Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.02.2013, Az. IX B 178/12

9. Senat | REWIS RS 2013, 8160

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Gegenstand

Versagung rechtlichen Gehörs durch Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung - Wahrnehmung der Rechte des Beteiligten durch prozessbevollmächtigten und in selber Kanzlei tätigen Ehegatten


Leitsatz

NV: Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe (z.B. die Erkrankung seiner Prozessbevollmächtigten) geltend gemacht hat. Ihm steht es auch dann frei, seine Rechte (einschließlich des Anspruchs auf rechtliches Gehör) durch seine Prozessbevollmächtigte wahrnehmen zu lassen, wenn diese mit ihm verheiratet ist und beide Ehegatten in einer Kanzlei tätig sind .

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) u.a. die Verletzung seines Rechts auf Gehör geltend macht, ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] ([X.]) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der [X.]sordnung --[X.]O--). Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel [X.] von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O; es verletzt den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 [X.]O, § 119 Nr. 3 [X.]O).

2

Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminsverlegung gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das [X.] ist in einem solchen Falle verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen (z.B. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 1. Februar 2002 II B 38/01, [X.] 2002, 938, m.w.N.). Zu den erheblichen Gründen [X.] von § 155 [X.]O i.V.m. § 227 ZPO gehört auch die Erkrankung des Prozessbevollmächtigten (z.B. [X.] vom 10. März 2005 IX B 171/03, [X.] 2005, 1578, m.w.N.). Denn dem Verfahrensbeteiligten steht es frei, seine Rechte (einschließlich des Anspruchs auf rechtliches Gehör) durch einen Prozessbevollmächtigten wahrnehmen zu lassen (BFH-Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 93/76, [X.], 310, BStBl II 1979, 702; [X.] vom 16. November 2006 IX B 83/06, [X.] 2007, 476, und vom 26. Mai 1992 VII R 26/91, [X.] 1993, 177, unter 2.b; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 91 [X.]O Rz 102).

3

Nach diesen Grundsätzen durfte das [X.] den Terminsverlegungsantrag des [X.] nicht ablehnen. Der Hinweis auf dessen Tätigkeit als Anwalt in derselben Kanzlei und seine Möglichkeit, deshalb selbst seine Interessen im Termin wahrzunehmen, ist keine hinreichende Begründung. Voraussetzung wäre u.a., dass der Kläger der Sozietät eine Prozessvollmacht erteilt hätte (vgl. dazu z.B. [X.] vom 7. April 2004 I B 111/03, [X.] 2004, 1282, und in [X.] 2007, 476, m.w.N.; [X.] in [X.], § 91 [X.]O Rz 103); dies ist indes nicht geschehen: Der Kläger hat ausschließlich seine Ehefrau mit der Prozessführung betraut.

4

Der Kläger hat seinen Terminsverlegungsantrag durch den Hinweis auf die Erkrankung seiner Prozessbevollmächtigten (und Ehefrau) sowie durch Vorlage der diese Erkrankung bestätigenden Bescheinigung des [X.] hinreichend substantiiert. Da dies am Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung geschah, hätte das [X.], wenn ihm die Begründung für eine Terminsverlegung nicht ausreichend erschien, den Kläger zur Ergänzung seines Vortrags auffordern müssen; höhere Anforderungen an die Darlegung und (ggf.) Glaubhaftmachung des Antragstellers gelten nur bei einem "in letzter Minute" gestellten Antrag ([X.] in [X.] 2005, 1578, unter 1.a), der im Streitfall nicht gegeben ist.

5

Der Senat hält es für sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 [X.]O die Vorentscheidung wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. Diesem wird auch die Kostenentscheidung nach § 143 Abs. 2 [X.]O übertragen.

Meta

IX B 178/12

15.02.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 11. Oktober 2012, Az: 6 K 680/11, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 155 FGO, § 227 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.02.2013, Az. IX B 178/12 (REWIS RS 2013, 8160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8160

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