auch nicht deshalb vererblich, weil er noch zu Lebzeiten des Erblassers anhängig gemacht wurde. Denn die bloße [X.]ängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage ändert nichts daran, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert.

Ob - wie dies etwa § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF und § 1300 Abs. 2 [X.] aF für die Ansprüche auf [X.] bzw. [X.] vorgesehen haben - anderes gilt, wenn der [X.] rechtshängig geworden ist, kann offenbleiben. Denn die Klage wurde der Beklagten erst nach dem Tod des Erblassers zugestellt.

Aus § 167 ZPO ergibt sich nichts anderes. Die dort angeordnete Rückwirkung beschränkt sich - verfassungsrechtlich unbedenklich - auf Fälle, in denen durch die Zustellung eine laufende Frist gewahrt oder die Verjährung neu beginnen oder gehemmt werden soll. Für sonstige Wirkungen der Zustellung gilt sie hingegen nicht (allg. M.; vgl. z.B. [X.], Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], [X.], 528 Rn. 8 mwN; Urteil vom 21. April 1982 - [X.], NJW 1982, 1812, 1813; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 167 Rn. 4; [X.], 4. Aufl., § 167 Rn. 6). Zu diesen sonstigen Wirkungen zählen insbesondere rechtsbegründende und rechtsverstärkende Folgen, die die Vorschriften des materiellen Rechts an die Rechtshängigkeit und damit an die Zustellung der Klageschrift knüpfen ([X.], Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], aaO Rn. 9; [X.]/[X.], aaO). Für § 847 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.] aF hat auch der erkennende Senat eine Anwendung solcher Vorschriften wiederholt abgelehnt, die zur Fristwahrung die Wirkung der Zustellung auf den [X.]punkt der Einreichung zurückbeziehen (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1976 - [X.], NJW 1976, 1890 f.; vom 10. Oktober 1961 - [X.], NJW 1961, 2347; vom 14. März 1961 - [X.], NJW 1961, 1575 f.; [X.]/[X.], [X.], 49. Aufl. 1990, § 847 unter 5 c). [X.] Gründe dafür, diese ständige höchstrichterliche Rechtsprechung aufzugeben, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).

Galke                  [X.]                          Pauge

            [X.]                             Offenloch

Meta

VI ZR 246/12

29.04.2014

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 3. Mai 2012, Az: 10 U 99/11

§ 823 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2014, Az. VI ZR 246/12 (REWIS RS 2014, 6055)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6055


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2318/14

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2318/14, 17.09.2016.


Az. VI ZR 246/12

Bundesgerichtshof, VI ZR 246/12, 29.04.2014.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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