Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2012, Az. XII ZB 479/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9790

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.]
vom
25. Januar
2012
in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 1804, 1821 Abs. 1, 1907 Abs. 1; FamFG § 299
Zum beabsichtigten Verzicht des Betreuers auf ein zugunsten des Betreuten bestelltes Wohnungsrecht, welches dieser nicht mehr nutzen kann.
[X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 -
XII [X.] -
LG Hannover

[X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat am 25.
Januar
2012
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne, die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, Schilling
und Dr.
Nedden-Boeger

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen wird der Beschluss der 9.
Zivilkammer des [X.] vom 23.
August 2011
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.] zu-rückverwiesen.
Verfahrenswert: 3.000

Gründe:
I.
Der 77
Jahre alte Betroffene ist an Demenz erkrankt und lebt seit 2010 auf eigenen Wunsch in einem Pflegeheim. Eine
Rückkehr in seine frühere Wohnung steht nach den Angaben der Betreuerin nicht zu erwarten und werde
von ihm auch nicht angestrebt.
Für die frühere Wohnung ist zugunsten des Betroffenen ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht
im Grundbuch eingetragen. Dieses hatte ihm 1
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die Wohnungseigentümerin, seine frühere Lebensgefährtin,
bedingt für den Fall ihres Vorversterbens und
mit
der Maßgabe bestellt, dass das Wohnungsrecht
nicht einem
[X.] zur Ausübung überlassen werden dürfe und dass der [X.] und die anfallenden Nebenkosten insgesamt zu tragen habe. Im September 2008 verstarb die frühere Lebensgefährtin;
sie
wurde tes-tamentarisch von ihren Enkeln
beerbt.
Die Beteiligte zu 1 hat als Betreuerin beantragt, ihr die Bewilligung der Löschung des eingetragenen Wohnungsrechts gerichtlich zu genehmigen, da der Betroffene durch die laufenden Hausgelder und Nebenkosten, für die er aufzukommen habe, belastet sei, ohne
noch
irgendeinen Nutzen aus dem Wohnungsrecht
ziehen zu können. Er könne das Wohnungsrecht
nicht mehr selbst ausüben und es auch nicht anderweitig verwerten, da es ihm nicht ge-stattet sei, es einem [X.] zur Ausübung zu überlassen. Eine Kapitalabfindung
für den Verzicht auf das Wohnungsrecht
hätten die derzeitigen Eigentümer [X.].
Das Betreuungsgericht hat den Antrag der Betreuerin abgelehnt;
das Be-schwerdegericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hierge-gen richtet sich die
zugelassene Rechtsbeschwerde
des Betroffenen.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochte-nen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
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-
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-
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt: Die beabsichtigte [X.] sei ein nach
§§
1908
i Abs.
1, 1821 Abs.
1 Nr.
1 BGB genehmigungsbedürftiges Geschäft. Der mit der Löschung bezweckte
Verzicht auf das
Wohnungsrecht
ohne jegli-che
Gegenleistung stelle der Sache nach eine Schenkung dar. Diese sei nur genehmigungsfähig, wenn sie
unter Berücksichtigung der
materiellen und im-materiellen Belange letztlich im Interesse des Betroffenen liege.
Das sei
hier
nicht der Fall, denn es sei eine
Abfindung des Wohnungsrechts durch die Ei-gentümer
unterhalb des nach der
Lebenserwartung berechneten
Restmietwerts
denkbar.

2. Die Entscheidung des [X.]s hält der
rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Gemäß §§
1908
i Abs.
1, 1821 Abs.
1 Nr.
1 BGB
bedarf der Betreuer
zur Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück
einer Genehmigung des Betreuungsgerichts. Bei dem im Grundbuch eingetra-genen Wohnungsrecht
des Betroffenen handelt es sich um eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§
1093 Abs.
1 Satz
1 BGB), somit um ein Recht an einem Grundstück, über das die Beteiligte zu 1 nur mit gericht-licher Zustimmung verfügen kann.
Außerdem folgt die [X.] aus einer entsprechenden Anwendung des §
1907 Abs.
1 BGB, da die [X.] des
Wohnungsrechts
eine endgültige Wohnungsauflösung bedeutet und deshalb
nach dem Schutzzweck des §
1907 BGB der Kündigung eines Miet-verhältnisses über Wohnraum gleichsteht.
Da es sich bei der beabsichtigten [X.] um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, ist über die gerichtliche Genehmigung vorab zu entscheiden (§
1831 BGB).
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5
-
b) Maßstab für die gerichtliche
Entscheidung über die Genehmigung ist das Interesse des Betreuten. Das Gericht hat dabei eine Gesamtabwägung al-ler Vor-
und Nachteile sowie der Risiken des zu prüfenden Geschäfts für den Betreuten
vorzunehmen
(vgl. [X.] RPfleger 2004, 214, 216; [X.]/[X.] BGB [2004]
§
1828 Rn.
16; [X.]/[X.] 5.
Aufl. §
1828 Rn.
17).
Die Abwägung aller für die Entscheidung in Betracht kommenden Ge-sichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann -
ähnlich einer Ermessens-entscheidung
-
vom Rechtsbeschwerdegericht nur darauf hin überprüft werden, ob der Tatrichter die gesetzlichen Grenzen seines [X.] überschritten oder einen unsachgemäßen, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch von seiner Entscheidungsbefugnis gemacht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 30.
November 2011 -
XII
ZB 79/11
-
juris Rn.
21; [X.]/[X.] FamFG 17.
Aufl. §
72 Rn.
8 mwN). Letzteres ist hier aller-dings der Fall.
c) Die Genehmigung
richtet sich nach dem
sonstigen
Interesse des Be-treuten
unter Berücksichtigung seiner
Wünsche (§
1901 Abs.
3 BGB).
Hat der Betreute den
Willen gefasst, endgültig nicht mehr in die frühere Wohnung zurückzukehren,
bedarf es einer
Aufrechterhaltung des Wohnungs-rechts für diesen Zweck nicht mehr.
Eine anderweitige Nutzung des Wohnungsrechts
durch den Betreuten, insbesondere im Wege der
Vermietung, ist ausgeschlossen.
Das dingliche Wohnungsrecht ist eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§
1093 Abs.
1 Satz
1 BGB). Deshalb darf [X.], wenn sie nicht zu den in §
1093 Abs.
2 BGB genannten Personen gehören, die 9
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Allein-
oder Mitbenutzung der Wohnung nur
bei Gestattung durch den [X.] überlassen werden (§
1092 Abs.
1 Satz
2 BGB). Für eine solche Gestat-tung bedarf es einer Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Berech-tigten ([X.] Urteil vom 19.
Januar 2007 -
V
ZR 163/06
-
FamRZ 2007, 632, 634
mwN).
Eine solche ist nicht abgeschlossen.
Vielmehr hat die frühere Lebensgefährtin dem Betreuten lediglich
ein Wohnungsrecht
zugewendet, das er nur persönlich ausüben darf.
Dieses
folgt bereits aus der in die Bewilligungserklärung vom 9.
Januar 2007 aufgenomme-nen
Bestimmung, wonach
die Überlassung des Wohnungsrechts zur Ausübung an einen [X.] ausdrücklich ausgeschlossen
ist.
d) Das [X.] hat
seine Entscheidung schließlich darauf gestützt, dass dem Wohnungsrecht des Betreuten ein Vermögenswert beizumessen sei, welchen die Betreuerin nicht schenkweise, ohne eine angemessene Abfindung, weggeben dürfe. Diese Einschätzung
beruht jedoch auf einem unzutreffenden Schenkungsbegriff.
Gemäß §§
1908
i Abs.
2 Satz
1, 1804 BGB darf der Betreuer nicht in Vertretung des Betreuten Schenkungen machen.
Der Zweck dieser Vorschrift liegt in dem Schutz des Vermögens des Betreuten, aus dem nichts zu
seinem Nachteil
unentgeltlich weggegeben werden soll. Nach diesem Schutzzweck
kann auch der Erlass einer Forderung unter den Schenkungsbegriff des §
1804 BGB fallen ([X.] FamRZ 1969, 39, 40), ebenso der Verzicht auf ein im Grundbuch eingetragenes Recht. Voraussetzung ist jedoch, dass die [X.], die der Betreuer weggibt, einen realen Vermögenswert des Betreuten darstellt. Eine
Rechtsposition, die keinen Vermögenswert darstellt, und deren Weggabe dem Betreuten keinen Nachteil
zufügt, untersteht nicht dem Schutz des §
1804 BGB.
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Das vom Betreuten innegehaltene Wohnungsrecht stellt einen aktiven Vermögenswert insoweit dar, als es ihm persönlich die Wohnnutzung [X.]. Daher läge in dem Verzicht auf das Wohnungsrecht eine dem §
1804 BGB unterfallende Vermögenszuwendung, solange eine
Wiederaufnahme der Wohnnutzung durch den Betreuten in Betracht kommt.
Bestünde
jedoch das Interesse an der Wohnnutzung endgültig nicht mehr, verlöre
das Wohnungs-recht seinen Nutzwert
und -
da es auch durch Vermietung nicht fruchtbar ge-macht werden kann
-
seinen Vermögenswert
insgesamt. Der Verzicht auf ein wertlos gewordenes Wohnungsrecht erfüllte nicht den Begriff der Schenkung
im Sinne des §
1804 BGB.
Die Rechtsposition, die der Betreute dann noch innehat, entfaltet
ledig-lich eine Sperrwirkung. Sie hat zur Folge, dass die dem Wohnungsrecht unter-liegenden Räume nach dem Umzug des Berechtigten in das
Pflegeheim von niemandem genutzt werden könnten. Der Betreute ist
aus tatsächlichen Grün-den gehindert, sein
Recht wahrzunehmen; die Erben wären angesichts des fortbestehenden Wohnungsrechts nicht befugt, die Räume ohne Zustimmung des Betreuten selbst zu nutzen oder [X.] zu überlassen.
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-
e) Hier steht dem verbliebenen Vorteil, die Wohnnutzung im Bedarfsfalle wiederaufnehmen zu können, eine
laufende Kostenbelastung durch Hausgeld und Nebenkosten
gegenüber. Je unwahrscheinlicher eine
Rückkehr in die frühere Wohnung ist, desto mehr
entspricht die Aufgabe des Wohnungsrechts dem Interesse des Betreuten, um sich der monatlichen Kostenlast zu entledi-gen.
Der Aufklärung dieser für die Genehmigung des Rechtsgeschäfts ent-scheidenden Frage dient die persönliche Anhörung des Betroffenen

299 Satz
1, 2 FamFG), welche
noch aussteht.
Hahne

[X.]

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.07.2011 -
666 XVII F 2195 -

LG Hannover, Entscheidung vom 23.08.2011 -
9 [X.] -

20

Meta

XII ZB 479/11

25.01.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2012, Az. XII ZB 479/11 (REWIS RS 2012, 9790)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9790

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