Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2004, Az. IV ZR 90/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3328

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 90/03

Verkündet am:

5. Mai 2004

Heinekamp

Justizobersekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

Der IV. Zivilsenat des Bundes[X.]ichtshofes hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Land[X.]ichts Deggendorf vom 11. März 2003 wird auf Kosten des Klä[X.]s zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Klä[X.] unterhält bei der Beklagten eine [X.]. Dem Versicherungsverhältnis lagen zunächst die [X.] und später die [X.] zugrunde, wobei sich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen in dem hier entscheidenden Teil entsprechen (im folgenden: [X.]).

Der Klä[X.] verlangt Deckungsschutz für die Verfolgung deliktischer Ansprüche gegen seine Ehefrau. Diese begründet er damit, er habe ihr in einem Zeitraum von 10 Jahren zu Anlagezwecken einen Betrag von etwa 350.000 DM ausgehändigt. Seine Ehefrau habe das Geld unterschlagen und ihn durch Vorlage gefälschter Kontoauszüge darüber getäuscht. Er habe die Sache erst im März 2000 aufgedeckt, als er auf den vermeint-- 3 -

lich angelegten Betrag zum Erwerb eines Hauses habe zurückgreifen wollen. Mit anwaltlicher Hilfe erreichte der Klä[X.], daß seine Ehefrau am 20. November 2000 ein notarielles Schuldanerkenntnis über 350.000 DM abgab und nachfolgend zu dessen Absicherung eine Grundschuld in gleicher Höhe bestellte. Durch die Rechtsverfolgung sind dem Klä[X.] Anwaltskosten von 3.203,03 • entstanden, von denen ihn die Beklagte nach seiner Auffassung freistellen muß. Die Beklagte beruft sich unter anderem deshalb auf Leistungsfreiheit, weil der Klä[X.] gegen seine Ob-liegenheiten aus § 15 (1) a und § 16 (3) [X.] verstoßen habe.

Das Amts[X.]icht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klä-[X.]s ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet er sich mit der Revision.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel ist unbegründet.

[X.] Das Berufungs[X.]icht hat einen objektiven Verstoß des Klä[X.]s gegen die §§ 15 (1) a, 16 (3) [X.] bejaht, weil er die Beklagte erst am 27. Juni 2001 von der Beauftragung eines Rechtsanwalts unterrichtet habe. Weder zu diesem Zeitpunkt noch danach habe er sie über sämtli-che Umstände des Versicherungsfalles in Kenntnis gesetzt, sondern sich auf die unsubstantiierte Darstellung beschränkt, es seien 350.000 DM an die Ehefrau geflossen. Die [X.] seien jedenfalls grob fahrlässig erfolgt. Der Klä[X.] habe seinem Rechtsanwalt nicht vor Mai 2001 mitgeteilt, daß er rechtsschutzversichert sei; es sei zudem nicht nachzuvollziehen, daß er sich nicht wenigstens annähernd an Ein-- 4 -

zelheiten erinnern könne, wie es zur Überlassung eines Betrages in der genannten Größenordnung an die Ehefrau gekommen sei. Den [X.], daß die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung des Umfangs der vom [X.] zu erbringenden Leistungen Einfluß gehabt habe, habe der Klä-[X.] nicht geführt. Die Beklagte habe vergeblich nähere Informationen angefordert; aufgrund der unzureichenden Angaben des Klä[X.]s sei ihr die Beurteilung ihrer Eintrittspflicht nicht möglich. Ihr sei es auch nicht nach [X.] und Glauben verwehrt, sich auf die Obliegenheitsverletzung zu berufen. Sie habe schon vor[X.]ichtlich geltend gemacht, daß der Klä-[X.] seiner Obliegenheit aus § 15 (1) a [X.] nicht nachgekommen sei; vor dem Amts[X.]icht habe sie dann zusätzlich die Obliegenheitsverlet-zung nach § 16 (3) [X.] angeführt.

I[X.] Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Für das vorliegende Berufungsverfahren ist die Zivilprozeßord-nung in ihrer ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung maßgeblich, weil die mündliche Verhandlung vor dem Amts[X.]icht am 13. Juni 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Danach reicht für die [X.] des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Berufungsurteil die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das macht eine Aufnahme der [X.] in das Berufungsurteil indes nicht entbehrlich ([X.]Z 154, 99, 100 f.; [X.], Urteile vom 6. Juni 2003 - [X.], 2424 unter II 1 a; vom 22. Dezember 2003 - [X.]/03 - [X.]-Report 2004, 474 unter II; vom 28. Januar 2004 - [X.]/03 - [X.], 497 - 5 -

unter 2; vom 11. Februar 2004 - [X.]), an deren Wiedergabe es vorliegend fehlt. Das Berufungsurteil muß die Anträge nicht unbedingt wörtlich enthalten, aber erkennen lassen, welches Ziel der Klä[X.] mit der Berufung verfolgt. Das kann hier allein dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden. Es wird nur sinngemäß deutlich, daß der Klä[X.] seinen - vom Amts[X.]icht abgewiesenen - Klageantrag wei-terverfolgt und eine Freistellung von den ihm entstandenen [X.] von 3.203,03 • verlangt. Sein Begehren, mit der [X.] eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu erreichen, ist damit den Formulierungen des Berufungsurteils [X.]ade noch zu [X.] (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2004 aaO).

2. Die Rechtsfragen, die dem Berufungs[X.]icht Anlaß zur Zulas-sung der Revision gegeben haben, erweisen sich als nicht entschei-dungserheblich. Das folgt bereits aus dem Berufungsurteil selbst. Das Berufungs[X.]icht hat Leistungsfreiheit der Beklagten angenommen und diese mit einer Obliegenheitsverletzung des Klä[X.]s nach § 15 (1) a, (2) [X.] begründet, die neben die ebenfalls bejahte Obliegenheitsverlet-zung nach §§ 16 (3), 15 (2) [X.] tritt. Auf diese Obliegenheitsverlet-zung hat sich die Beklagte bereits in ihrem Versicherungsleistungen ab-lehnenden Schreiben vom 12. September 2001 - und im folgenden [X.] - berufen; anders als die Obliegenheitsverletzung nach §§ 16 (3), 15 (2) [X.] ist sie nicht erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Amts[X.]icht geltend gemacht worden. Auf die "zeitlichen Grenzen der Rüge von [X.] durch den Versicherer" kann es daher aus eigener Sicht des Berufungs[X.]ichts nicht ankommen. Da es weiter davon ausgeht, daß der Klä[X.] die Beklagte nicht unverzüglich vollständig im Sinne des § 15 (1) a [X.] unterrichtet hat, kann ebenso - 6 -

dahinstehen, in "welchem zeitlichen Rahmen" Mitteilungspflichten des Versicherungsnehmers nach § 16 (3) [X.] bestehen. Es bedarf insbe-sondere keiner rechtlichen Klärung, ob der Klä[X.] mit der Anzeige des behaupteten Versicherungsfalles bis zum 27. Juni 2001 zuwarten durfte, nachdem er seine Interessen bereits aus eigener Veranlassung [X.] hatte und die Angelegenheit, für die er Versicherungsschutz begehrt, mit anwaltlicher Hilfe seit mehreren Monaten abgeschlossen war.

3. Dem Berufungs[X.]icht ist darin zuzustimmen, daß die Beklagte dem Klä[X.] deshalb keinen Rechtsschutz zu gewähren hat, weil sie nach § 15 (2) i.V. mit § 15 (1) a [X.] von der Verpflichtung zur Leistung freigeworden ist. Der Klä[X.] ist seiner Obliegenheit nicht hinreichend nachgekommen, die Beklagte unverzüglich und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten, Beweismit-tel und Unterlagen anzugeben sowie auf Verlangen zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte war daher berechtigt, mit Schreiben vom 12. September 2001 Leistungen abzulehnen.

a) Das von der Beklagten gegebene Leistungsversprechen umfaßt nach § 26 (2) i.V. mit § 14 (1) [X.] die Geltendmachung von Scha-densersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen. Als Versicherungsfall gilt der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegen-den Schadensereignisses, welches geeignet ist, diesen rechtlich zu be-gründen (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2003 - [X.]/01 - [X.], 638 unter 1 a). Begehrt der Versicherungsnehmer Versicherungs-schutz, hat er den Versicherer über die Umstände des [X.] umfassend zu informieren. Er hat ihm alle Tatsachen, die zu dem - 7 -

Schadensersatzanspruch führen, nach Maßgabe des § 15 (1) a [X.] vorzutragen. Nur auf dieser Grundlage ist der Versicherer zur Prüfung in der Lage, ob ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vorliegt und in welchem Umfang dieser seine Leistungspflicht auslöst.

b) Der Klä[X.] hat der Beklagten diese Prüfung nicht ermöglicht. Er beruft sich darauf, seine Ehefrau habe in einem Zeitraum von etwa 10 Jahren einen Betrag von insgesamt 350.000 DM veruntreut. Er habe ihr das Geld überlassen, damit sie es gewinnbringend anlege. Seine Ehe-frau habe das Geld nicht dem vorgesehenen Zweck zugeführt; es sei spurlos verschwunden. Das allein vermag die Beklagte über den [X.] Schadensersatzanspruch aufgrund gesetzlicher [X.] - § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit Untreue oder veruntreuender Unter-schlagung (§§ 266, 246 StGB) - nicht ausreichend zu unterrichten. Sie hat schon mit Schreiben vom 30. Juli 2001 zu Recht darauf verwiesen, daß sich der vom Klä[X.] geschilderte Sachverhalt nicht mit der zwischen ihm und seiner Ehefrau am 20. November 2000 getroffenen Vereinba-rung in Einklang bringen läßt. Dort hat sich die Ehefrau verpflichtet, an den Klä[X.] "zum Ausgleich der von diesem erbrachten finanziellen und persönlichen Leistungen" eine Zahlung von 350.000 DM zu leisten. Bei dieser Sachlage hätte es dem Klä[X.] oblegen, den aufgezeigten [X.] aufzulösen und zu diesem Zweck die Beklagte über alle Einzel-heiten des behaupteten Versicherungsfalles in Kenntnis zu setzen, etwa darüber, wie viele Einzelzahlungen er an seine Ehefrau geleistet hat und in welcher Höhe sich diese - jedenfalls im ungefähren - bewegt haben, ob und welche genauen Vorgaben er seiner Ehefrau für die Geldanlage gemacht hat und weshalb er sich bis zum 2. März 2000 nicht um den Verbleib der seiner Ehefrau ausgehändigten Geldmittel gekümmert ha-- 8 -

ben will. Über Einzelheiten der nach seiner Behauptung gefälschten Kon-toauszüge - insbesondere des dem Klä[X.] von seiner Ehefrau zur Kenntnis gebrachten Kontoauszuges über das Festgeldkonto mit einem angeblichen [X.] von 575.000 DM - ist die Beklagte ebenfalls nicht unterrichtet worden. Schließlich hat der Klä[X.] der Beklagten trotz mehrfacher Aufforderung keine Auskunft darüber gegeben, von welchen Konten die der Ehefrau überlassenen Geldbeträge ursprünglich stamm-ten. In diesem Zusammenhang geht es, anders als der Klä[X.] dies meint, nicht um die Offenlegung, welche Herkunft die Geldmittel letztlich hatten, sondern um den Nachweis, in dem genannten Zeitraum tatsäch-lich über einen Betrag in Höhe von 350.000 DM verfügt zu haben. Das Schreiben des anwaltlichen Bevollmächtigten des Klä[X.]s vom 5. Juli 2001 konnte zur Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen. Daß die in der Vereinbarung vom 20. November 2000 gewählte Formulierung "erbrachte finanzielle und persönliche Leistungen" den von der Ehefrau angeblich verwirklichten Straftatbestand nach außen nicht in Erscheinung treten lassen sollte, genügt hierfür nicht. Denn dies erklärt noch nicht, weshalb neben "finanziellen Leistungen" auch "persönliche Leistungen" [X.] finden.

c) Den erforderlichen Nachweis, daß die Verletzung der [X.] weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht, hat der Klä[X.] nicht erbracht (§ 15 (2) Satz 1 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 24. Juni 1998 - [X.] - NVersZ 1998, 31 und ständig). Das Beru-fungs[X.]icht hat rechtsfehlerfrei grobe Fahrlässigkeit zugrunde gelegt. Der danach erforderliche Kausalitätsgegenbeweis (§ 15 (2) Satz 2 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 2. Juni 1993 - [X.] - [X.], 960 unter [X.], in [X.]Z 122, 388 nicht abgedruckt und ständig), ist vom Klä-- 9 -

[X.] ebenfalls nicht geführt worden. Die dagegen erhobenen Revisions-angriffe greifen nicht durch.

[X.][X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 90/03

05.05.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2004, Az. IV ZR 90/03 (REWIS RS 2004, 3328)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3328

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