Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2016, Az. 4 ARs 16/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 12138

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Gegenstand

Versagung der Strafrahmenmilderung bei selbst verschuldeter Trunkenheit trotz fehlender Feststellung der Risikoerhöhung im Einzelfall


Tenor

1. Der Senat versteht die Anfrage des [X.] wie folgt:

a) Die Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ist eine Ermessensentscheidung des Tatrichters.

b) Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung kann im Einzelfall die selbstverschuldete Trunkenheit die Versagung der Strafmilderung tragen, auch wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse nicht festgestellt ist.

2. Soweit der so verstandenen Anfrage Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegensteht, hält er daran nicht fest.

Gründe

I.

1

Der 3. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden, der wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden ist. Das [X.] hat dem Angeklagten eine Strafrahmenmilderung nach § 213 bzw. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt und dies damit begründet, dass die Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten auf einer von ihm selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruhe. Feststellungen zu einer vorhersehbar signifikanten Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung aufgrund persönlicher oder situativer Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2004 – 5 [X.], [X.]St 49, 239, 241) hat das [X.] nicht getroffen.

2

Der 3. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen und zu entscheiden:

"Der Tatrichter übt sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des [X.] auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht."

3

Er hat gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob deren Rechtsprechung entgegensteht und ob – sollte dies der Fall sein – daran festgehalten wird.

II.

4

Der [X.] versteht die Anfrage des [X.] wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Soweit der so verstandenen beabsichtigten Entscheidung des [X.] Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegensteht (Beschluss vom 7. September 1989 – 4 [X.], [X.]R StGB § 21 Vorverschulden 1; vgl. auch – wenngleich hinsichtlich der Vorlagefrage nicht tragend – Urteile vom 15. Dezember 2005 – 4 [X.], [X.], 274 f. und vom 23. Februar 2006 – 4 [X.], [X.], 185, 186), hält der [X.] an dieser Rechtsprechung nicht fest.

5

Bei der Entscheidung, ob dem Angeklagten die Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zugute kommen soll, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Tatrichters ([X.], Beschluss vom 24. September 1990 – 4 StR 369/90, [X.]R § 21 Strafrahmenverschiebung 21; Urteil vom 17. August 2004 – 5 [X.], [X.]St 49, 239, 241), die revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist ([X.], Urteile vom 29. Oktober 2008 – 5 [X.], [X.], 202, 203 und vom 7. Mai 2009 – 5 [X.], [X.], 496, 497). Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen ([X.], Urteile vom 24. März 2015 – 5 StR 6/15 Rn. 7 und vom 31. Juli 2014 – 4 [X.] Rn. 4). Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa [X.], Urteil vom 2. August 2012 – 3 [X.], [X.], 336 f.; [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 [X.], [X.], 310 f.; [X.], StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).

6

Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände ist dabei die selbst zu verantwortende Trunkenheit ein zu berücksichtigender Umstand unter anderen (vgl. [X.], Urteile vom 15. Dezember 2005 – 4 [X.], vom 23. Februar 2006 – 4 [X.], jeweils aaO, und vom 17. August 2004 – 5 [X.], [X.]St 49, 239, 241). Feste Regeln, die der Tatrichter bei dieser Abwägung zu beachten hätte, und insbesondere, welches Gewicht er einzelnen Umständen beizumessen hätte, befürwortet der [X.] nicht. Im Rahmen der vom Tatrichter zu treffenden Ermessensentscheidung kann deshalb auch die selbst zu verantwortende Trunkenheit den Ausschlag dafür geben, im Einzelfall die Strafmilderung nach §§ 21, 49 StGB zu versagen. Das Revisionsgericht prüft diese Ermessensentscheidung lediglich daraufhin nach, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist.

[X.]                               Roggenbuck                         [X.]

                           Mutzbauer                                 [X.]

Meta

4 ARs 16/15

28.04.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

vorgehend BGH, 15. Oktober 2015, Az: 3 StR 63/15, Beschluss

§ 21 StGB, § 49 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2016, Az. 4 ARs 16/15 (REWIS RS 2016, 12138)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12138


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 63/15

Bundesgerichtshof, 3 StR 63/15, 08.03.2018.

Bundesgerichtshof, 3 StR 63/15, 20.12.2016.

Bundesgerichtshof, 3 StR 63/15, 15.10.2015.


Az. GSSt 3/17

Bundesgerichtshof, GSSt 3/17, 24.07.2017.


Az. 2 ARs 386/15

Bundesgerichtshof, 2 ARs 386/15, 07.11.2016.


Az. 1 ARs 21/15

Bundesgerichtshof, 1 ARs 21/15, 10.05.2016.


Az. 4 ARs 16/15

Bundesgerichtshof, 4 ARs 16/15, 28.04.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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