Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2000, Az. 3 StR 321/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 929

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]00vom11. Oktober 2000in der Strafsachegegenwegen gefährlicher Körperverletzung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 11. [X.], an der teilgenommen haben:[X.] am [X.],[X.] am [X.]. [X.],[X.],[X.],von [X.] als [X.],[X.] als Vertreter der [X.]schaft,Rechtsanwalt als Verteidiger,Rechtsanwalt als Vertreter des [X.],Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 7. Januar 2000 mit den zugehörigen Feststellungenaufgehoben,a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung inzwei Fällen verurteilt worden ist,b) im Ausspruch über die Jugendstrafe.Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aufrecht-erhalten.2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, aneine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbezie-hung des Urteils des [X.] vom 5. Juni 1998 ([X.] von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung wegen vorsätzlicherKörperverletzung in drei Fällen in Tateinheit mit versuchter räuberischer [X.]) zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet, daß das- 4 -[X.] in den zwei Fällen, in denen der Angeklagte wegen gefährlicherKörperverletzung verurteilt worden ist, den bedingten Tötungsvorsatz mit feh-lerhafter Begründung verneint hat. Das vom [X.] vertreteneRechtsmittel hat Erfolg.1. Nach den Feststellungen schlug der bereits mehrmals wegen vorsätz-licher Körperverletzung verurteilte Angeklagte in einer Diskothek dem Auszu-bildenden M. mit der Faust in das Gesicht, nachdem es zuvor zwi-schen einem Freund des Angeklagten und dem Geschädigten zu einer Rem-pelei auf der Tanzfläche gekommen war. Daraufhin schlug ein Ordner so heftigin das Gesicht des Angeklagten, daß dieser einen stark blutetenden Nasen-beinbruch davontrug, und entfernte ihn aus der Diskothek.Der alkoholisierte Angeklagte, der benommen und wütend über die [X.] durch den Ordner war sowie erhebliche Schmerzen verspürte, [X.] sich mit einem Baseballschläger. Als kurze [X.] später M. und seine Bekannten [X.]. , B. und [X.] die [X.] friedlich verließen, wurden sie von dem Angeklagten und weiteren mit [X.] und einer Flasche bewaffneten Personen angegriffen. [X.] holte beidhändig mit dem Baseballschläger aus und schlug nach-einander gezielt und wuchtig auf die Köpfe des [X.]. und des [X.] ein, um diese auszuschalten. Obwohl [X.]. beide Hände [X.] über seinen Kopf gehalten hatte, fiel er nach dem Schlag bewußtlos [X.]. Er erlitt u.a. eine starke Schwellung an der rechten Hand, einen Split-terbruch am kleinen Finger, eine Gehirnerschütterung und Prellungen. [X.]wurde durch den Schlag sofort bewußtlos, fiel "um wie ein Baum" underlitt eine lebensbedrohende beiderseitige Schädelkalottenfraktur mit Bluter-güssen innerhalb des Schädels. Er mußte dreieinhalb Wochen lang stationär- 5 -behandelt werden und leidet noch heute an Konzentrationsstörungen und ge-legentlichen Kopfschmerzen. Es besteht die Gefahr von Spätfolgen in Formepileptischer Anfälle.2. Gegen die Begründung, mit der das [X.] einen bedingten [X.] abgelehnt hat, bestehen durchgreifende rechtliche [X.]) Rechtsfehlerfrei hat das Tatgericht das Wissen des Angeklagten umdie möglicherweise tödliche Wirkung der [X.] als erwiesen angesehen.Gleichwohl hat es sich nicht davon überzeugen können, daß der Angeklagteden Tod der Nebenkläger billigend in Kauf genommen hat. Dazu hat es im [X.] ausgeführt:Zwar sei die objektive Gefährlichkeit der mit [X.] ausgeführten[X.] ein Indiz für einen Tötungsvorsatz. Wegen der hohen Hemmschwellegegenüber einer Tötung sei jedoch auf Grund einer Gesamtabwägung allerobjektiven und subjektiven Umstände zu Gunsten des Angeklagten davon [X.], daß er auf das Ausbleiben eines tödlichen Ausgangs vertraut habe.Gegen einen Tötungsvorsatz spreche, daß der Angeklagte jeweils nur [X.] ausgeführt und auf die am Boden liegenden Nebenkläger nicht weitereingeschlagen habe; weiterhin, daß er zwar den Baseballschläger vom [X.] geholt, diesen aber wohl nicht geplant, sondern eher spontan und [X.] eingesetzt habe. Zur Kompensation seiner Wut über die üble Behandlungdurch den Ordner - dem in Betracht kommenden Tatmotiv - hätte es [X.], die Geschädigten niederzuschlagen; deren Tod sei hierzu nicht erfor-derlich gewesen. Auch die Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten,sein psychischer und körperlicher Zustand zum Tatzeitpunkt sowie der grup-pendynamische Einfluß ließen an der Billigung des Todes [X.] 6 -b) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist an-gesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksich-tigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen, ob der Täter, dersein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicherVerletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt, wobei [X.] äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe liegt (vgl. BGHR StGB § 212Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 5, 33, 35 und 38 jeweils m.w.Nachw.). Ferner [X.] allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des [X.] beider Tatbegehung sowie seine Motivation in die Beweiswürdigung mit einzube-ziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).c) Die [X.] geht bei ihren Erwägungen zwar im Ansatz vondiesen Kriterien aus. Ihre Ausführungen lassen jedoch besorgen, daß sie demäußeren Tatgeschehen nicht den ihm zukommenden hohen Indizwert für [X.] eingeräumt hat. Das festgestellte gezielte, beidhändigeund kraftvolle Schlagen mit dem schweren Baseballschläger auf den fürschwerste und tödliche Verletzungen sehr anfälligen Kopf im Bewußtsein einermöglicherweise tödlichen Wirkung und die dadurch verursachten - in [X.] lebensbedrohenden - Verletzungen legen die Billigung des Todes wegender offensichtlichen Lebensgefährlichkeit (vgl. [X.] zu § 212StGB) sehr nahe. Dies gilt vor allem deshalb, weil das wuchtige Zuschlagen miteinem schweren Baseballschläger im einzelnen nicht mehr kontrollierbar istund Abwehr- und Ausweichbewegungen eines Opfers wenig erfolgverspre-chend sind. In einem solchen Fall darf die Rechtsprechung des [X.] zur hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten nicht dahin [X.] werden, daß durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichenLebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als einem gewichtigen, auf [X.] 7 -tungsvorsatz hinweisenden Beweisanzeichen in der praktischen Rechtsanwen-dung in Frage gestellt werden soll und dieser Beweisgrund den Schluß [X.] in aller Regel nicht tragen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1Vorsatz, bedingter 35).d) Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte trotzder - von ihm erkannten - Lebensgefährlichkeit der [X.] ernsthaft und nichtnur vage (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 24) darauf [X.] haben könnte, es würden die angegriffenen Nebenkläger nicht zu Todekommen, hat das [X.] nicht festgestellt und liegen bei dem [X.] auch fern (vgl. [X.] zu § 212 StGB).Entgegen der Meinung des [X.] spricht das Unterlassen weite-rer [X.] nicht gegen die Billigung des Todes. Da es dem Angeklagten [X.] mit einem Schlag gelungen ist, seine Gegner bewußtlos zu Boden stür-zen zu lassen und dadurch - wie beabsichtigt - "auszuschalten" ([X.], 17),hatte er sein Ziel erreicht. Somit waren weitere [X.] auf die am Boden lie-genden Opfer zur Zweckerreichung nicht erforderlich. Das Unterlassen weiterer[X.] ist nur für die Frage des Rücktritts vom Versuch eines Tötungsdeliktsvon Bedeutung.Der Schluß des Tatrichters, daß der Angeklagte eher spontan und [X.] gehandelt hat, was eine realistische Einschätzung der Gefahrenlage be-einträchtigt haben könnte (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter38), findet in den Feststellungen keine ausreichende Stütze, abgesehen davon,daß dies eine Billigung des Todes nicht ausschließen würde. Die [X.] Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war weder durch die [X.] -noch seinen psychischen Zustand erheblich eingeschränkt ([X.] f.). [X.] war nach seiner Entfernung aus der Diskothek geplant und vorbereitet,was sich aus der Bewaffnung der Angreifer und dem sofortigen Angriff auf diedie Diskothek friedlich verlassenden [X.] ergibt.Weiterhin hat die [X.] die Persönlichkeit des Angeklagten,der nach ihrer Überzeugung "leicht aufbraust und bereits auf leichte Provoka-tionen mit unangemessenen Aggressionen reagiert", unvollständig gewürdigt;er ist bereits zweimal wegen Körperverletzung in insgesamt fünf Fällen verur-teilt worden. Nicht ausreichend berücksichtigt hat sie insbesondere die [X.] des Angeklagten hinsichtlich besonders gefährlicher Gewalt-handlungen, die sich auf Grund seines [X.] aufdrängte. So hatte der An-geklagte am 7. Dezember 1997 dem Freund seiner früheren Freundin aus Ei-fersucht mit einem Besteckmesser in den Nacken gestochen, wobei eine er-hebliche Verletzung nur deshalb nicht entstand, weil sich das Messer verbog([X.] 4).Das Fehlen eines einsichtigen Beweggrundes für die Tötung eines Men-schen braucht jedenfalls bei der gegebenen Sachlage nicht gegen die [X.] zu sprechen (vgl. [X.] zu § 212 StGB). Die [X.] des vom Angeklagten angestrebten Ziels, die Nebenkläger auszuschal-ten, ist angesichts der lebensgefährdenden Umstände, unter denen dies ge-schah, durchaus damit in Einklang zu bringen, daß ihm die als möglich er-kannte Tötung gleichgültig war. Schon dies würde für die Annahme eines be-dingten Tötungsvorsatzes ausreichen (BGHSt 40, 304, 306). Daß dem Ange-klagten der Tod der [X.] möglicherweise unerwünscht war, stünde dem- 9 -nicht entgegen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 42m.w.[X.] Da somit der bedingte Tötungsvorsatz nicht rechtsfehlerfrei verneintworden ist, ist der Schuldspruch in den zwei Fällen der Verurteilung wegengefährlicher Körperverletzung aufzuheben. Die rechtsfehlerfrei getroffenenFeststellungen zum äußeren Tathergang können bestehen bleiben; ergänzen-de Feststellungen sind zulässig. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchsführt auch zur Aufhebung der verhängten [X.] [X.] wird die Frage, ob der Angeklagte mit [X.] gehandelt hat, unter Berücksichtigung der Besonderheiten [X.] erneut prüfen und gegebenenfalls das Vorliegen des [X.] niedrigen Beweggrundes in Betracht ziehen müssen. Sollte er zur Annah-me eines bedingten Tötungsvorsatzes kommen, wird er auch die Möglichkeiteines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch zu prüfen haben. Dabei könntendie vom Angeklagten vorsätzlich geführten lebensgefährdenden [X.], dieerkannte Bewußtlosigkeit der Opfer und die Schwere der Verletzungen der An-nahme eines unbeendeten Versuchs entgegenstehen (vgl. BGHSt 31, 170,177; Tröndle/[X.], StGB 49. Aufl. § 24 Rdn. 4 ff.; [X.]/Kühl, [X.] 10 -23. Aufl. § 24 Rdn. 4). Für den Fall der Bejahung eines bedingten Tötungsvor-satzes weist der Senat darauf hin, daß das versuchte Tötungsdelikt in Tatein-heit mit gefährlicher Körperverletzung stünde (BGHSt 44, 196 ff.).[X.] [X.] RiBGH [X.] ist durch Urlaub verhindert zu unterschreiben. [X.] [X.] von [X.]

Meta

3 StR 321/00

11.10.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2000, Az. 3 StR 321/00 (REWIS RS 2000, 929)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 929

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