Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.10.2016, Az. 3 StR 352/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 4015

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Gegenstand

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Haftung des lediglich als Strohmann auftretenden formellen GmbH-Geschäftsführers für die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen


Tenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. Mai 2016 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat  (§ 349 Abs. 2 StPO). 

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Entgegen der Auffassung des [X.] war die Angeklagte als alleinige mit Gesellschafterbeschluss bestellte und eingetragene Geschäftsführerin gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafrechtlich verantwortliches Organ der [X.], auch wenn das Unternehmen tatsächlich vom nichtrevidierenden Mitangeklagten M. geführt wurde. Ebenso wenig kann der [X.] darin folgen, dass der Angeklagten die gebotene Abführung der  Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich unmöglich gewesen sei.

Schon allein die Stellung als formeller Geschäftsführer begründet nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB dessen Verantwortlichkeit als Organ der Gesellschaft nach außen, was insbesondere auch die Einstandspflicht für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten wie das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen einschließt. Dies gilt auch dann, wenn für die Gesellschaft eine Person mit so weitreichenden Handlungskompetenzen auftritt, dass sie ihrerseits als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Mai 2002  - 5 StR 16/02, [X.]St 47, 318, 324 ff.; ferner Urteil vom 22. September 1982  - 3 StR 287/82, [X.]St 31, 118, 122 f. [zu § 84 GmbHG]).

Die Verantwortlichkeit des formellen Geschäftsführers entfällt nicht dadurch, dass ihm - als sog. "Strohmann" - rechtsgeschäftlich im Innenverhältnis keine bedeutsamen Kompetenzen übertragen wurden, um auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen (so aber [X.], Beschluss vom 10. Februar 2000 - 1 Ss 1337/99, [X.], 173; KG, Beschluss vom 13. März 2002 - (5) 1 Ss 243/01 (6/02), [X.], 313, 314 f.; [X.], [X.] 2015, 102, 103; [X.], StGB, 63. Aufl., § 266a Rn. 5; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 14 Rn. 75; [X.], 4. Aufl., § 266a Rn. 30). Es trifft nicht zu, dass er in diesem Fall nur mit dem sich aus der Bestellung ergebenden Rechtsschein ausgestattet wäre. Denn der Geschäftsführer, der formal wirksam bestellt ist, hat von Gesetzes wegen stets alle rechtlichen und damit auch tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten. Dementsprechend knüpft § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verantwortlichkeit an die Organstellung, nicht - auch - an das regelmäßig zugleich bestehende dienstvertragliche Anstellungsverhältnis (vgl. Maurer, wistra 2003, 174, 175; ferner S/[X.], StGB, 29. Aufl., § 14 Rn. 16/17).

Ebenso wenig ist dem "Strohmann"-Geschäftsführer die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge mangels Kompetenzen tatsächlich unmöglich (so aber [X.] aaO; KG aaO, S. 315 [zu § 283 StGB]; MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 266a Rn. 36; S/[X.] aaO). Stehen die tatsächlichen Verhältnisse hinter seinen rechtlichen Befugnissen zurück, so kann und muss der Geschäftsführer gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um seinen Einfluss geltend zu machen, anderenfalls er gehalten ist, sein Amt niederzulegen (ebenso Maurer aaO, S. 175 f.; [X.], [X.], 525, 527; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 84 Rn. 57; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 11. Aufl., § 84 Rn. 27; vgl. auch [X.]/[X.], [X.],  1821, 1822; [X.], GmbHG, 2. Aufl., § 84 Rn. 27; MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 84 GmbHG Rn. 19; [X.]/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 84 Rn. 4)

Die vom Landgericht vorgenommene rechtsfehlerhafte Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten beschwert sie allerdings nicht.

Becker                       Schäfer                       Gericke

               Spaniol                        Berg

Meta

3 StR 352/16

13.10.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 11. Mai 2016, Az: 2050 Js 72470/88 - 4 KLs

§ 14 Abs 1 Nr 1 StGB, § 266a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.10.2016, Az. 3 StR 352/16 (REWIS RS 2016, 4015)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4015

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 272/20

1 StR 444/18

3 StR 352/16

5 StR 122/19

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