Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.05.2015, Az. VIII R 19/14

8. Senat | REWIS RS 2015, 11230

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 12.5.2015 VIII R 35/14 - Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen)


Leitsatz

1. NV: Der Gewinn aus der Veräußerung einer an der Börse gehandelten Inhaberschuldverschreibung, die einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieft und den aktuellen Goldpreis abbildet, ist jedenfalls dann nicht nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, wenn die Emittentin verpflichtet ist, das ihr zur Verfügung gestellte Kapital so gut wie vollumfänglich zum Erwerb von Gold einzusetzen.

2. NV: Im Ergebnis ist der Erwerb und die Einlösung bzw. der Verkauf der Inhaberschuldverschreibung wie ein unmittelbarer Erwerb bzw. unmittelbarer Verkauf von physischem Gold zu beurteilen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. März 2014  1 K 1406/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb im September 2008 [X.] Inhaberschuldverschreibungen ([X.]), die sie im April 2011 mit einem Gewinn in Höhe von 18.936,76 € veräußerte.

2

Bei [X.] handelte es sich um ein börsenfähiges Wertpapier in Form einer nennwertlosen, in ihrer Laufzeit unbefristeten Inhaberschuldverschreibung. Jede Teilschuldverschreibung von [X.] gewährte dem Inhaber das Recht auf Auslieferung eines Gramms Gold, das jederzeit unter Einhaltung einer Lieferfrist von zehn Tagen gegenüber der Hausbank geltend gemacht werden konnte. Daneben bestand die Möglichkeit, die Wertpapiere an der Börse zu veräußern.

3

Zur Besicherung und Erfüllbarkeit der [X.] war die Inhaberschuldverschreibung jederzeit durch Gold gedeckt. Dabei überschritt der tatsächlich physisch eingelagerte Goldbestand stets die gemäß Anleihebedingungen vorgegebene Mindestgrenze von 95 %. Der verbleibende Teil wurde durch kurzfristige Lieferansprüche auf Gold gesichert. Eine Kapitalrückzahlung war nach den Emissionsbedingungen ausgeschlossen. Lediglich Anleger, die durch Gesetz, Verordnung, Satzung oder Anlagerichtlinien nicht in den Besitz physischen Goldes gelangen durften, konnten [X.] an das [X.] zurückgeben, welches das für die Wertpapiere hinterlegte Gold am Markt verwertete.

4

Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (2011) legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) den von der Klägerin erzielten Gewinn aus dem Verkauf der [X.] als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) der Besteuerung zugrunde. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht ([X.]) der dagegen gerichteten Klage mit Urteil vom 27. März 2014  1 K 1406/13 stattgegeben.

5

Mit der --vom [X.] zugelassenen-- Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei die Inhaberschuldverschreibung [X.] als sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu qualifizieren, so dass der Gewinn aus deren Veräußerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sei. [X.] sei weder ein reines Finanzprodukt noch eine direkte Anlage in den Rohstoff Gold, sondern eine Verbindung beider Anlageformen. Da die Auslieferung von Gold nach den Emissionsbedingungen mit erheblichen Kosten verbunden sei, würde ein Großteil der Anleger den Lieferanspruch nicht geltend machen, sondern die Kurssteigerungen des Wertpapiers an der Börse realisieren. Durch den Auffangtatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG Erträge aus der Veräußerung von [X.] unabhängig von ihrer Bezeichnung oder zivilrechtlichen Ausgestaltung steuerlich erfasst werden sollten. Danach falle auch [X.] unter die Regelung. Sollte dies zu verneinen sein, wäre der Veräußerungsgewinn jedoch als Termingeschäft i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG zu besteuern.

6

Das [X.] beantragt,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

1. Der von der Klägerin erzielte Gewinn aus der Veräußerung der [X.] führt nicht zu steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, da die Schuldverschreibung nicht als sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu beurteilen ist.

a) Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach letztgenannter Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des [X.] oder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG).

b) Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach diesen Regelungen im Streitfall nicht gegeben sind, da die von der Klägerin veräußerten [X.] keine Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind.

aa) Unter den Begriff der Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (vgl. Senatsurteile vom 5. November 2014 VIII R 28/11, [X.], 5, [X.], 276; vom 4. Dezember 2007 VIII R 53/05, [X.], 339, [X.], 563; vom 26. Juni 1996 VIII R 67/95, [X.] 1997, 175; vom 12. September 1985 VIII R 306/81, [X.], 320, [X.] 1986, 252, jeweils m.w.[X.]; [X.]/[X.], EStG, 34. Aufl., § 20 Rz 100). Nicht darunter fallen indes Ansprüche auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine Sachleistung gerichtete Forderungen ([X.]/[X.] in Korn, § 20 EStG Rz 280; [X.] in [X.]/[X.], § 20 EStG Rz 326; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 20 Rz C/7 98; [X.] in [X.], EStG, [X.] 2011, § 20 Rz 160; [X.]/ [X.] in [X.], EStG, § 20 EStG Rz 392, 423; Blümich/ [X.], § 20 EStG Rz 308; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 20 EStG Rz 295, Stichwort: Lieferschuldverschreibungen mit physischer Deckung; Haisch, Betriebs-Berater 2014, 2333, 2334 f.; a.A. Schreiben des [X.] vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004, [X.], 94, und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013, [X.], 953, jeweils Rz 57; [X.], Der Betrieb 2014, 2312, 2314 f.).

bb) Danach sind die von der Klägerin veräußerten [X.] keine sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da sie nicht einen Anspruch auf Geld, sondern auf eine Sachleistung verkörpern. Nach den Emissionsbedingungen hatte die Klägerin gegen die Emittentin der Inhaberschuldverschreibungen ausschließlich einen Anspruch auf die Lieferung von Gold. Die Zahlung von Geld war ausgeschlossen. Zudem war die Emittentin nach den Emissionsbedingungen nicht berechtigt, über das von ihr bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibungen eingesammelte Kapital frei zu verfügen, da sie verpflichtet war, dieses zur Besicherung der verbrieften [X.] zu mindestens 95 % in physisches Gold zu investieren. Sie hatte danach kein eigenständiges Kapitalnutzungsrecht i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (vgl. [X.]/[X.] in Korn, § 20 EStG Rz 281).

cc) Der Anspruch der Klägerin auf die Lieferung von Gold wird auch nicht dadurch zu einem Anspruch auf Geld, dass sie nach den Emissionsbedingungen die Möglichkeit hatte, [X.] am Sekundärmarkt zu veräußern. Die Veräußerung begründet lediglich ein weiteres Rechtsverhältnis, das unabhängig vom schuldrechtlichen Lieferungsanspruch, der Gegenstand der Inhaberschuldverschreibung ist, zu beurteilen ist. Für rechtlich unerheblich erachtet der Senat in diesem Zusammenhang, dass --wie die [X.] eine Vielzahl von Anlegern [X.] und damit den Lieferanspruch am Sekundärmarkt veräußerten, um die Kosten für die Auslieferung des physischen Goldes zu sparen. Es steht jedem Steuerpflichtigen frei, sich für die nach seiner Auffassung für ihn günstigste Handlungsalternative zu entscheiden.

c) Da keine sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegt, sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG nicht erfüllt. Aus der Gesetzesbegründung zur Neureglung dieser Vorschrift durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 ([X.], 1912) wird deutlich, dass Gewinne aus der Veräußerung von Ansprüchen auf Sachleistungen von der Vorschrift nicht erfasst werden sollen, da die Regelung als Auffangtatbestand gestaltet wurde, um "die Besteuerung des Vermögenszuflusses aus der Veräußerung, Abtretung oder Endeinlösung von sonstigen Kapitalforderungen zu sichern" (BTDrucks 16/4841, S. 56; [X.] 220/07, S. 89). Für diese Auslegung spricht auch die Anwendungsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 6 bis 8 EStG, nach der § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden ist.

2. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG ist unabhängig davon, ob dessen Voraussetzungen vorliegend überhaupt erfüllt sind, ausgeschlossen, weil die Vorschrift nach der Anwendungsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 3 EStG erstmals auf Gewinne aus Termingeschäften anzuwenden ist, bei denen der Rechtserwerb nach dem 31. Dezember 2008 erfolgt ist. Die Klägerin hat die in Rede stehenden Inhaberschuldverschreibungen im September 2008 erworben, d.h. vor diesem Zeitpunkt. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG findet daher in dem hier zu entscheidenden Fall schon zeitlich keine Anwendung.

3. Im Ergebnis sind der Erwerb und die Einlösung oder der Verkauf von [X.] wie ein unmittelbarer Erwerb und unmittelbarer Verkauf physischen Goldes zu beurteilen. Dass die Klägerin nicht Eigentümerin des Goldes war, sondern nur einen schuldrechtlichen Lieferanspruch besaß, ändert daran nichts. Der [X.] ([X.]) hat derartige "Goldgeschäfte" im Geltungsbereich der Vorgängerregelung stets als private Veräußerungsgeschäfte i.S. von § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angesehen (vgl. [X.]-Urteil vom 24. Januar 2012 IX R 62/10, [X.]E 236, 362, [X.] 2012, 564; [X.]/[X.] in Korn, § 20 EStG Rz 280; [X.], in: [X.] [X.], a.a.[X.], § 20 Rz C/7 98; [X.]/[X.], § 20 EStG Rz 295, Stichwort: Lieferschuldverschreibungen mit physischer Deckung; Blümich/[X.], § 20 EStG Rz 308). Im Streitfall ist die insoweit maßgebliche Jahresfrist zwischen Anschaffung und Veräußerung jedoch überschritten, so dass auch die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach dieser Vorschrift nicht erfüllt sind.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 19/14

12.05.2015

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 27. März 2014, Az: 1 K 1406/13, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, § 20 Abs 2 S 1 Nr 3b EStG 2009, § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 22 Nr 2 EStG 2009, § 23 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 52a Abs 10 S 6 EStG 2009, § 52a Abs 10 S 3 EStG 2009, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.05.2015, Az. VIII R 19/14 (REWIS RS 2015, 11230)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11230

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII R 35/14 (Bundesfinanzhof)

Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen


VIII R 7/17 (Bundesfinanzhof)

Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von "Gold Bullion Securities" Inhaberschuldverschreibungen


IX R 33/17 (Bundesfinanzhof)

Kein privates Veräußerungsgeschäft: Einlösung der Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibung und Erfüllung des Sachleistungsanspruchs


VIII R 4/15 (Bundesfinanzhof)

(Besteuerung des Gewinns aus der Einlösung von Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen - Termingeschäft i.S. des § 20 …


5 K 2870/19 (FG München)

Wertpapiereigenschaft von Xetra-Gold


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.