VG München, Urteil vom 13.02.2019, Az. M 5 K 18.859

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Gegenstand

Keine Rückkehr in das ursprüngliche Dienstverhältnis bei Abbruch des Sonderurlaubs


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren

Tatbestand

Der Kläger steht als verbeamteter Professor (Besoldungsgruppe W3) in Diensten des Beklagten und war bis 30. September 2014 nicht hauptberuflicher Präsident der Hochschule für … … … … (Hochschule).

Mit Schreiben des bayerischen Staatsministeriums für … … (Staatsministerium) vom 13. Mai 2014 und 21. Mai 2015 wurde der Kläger antragsgemäß zunächst für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2015 und sodann vom 1. Oktober 2015 bis 30. September 2018 unter Fortfall der Leistungen des Dienstherrn beurlaubt (Sonderurlaub), um seine Berufung zum Rektor der Universität … in … / … (…) im Studienjahr 2014/15 bzw. für die vollständige Amtszeit von 4 Jahren wahrnehmen zu können.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 22. Juni 2016 unter dem Betreff „Antrag zur Auflösung der Beurlaubung“ beim Staatsministerium „die Aufhebung meiner Beurlaubung sowie die Rückkehr in mein ursprüngliches Dienstverhältnis“, weil sein Arbeitsvertrag in … und seine Tätigkeit als Rektor mit Ablauf des 30. Juni 2016 enden würden. Zudem wies er darauf hin, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht möglich sei, seine Tätigkeit an der Hochschule auszuüben. Hierzu legte er eine entsprechende Bestätigung des …s über eine Auflösungsvereinbarung und eine fachärztliche Stellungnahme des Uniklinikums … vom 22. Juni 2016 vor.

Der Bevollmächtigte des Klägers wies mit Schreiben an die Hochschule vom 7. September 2016 darauf hin, dass dieser seit dem 1. Juli 2016 wieder (aktiver) Beamter des Beklagten sei und selbstverständlich Anspruch auf entsprechende Alimentation habe.

Das Staatsministerium teilte dem Kläger mit Schreiben vom 9. September 2016 mit, dass es für die Bearbeitung dessen Antrags auf Widerruf seiner Beurlaubung noch nähere Informationen über den Inhalt der Auflösungsvereinbarung mit dem … benötige und forderte ihn auf, eine Kopie dieser Vereinbarung zuzusenden.

Mit Schriftsatz vom 19. September 2016 erhob der Bevollmächtigte des Klägers für diesen eine Untätigkeitsklage gegen den Beklagten - vertreten durch die Hochschule - zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (eingegangen am 21.9.2016; ursprünglich M 5 K 16.4308, nunmehr M 5 K 18.6023) mit dem Ziel der Auszahlung dem Kläger seit dem 1. Juli 2016 zustehender Dienstbezüge. Die Beurlaubung habe am 30. Juni 2016 geendet, weil die Tätigkeit als Rektor der Universität … einvernehmlich zum 30. Juni 2016 beendet worden sei.

Vom Staatsministerium forderte der Bevollmächtigte des Klägers zunächst mit Schreiben vom 22. September 2016 die Benennung einer Rechtsgrundlage für die geforderte Vorlage der Auflösungsvereinbarung und wies sodann mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 darauf hin, dass die von einem Nichtjuristen (dem Kläger) gewählte Bezeichnung „Antrag auf Widerruf der Beurlaubung“ fachlich unzutreffend sei und es auf das tatsächliche Rechtsschutzbegehren ankomme. Das Staatsministerium wiederholte seine Aufforderung zur Vorlage der Auflösungsvereinbarung sowie etwaiger damit in Zusammenhang stehender Nebenvereinbarungen mit Schreiben vom 18. Oktober 2016. Der Bevollmächtigte des Klägers erklärte mit Schreiben vom 11. November 2016, dass es einen Antrag „auf Widerruf“ der Beurlaubung nicht gebe. Es bleibe also dabei, dass mit dem Wegfall der tatsächlichen Gründe für die Beurlaubung diese auch beendet sei. Daraufhin teilte das Staatsministerium dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 15. November 2016 mit, dass es bisher den Antrag des Klägers vom 22. Juni 2016 als Antrag auf Abbruch des Urlaubs ausgelegt habe. Dem Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 11. November 2016 entnehme es nunmehr, dass der Antrag des Klägers als Antrag auf Auszahlung von Dienstbezügen und nicht im oben genannten Sinne zu verstehen sei. Für die Auszahlung von Dienstbezügen sei das Staatsministerium sachlich unzuständig. Der Antrag des Klägers vom 22. Juni 2016 werde daher wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Einen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 26. April 2017 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, den Beklagten - vertreten durch die Hochschule - zu verpflichten, dem Kläger für die Dauer von sechs Monaten vorläufig Dienstbezüge in Höhe von monatlich 3.500 EUR (netto) zu zahlen, lehnte das Gericht mit Beschluss vom 1. August 2017 ab (M 5 E 17.1812).

Die dagegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 zurück (3 CE 17.1564). Der Verwaltungsakt der Bewilligung von Sonderurlaub habe sich nicht erledigt. Dass sich die Erwartungen eines Beurlaubten hinsichtlich der Verwendung des Urlaubs nicht erfüllten, könne nicht von selbst zur Beendigung des Urlaubs führen. Vielmehr sei dem Dienstherrn für den Fall, dass der Beamte aus wichtigen Gründen den Urlaub abbrechen wolle und dies mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar sei, ein Ermessen eingeräumt. Weiter habe das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Urlaubsbewilligungen vom 13. Mai 2014 und 21. Mai 2015 keine auflösenden Bedingung enthielten, sondern neben der jeweils enthaltenen Befristung nur den Zweck des Sonderurlaubs angaben, um dessen Gewährung zu rechtfertigen. Der Eilantrag sei ausdrücklich nicht auf Widerruf des Sonderurlaubs gerichtet gewesen. Soweit der Kläger auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage abhebe, stehe dem bereits entgegen, dass dieses Rechtsinstitut auf die Anpassung und Beendigung von (auch öffentlich-rechtlichen) Verträgen abziele und darüber hinaus nur aufgrund gesetzlicher Anordnung zur Anwendung kommen könne.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2017, bei der Hochschule eingegangen am 20. Oktober 2017, beantragte der Bevollmächtigte des Klägers für diesen bei der Hochschule unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2017 „rein vorsorglich, den Sonderurlaub zu widerrufen“. Nach Aufforderung durch das Staatsministerium vom 8. November 2017 legte der Kläger die Auflösungsvereinbarung betreffende Unterlagen vor.

Das Staatsministerium lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 8. Januar 2018 ab, weil die Tatbestandsvoraussetzungen eines Widerrufs des Sonderurlaubs nicht erfüllt seien. Durch die Auflösungsvereinbarung sei das Dienstverhältnis des Klägers als Rektor des …s beendet worden. Damit sei der Zweck des Sonderurlaubs entfallen. Hierin könne ein wichtiger Grund für den Abbruch des Sonderurlaubs gesehen werden. Ein Widerruf der Genehmigung des Sonderurlaubs sei jedoch nicht mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar. Im Falle einer Rückkehr des Klägers aus dem Sonderurlaub sei im Zusammenhang mit einem laufenden Strafverfahren mit einer vorläufigen Dienstenthebung zu rechnen. Der Kläger würde damit seine Tätigkeit als Professor an der Hochschule nicht wieder aufnehmen können. Ein Widerruf des Sonderurlaubs würde somit der Hochschule bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben in Forschung und Lehre nicht dienen. Des Weiteren würde angesichts der zweitinstanzlich erfolgten Verurteilung des Klägers wegen sexueller Nötigung mit Gewalt gegenüber einer Dozentin, die derzeit Mitglied der Hochschulleitung sei, eine Störung des Betriebsfriedens durch die Möglichkeit eines Zusammentreffens zu befürchten sein. Das dienstliche Erfordernis der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Hochschule stehe damit einem Widerruf des Urlaubs entgegen. Schließlich habe die Hochschule im Vertrauen auf den Bestand des Sonderurlaubs des Klägers und in der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht, das Lehrangebot an der Hochschule sicherzustellen, über die Stelle des Klägers bis zum 30. September 2018 anderweitig verfügt, sodass auch insoweit dienstliche Interessen einem Widerruf entgegenstünden. Planungssicherheit und Dispositionsfreiheit bei der Stellenverwaltung wären nicht mehr gegeben, wenn ein beurlaubter Beamter jederzeit nach Kündigung bzw. einvernehmlicher Aufhebung des während des Sonderurlaubs angetretenen Arbeitsverhältnisses seine sofortige Rückkehr in den Staatsdienst würde verlangen können. Eine Hochschule müsse die Möglichkeit haben, in der Zwischenzeit die Stelle eines beurlaubten Beamten anderweitig einzusetzen.

Dagegen hat der Bevollmächtigte des Klägers für diesen mit Schriftsatz vom 22. Februar 2018 Klage gegen den Beklagten - vertreten durch das Staatsministerium - zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und zuletzt beantragt,

festzustellen, dass sich die Genehmigung des Sonderurlaubs für den Kläger für die Wahrnehmung des Amts des Rektors an der Universität … … durch die Beendigung dieser Tätigkeit zum 30. Juni 2016 erledigt hat,

hilfsweise unter Abänderung des Bescheids des Staatsministeriums vom … Januar 2018 den Beklagten zu verpflichten, die Genehmigung des Sonderurlaubs ab 1. Juli 2016 rückwirkend zu widerrufen,

weiter hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Widerruf der Genehmigung des Sonderurlaubs ab 1. Juli 2016 rückwirkend unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Bescheid vom … Januar 2018 stelle zutreffend fest, dass der Zweck des Sonderurlaubs entfallen sei. Damit habe sich selbstverständlich auch das zugrunde liegende Rechtsgeschäft erledigt. Entscheidend sei das erkennbare Rechtsschutzziel des Antrags vom 22. Juni 2016 („Rückkehr in ein ursprüngliches Dienstverhältnis“). Dies habe das Staatsministerium ebenso verkannt wie die Fürsorgepflicht. Es sei im Übrigen derzeit völlig offen, wie die beiden Strafverfahren ausgingen. Es liege noch nicht einmal ein rechtskräftiges Urteil vor. Die behauptete „Störung des Dienstfriedens“ werde in keiner Weise substantiiert, sondern nur pauschal behauptet und bestritten. Der Beklagte habe vollständig den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus dem Blick verloren. Schließlich habe das Staatsministerium es auch vollständig unterlassen, die nach wie vor fehlende Dienstfähigkeit des Klägers zu würdigen.

Ohne die einvernehmliche Aufhebung des Dienstverhältnisses in … würde es zu einem bereits beschlossenen Abberufungsverfahren der Universität … gekommen sein. Der Kläger habe sich deshalb, vor allem um eine Ansehensschädigung für die Hochschule zu vermeiden, aber auch im Hinblick auf seine angeschlagene Gesundheit, mit der einvernehmlichen Aufhebung des Dienstverhältnisses in … einverstanden erklärt.

Mit Schriftsatz vom 3. April 2018 hat das Staatsministerium für den Beklagten seine Akten vorgelegt und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Genehmigung des Sonderurlaubs sei rechtswirksam und bestandskräftig. Sie sei insbesondere nicht unter einer auflösenden Bedingung ausgesprochen worden. Ein Anspruch auf Erlass eines Widerrufs bestehe nicht. Die Voraussetzungen der Vereinbarkeit des Abbruchs des Urlaubs mit den Erfordernissen des Dienstes seien nicht erfüllt. Der Grund dafür, dass eine vorläufige Dienstenthebung bisher noch nicht ausgesprochen worden sei, liege in der noch wirksamen Beurlaubung des Klägers. Die angeblich fehlende Dienstfähigkeit des Klägers sei dem Staatsministerium nicht bekannt. Es gebe auch keinen rückwirkenden vorzeitigen Abbruch eines Sonderurlaubs.

In der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2019 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass dieser seit Beendigung des Sonderurlaubs ab Oktober 2018 wieder seine Bezüge erhalte, die derzeit um 20% gekürzt ausgezahlt würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten in den Verfahren 5 K 16.4308, M 5 E 17.1812, M 5 K 18.859 und M 5 K 18.6023, auf die vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 13. Februar 2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage war insgesamt abzuweisen, weil sie weder in ihrem Hauptantrag noch in den beiden Hilfsanträgen Erfolg hat.

1. Der in der mündlichen Verhandlung gegenüber der Klageschrift vom 22. Februar 2018 unverändert gestellte Hauptantrag stellt eine unzulässige Feststellungsklage dar. Denn nach § 43 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann (durch Klage) die Feststellung (des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses) nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies ist hier der Fall, weil das Recht, um das es dem Kläger geht, letztlich in der Auszahlung seiner Dienstbezüge für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. September 2018 liegt. Dieses Recht verfolgt er jedoch bereits mit der am 21. September 2016 erhobenen Klage auf Auszahlung von Bezügen (M 5 K 16.4308, nunmehr M 5 K 18.6023). Für die Entscheidung des Gerichts in der dortigen Rechtssache ist die in der hier gegenständlichen Feststellungsklage enthaltene Rechtsfrage nach der Erledigung des Sonderurlaubs durch die Beendigung der Tätigkeit des Klägers am … zum 30. Juni 2016 vorgreiflich. Sie ist Gegenstand des Urteils in der Rechtssache M 5 K 18.6023.

2. Die beiden hilfsweise erhoben Klageanträge führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage.

a) Zunächst ist festzustellen, dass die Klagepartei die beiden in der Klageschrift vom 22. Februar 2018 bereits enthaltenen Hilfsanträge in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2019 mit der Maßgabe gestellt hat, dass beantragt werde, die Genehmigung des Sonderurlaubs ab 1. Juli 2016 rückwirkend zu widerrufen. Diese Ergänzung erfolgte durch die Klagepartei ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, nachdem der Zeitraum des bewilligten Sonderurlaubs mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 abgelaufen ist.

b) Der Kläger kann aber keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten (1. Hilfsantrag) oder auch nur auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung (2. Hilfsantrag) hinsichtlich einer Rechtsfolge haben, die dem Beklagten auszusprechen rechtlich nicht möglich ist.

aa) Der hier streitgegenständliche Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. September 2018 ist Teil des mit Schreiben des Staatsministeriums vom 21. Mai 2015 bewilligten Sonderurlaubs vom 1. Oktober 2015 bis 30. September 2018. Diese Bewilligung erfolgte auf Grundlage des § 18 Abs. 1 Satz 1, 2 Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter (Urlaubsverordnung - UrlV) in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung.

bb) Für die Aufhebung der Bewilligung für den vom Kläger beantragten Zeitraum ist jedoch nicht mehr § 23 UrlV, sondern seit 1. Januar 2018 nur noch § 18 Verordnung über Urlaub, Mutterschutz und Elternzeit der bayerischen Beamten (Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung - UrlMV) anzuwenden, nachdem die Urlaubsverordnung durch § 27 Abs. 2 Nr. 1 UrlMV mit Ablauf des 31. Dezember 2017 außer Kraft gesetzt wurde und es, anders als zu Elternzeit in § 26a UrlMV, keine Übergangsregelung gibt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der in den Hilfsanträgen enthaltenen Verpflichtungsklagen (die Aufhebung der Bewilligung von Sonderurlaub stellt sich als actus contrarius ebenso als Verwaltungsakt dar, wie die Bewilligung des Sonderurlaubs selbst; vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2017 - 3 CE 17.1564 - juris Rn. 5) ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung ist. Diese Vorschrift geht den allgemeinen Vorschriften in Art. 48 und 49 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) vor (vgl. zu Art. 23 UrlV: VG München, B.v. 2.8.2004 - M 5 S 04.3947 - juris Rn. 16 f.).

cc) Auf das Begehren des Klägers auf Aufhebung des Sonderurlaubs im streitgegenständlichen Zeitraum ist allein § 18 Abs. 3 UrlMV anwendbar (der sprachlich anders gefasst, inhaltlich aber wesensgleich ist mit dem bis 31.12.2017 anwendbaren § 23 Abs. 3 UrlV). Danach kann dem Antrag eines Beamten, einen genehmigten Urlaub aus wichtigem Grund zu verlegen oder abzubrechen, entsprochen werden, wenn dies mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist.

Dem Kläger geht es in diesem Sinne darum, seinen Sonderurlaub ab 1. Juli 2016 abzubrechen, und zwar rückwirkend. Der Abbruch eines Urlaubs setzt jedoch voraus, dass der bewilligte Urlaubszeitraum bereits begonnen, aber noch nicht geendet hat. Nach dem Ende eines bewilligten Urlaubs ist dessen Abbruch - worauf letztlich auch der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat - tatsächlich und auch rechtlich nicht mehr möglich. Mit Ablauf des 30. September 2018 war es also dem Beklagten verwehrt, den Sonderurlaub des Klägers - rückwirkend - abzubrechen.

c) Im Übrigen ist der auf § 18 Abs. 3 UrlMV gestützte Bescheid des Staatsministeriums vom … Januar 2018 rechtlich auch nicht zu beanstanden. Es erkennt darin zwar - worauf die Klagepartei ausdrücklich hingewiesen hat - an, dass durch die Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers als Rektor des …s der Zweck des Sonderurlaubs entfallen ist und hierin ein wichtiger Grund für den Abbruch des Sonderurlaubs gesehen werden kann. Das Staatsministerium hat jedoch einen „Widerruf“ der Genehmigung des Sonderurlaubs als nicht mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar angesehen.

aa) Was unter den „Erfordernissen des Dienstes“ zu verstehen ist, bestimmt sich nach den organisatorischen und personalwirtschaftlichen Gegebenheiten, für deren Einschätzung dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zukommt, das verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, nämlich dahingehend, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen (Willkür) angestellt hat (BayVGH, B.v. 4.12.2002 - 3 CE 02.2797 - juris Rn. 18).

bb) Demnach wäre es ausreichend, wenn auch nur einer der vom Staatsministerium im Bescheid vom … Januar 2018 genannten Gründe dafür, dass der Abbruch des Sonderurlaubs des Klägers nicht mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar sei, den oben dargelegten Anforderungen entsprechen würde.

Das ist zur Überzeugung des Gerichts zumindest hinsichtlich der vom Staatsministerium vorgetragenen - unwidersprochenen - anderweitigen Verfügung über die Stelle des Klägers bis zum 30. September 2018 der Fall (vgl. VG München, B.v. 16.10.2002 - M 5 E 02.4308 - juris Rn. 24). Diese Argumentation ist sachlich vertretbar und rechtfertigt jedenfalls nicht die Annahme von Willkür. Denn während der Dienstherr im Fall der Gewährung von Erholungsurlaub regelmäßig nicht für einen personellen Ausgleich - etwa durch die Einstellung von Vertretungskräften - sorgen muss, ist er in dem - auch hier gegebenen - Fall einer mehrsemestrigen Abwesenheit eines Professors im Interesse der Aufrechterhaltung des Vorlesungsbetriebes gehalten, für Vertretung zu sorgen, was auch mit damit einhergehenden rechtlichen, insbesondere finanziellen Verpflichtungen verbunden ist (OVG LSA, B.v. 4.6.2008 - 1 L 57/08 - juris Rn. 7). Das Staatsministerium hat daher in seinem Bescheid vom … Januar 2018 zutreffend darauf hingewiesen, dass Planungssicherheit und Dispositionsfreiheit bei der Stellenverwaltung nicht mehr gegeben wären, wenn ein beurlaubter Beamter jederzeit nach Kündigung bzw. einvernehmlicher Aufhebung des während des Sonderurlaubs angetretenen Arbeitsverhältnisses seine sofortige Rückkehr in den Staatsdienst würde verlangen können. Eine Hochschule muss die Möglichkeit haben, in der Zwischenzeit die Stelle eines beurlaubten Beamten anderweitig einzusetzen (so auch schon die Argumentation des Staatsministeriums im Verfahren M 5 E 02.4308; vgl. VG München, B.v. 16.10.2002; juris Rn. 13).

cc) Auf die angebliche Dienstunfähigkeit des Klägers (die fachärztliche Stellungnahme des Uniklinikums … vom 22.6.2016 jedenfalls enthält keine Feststellung einer Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeit) und die darauf gestützte Argumentation, dass der Kläger deswegen die Hochschule nicht betreten würde und der Betriebsfrieden gar nicht gestört werden könne, kommt es deswegen nicht mehr rechtserheblich an.

d) Ergänzend sei angemerkt, dass der Kläger seine Hilfsbegehren weder auf § 18 Abs. 1 Satz 1 UrlMV noch auf § 18 Abs. 2 Satz 1 UrlMV stützen kann.

aa) In § 18 Abs. 1 Satz 1 UrlMV wird der - hier ersichtlich nicht gegebene - Fall geregelt, dass der Dienstherr die Genehmigung eines Urlaubs - auch gegen den Willen des betreffenden Beamten - nur widerrufen kann, wenn bei Abwesenheit des Beamten die ordnungsgemäße Erledigung der Dienstgeschäfte nicht mehr gewährleistet wäre oder wenn Gründe vorliegen, die von dem Beamten zu vertreten sind. Die - gegenüber § 23 Abs. 1 Satz 1 UrlV unveränderte - Verwendung des Wortes „widerrufen“ deutet darauf hin, dass der Verordnungsgeber in Anlehnung an Art. 49 BayVwVfG eine Aufhebung der Bewilligung des Urlaubs nur ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zulassen wollte. Dafür spricht die nunmehr gegenüber § 23 Abs. 2 Satz 1 UrlV geänderte Fassung des § 18 Abs. 2 Satz 1 UrlMV. Während § 23 Abs. 2 Satz 1 UrlV noch undifferenziert ebenfalls die Formulierung „ist zu widerrufen“ verwendet, enthält nunmehr § 18 Abs. 2 Satz 1 UrlMV die Formulierung „soll zurückgenommen werden“. Das wiederum deutet darauf hin, dass der Verordnungsgeber hier in Anlehnung an Art. 48 BayVwVfG eine Rücknahme der Bewilligung des Urlaubs ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit ermöglichen wollte. Dafür spricht auch die Anrechnungsregelung in § 18 Abs. 2 Satz 2 UrlMV.

bb) Auf § 18 Abs. 2 Satz 1 UrlMV kann der Kläger sein Begehren auf rückwirkende Beendigung seines Sonderurlaubs jedoch auch nicht stützen. Nach dieser Norm soll die Genehmigung eines Sonderurlaubs zurückgenommen werden, wenn der Sonderurlaub zu einem anderen als dem bewilligten Zweck verwendet wird.

(1) Zum einen aber hat der Kläger seinen Sonderurlaub nicht zu einem anderen als dem bewilligten Zweck verwendet. Vielmehr hat er ihn bis zum 30. Juni 2016 zweckentsprechend verwendet und ab dem 1. Juli 2016 ist dieser Zweck lediglich weggefallen. Der Kläger hat nicht von sich aus die Zweckverwendung des Urlaubs verändert, etwa indem er statt der Ausübung des Amtes des Rektors des …s eine völlig andersartige Tätigkeit aufgenommen hätte. Der Wegfall des für die Gewährung von Sonderurlaub maßgeblichen Grundes stellt für sich genommen keine zweckwidrige Verwendung des restlichen Sonderurlaubs dar.

(2) Zum anderen kann sich ein Beamter, dem langzeitiger Sonderurlaub unter Fortfall der Bezüge gewährt wurde, nicht im Sinne eines subjektiven öffentlichen Rechts auf diese Norm stützen. Die Rücknahme der Bewilligung eines Sonderurlaubs wegen nicht zweckentsprechender Verwendung erfolgt ausschließlich im dienstlichen, nicht auch im Interesse des Beamten (OVG LSA, B.v. 4.6.2008, a.a.O. - juris Rn. 6 zur inhaltsgleichen Regelung in § 25 Abs. 1 Satz 2 Verordnung über den Urlaub der Beamten im Land Sachsen-Anhalt in der damals gültigen Fassung).

e) Ob bereits das Schreiben des Klägers vom 22. Juni 2016 - entgegen den ausdrücklichen Erklärungen seines Bevollmächtigten - vom Staatsministerium doch unverändert als Antrag auf „Widerruf“ des Sonderurlaubs hätte angesehen und darüber hätte entschieden werden müssen, ist jedenfalls seit dem „vorsorglich“ gestellten Antrag durch den Bevollmächtigten des Klägers vom 19. Oktober 2017 und dem daraufhin ergangenen Bescheid des Staatsministeriums vom *. Januar 2018 nicht mehr rechtserheblich.

Grundsätzlich stehen ausdrückliche wörtliche Formulierungen eines rechtskundigen Vertreters eines Klägers einer Auslegung entgegen (vgl. etwa VG München, U.v. 12.2.2014 - M 5 K 13.4102 - juris Rn. 19).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

M 5 K 18.859

13.02.2019

VG München

Urteil

Sachgebiet: K

Zitier­vorschlag: VG München, Urteil vom 13.02.2019, Az. M 5 K 18.859 (REWIS RS 2019, 10347)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10347

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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