Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.09.2014, Az. 27 W (pat) 525/14

27. Senat | REWIS RS 2014, 3097

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Therapie.TV" – zum Wesen der Dienstleistung "Telekommunikation" – Bezug zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung


Leitsatz

Therapie.TV

Die Dienstleistung „Telekommunikation“ ist nicht als rein technische Dienstleistung zu verstehen, die alle Formen der Nachrichtenübertragung umfasst und deren Wesen nicht durch die Art und den Inhalt der übertragenen Nachrichten bestimmt wird (anders: BPatG 32 W (pat) 86/05 – Traumpartner TV; 27 W (pat) 59/09 – Lingua TV).

Es besteht vielmehr ein so enger Bezug zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung, dass das entsprechende Verkehrsverständnis zwischen Technik und Inhalt insoweit nicht (mehr) trennt (vgl. BPatG 29 W (pat) 223/04 – Dating TV).

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 040 899

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 9. September 2014 durch [X.] [X.], [X.] [X.] und [X.] k.A. Schmid

beschlossen:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

[X.] Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Markenstelle hat die Anmeldung der Wortmarke

2

Therapie.[X.]

        

3

für „[X.]asse 38:Telekommunikation; Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, Hörfunksendungen, Kabelfernsehsendungen, [X.] und Rundfunksendungen über drahtlose oder drahtgebundene Netze sowie im [X.]; Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im [X.]; Bereitstellung von [X.]-[X.]; Bereitstellung von Online-Foren; Bereitstellung von Online-Plattformen, Bereitstellung von Online-Portalen, drahtlose Ausstrahlung; Ton- und Bildübertragung per Satelliten oder im [X.]; E-Mail-Dienste; Einstellen von Webseiten in das [X.] für Dritte; elektronischer Austausch von Nachrichten mittels [X.], [X.] und [X.]foren; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im [X.]; Übermittlung digitaler Dateien; Übermittlung von Nachrichten; Bereitstellen des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen; Bereitstellen des Zugriffs und Übermitteln von Ton- und Videoaufnahmen, Sammeln und Liefern von Nachrichten (Presseagenturen)

4

 [X.]asse 41:Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Dienste von Unterhaltungskünstlern; Dienste von Musikkünstlern; Unterhaltung durch einen Studiomusiker; musikalische Unterhaltung; Fernsehunterhaltung; Dienstleistungen auf den Gebieten Tonaufzeichnung und Videounterhaltung; Konzert-, Musik- und Videoveranstaltungen; Fernseh- und Rundfunkunterhaltung; Unterhaltung in Form von Bühnen- und Kabarettaufführungen; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Darbietung, Produktion und Veranstaltung von Shows, [X.], Konzerten, [X.] sowie Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Betrieb von Ton-, Film-, Video- und Fernsehstudios; Ton-, Film-, Video- und Fernsehaufzeichnungen; Musikveröffentlichungen; Komponieren von Musik; Produktion von Tonaufzeichnungen, Filmen, [X.], Fernsehsendern und Shows, Durchführung von [X.]n im [X.]; Organisation und Veranstaltung von Veranstaltungen und Unterhaltungsshows, Konzerten, Tourneen, Theateraufführungen, Tanz- und Showdarbietungen; Betrieb und Dienstleistungen eines Ton- und Fernsehstudios, Zusammenstellung von Fernsehprogrammen und Rundfunkprogrammen; Auskünfte über Freizeitaktivitäten"

5

abgelehnt. Das hat die Markenstelle damit begründet, die Wortfolge stehe für „[X.]" und entspreche einer Vielzahl von Wortkombinationen mit dem Akronym „[X.]“. Sie sei somit ein beschreibender Hinweis auf die inhaltliche bzw. thematische Ausrichtung, die Bestimmung und den Gegenstand der Dienstleistungen.

6

Der vom Anmelder beantragte [X.] „(vorgenannte Dienstleistungen, soweit sie im Zusammenhang mit Musik, Kunst, Kultur, Gesellschaft stehen)" sei unzulässig und daher unbeachtlich.

7

Der Anmelder hat gegen den ihm am 14. Mai 2014 zugegangenen Beschluss am 5. Juni 2014 Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, das Zeichen sei kein Akronym für Television, Fernsehen, sondern ohne Leerzeichen mit einem Punkt wie eine [X.] aufgebaut.

        

8

Das Amt  habe pauschal alle in Anspruch genommenen Dienstleistungen beurteilt und die Schutzunfähigkeit klassenweise festgestellt. Es habe dadurch nicht berücksichtigt, dass für verschiedene Dienstleistungen selbst bei dem von der Markenstelle zu Grunde gelegten Verständnis keine Schutzunfähigkeit vorliege (z.B.: Dienste eines Musikkünstlers oder Veranstaltung von [X.], Konzerten).

9

Zumindest sei die Marke mit dem aus dem Schreiben vom 23. Oktober 2013 vorgeschlagenen abgeänderten Dienstleistungsverzeichnis einzutragen. Diese Einschränkung sei zulässig. Lediglich ein negativ formulierter Ausnahmevermerk wäre nicht schutzbegründend, also einer, der lediglich einzelne Waren vom Verzeichnis ausnehme. Umgekehrt sei ein positiv formulierter Ausnahmevermerk, der die in Schutz genommenen Waren und Dienstleistungen konkret benenne, zulässig. Das gelte besonders für den Bereich der Medien. Dort sei eine Beschränkung auf bestimmte Inhalte oder Themata schutzbegründend.

        

Das Markenamt habe angenommen, die angemeldete Marke werde als „Therapie Fernsehen" im Sinn einer „Heilbehandlung" verstanden. Durch den positiv formulierten Ausnahmevermerk werde jedoch lediglich für die Bereiche „Musik, Kunst, Kultur, Gesellschaft" Schutz beansprucht, nicht für Heilbehandlungen oder damit verwandte Themata.

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

den Beschluss aufzuheben, und die angemeldete Marke vollständig einzutragen hilfsweise, den Beschluss aufzuheben und die angemeldete Marke mit dem mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 ([X.]) abgeänderten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis einzutragen.

Das bei der Markenstelle am 24. Oktober 2013 vorgelegte Waren- und Dienstleistungsverzeichnis enthält in [X.]. 38 den einschränkenden Zusatz: „vorgenannte Dienstleistungen, soweit sie im Zusammenhang mit Musik, Kunst, Kultur, Gesellschaft stehen“ und in [X.]asse folgende Fassung

 „41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Dienste von Unterhaltungskünstlern; Dienste von Musikkünstlern; Unterhaltung durch einen Studiomusiker; musikalische Unterhaltung; Fernsehunterhaltung; Dienstleistungen auf den Gebieten Tonaufzeichnung und Videounterhaltung; Konzert-, Musik- und Videoveranstaltungen; Fernseh- und Rundfunkunterhaltung; Unterhaltung in Form von Bühnen- und Kabarettaufführungen; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Darbietung, Produktion und Veranstaltung von Shows, [X.], Konzerten, [X.] sowie Rundfunk- und Fernsehprogrammen: Betrieb von Ton-, Film-, Video- und Fernsehstudios; Ton-, Film-, Video- und Fernsehaufzeichnungen; Musikveröffentlichungen; Komponieren von Musik; Produktion von Tonaufzeichnungen, Filmen, [X.], Fernsehsendungen und Shows, Durchführung von [X.]n im [X.]; Organisation und Veranstaltung von Veranstaltungen und Unterhaltungsshows, Konzerten, Tourneen, Theateraufführungen, Tanz- und Showdarbietungen; Betrieb und Dienstleistungen eines Ton- und Fernsehstudios, Zusammenstellung von; Fernsehprogrammen und Rundfunkprogrammen; Auskünfte über Freizeitaktivitäten (vorgenannte Dienstleistungen, soweit sie im Zusammenhang mit Musik, Kunst, Kultur, Gesellschaft stehen).“

II.

Über die Beschwerde kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, nachdem der Anmelder keine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet.

Die Beschwerde ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, fehlt dem angemeldeten Zeichen die Eignung, die versagten Dienstleistungen, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen, wobei dahinstehen kann, ob der [X.] in [X.]asse 41 sich auf alle darin beanspruchten Dienstleistungen oder nur auf die Dienstleistung „Auskünfte“ bezieht, die von den übrigen durch ein Semikolon getrennt ist - vom [X.] aber nur durch ein Komma. Der [X.] ändert nämlich an der Beurteilung wie in [X.]asse 38 auch in [X.]asse 41 nichts, da auch im Bereich Musik, Kunst, Kultur und Unterhaltung eine Sachaussage gegeben ist (siehe unten).

Dienstleistungen, die einen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen oder aufweisen können, haben - unbeschadet eines etwaigen Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 [X.], für den geringere Anforderungen gelten - keine markenrechtliche Unterscheidungskraft, wenn die Bezeichnung geeignet ist, diesen thematischen Inhalt zu beschreiben (vgl. [X.], 342 - [X.]). Hier gibt die Bezeichnung lediglich darüber Auskunft, dass die Dienstleistungen aus [X.]-Sendungen zu gesundheitserhaltenden Themata bestehen oder Informationen hierüber zum Inhalt haben.

Diese inhaltliche Aussage der angemeldeten Wortkombination ist nicht in einer Weise unbestimmt, dass ihr aufgrund Mehrdeutigkeit Schutzfähigkeit als Marke zukäme.

Zwar gibt es auch Wortverbindungen mit dem Bestandteil „[X.]“ wie „Spiegel [X.]“ etc., denen das Publikum eine herkunftshinweisende Funktion zumisst, das bedeutet aber nicht, dass alle Kombinationen mit dem Bestandteil „[X.]“ pauschal als unterscheidungskräftig anzusehen sind. Es muss vielmehr zwischen Kombinationen mit einem kennzeichnungskräftigen und solchen mit einem auf den Inhalt hinweisenden Bestandteil unterschieden werden.

Vor dem Hintergrund, dass Medien zunehmend Gesundheitsfragen unter allen möglichen Aspekten aufgreifen und hierbei neben Ernährungsberatung oder Erziehungsberatung die Suche nach der richtigen Therapieform eine wichtige Rolle spielt, sieht das Publikum in der Bezeichnung keinen individuellen Hinweis auf einen bestimmten Anbieter.

Einen bezeichnungsfähigen Inhalt können Fernsehprogramme und Hörfunksendungen in jeder technischen Sendeform aufweisen. In [X.] können z.B. Geräte zur körperlichen Ertüchtigung oder zur gesundheitsfördernden Speisenzubereitung angeboten werden, aber auch gesundheitsfördernde Mittel und Dienstleistungen wie Kuren. Über [X.] kam ein Austausch in Computernetzwerken, [X.], [X.] und [X.]foren erfolgen. Informationen im [X.], auf Online-Plattformen, in Online-Portalen, über E-Mail-Dienste sowie auf Webseiten Dritter können Angebote zu therapeutischen Zwecken zeigen oder deren Bewertung dienen. Informationen darüber können über Plattformen und Portale im [X.], digitale Dateien, Nachrichten, Bereitstellen des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen, Bereitstellen des Zugriffs und Übermitteln von Ton- und Videoaufnahmen, Sammeln und Liefern von Nachrichten (Presseagenturen) vermittelt werden.

Erziehung kann vorbeugende sowie therapeutische Wirkungen haben. Das gleiche gilt für Sport und Kultur. Ausbildung kann für Therapeuten geeignet sein. Dienste von Unterhaltungskünstlern, Musikdarbietungen und jede Form von Unterhaltung können als Therapie und zu deren Unterstützung dienen. So treten Künstler gezielt in Krankenhäusern auf und lassen dies hausintern in die Krankenzimmer über die dort installierten Fernsehgeräte übertragen. Auch gibt es [X.]ang- und Musiktherapien. Ton-, Film-, Video- und Fernsehaufzeichnungen können Lerninhalte für Kranke und Therapeuten enthalten, Anweisungen zum Mitmachen bestimmter therapeutischer Übungen geben oder meditative Musik und Bilder wiedergeben. [X.] im [X.] können speziell für bettlägerige oder stationär behandelte Patienten angeboten werden. Auch bei Veranstaltungen können entsprechende Ratschläge vermittelt werden, wobei als Veranstalter oft Fernsehsender auftreten. Dabei mag „Therapie.[X.]“ als Titel wirken. Das aber ist nicht mit markenrechtlicher Unterscheidungskraft gleichzusetzen. Auskünfte über Freizeitaktivitäten können Ratschläge über therapeutisch sinnvolle Aktivitäten geben.

Für die einschlägigen Waren und Dienstleistungen hat das [X.] auch ähnlichen Zeichen die Eintragung verwehrt (29 W (pat) 27/05 – [X.]-Wartezimmer; 30 W (pat) 69/02 – Single [X.]; 32 W (pat) 86/05 – Traumpartner [X.]; 32 W (pat) 278/02 – Talent [X.]), allerdings teilweise nicht hinsichtlich der Dienstleistungen Telekommunikation.

Insoweit weicht der Senat von der Rechtsprechung ab, die Dienstleistung „Telekommunikation“ sei als rein technische Dienstleistung zu verstehen, die alle Formen der Nachrichtenübertragung mit Anlagen der Informationstechnik umfasse und deren Wesen nicht durch die Art und den Inhalt der übertragenen Nachrichten bestimmt werde ([X.] (pat) 86/05 – Traumpartner [X.]; 27 W (pat) 59/09 – Lingua [X.]).

Nach Ansicht des Senats besteht vielmehr ein so enger Bezug zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung, dass das entsprechende Verkehrsverständnis  zwischen Technik und Inhalt insoweit nicht (mehr) trennt ([X.] (pat) 223/04 – Dating [X.]).

Das zeigt auch die Formulierung im streitgegenständlichen Dienstleistungsverzeichnis in [X.]asse 38: „Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, Hörfunksendungen, Kabelfernsehsendungen, [X.] und Rundfunksendungen über drahtlose oder drahtgebundene Netze sowie im [X.]“. Ginge es allein um die technische Dienstleistung, wäre die Nennung von [X.], das Art und Inhalt einer Sendung beschreibt, überflüssig.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen der divergierenden Rechtsprechung zum Verständnis von „Telekommunikation“ zugelassen.

Meta

27 W (pat) 525/14

09.09.2014

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.09.2014, Az. 27 W (pat) 525/14 (REWIS RS 2014, 3097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3097

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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