Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.06.2010, Az. 7 ABR 3/09

7. Senat | REWIS RS 2010, 5537

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Gegenstand

Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats - Einstellung eines Leiharbeitnehmers - Prüf- und Konsultationspflicht des Arbeitgebers zugunsten Schwerbehinderter


Leitsatz

1. Die in § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX (Juris: SGB 9) normierte Prüf- und Konsultationspflicht des Arbeitgebers besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, einen frei werdenden oder neu geschaffenen Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen.

2. Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX, berechtigt dies den Betriebsrat, die Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu verweigern.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des [X.] vom 19. November 2008 - 15 TaBV 20/08 - teilweise aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des [X.] vom 16. Januar 2008 - 6 [X.] - teilweise abgeändert:

Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Herrn J wird abgewiesen.

Gründe

1

A. [X.]ie [X.]eteiligten streiten über die Ersetzung der [X.]ustimmung des [X.]etriebsrats zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers.

2

[X.]ie vormalige Antragstellerin, die [X.], betrieb in [X.] einen [X.]eitungsverlag sowie eine [X.]ruckerei. Für Verlag und [X.]ruckerei war ein [X.]etriebsrat gebildet.

3

Am 25. April 2007 schrieb die vormalige Antragstellerin die Stelle des Leiters der mechanischen Werkstatt in dem internen Stellenmarkt aus. Nachdem sich aus der [X.]elegschaft niemand um die Stelle beworben hatte, schaltete die vormalige Antragstellerin die [X.] zwecks Überlassung eines Leiharbeitnehmers ein. Mit Schreiben vom 18. [X.]uli 2007 unterrichtete die vormalige Antragstellerin den [X.]etriebsrat über die beabsichtigte unbefristete Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] der [X.] ab dem 1. August 2007 als Leiter der mechanischen Werkstatt zu den bei der [X.] geltenden tariflichen [X.]estimmungen. Mit Hausmitteilung vom 26. [X.]uli 2007 widersprach der [X.]etriebsrat der Einstellung. Er machte ua. geltend, nicht ordnungsgemäß von der beabsichtigten Einstellung unterrichtet worden zu sein; außerdem verstoße die Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] gegen § 81 Abs. 1 SG[X.] IX, da die Arbeitgeberin nicht geprüft habe, ob die Stelle mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer besetzt werden könne. Mit Schreiben vom 30. [X.]uli 2007 unterrichtete die vormalige Antragstellerin den [X.]etriebsrat darüber, dass die vorläufige Einstellung des Herrn [X.] zum 1. August 2007 dringend erforderlich sei. [X.]ies bestritt der [X.]etriebsrat mit der Hausmitteilung vom 1. August 2007.

4

Mit ihrem am 2. August 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die vormalige Antragstellerin die Ersetzung der [X.]ustimmung des [X.]etriebsrats zur Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] und die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der personellen Maßnahme begehrt.

5

[X.]ie vormalige Antragstellerin hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von [X.]edeutung - beantragt,

        

die vom [X.]etriebsrat mit Hausmitteilung vom 26. [X.]uli 2007 verweigerte [X.]ustimmung zur Einstellung von Herrn [X.] zu ersetzen.

6

[X.]er [X.]etriebsrat hat die Abweisung des Antrags beantragt.

7

[X.]as Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. [X.]as [X.] hat die [X.]eschwerde des [X.]etriebsrats zurückgewiesen. [X.]agegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.]etriebsrats, mit der er weiterhin die Abweisung des Antrags begehrt.

8

Nach Abschluss des ersten Rechtszugs wurde die vormalige Antragstellerin umbenannt in [X.] GmbH & Co. KG. Sie übertrug die von ihr betriebene [X.]ruckerei zum 1. März 2008 auf die neu gegründete [X.], die das [X.] am vorliegenden Verfahren beteiligt hat. [X.]er für den vormals einheitlichen [X.]etrieb gebildete [X.]etriebsrat trat am 6. Mai 2008 von seinem Amt zurück und bestellte einen Wahlvorstand, der die Neuwahl eines [X.]etriebsrats für einen gemeinsamen [X.]etrieb beider Unternehmen beschloss. [X.]ie Wahl fand am 27./28. August 2008 statt. [X.]er neu gewählte [X.]etriebsrat führte das vorliegende [X.]eschlussverfahren an Stelle des bisherigen [X.]etriebsrats fort. Nachdem in einem weiteren [X.]eschlussverfahren vom Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt worden war, dass die [X.] GmbH & Co. KG und die [X.] keinen gemeinsamen [X.]etrieb führen und im Laufe des [X.] für die [X.]etriebe beider Unternehmen am 27. und 28. April 2010 getrennte [X.]etriebsräte gewählt worden waren, hat der im [X.]etrieb der [X.] gewählte [X.]etriebsrat das vorliegende Verfahren als Rechtsbeschwerdeführer weitergeführt. [X.]ie Arbeitgeberinnen haben erklärt, dass die [X.] nunmehr Antragstellerin sei.

9

[X.]. [X.]ie zulässige Rechtsbeschwerde des [X.]etriebsrats ist begründet. [X.]as [X.] hat dem Antrag der Arbeitgeberin, die [X.]ustimmung des [X.]etriebsrats zur Einstellung von [X.] zu ersetzen, zu Unrecht stattgegeben. [X.]er zulässige Antrag ist unbegründet. [X.]er [X.]etriebsrat hat seine [X.]ustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] zu Recht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG verweigert, da die Arbeitgeberin gegen ihre Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX verstoßen hat.

I. [X.]ie Rechtsbeschwerde des [X.]etriebsrats ist zulässig. Sie ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass nach [X.]ustellung des angefochtenen [X.]eschlusses des [X.]s das Amt des bisher am Verfahren beteiligten, für einen gemeinsamen [X.]etrieb der [X.] GmbH & Co. KG und der [X.] gewählten [X.]etriebsrats aufgrund der am 27. und 28. April 2010 erfolgten Wahl zweier getrennter [X.]etriebsräte für die [X.]etriebe beider Unternehmen geendet hat. An die Stelle des bisherigen, für einen Gemeinschaftsbetrieb gewählten [X.]etriebsrats ist hinsichtlich des vorliegenden [X.]eschlussverfahrens der für die [X.] gewählte [X.]etriebsrat getreten.

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG richtet sich die [X.]eteiligung an einem arbeitsgerichtlichen [X.]eschlussverfahren nach materiellem Recht, ohne dass es einer darauf gerichteten Handlung der Person oder Stelle oder des Gerichts bedarf ([X.]AG 9. [X.]ezember 2008 - 1 A[X.]R 75/07 - Rn. 13, [X.]AGE 128, 358). Für das Prozessrechtsverhältnis ist entscheidend, wer materiell-rechtlich berechtigt oder verpflichtet ist. Geht im Laufe eines [X.]eschlussverfahrens die [X.]uständigkeit zur Wahrnehmung des im Verfahren umstrittenen Mitbestimmungsrechts auf ein anderes betriebsverfassungsrechtliches Gremium über, wird dieses [X.]eteiligter des anhängigen [X.]eschlussverfahrens ([X.]AG 25. September 1996 - 1 A[X.]R 25/96 - zu [X.] I und II 1 der Gründe, [X.] ArbGG 1979 § 97 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 2; 18. Oktober 1988 - 1 A[X.]R 31/87 - zu [X.] I 2 a und b der Gründe, [X.]AGE 60, 48). Endet aufgrund einer Neuwahl das Amt eines [X.]etriebsrats, wird nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge ([X.]AG 27. [X.]anuar 1981 - 6 A[X.]R 68/79 - zu [X.] b der Gründe, [X.]AGE 35, 1; 25. April 1978 - 6 A[X.]R 9/75 - zu II 3 der Gründe, [X.] [X.]etrVG 1972 § 80 Nr. 11 = EzA [X.]etrVG 1972 § 80 Nr. 15) und dem Grundgedanken der Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretungen ([X.]AG 24. Oktober 2001 - 7 A[X.]R 20/00 - zu [X.] II 2 a aa der Gründe, [X.]AGE 99, 208; 31. Mai 2000 - 7 A[X.]R 78/98 - zu [X.] IV 2 a [X.] der Gründe, [X.]AGE 95, 15; 23. November 1988 - 7 A[X.]R 121/88 - zu I 2 b aa der Gründe, [X.]AGE 60, 191) der neu gewählte [X.]etriebsrat [X.] seines Vorgängers und tritt in dessen [X.]eteiligtenstellung in einem arbeitsgerichtlichen [X.]eschlussverfahren ein.

2. Hiernach ist der bei der [X.] neu gewählte [X.]etriebsrat [X.] des bisher am Verfahren beteiligten, für einen Gemeinschaftsbetrieb der [X.] GmbH & Co. KG und der [X.] gewählten [X.]etriebsrats geworden und in dessen Rechtsposition als Rechtsbeschwerdeführer eingetreten. [X.]er für einen Gemeinschaftsbetrieb gewählte [X.]etriebsrat ist infolge der Neuwahl zweier getrennter [X.]etriebsräte nicht mehr im Amt. Er ist daher am vorliegenden Verfahren nicht mehr beteiligt. An dessen Stelle ist der bei der [X.] gewählte [X.]etriebsrat getreten. Auf ihn ist die [X.]uständigkeit zur Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts bei der Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.]etrVG übergegangen, da dieser in dem [X.]etrieb der [X.] beschäftigt werden soll.

II. Neben dem [X.]etriebsrat der [X.] ist am vorliegenden Verfahren die [X.] als Antragstellerin beteiligt. [X.]ie [X.] GmbH & Co. KG und der bei ihr neu gewählte [X.]etriebsrat sind nicht [X.]eteiligte des Verfahrens.

1. [X.]ie [X.] ist aufgrund des nach der Einleitung des vorliegenden [X.]eschlussverfahrens unstreitig erfolgten Übergangs des [X.]etriebsteils [X.]ruckerei iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 [X.]G[X.] auf sie betriebsverfassungsrechtlich in die Rechtsstellung der vormaligen Antragstellerin, der [X.] GmbH & Co. KG, eingetreten.

a) [X.]ie Folgen eines [X.]etriebs([X.] während eines arbeitsgerichtlichen [X.]eschlussverfahrens auf die Rechtsstellung der am Verfahren [X.]eteiligten sind gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. [X.]a sich die [X.]eteiligung gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG nach materiellem Recht richtet, ist es für die prozessuale Rechtsposition entscheidend, wer materiell-rechtlich beteiligt oder verpflichtet ist. Geht es um Rechte oder Pflichten des „Arbeitgebers“, ist dies sowohl iSv. § 83 Abs. 3 ArbGG als auch im Sinne des [X.]etriebsverfassungsgesetzes der Inhaber des [X.]etriebs. [X.]erührt der Verfahrensgegenstand dessen betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition - sei es als [X.] oder als Rechtsinhaber - und geht der [X.]etrieb oder [X.]etriebsteil im Laufe des [X.]eschlussverfahrens auf einen Erwerber über, nimmt dieser als neuer Inhaber des [X.]etriebs oder des von dem [X.]eschlussverfahren betroffenen [X.]etriebsteils auch ohne entsprechende Prozesserklärungen der Verfahrensbeteiligten automatisch die verfahrensrechtliche Stellung des bisherigen [X.]etriebsinhabers und Arbeitgebers ein (vgl. zum [X.]etriebsübergang [X.]AG 9. [X.]ezember 2008 - 1 A[X.]R 75/07 - Rn. 13 mwN, [X.]AGE 128, 385).

b) Hiernach ist die [X.] Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens geworden. Gegenstand des [X.]eschlussverfahrens ist die Ersetzung der [X.]ustimmung des [X.]etriebsrats zur Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] in den [X.]etrieb der [X.]ruckerei. [X.]er Verfahrensgegenstand betrifft daher die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung des Inhabers der [X.]ruckerei als Arbeitgeber. [X.]ies ist seit dem [X.]etriebsteilübergang die [X.]. Sie ist daher in die Rechtsposition der [X.] GmbH & Co. KG als Antragstellerin eingetreten.

2. Weitere Personen oder Stellen sind am vorliegenden [X.]eschlussverfahren nicht (mehr) beteiligt. [X.]ie [X.] [X.] GmbH & Co. KG und der bei ihr bestehende [X.]etriebsrat sind von der im vorliegenden Verfahren zu erwartenden Entscheidung nicht in einer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition unmittelbar betroffen, da der Leiharbeitnehmer [X.] nicht in ihrem [X.]etrieb, sondern ausschließlich im [X.]etrieb der [X.] beschäftigt werden soll.

III. [X.]ie Rechtsbeschwerde des [X.]etriebsrats ist begründet. [X.]as [X.] hat dem Antrag der Arbeitgeberin, die [X.]ustimmung des [X.]etriebsrats zur Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] zu ersetzen, zu Unrecht stattgegeben. [X.]er Antrag ist zwar zulässig. [X.]ie [X.]ustimmung des [X.]etriebsrats gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 [X.]etrVG als erteilt. [X.]er Antrag ist jedoch unbegründet. [X.]er [X.]etriebsrat hat seine [X.]ustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] zu Recht verweigert, da die Arbeitgeberin ihre Verpflichtungen aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX verletzt hat. [X.]ies begründet ein [X.]ustimmungsverweigerungsrecht des [X.]etriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG.

1. [X.]er Antrag ist zulässig. [X.]ie Arbeitgeberin hat ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Ersetzung der [X.]ustimmung des [X.]etriebsrats zur Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.]. [X.]iese gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 [X.]etrVG als erteilt. [X.]er [X.]etriebsrat hat der Einstellung form- und fristgerecht unter [X.]erufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG widersprochen.

a) Nach § 99 Abs. 3 Satz 1 [X.]etrVG hat der [X.]etriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung der [X.]ustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers innerhalb einer Woche nach der Unterrichtung durch den Arbeitgeber unter Angabe von Gründen schriftlich mitzuteilen. Geht dem Arbeitgeber innerhalb der Frist keine ordnungsgemäße [X.]ustimmungsverweigerung zu, gilt die [X.]ustimmung nach § 99 Abs. 3 Satz 2 [X.]etrVG als erteilt.

b) [X.]er [X.]etriebsrat hat der beabsichtigten Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] form- und fristgerecht widersprochen. [X.]as [X.] hat zwar offengelassen, ob die [X.]ustimmungsverweigerung innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 [X.]etrVG erklärt wurde. [X.]er [X.] kann hierüber jedoch selbst entscheiden, da die dazu erforderlichen Tatsachen festgestellt und unstreitig sind. [X.]er [X.]etriebsrat hat sowohl mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2007 als auch in der Rechtsbeschwerdebegründung vorgetragen, die Hausmitteilung der Arbeitgeberin vom 18. [X.]uli 2007, mit der diese die [X.]ustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] beantragt hatte, am 19. [X.]uli 2007 erhalten zu haben. [X.]ieses Vorbringen hat die Arbeitgeberin nicht bestritten, so dass als [X.]ugangsdatum der 19. [X.]uli 2007 zugrunde zu legen ist. [X.]amit war die [X.]ustimmungsverweigerung vom 26. [X.]uli 2007 rechtzeitig. Sie genügte auch im Übrigen den Anforderungen des § 99 Abs. 3 Satz 1 [X.]etrVG, da sie schriftlich erfolgte und ausreichend [X.]ustimmungsverweigerungsgründe iSv. § 99 Abs. 2 [X.]etrVG bezeichnet.

2. [X.]er [X.]etriebsrat hat die [X.]ustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] zu Recht verweigert, da die Arbeitgeberin gegen ihre Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX verstoßen hat. [X.]ie Arbeitgeberin hat vor der Einstellung des Leiharbeitnehmers [X.] nicht geprüft, ob die Stelle mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. [X.]ies begründet ein [X.]ustimmungsverweigerungsrecht des [X.]etriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG.

a) Nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG kann der [X.]etriebsrat die [X.]ustimmung zu einer vom Arbeitgeber beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme verweigern, wenn diese gegen ein Gesetz verstoßen würde. Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies nur, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt (vgl. etwa [X.]AG 25. [X.]anuar 2005 - 1 A[X.]R 61/03 - zu [X.] II 4 b [X.] (3) (a) der Gründe mwN, [X.]AGE 113, 218). [X.]azu muss es sich nicht um ein Verbotsgesetz im technischen Sinne handeln, das unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführt. Es muss nur hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der [X.]weck der betreffenden Norm darin besteht, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern ([X.]AG 17. [X.]uni 2008 - 1 A[X.]R 20/07 - Rn. 20 mwN, [X.]AGE 127, 51).

b) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX begründet bei Einstellungen ein [X.]ustimmungsverweigerungsrecht des [X.]etriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG ([X.]AG 17. [X.]uni 2008 - 1 A[X.]R 20/07 - Rn. 24, 25 mwN, [X.]AGE 127, 51).

aa) Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] IX sind die Arbeitgeber verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit solchen, die bei der [X.] arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind, besetzt werden können. [X.]weck der Prüfungspflicht ist es, die Einstellung und [X.]eschäftigung schwerbehinderter Menschen zu fördern ([X.]AG 17. [X.]uni 2008 - 1 A[X.]R 20/07 - Rn. 20 mwN, [X.]AGE 127, 51). [X.]ie Prüfungspflicht wird konkretisiert durch die in § 81 Abs. 1 Satz 2 SG[X.] IX normierte Verpflichtung des Arbeitgebers, frühzeitig Verbindung mit der [X.] aufzunehmen. [X.]adurch wird der [X.] oder einem Integrationsfachdienst die Möglichkeit eröffnet, dem Arbeitgeber geeignete schwerbehinderte Menschen vorzuschlagen. Ein Arbeitgeber verstößt gegen seine Pflichten, wenn er auf einen freien Arbeitsplatz einen nicht schwerbehinderten Menschen einstellt, ohne geprüft zu haben, ob der Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden könnte ([X.]AG 17. [X.]uni 2008 - 1 A[X.]R 20/07 - Rn. 20 mwN, aaO).

[X.]) [X.]ie Einstellung des nicht schwerbehinderten Menschen verstößt in diesem Fall gegen ein Gesetz iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG ([X.]AG 17. [X.]uni 2008 - 1 A[X.]R 20/07 - Rn. 24, [X.]AGE 127, 51; vgl. zu der § 81 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] IX entsprechenden [X.]estimmung des § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.]: [X.]AG 14. November 1989 - 1 A[X.]R 88/88 - zu 2 der Gründe, [X.]AGE 63, 226). Sie verstößt zwar als solche nicht gegen ein [X.]eschäftigungsverbot. [X.]er nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX verfolgte [X.]weck kann aber nur dadurch erreicht werden, dass die endgültige Einstellung des nicht schwerbehinderten Menschen jedenfalls zunächst unterbleibt. [X.]urch die Einstellung eines nicht schwerbehinderten Menschen verwirklichen sich für die Gruppe der schwerbehinderten Menschen in typischer Weise die mit ihrer Schwerbehinderung verbundenen erhöhten Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche, die durch die in § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX normierte [X.] gemindert werden sollen. [X.]ie Einstellung eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers stellt sich als potentielle [X.]enachteiligung der Gruppe arbeitsloser schwerbehinderter Menschen dar und kann damit das [X.]enachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verletzen. [X.]ie Nichteinschaltung der [X.] ist geeignet, die Vermutung einer [X.]enachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu begründen (vgl. zu § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SG[X.] IX aF: [X.]AG 12. September 2006 - 9 A[X.]R 807/05 - Rn. 22, [X.]AGE 119, 262). [X.]udem wird dem Arbeitsmarkt durch die Einstellung des nicht schwerbehinderten Menschen ein zur Verfügung stehender Arbeitsplatz zu Lasten der Gruppe der schwerbehinderten Menschen „entzogen“, deren [X.]eschäftigungsinteressen § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX dienen ([X.]AG 17. [X.]uni 2008 - 1 A[X.]R 20/07 - Rn. 25 mwN, aaO).

c) [X.]iese Grundsätze gelten auch, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, einen freien Arbeitsplatz nicht mit einem eigenen Vertragsarbeitnehmer, sondern mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen.

aa) Auch in diesem Fall besteht die Prüfungspflicht des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] IX (ebenso z[X.]: Kossens/von der [X.]/[X.] SG[X.] IX 3. Aufl. § 81 Rn. 4; [X.]/[X.]/Majerski-[X.] SG[X.] IX 12. Aufl. § 73 Rn. 23; aA z[X.]: [X.][X.] AÜG 4. Aufl. § 14 Rn. 196; [X.] N[X.]A 2006, 126 ff.). [X.]afür spricht bereits der Wortlaut des § 81 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] IX. [X.]ie Vorschrift enthält insoweit keine Einschränkung. Voraussetzung für die Prüfpflicht des Arbeitgebers ist allein die beabsichtigte [X.]esetzung eines freien Arbeitsplatzes. [X.]arum handelt es sich auch, wenn ein frei werdender oder neu geschaffener Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll. [X.]iese Auslegung entspricht Sinn und [X.]weck der in § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX normierten [X.]. [X.]eren [X.]efolgung durch den Arbeitgeber soll es noch nicht im [X.]etrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen ermöglichen, sich um freie Arbeitsplätze zu bewerben und dadurch ihre Einstellungschancen zu verbessern. [X.]as ist auch dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, einen freien Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen. [X.]er Leiharbeitnehmer wird zwar im Regelfall von dem Verleiher dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, ohne dass dieser selbst eine Auswahlentscheidung trifft oder an einer solchen beteiligt wird. Es ist jedoch möglich, dass der Arbeitgeber nach einer § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX entsprechenden Prüfung von der zunächst beabsichtigten [X.]esetzung des Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer Abstand nimmt und stattdessen einen geeigneten schwerbehinderten [X.]ewerber selbst einstellt.

[X.]) Eine Verletzung der nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX bestehenden [X.] durch den Arbeitgeber berechtigt den [X.]etriebsrat auch bei der Einstellung eines Leiharbeitnehmers zur Verweigerung der [X.]ustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG. [X.]em steht nicht entgegen, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX bei Versetzungen ein [X.]ustimmungsverweigerungsrecht des [X.]etriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 [X.]etrVG nicht begründet ([X.]AG 17. [X.]uni 2008 - 1 A[X.]R 20/07 - Rn. 24 ff., [X.]AGE 127, 51). [X.]urch die Versetzung eines bereits im [X.]etrieb beschäftigten Arbeitnehmers auf einen frei gewordenen oder neu geschaffenen Arbeitsplatz verwirklichen sich für arbeitslose schwerbehinderte Menschen nicht die mit der Schwerbehinderung verbundenen erhöhten Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. [X.]ie schwerbehinderten Menschen konkurrieren nicht mit anderen, nicht schwerbehinderten externen [X.]ewerbern, sondern sind wie diese zu Gunsten schon im [X.]etrieb beschäftigter Arbeitnehmer von der Stellenbesetzung von vornherein ausgeschlossen. Außerdem wird durch die Versetzung eines bereits beschäftigten, nicht schwerbehinderten Menschen dem Arbeitsmarkt kein zur Verfügung stehender Arbeitsplatz zu Lasten der Gruppe der schwerbehinderten Menschen „entzogen“ ([X.]AG 17. [X.]uni 2008 - 1 A[X.]R 20/07 - Rn. 26, aaO). [X.]emgegenüber wird bei der Einstellung eines Leiharbeitnehmers der frei gewordene oder neu geschaffene Arbeitsplatz mit einem externen, bislang noch nicht im [X.]etrieb beschäftigten Arbeitnehmer besetzt. [X.]er Arbeitgeber trifft zwar bei der [X.]esetzung eines Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer in der Regel keine Auswahlentscheidung, da der Leiharbeitnehmer vom Verleiher ausgewählt und dem Arbeitgeber zur Arbeitsleistung überlassen wird. Gleichwohl vollzieht sich die [X.]esetzung des freien Arbeitsplatzes - anders als bei einer Versetzung - nicht ausschließlich betriebsintern. Vielmehr wird dem Arbeitsmarkt ein an sich zur Verfügung stehender Arbeitsplatz zu Lasten der Gruppe der schwerbehinderten Menschen „entzogen“, ohne dass diese zuvor die Gelegenheit erhalten haben, sich um den mit einem Externen zu besetzenden Arbeitsplatz zu bewerben. [X.]ies widerspricht dem [X.]weck des § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX. [X.]ie Einstellung eines Leiharbeitnehmers hat daher zu unterbleiben, solange der Arbeitgeber seiner [X.] aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG[X.] IX nicht nachgekommen ist.

        

    Linsenmaier    

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

        

        

    Für den durch Ablauf
der Amtszeit an der
Unterschrift gehinderten
ehrenamtlichen Richter
Hansen
Linsenmaier    

        

    G. Güner    

                 

Meta

7 ABR 3/09

23.06.2010

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Braunschweig, 16. Januar 2008, Az: 6 BV 96/07, Beschluss

§ 81 Abs 1 S 1 SGB 9, § 81 Abs 1 S 2 SGB 9, § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 99 Abs 2 Nr 1 BetrVG, § 99 Abs 4 BetrVG, § 99 Abs 3 S 1 BetrVG, § 99 Abs 3 S 2 BetrVG, § 83 Abs 3 ArbGG, § 613a Abs 1 S 1 BGB, § 22 BetrVG, § 1 Abs 1 S 1 AÜG, § 14 Abs 3 S 1 AÜG, § 19 Abs 1 BetrVG, § 21a Abs 1 S 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.06.2010, Az. 7 ABR 3/09 (REWIS RS 2010, 5537)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5537

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