Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2010, Az. 2 StR 455/09

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 5302

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 455/09 vom 30. Juni 2010 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 30. Juni 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] Prof. Dr. [X.] als Vorsitzende, die [X.] am [X.] Prof. [X.], [X.], [X.], die [X.]in am [X.] Dr. Ott Oberst[X.]tsanwältin beim [X.] als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten [X.] wird das Urteil des [X.] vom 29. April 2009 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.]. 2. Die Revision des Angeklagten [X.]gegen das [X.] Urteil wird auf Kosten des Beschwerdeführers verwor-fen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten [X.] wegen schweren [X.] in 12 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten [X.]wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Wegen überlanger, gegen Art. 6 Abs. 1 [X.] verstoßenden Verfahrensdauer hat es jeweils ein Jahr der Freiheitsstrafen für vollstreckt erklärt. Die Revision des An-geklagten [X.]hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg; die Revision des Ange-klagten [X.]ist unbegründet. 1 - 4 - 1. Nach den Feststellungen des [X.]s waren der Angeklagte [X.]bis zum [X.] als [X.], der Angeklagte [X.]bis zum [X.] als Prozesssteuerer im [X.] bei der [X.] in [X.]beschäftigt. Vor dem 16. Dezember 2001 kamen die beiden Ange-klagten, der frühere Mitangeklagte [X.]

sowie weitere acht überwiegend im [X.] des Flughafens beschäftigte Personen (Am. , [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]und [X.]) überein, in der Zu-kunft bei sich bietender Gelegenheit hochwertige Güter aus dem [X.] der [X.] AG zu entwenden und an Hehler zu verkaufen, um aus dem Erlös fortlaufend Einnahmen zu erzielen. 2 a) Die ab 16. Dezember 2001 festgestellten einzelnen Taten wurden auf der Grundlage dieser Absprachen nach folgendem Muster begangen: Der An-geklagte [X.] suchte im EDV-System der [X.]nach geeigneter Ware; hielt er eine [X.]eferung (vorwiegend Sendungen mit Uhren, Schmuck, hochwerti-ger Computer- und Unterhaltungselektronik) für geeignet, informierte er den Angeklagten [X.]. Dieser entschied, ob die [X.]eferung gestohlen werden sollte. In diesem Fall erhielt der gesondert Verfolgte Am. Informationen über Art, Menge und Lagerart der Sendung sowie deren Identifikationsnummer entweder vom Angeklagten [X.] oder vom früheren Mitangeklagten [X.] . Am. fertigte dann einen (fingierten) [X.] über das [X.] und ermöglichte so, dass die eingeweihten Vorfeld-Schlepperfahrer [X.] und [X.]

die [X.] aus dem nicht öffent-lichen Bereich des Flughafens abholen und in den halböffentlichen Bereich brin-gen konnten. Dort wurden sie in jeweils angemietete Lkw umgeladen und aus dem Flughafengelände herausgebracht; hierbei wurde der Transport jeweils von Begleitfahrzeugen der Tätergruppe abgesichert. Die Beute wurde sodann jeweils gesichtet, gegebenenfalls nach Weisung des Angeklagten [X.] zwi-schengelagert und von [X.] nach kurzer Zeit an verschiedene ihm bekannte 3 - 5 - Großhehler verkauft. Der Erlös wurde vom Angeklagten [X.] verteilt; die [X.] an die Beteiligten betrugen je nach Wert der Beute jeweils zwischen 2.000,- und 10.000,- Euro. b) Im Einzelnen hat das [X.] 13 Taten zwischen dem 16. Dezember 2001 und dem 29. Januar 2003 festgestellt. Davon war in 12 Fäl-len (Ausnahme: Fall 7) der Angeklagte A.

in der genannten Weise beteiligt, in zehn Fällen (Ausnahmen: Fälle 5, 14, 15) der Angeklagte [X.]. Der Wert der Beute lag zwischen 3.000,- USD und ca. 1 Mio. Euro. 4 Das [X.] hat die Angeklagten als Mittäter des schweren [X.] in den ihnen jeweils zuzurechnenden Fällen angesehen und [X.], dass sie beide, namentlich aber der Angeklagte [X.], wichtige Positionen in der [X.] einnahmen. Es hat gegen den Angeklagten [X.]Ein-zelstrafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und zwei Jahren und drei Monaten, gegen den Angeklagten [X.]zwischen einem Jahr und drei Mona-ten und zwei Jahren festgesetzt und hieraus die genannten [X.] gebildet. Zu Lasten des Angeklagten [X.]hat es dessen "Führungsrol-le" ausdrücklich strafschärfend gewertet; hinsichtlich des Angeklagten [X.]hat es ausgeführt, für diesen spreche, dass er in der Hierarchie der Tätergruppe zwar eine wichtige, aber keine Führungsrolle inne hatte. 5 2. Die Revision des Angeklagten [X.]hat mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 3 StPO Erfolg, weil ein Befangenheitsgesuch des Angeklagten gegen die erkennenden [X.] des [X.]s zu Unrecht zurückgewiesen worden ist. 6 a) Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: 7 - 6 - [X.]) Im vorliegenden Verfahren angeklagt waren die beiden Angeklagten sowie der frühere Mitangeklagte [X.]

. Gegen diese drei Angeklagten fand die Hauptverhandlung ab 7. Oktober 2008 statt. In der Hauptverhandlung vom 7. Oktober 2008 gab das Gericht bekannt: 8 "Für den Fall eines umfassenden, glaubhaften Geständnisses des Angeklagten [X.] wird die Kammer im Falle einer Verurteilung des Angeklagten [X.] eine Strafobergrenze von zwei Jahren - die bei Vorliegen einer positiven Sozialprognose zur Bewährung ausgesetzt wird - nicht überschreiten." In ihren Einlassungen zur Sache räumten die Angeklagten [X.]und [X.]die Beteiligung an den ihnen zur Last gelegten Taten teilweise ein, erklär-ten jedoch, sie seien jeweils nur Randfiguren des Geschehens und an den [X.] und Entscheidungen nicht beteiligt gewesen; die [X.] Rolle habe vielmehr [X.] inne gehabt. Dagegen ließ sich der Mitangeklagte [X.] entgegengesetzt so ein, dass der Kopf der Tätergruppe der Angeklagte [X.]gewesen sei; der Angeklagte [X.]habe eine wichtige Rolle inne gehabt; er selbst, [X.] , sei nur in untergeordneter Rolle als Fah-rer beteiligt gewesen. 9 Nachdem der Mitangeklagte [X.] bereits bei seiner polizeilichen Be-schuldigtenvernehmung den Angeklagten [X.]als Informationsgeber der Gruppe bezeichnet und die gesondert verfolgten Mittäter Am. , [X.]und [X.]. sowie der Zeuge [X.]die Angaben [X.] s bestätigt hatten, stellte Rechtsanwalt [X.]. als Verteidiger des Mitangeklagten [X.] in der Hauptverhandlung vom 20. November 2008 den Antrag, das Verfahren gegen seinen Mandanten abzutrennen; diesen Antrag hat das [X.] nicht be-schieden. 10 - 7 - [X.] am 17. Dezember 2008 wurden mit den Verteidigern aller drei Angeklagten vier weitere Termine zur Fortsetzung der Hauptverhandlung abgesprochen und diese Fortsetzungstermine festgesetzt. Nach der Mittagspause stellte der Verteidiger des Angeklagten [X.]einen [X.], mit dem er weitere Beweiserhebungen durch Vernehmung von 12 Zeugen, die Beiziehung von Fallakten der Polizei, die Inaugenscheinnahme von [X.] sowie das Abspielen von Aufzeichnungen einer Vielzahl abge-hörter Telefongespräche beantragte. Beweisthemen dieser Anträge waren zahl-reiche Einzelheiten zum Ablauf der Taten, der Organisationsstruktur des [X.] -[X.]s sowie zu Ergebnissen polizeilicher Ermittlungen; Be-weisziel der Anträge war ausdrücklich, die [X.] der Einlassungen des Mitangeklagten [X.] sowie dessen Position als führendes Mitglied der Tätergruppe zu beweisen. Der Verteidiger des Angeklagten [X.]schloss sich diesem Antrag an. Die Vertreterin der St[X.]tsanwaltschaft erklärte, wegen des Umfangs des Antrags sei ihr eine Stellungnahme zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Sie beantragte, das Verfahren gegen [X.] abzutrennen; dem schloss sich der Verteidiger des Angeklagten [X.] an. 11 Ohne sich mit diesem neuen [X.] auch nur befasst zu ha-ben, trennte das [X.] nach Beratung am Tisch das Verfahren gegen [X.]und [X.]ab; die Hauptverhandlung gegen diese Angeklagten wurde um 13.53 Uhr unterbrochen; die Angeklagten [X.] und [X.] sowie ihre Verteidi-ger nahmen im Zuschauerraum Platz. Die Verhandlung gegen [X.] wurde bis 14.10 Uhr unterbrochen; danach wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Nach den Schlussvorträgen und übereinstimmenden Anträgen der St[X.]tsan-waltschaft und des Verteidigers wurde die Verhandlung um 14.30 Uhr zur Bera-tung unterbrochen und um 15.30 Uhr das Urteil gegen [X.] verkündet; die-ser wurde antragsgemäß wegen schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen zu 12 - 8 - einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig. [X.]) Mit Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 22. Dezember 2008 - außerhalb der Hauptverhandlung - lehnte der Verteidiger des Angeklagten [X.] die beiden Berufsrichter und die beiden Schöffen der erkennenden Kammer wegen [X.] der Befangenheit ab. Diesem Antrag schloss sich der Verteidiger des Angeklagten [X.]für seinen Mandanten an. 13 Mit dem Antrag wurde vorgetragen, es habe am ersten Hauptverhand-lungstag eine Absprache zwischen dem Gericht, der St[X.]tsanwaltschaft und dem Verteidiger des Angeklagten [X.] gegeben, wonach diesem für den Fall eines glaubhaften Geständnisses eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren sowie Strafaussetzung zur Bewährung angekündigt worden sei. [X.] habe sich dann zur Sache eingelassen und die Mitangeklagten schwer belastet; diese hätten sich entgegengesetzt eingelassen. 14 In der Hauptverhandlung am 17. Dezember 2008 seien die oben genann-ten Beweisanträge gestellt worden, die sämtlich auf den Nachweis der [X.] der Einlassung [X.]

s gerichtet gewesen seien. Ohne über diese Anträge zu beraten und zu entscheiden, sei das Verfahren gegen [X.] von den abgelehnten [X.]n daraufhin sogleich abgetrennt und alsbald mit dem abgesprochenen Urteil beendet worden. In der mündlichen Urteilsbegrün-dung habe die Vorsitzende ausgeführt, der Angeklagte [X.] habe nur eine untergeordnete Rolle eingenommen. Die Kammer sei von der Glaubhaftigkeit seiner diesbezüglichen Einlassung überzeugt; die Einlassungen der Angeklag-ten [X.]und [X.] seien nicht glaubhaft. 15 Dieses prozessuale Vorgehen begründe bei den Angeklagten die [X.] der Befangenheit der erkennenden [X.], weil diese nicht allein an der 16 - 9 - Vor-Entscheidung in dem abgetrennten Verfahren gegen [X.] beteiligt ge-wesen seien, sondern gerade durch die Abtrennung des Verfahrens vor einer Beratung und Entscheidung über die gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassun-gen des Angeklagten [X.] die Befürchtung begründet worden sei, die er-kennenden [X.] seien insoweit schon festgelegt; dies sei durch die [X.] in der mündlichen Urteilsbegründung gegen [X.] bestätigt worden. Die Mitglieder des erkennenden Gerichts gaben daraufhin dienstliche [X.] mit dem Inhalt ab, sie hätten an dem [X.] vom 17. Dezember 2008 mitgewirkt. 17 Mit Beschluss vom 12. Januar 2009, der ohne Mitwirkung der abgelehn-ten [X.] getroffen wurde, wurden die Befangenheitsgesuche der Angeklag-ten als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss führte aus, ein [X.], das lediglich damit begründet wurde, der abgelehnte [X.] sei an einer Vorentscheidung beteiligt gewesen, könne gemäß § 26a StPO als [X.] abgelehnt werden. Anders verhalte es sich nur bei Hinzutreten beson-derer Umstände, die über die Tatsache bloßer [X.] hinausgehen. Sol-che Umstände seien hier nicht ersichtlich. Das Ablehnungsgesuch stütze sich allein auf "mit einer Vorentscheidung im Zusammenhang stehende Äußerun-gen, welche die bei der Verurteilung eines Teilnehmers zwingend notwendige Überzeugung des Gerichts von der Begehung der Taten belegen". Dass die Abtrennung des Verfahrens auf sachfremden Erwägungen beruht habe, sei nicht ersichtlich. 18 In der nachfolgenden, bis zum 29. April 2009 fortgesetzten [X.] gegen die Angeklagten wurden zahlreiche Beweiserhebungen [X.], die mit dem Antrag vom 17. Dezember 2008 - vor der Verfahrenstren-nung - beantragt worden waren; insbesondere wurden mehrere der benannten 19 - 10 - Zeugen vernommen und eine Vielzahl von Protokollen der Telefonüberwachung eingeführt. Weitere Beweisverlangen des Antrags vom 17. Dezember 2008 - insbesondere auf Vernehmung von Zeugen - wurden wegen tatsächlicher [X.] abgelehnt. cc) In den Urteilsgründen hat das [X.] ausgeführt, der frühere Mitangeklagte [X.] habe sich umfangreich und ausführlich so wie [X.] eingelassen. Er habe in zehn Beschuldigtenvernehmungen vor der Polizei sowie in der Hauptverhandlung ausgesagt, ein außergewöhnliches Bemühen um Aufklärung und Kooperation gezeigt und mit Polizei und Sicherheitsdiensten bei der Aufdeckung von Schwachstellen der [X.] zusammen-gewirkt. Das [X.] sei davon überzeugt, dass sämtliche Angaben des früheren Mitangeklagten [X.] der Wahrheit entsprechen ([X.]). Ein Motiv für Falschbelastungen der Angeklagten [X.]und [X.] sei nicht ersicht-lich ([X.]); seine Aussagen zu einzelnen Taten seien durch andere Zeugen und weitere Beweisergebnisse bestätigt worden ([X.] ff.). 20 b) Die Verfahrensrüge des Angeklagten [X.]

ist zulässig erhoben; ins-besondere erfüllt sie die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. So-weit die auf das Befangenheitsgesuch abgegebenen dienstlichen Erklärungen der abgelehnten [X.] nur in indirekter Rede wiedergegeben werden ([X.]), steht das der Zulässigkeit dieser Revision nicht entgegen. Die [X.] aller vier abgelehnten [X.] erschöpften sich in der Feststellung, sie [X.] an dem [X.] mitgewirkt. 21 c) Die Rüge ist auch begründet. Auf der Grundlage der gebotenen objek-tiven Beurteilung konnte der Angeklagte durch die Verfahrensweise des [X.] den Eindruck gewinnen, die abgelehnten [X.] stünden ihm bei der Entscheidung über die zu entscheidenden Fragen insbesondere des [X.] - 11 - fangs nicht mehr mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenüber (§ 24 Abs. 2 StPO). [X.]) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines er-kennenden [X.]s ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrun-des gemäß § 23 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des [X.]s [X.] von § 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (vgl. [X.]St 21, 142; 21, 334, 341; 24, 336, 337; [X.] NJW 1996, 1355, 1357; 1997, 1334, 1336; vgl. auch [X.], 3553; [X.] StPO 53. Aufl. § 24 Rdn. 12 f.; [X.] in [X.]. § 24 Rdn. 8; [X.] in LR 26. Aufl. § 24 Rdn. 38; jew. m.w.N.). Das betrifft nicht nur die [X.] mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbeson-dere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern auch die Mitwirkung eines erkennenden [X.]s in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat. 23 Nach diesen Kriterien grundsätzlich unbedenklich ist die Mitwirkung an einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abge-trennten Verfahren ([X.]St 50, 216, 221). Da eine solche Beteiligung an [X.] im nämlichen und in anderen damit zusammenhängenden Ver-fahren von Strafprozessordnung und Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die [X.] als solche - abgesehen von den in § 22 Nr. 4 und 5, § 23 und § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO genannten [X.] - die Besorgnis der Befangenheit aus normativen Erwägungen grundsätzlich nicht begründen. Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer [X.] als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies wäre etwa der Fall, wenn Äußerungen in [X.] - 12 - ren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der [X.] Angeklagten enthalten oder wenn ein [X.] sich bei seiner [X.] in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat ([X.]St [X.]O S. 221 f.). Hier wurde der Befangenheitsantrag u.a. darauf gestützt, dass sich die [X.] durch die abschließende Entscheidung in einem abgetrennten Verfahren zwangsläufig eine Meinung über die Täterschaft der verbliebenen Angeklagten gebildet habe. Eine notwendige [X.] des Gerichts ist [X.] - wie ausgeführt - für sich gesehen grundsätzlich kein geeigneter Befan-genheitsgrund; dies gilt auch, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und anschließend ein Schuld-spruch wegen Beteiligung an später abzuurteilenden Taten erfolgt ([X.] NJW 2006, 2864, 2866). 25 [X.]) Vorliegend waren besondere Umstände gegeben. Sie hatten einen Ursprung in der am ersten Hauptverhandlungstag bekannt gegebenen Zusiche-rung des Gerichts an den früheren Mitangeklagten [X.] , er könne bei ei-nem "umfassenden, glaubhaften Geständnis" mit einer zur Bewährung ausge-setzten Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren rechnen - eine im Hinblick auf den gegen [X.] erhobenen [X.] von 15 Verbrechen des schweren Bandendiebstahls ungewöhnlich milde Straferwartung. Zwar ist eine solche auf einer Absprache beruhende Zusicherung nicht schon für sich allein im Hinblick auf eine mögliche Befangenheit bedenklich; etwas anderes ergab sich hier aber aus dem Zusammenhang zwischen Absprache, Beweisantrag und Abtrennungsentscheidung, so dass in der Kumulation dieser Umstände der Eindruck der Voreingenommenheit entstehen konnte. Die Hauptverhandlung stand bis zur Trennung der Verfahren ersichtlich im Zeichen der Konfrontation zwischen den Einlassungen der Angeklagten [X.]und [X.], die [X.] eine 26 - 13 - führende Rolle in der Bande [X.] und die eigene Tatbeteiligung, soweit sie eingeräumt wurde, eher als randständig beschrieben, und der Einlassung des Mitangeklagten [X.] , der den Angeklagten [X.]als den führenden Kopf der Bande und den Angeklagten [X.] als für das Gelingen der Taten überaus wichtigen Mittäter bezeichnete, seine eigene Rolle aber eher als die einer Rand-figur beschrieb. Zumindest für die Bestimmung des Schuldumfangs und die Entscheidung über die [X.] musste es daher, für alle [X.] offenkundig, um die Frage gehen, welcher der gegensätzlichen Ein-lassungen zu folgen war. In dieser Verfahrenslage wurden am 17. Dezember 2008 die [X.] gestellt, die durchweg ausdrücklich auf einen Nachweis der Unglaubhaf-tigkeit der Einlassung des Mitangeklagten [X.] abzielten. Die Sitzungs-vertreterin der St[X.]tsanwaltschaft erklärte daraufhin, sie könne zu den Anträgen vorerst nicht Stellung nehmen. Gleichwohl beantragte sie - ebenso wie der [X.] des Mitangeklagten - die Abtrennung des Verfahrens gegen [X.] , woraufhin das [X.] die Verfahren alsbald antragsgemäß trennte, ohne über die Beweisanträge verhandelt, beraten oder entschieden zu haben. Hierzu konnte das [X.] ersichtlich nur gelangen, wenn es den Beweisanträgen für das Verfahren gegen [X.] von vornherein keine Be-deutung beimaß. Dies wurde dadurch bestätigt, dass die Hauptverhandlung gegen [X.] nach der Verfahrensabtrennung ohne weitere Beweisaufnahme alsbald abgeschlossen und mit der Urteilsverkündung - entsprechend der Zu-sage des Gerichts - beendet wurde. Das der Zusicherung des Gerichts und den übereinstimmenden Anträgen von St[X.]tsanwaltschaft und Verteidiger entspre-chende Urteil gegen [X.] stand unter der ausdrücklichen Bedingung, dass die Einlassung dieses Angeklagten "umfassend und glaubhaft" sein müsse; es handelte sich daher nicht, wie es in anderen Konstellationen der Fall sein könn-te, um eine in Anwendung des Zweifelssatzes getroffene Entscheidung. 27 - 14 - Unter diesen besonderen Bedingungen musste sich aus Sicht des [X.] der Eindruck aufdrängen, das Gericht stehe ihm selbst nicht mehr unbefangen gegenüber, sondern habe sich bereits eine abschließende Meinung gebildet (vgl. [X.] [X.]O § 24 Rdn. 13; [X.] [X.]O R 24 Rdn. 49). 28 cc) Darauf, dass das [X.] in der fortgesetzten Hauptverhandlung gegen die Angeklagten [X.] und [X.] über die am 17. Dezember 2008 ge-stellten Beweisanträge entschieden und die beantragten Beweise teilweise noch erhoben hat, kommt es hier nicht an. Entscheidend für die Begründetheit des Befangenheitsgesuchs war vielmehr der objektive Standpunkt des Ange-klagten zum Zeitpunkt der Verfahrensabtrennung. Unter den genannten beson-deren Umständen konnte sich dem Beschwerdeführer zu Recht der Eindruck aufdrängen, das Gericht habe sich auch in seiner Sache bereits eine endgültige Meinung gebildet und stehe ihm nicht mehr unbefangen gegenüber. 29 Die vom [X.] in der mündlichen Hauptverhandlung an-gesprochene Besorgnis einer allgemeinen Erschwerung von Verfahrensabtren-nungen in Verfahren gegen mehrere Tatbeteiligte ist unbegründet. Ob eine [X.] der Befangenheit im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO besteht, ist eine stets für den konkreten Einzelfall zu entscheidende Frage; weder selbständige [X.] in Verfahren gegen einzelne von mehreren Tatbeteiligten noch verfahrensökonomisch begründete und durch das Recht jedes Angeklagten auf ein zügiges Verfahren legitimierte Verfahrensabtrennungen können schon für sich allein die Besorgnis der Befangenheit begründen. 30 3. Die Revision des Angeklagten [X.]ist unbegründet. 31 a) Soweit dieser Beschwerdeführer, im Wesentlichen gleich lautend, ebenfalls die Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO 32 - 15 - wegen der Verwerfung des [X.] vom 22. Dezember 2008 erho-ben hat, ist die Rüge, wie der [X.] zutreffend dargelegt hat, unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ge-nügt. Der Beschwerdeführer hat weder die Tatsache noch den Inhalt der dienstlichen Erklärungen der abgelehnten [X.] vorgetragen. Dies war hier auch nicht im Hinblick auf die das Befangenheitsgesuch zurückweisende Ent-scheidung des [X.]s entbehrlich, denn diese Entscheidung erwähnte die dienstlichen Erklärungen zwar, befasste sich indes nicht mit deren Inhalt. 33 Der Umstand, dass die Erklärungen sich auf die Bekundungen be-schränkten, an der beanstandeten Entscheidung beteiligt gewesen zu sein, machte den nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zwingend vorgeschriebenen [X.]nvortrag des Beschwerdeführers ebenso wenig überflüssig wie die [X.], dass der Mitangeklagte [X.]
dieselbe Verfahrensrüge zulässig erhoben hat. 34 b) Auch unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich auf der Grundlage der für das Revisionsgericht allein Ausschlag gebenden [X.] hier kein Anhaltspunkt für einen durchgreifenden Erörterungsmangel; eine Verfahrensrüge nach § 261 StPO im Hinblick auf die Absprache des Gerichts mit dem früheren Mitangeklagten ist nicht erhoben. 35 - 16 - c) Auch im Übrigen hat die Revision des Angeklagten [X.] keinen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils aufgezeigt, so dass sein Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen war. 36 [X.] [X.] Appl
Eschelbach Ott

Meta

2 StR 455/09

30.06.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2010, Az. 2 StR 455/09 (REWIS RS 2010, 5302)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5302

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