Bundessozialgericht, Urteil vom 18.06.2013, Az. B 2 U 10/12 R

2. Senat | REWIS RS 2013, 4963

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - sachlicher Zusammenhang - Überfall - Vergewaltigung - Garage - Motiv des Täters - persönliche Beziehung - Schutzbereich - begünstigender Umstand


Leitsatz

Ein Überfall aus dem persönlichen Bereich des Versicherten zurechenbaren Gründen während des Zurücklegens des Weges nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit begründet keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 16. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Überfalls am [X.] als Arbeitsunfall streitig.

2

Die Klägerin, die an einer Schule beschäftigt ist, lernte den Täter (im Folgenden: [X.]) 1993 kennen, während dieser in Untersuchungshaft saß. Nachdem [X.] eine mehrjährige Freiheitsstrafe verbüßt und am 19.9.2008 aus der Haft entlassen worden war, nahm er wieder Kontakt zu ihr auf. Die von [X.] angestrebte feste Beziehung kam nicht zustande. Die Klägerin beendete die Beziehung am 16.2.2009 endgültig. [X.] reiste am [X.] zum Wohnort der Klägerin, um nochmals mit ihr zu sprechen. Er wartete am Morgen des [X.] ab 8 Uhr vor dem Haus darauf, dass sie herauskam. Die Klägerin verließ das Haus um ca 8.50 Uhr und ging zu der nur von außen zugänglichen Garage, um zu ihrer Arbeitsstelle zu fahren. Nachdem sie die Garage betreten und ihre Tasche auf den Beifahrersitz ihres Autos gestellt hatte, zog sie das Garagentor weiter auf. In diesem Moment betrat [X.] die Garage, fesselte die Klägerin und brachte sie zunächst in die angrenzende Waschküche, dann in den Heizungskeller. Schließlich vergewaltigte er sie in der Garage in ihrem Kraftfahrzeug.

3

Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte mit Bescheid vom [X.] die Feststellung des Ereignisses vom [X.] als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Den Widerspruch der Klägerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom [X.] zurück. Der [X.] stehe nicht unter Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, weil die Motive für den Überfall allein im privaten Bereich der Klägerin gelegen hätten. Auch sei nicht erkennbar, dass [X.] sich bei seiner Tat besondere Gegebenheiten des Weges der Klägerin zu ihrer Tätigkeit zu Nutze gemacht habe.

4

Das [X.] hat mit Urteil vom 19.5.2011 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom [X.] um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Es könne offenbleiben, ob der Versicherungsschutz der Klägerin in der gesetzlichen Versicherung deshalb entfalle, weil es sich um einen auf persönlichen Gründen beruhenden vorsätzlichen Angriff gehandelt habe. Denn besondere, dem versicherten Weg zuzuordnende Verhältnisse in den nach außen abgeschirmten Räumen der Garage, der Waschküche und des Heizungskellers hätten den Angriff erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt.

5

Das L[X.] hat auf die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 16.1.2012 das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es [X.] ausgeführt, zwar bestehe bei tätlichen Angriffen Versicherungsschutz, wenn der Täter aus [X.] Motiven handele oder dem Versicherungsschutz unterfallende Sit[X.]tionen ausnutze. Ein Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit entfalle jedoch dann, wenn die Motive - wie hier - aus der persönlichen Beziehung zwischen Opfer und Täter herrührten. Auf die objektiven Umstände und die Beschaffenheit des Weges komme es dann nicht an. Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass die dem versicherten Bereich zuzuordnenden Verhältnisse die Tat wenigstens begünstigt hätten.

6

Die Klägerin rügt mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Revision die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 [X.]B VII iVm §§ 2, 3 und 6 [X.]B VII. Zwar habe sich bei dem Überfall kein typisches, über § 8 Abs 2 [X.]B VII abgesichertes Wegerisiko verwirklicht. Es entspreche jedoch dem Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, Arbeitnehmer zu schützen, die auf dem Weg zu ihrer Arbeit Opfer eines [X.] werden, zu dem sie keinen persönlichen Beitrag, zum Beispiel durch Provokation oder einen Streit, geleistet hätten. Da die Zufälligkeit des Geschehens eine typische Eigenschaft eines Unfalles darstelle, könne das Risiko, auf dem Weg zur Arbeit Opfer eines durch persönliche Beziehungen motivierten [X.] zu werden, nicht anders behandelt werden als das Risiko, einen fremdverschuldeten Verkehrsunfall zu erleiden. Auch hätten die dem versicherten Bereich zuzuordnenden Verhältnisse den Angriff erst ermöglicht bzw begünstigt. [X.] habe die Tat ungestört und ohne die Gefahr vor Entdeckung wegen der ihm bekannten, zum geschützten Arbeitsweg gehörenden, nicht einsehbaren Räume begehen können und den versicherten Weg vom Verlassen des Hauses bis zum Auto als einzige Möglichkeit für die Tatbegehung gewählt.

7

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 16. Jan[X.]r 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2011 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision gegen das Urteil des [X.] vom 16. Jan[X.]r 2012 zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zwar habe sich die Klägerin unmittelbar vor dem Überfall auf dem gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 [X.]B VII versicherten Weg zur Arbeit befunden. Es habe sich jedoch keine der versicherten Tätigkeit innewohnende Gefahr und auch kein typisches Wegerisiko, sondern eine unversicherte allgemeine Gefahr verwirklicht, so dass kein Arbeitsunfall vorliege. [X.] habe nämlich die Klägerin ausschließlich aus einer aus ihrer vorherigen Beziehung und deren Ende herrührenden Motivation angegriffen. Das Zurücklegen des Arbeitsweges habe die Tat nicht wesentlich verursacht oder auch nur wesentlich gefördert, weil [X.] nicht die besonderen räumlichen Gegebenheiten des Weges, sondern die des Privathauses der Klägerin für die Tatbegehung ausgenutzt habe.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht auf die Berufung der [X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Bescheid der [X.] vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] ist rechtmäßig. Die Klägerin hat durch den Überfall am [X.] keinen Arbeitsunfall erlitten.

1. Die Klägerin hat ihre Klage zulässig auf die Anfechtung des Verwaltungsaktes der [X.] sowie die Feststellung des Eintritts eines Versicherungsfalles beschränkt. Der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 [X.]G und § 55 Abs 1 [X.] [X.]G steht in Fällen der vorliegenden Art, in denen allein die vom Versicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles als Versicherungsfall begehrt wird, die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen (vgl zB B[X.] vom [X.] U 46/03 R - [X.] 4-2700 § 2 [X.] RdNr 4 und vom [X.] - [X.] U 23/09 R - [X.] Aktuell 2010, 897, 899).

2. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherte" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen [X.] oder den Tod der Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl B[X.] vom [X.] - B[X.]E 111, 52 = [X.] 4-2700 § 2 [X.], Rd[X.]0; vom [X.] - [X.] 4-2700 § 8 [X.] RdNr 25 und vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - [X.] Aktuell 2013, 251, zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] 4 vorgesehen).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Klägerin war vor dem als Arbeitsunfall allein in Betracht kommenden Überfall am Morgen des [X.] auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte in einer Schule kraft Gesetzes zwar nicht als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 [X.] [X.]B VII versichert, wohl aber in der [X.] gemäß § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII (dazu a). Die von der Klägerin auf diesem Weg durch den Überfall erlittenen Einwirkungen iS des § 8 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII begründeten jedoch keinen Arbeitsunfall, weil sie nicht iS von § 8 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII "infolge" des Zurücklegens des versicherten Weges auftraten und damit nach dem Schutzzweck der Norm nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen waren (dazu b).

a. Die Klägerin war während ihrer Tätigkeit in einer Schule als Beschäftigte iS von § 2 Abs 1 [X.] [X.]B VII versichert. Der Überfall und die Vergewaltigung durch [X.] ereigneten sich außerhalb dieser Tätigkeit und standen mit dieser auch nicht in Zusammenhang. Die Klägerin verrichtete jedoch unmittelbar vor dem Angriff des [X.] eine versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII und war deshalb Versicherte, denn sie befand sich auf dem unmittelbaren Weg von ihrer Wohnung zum Ort der versicherten Beschäftigung nach § 2 Abs 1 [X.] [X.]B VII. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten [X.] angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) hatte sie unmittelbar vor dem Überfall in der Absicht, die Arbeitsstätte zu erreichen, am Morgen des [X.] die Außentür ihres Hauses durchschritten und ihre nur von außen zugängliche Garage betreten. Zwar ist eine direkt vom Haus aus zugängliche Garage dem unversicherten häuslichen Bereich zuzurechnen, so dass der [X.]sschutz erst mit dem Durchschreiten oder Durchfahren des Garagentors beginnt (vgl B[X.] vom [X.] [X.] - B[X.]E 63, 212, 213 f = [X.] 2200 § 550 [X.] mwN). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Garage - wie hier - nur von außen zugänglich ist. Wird eine solche Garage aufgesucht, um mit dem dort abgestellten Fahrzeug zur Arbeitsstätte zu gelangen, so beginnt der Versicherungsschutz der [X.] bereits nach dem Durchschreiten der Außentür des Hauses und besteht in der Garage fort (vgl B[X.] vom 27.10.1976 - 2 [X.] - B[X.]E 42, 293, 295 = [X.] 2200 § 550 [X.] und vom 28.6.1988 - 2 RU 14/88 - [X.] 88112, jeweils mwN).

b. Wie der Senat in seinem Urteil vom 13.11.2012 ([X.] U 19/11 R - [X.]O mwN) ausgeführt hat, besteht die Einstandspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung für versicherte Wege iS des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte [X.] schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert zweistufig die Erfüllung 1. tatsächlicher und 2. darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung (und in gleicher Weise muss die Einwirkung den [X.] oder den Tod) sowohl objektiv (1. Stufe - hierzu [X.]) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe - hierzu [X.]) verursacht haben (vgl B[X.] vom [X.] - [X.]O Rd[X.]0 ff). Vorliegend hat zwar das Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte objektiv die Einwirkungen durch den Überfall des [X.] verursacht, dieser Weg war jedoch nicht rechtlich wesentlich hierfür iS von § 8 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII (dazu cc).

[X.]. Auf der 1. Stufe muss die versicherte Verrichtung iS der "[X.]" eine erforderliche Bedingung des Erfolges (stets neben anderen Bedingungen) sein. Sie muss [X.] des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur als (bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare) zufällige Randbedingung anzusehen sein. Ob die versicherte Verrichtung eine [X.] für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage (vgl B[X.] vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - [X.]O Juris Rd[X.]5 f).

[X.]. Auf der 2. Stufe ist festzustellen, ob sich die durch die versicherte Tätigkeit objektiv verursachte Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten [X.]es fallenden Gefahr darstellt und deshalb die versicherte Tätigkeit "wesentlich" war, ob also sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte [X.] gerade Schutz gewähren soll. Die Einstandspflicht des [X.] wird nur begründet, wenn die durch die versicherte Verrichtung objektiv mitverursachte Einwirkung auf den Versicherten eine Gefahr mitverwirklicht hat, gegen die die begründete Versicherung schützen soll.

Andere unversicherte Mitursachen können die rechtliche Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten [X.]n das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte [X.] verdrängen, so dass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen [X.]es unterfällt. Die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten [X.]n und ihre Mitwirkungsanteile sind in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des [X.]es zu bewerten (vgl B[X.] vom [X.] - [X.]O Rd[X.]6 und vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - [X.]O Juris RdNr 43).

cc. Nach diesen Maßstäben war das versicherte Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte auch während des Aufenthalts in der Garage eine Ursache für die Einwirkung durch den Überfall des [X.] Objektiv mitursächlich hierfür war aber auch die persönliche Beziehung zwischen der Klägerin und [X.] Den vom [X.] bindend festgestellten Umständen ist zu entnehmen, dass [X.] die Klägerin allein deshalb aufsuchte, weil diese die frühere engere Beziehung zu ihm gegen seinen Willen beendet hatte, und es infolgedessen zu dem Überfall kam. Die sich damit auf der zweiten Stufe stellende Frage, ob sich durch den Überfall rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen eine in den Schutzbereich der [X.] fallende Gefahr realisiert hat, ist zu verneinen. Zwar schützt die [X.] nach ständiger Rechtsprechung auch vor Überfällen, denn die Auslegung des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII ergibt, dass nach seinem Wortlaut und nach der historischen Entwicklung der [X.] diese Gefahr vom Versicherungsschutz in der [X.] grundsätzlich erfasst wird (vgl zB B[X.] vom 10.12.1957 - 2 [X.] - B[X.]E 6, 164, 167 mwN; vom [X.] - 2 RU 170/59 - B[X.]E 17, 75, 77 = [X.] [X.]7 zu § 543 RVO; vom 15.12.1977 - 8 [X.] - [X.] 1978, 111; vom 30.6.1998 - [X.] U 27/97 R - [X.] 98150; vom 18.11.2008 - [X.] U 27/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]0 RdNr 27; so auch [X.] 2012, 131, 132; aA wohl [X.] [X.]b 2012, 684, 688; vgl auch das Urteil des Senats vom 18.6.2013 - [X.] U 7/12 R mwN). Die weitere unversicherte Mitursache der persönlichen Beziehung zwischen der Klägerin und [X.] hat hier das Geschehen aber derart geprägt, dass auch unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten des Weges die versicherte Tätigkeit als Ursache zurücktritt und wesentliche Ursache allein die nicht vom Schutzzweck der [X.] erfassten privaten Kontakte zwischen der Klägerin und [X.] waren.

Die gesetzliche Unfallversicherung schützt während des Zurücklegens des Weges nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit vorrangig gegen Gefahren, die sich während der gezielten Fortbewegung im Verkehr aus eigenem, gegebenenfalls auch verbotswidrigem Verhalten, dem [X.] anderer Verkehrsteilnehmer oder Einflüssen auf das versicherte Zurücklegen des Weges ergeben, die aus dem benutzten Verkehrsraum oder Verkehrsmittel auf die Fortbewegung wirken (vgl B[X.] vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - [X.]O RdNr 45 ff). In den Schutzbereich der [X.] des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII fallen aber auch grundsätzlich Überfälle auf den Versicherten auf dem Weg zur Arbeit, soweit sie rechtlich wesentlich durch das Zurücklegen des Weges bedingt sind. Die Gefahr, aufgrund eigener privater Beziehungen, Kontakte oder sonstiger aus dem persönlichen Bereich stammender Umstände Opfer eines Überfalls (unabhängig vom Ort der Tat und dessen besonderen Verhältnissen) zu werden, wird dagegen nicht vom Schutzbereich der [X.] erfasst. Denn eine solche Gefahr besteht nicht nur auf öffentlich zugänglichen Wegen, sondern auch im häuslichen Bereich und stellt keine beim Zurücklegen eines Weges spezifische Gefahr dar.

Bei der folglich im vorliegenden Verfahren erforderlichen Abwägung, welche Ursache rechtlich wesentlich für die Einwirkungen durch den Überfall auf die Klägerin war, tritt das versicherte Zurücklegen des Weges zur Schule als Mitursache hinter den nicht versicherten Angriff des [X.] aufgrund der persönlichen Beziehungen zwischen ihm und der Klägerin so weit zurück, dass der Weg nicht "wesentliche" Ursache und damit Ursache im rechtlichen Sinne für die durch den Überfall bewirkten Einwirkungen ist. Nach den vom [X.] bindend festgestellten Umständen war die persönliche Beziehung zwischen Klägerin und [X.] sowohl für den Ort als auch für den Zeitpunkt und für die Art und Weise des Überfalls prägend. Wie auch die Klägerin selbst ausführt, waren [X.] aufgrund der in der Vergangenheit bestehenden Kontakte zur Klägerin die örtlichen Gegebenheiten und, soweit er hierüber Kenntnisse besaß, Zeitpunkt und die Art und Weise des Antritts des Weges zur Arbeitsstätte bekannt. Auch Grund und Art des Angriffs waren durch die Art der Kontakte zur Klägerin bestimmt.

Zwar wird dann, wenn die Verhältnisse des zurückzulegenden Weges von und zu der Arbeitsstätte einen grundsätzlich nicht unter den Versicherungsschutz fallenden Überfall erst begünstigen oder ermöglichen, angenommen, dass der Weg dann als rechtlich wesentliche Ursache den Versicherungsschutz in der Wegeversicherung begründen kann (vgl zB B[X.] vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R - B[X.]E 87, 224, 226 = [X.] 3-2202 § 548 [X.] mwN). Vorliegend waren jedoch die das Zurücklegen des versicherten Weges kennzeichnenden Umstände für den Überfall weit weniger bestimmend als die Gründe aus der persönlichen Beziehung der Klägerin zum [X.]

Anderes ergibt sich nicht aus den bindenden Feststellungen des [X.]. Die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten der Tat, ua die lediglich halb geöffnete Garage mit den dahinter befindlichen Räumen ohne weiteren Zugang, waren keine Verhältnisse, die abweichend von der üblichen Beschaffenheit von Wegen ein erhöhtes Gefahrenpotential begründen konnten. Dass die Klägerin sich aus Furcht vor [X.] nur auf den Wegen nach und von ihrer Beschäftigung allein ohne Begleitung bewegte, ist den Feststellungen des [X.] im Übrigen nicht zu entnehmen. Darüber hinaus wäre dies kein objektiv die Beschaffenheit des Weges betreffender Umstand, sondern würde auf der nicht in den Schutzbereich der [X.] fallenden, allein dem persönlichen Bereich der Klägerin zuzuordnenden Gefährdungslage beruhen.

Soweit die Klägerin geltend macht, der Ausschluss des Unfallversicherungsschutzes für Überfälle aufgrund persönlicher Beziehungen im Unterschied zu fremdverschuldeten Verkehrsunfällen benachteilige sie ohne rechtfertigenden Grund, und damit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG rügen will, verkennt sie, dass die Ungleichbehandlung durch den oben dargestellten Schutzzweck der [X.] gerechtfertigt ist, die ausschließlich von den Arbeitgebern finanziert wird und schon deshalb Überfälle auf den Versicherten aus privaten Gründen nicht umfassen kann. Daher kann offenbleiben, ob es sich bei überfallenen und an einem Verkehrsunfall beteiligten Versicherten überhaupt um iS des Art 3 Abs 1 GG vergleichbare Personengruppen handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 2 U 10/12 R

18.06.2013

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Speyer, 19. Mai 2011, Az: S 8 U 101/10, Urteil

§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.06.2013, Az. B 2 U 10/12 R (REWIS RS 2013, 4963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4963

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2 U 37/99

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