Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2004, Az. 5 StR 563/03

5. Strafsenat | REWIS RS 2004, 4744

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5 [X.]/03BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILvom 3. Februar 2004in der Strafsachegegenwegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 3. Februar2004, an der teilgenommen haben:Vorsitzende Richterin [X.],[X.],[X.],Richterin [X.],Richter [X.] beisitzende Richter,Oberstaatsanwalt beim [X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwältin [X.] Verteidigerin,Rechtsanwalt [X.] Vertreter der Nebenklägerin,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 11. Juli 2003 aufgehoben,soweit der Angeklagte in den [X.] und 3 der Ur-teilsgründe verurteilt worden ist. Insoweit wird [X.] auf Kosten der [X.] eingestellt.Der Gesamtstrafausspruch entfällt.In die Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2StPO werden zwei weitere der angeklagten Fälle 2 [X.] einbezogen.Die weitergehende Revision des Angeklagten wird [X.]. Er ist wegen sexuellen Mißbrauchs eines [X.] zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.2. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das genannteUrteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung [X.] auch über die verbleibenden Kostender Revisionen [X.] an eine andere Strafkammer des[X.]s zurückverwiesen. Diese hat auch über [X.] der Vollstreckung der gegen den Ange-klagten verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung zuentscheiden, sofern keine neue [X.] wird.[X.] Von Rechts wegen [X.]- 4 -G r ü n d eDas [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen [X.] Kindes und zweier Fälle des sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbe-fohlenen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten zu drei Jahren Ge-samtfreiheitsstrafe verurteilt. Von drei Anklagevorwürfen [X.] 283 weitere Fällewurden gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt [X.] hat das [X.] den [X.] freigesprochen. Das Urteil hat auf die Revisionen der Nebenkläge-rin und des Angeklagten nur teilweise Bestand.1. Die Revision des Angeklagten, der die allgemeine Sachrüge erho-ben hat, bleibt allerdings ohne Erfolg, soweit der Beschwerdeführer im [X.] 1 der Urteilsgründe wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes zu einer(Einzel-)Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden [X.]) Mit [X.] Beweiswürdigung hat sich das [X.] der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage der Nebenklägerin, der [X.] 1978 geborenen leiblichen Tochter des Angeklagten, über-zeugt. Danach hat dieser zwischen Anfang 1990 und Mitte 1999 in einerVielzahl von Fällen [X.] wahrscheinlich mehrere Hundert [X.] den Beischlaf mitder Nebenklägerin vollzogen.b) Rechtsfehlerfrei ausgeurteilt als Vergehen nach § 176 Abs. 1 StGBa.[X.] ist der Initialfall, begangen zum Nachteil der damals elfjährigen Tochterin einer zur Wohnung des Bruders des Angeklagten in [X.] gehö-renden Außentoilette. Die Tat ist nicht verjährt, da die Verjährung [X.] beizehnjähriger Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB) [X.] bis zur [X.] 18. Lebensjahres der Nebenklägerin (Dezember 1996) geruht hat (§ [X.]. 1 Nr. 1 StGB).c) [X.] (§ 176 Abs. 3 StGB a.[X.]) und Einzelstrafbemes-sung [X.] unter Abzug von vier Monaten mit Rücksicht auf eine rechtsstaatswid-- 5 -rige Verfahrensverzögerung [X.] lassen einen Rechtsfehler zum Nachteil [X.] nicht erkennen. Auch hätte bei der Schwere des Vergehensgegen den nicht geständigen Angeklagten keine noch mildere Strafe [X.] werden dürfen, wenn weitere Schuldsprüche nicht erfolgt wären.2. Hinsichtlich der beiden weiteren Schuldsprüche wegen [X.] rechts-fehlerfrei festgestellter [X.] zwischen Anfang 1993 und November 1994 [X.] jeweils tateinheitlicher Vergehen nach § 173 Abs. 1 und § 174 Abs. 1Nr. 3 StGB ist das Verfahren einzustellen. Diese Taten sind verjährt. [X.] [X.]punkt der ersten verjährungsunterbrechenden Handlung [X.] Anord-nung der Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an den [X.] am 9. November 2000 ([X.]; § 78c Abs. 1 Nr. 1StGB) [X.] war die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) abge-laufen; bei Urteilsverkündung war zudem möglicherweise [X.] und daher zu-gunsten des Angeklagten anzunehmen [X.] absolute Verjährung (§ 78c Abs. 3Satz 2 StGB) eingetreten. Die Ruhensvorschrift des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGBgilt für die insoweit abgeurteilten Vergehen (noch) nicht (vgl. jedoch Art. 1 Nr.4 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, [X.]). Da die Staatsan-waltschaft die Verjährungsproblematik bereits bei Anklageerhebung zutref-fend beurteilt und die [X.] zwischen dem 14. Geburtstag der [X.] dem 9. November 1995 von der Anklage der [X.], fehlt es zudem insoweit am Erfordernis der Anklageerhebung.Die in diesem Umfang gebotene [X.] und Einstellung [X.] entzieht zugleich dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage.Zur Klarstellung und Erschöpfung der Anklage bezieht der [X.] des [X.] zwei weitere Fälle der Anklage (aus [X.] 2 bis 147) in die in der Hauptverhandlung vor dem Tatgericht vorge-nommene weitgehende Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ein;die unterbliebene Einstellung dieser beiden Fälle beruhte gleichermaßen [X.] rechtsfehlerhaften Beurteilung der Verjährung und des [X.] -3. Der Teilfreispruch, auf den die Nebenklägerin ihr Rechtsmittel be-schränkt hat, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsfeststellungen ([X.], 7 f.,14 f.) ist zu entnehmen, daß das Tatgericht aufgrund der als glaubhaft ange-sehenen Angaben der Nebenklägerin an folgendem nicht gezweifelt hat: [X.] vollzog in einem zur Familienwohnung in [X.] gehö-renden Toilettenraum im [X.] 1991 [X.] und zwar wiederholt, nach [X.] am 1. August 1991 etwa zweimal wöchentlich [X.] den Beischlaf mit derdamals zwölfjährigen Nebenklägerin; gleiches tat er [X.] mehrfach [X.] mit [X.] 13-jährigen Tochter an Wochenenden im [X.] 1992 im [X.] einem bestimmten Spielplatz in [X.]; schließlich vollzog erzwischen einer am 23. November 1995 erfolgten gynäkologischen [X.] seiner damals 16-jährigen Tochter und Anfang Dezember 1995 [X.] wie-derholt, mindestens viermal [X.] wiederum in der Familienwohnung mit ihr [X.]. Das [X.] hat den Angeklagten gleichwohl von den Ankla-gevorwürfen zweier weiterer Vergehen nach § 176 Abs. 1 StGB a.[X.] und ei-nes [X.] wegen der späteren Tatzeit nicht verjährten [X.] tateinheitlichen Verge-hens nach § 173 Abs. 1 und § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB freigesprochen. Es sahsich an einer Verurteilung gehindert, da sich in keinem der drei Fälle die [X.] abzuurteilende Tat aufgrund ihrer [X.] mit den [X.] —hinreichend bestimmenfi lasse. Diese Beurteilung er-weist sich als rechtsfehlerhaft.Das Tatgericht hat mit seinen Erwägungen die Möglichkeit, bei [X.] von [X.] der hier zur Überprüfung stehenden Art eineVerurteilung auf Mindestfeststellungen zu stützen, vernachlässigt. Damit [X.] sich seiner hieraus folgenden Verpflichtung entzogen, zur Ausschöpfungeiner [X.] wie hier [X.] ordnungsgemäß erhobenen Anklage solcher Taten [X.] auch zu treffen. Dabei ist hier schon im Vorfelddurch Zusammenwirken von Tatgericht und Staatsanwaltschaft in Anwen-dung des § 154 Abs. 2 StPO mit der Reduzierung der Anzahl innerhalb der- 7 -jeweils zeitlich und räumlich zu differenzierenden Teilserien auf jeweils ([X.]) nur noch eine zur möglichen Aburteilung gestellte Tat höchste Vor-sicht geübt worden (vgl. ähnlich BGHR StGB § 176 [X.] 5; vor§ 1 / [X.] [X.] Kindesmißbrauch 4; vgl. zur Methodik auch [X.] § 176 [X.] 6 und 8; StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfest-stellungen 6 und 7 sowie [X.] 9). Das vom [X.] rechts-fehlerhaft zur Begründung der Freisprechung herangezogene Argument, un-geachtet sicherer tatrichterlicher Überzeugung an der Begehung (minde-stens) einer näher konkretisierten und damit ausreichend individualisiertenTat mangele es an deren Unterscheidbarkeit von anderen gleichermaßenindividualisierten Taten, mag nach rechtskräftiger Aburteilung bereits einerderartigen Tat aus der konkreten Tatserie zur Vermeidung doppelter Bestra-fung, möglicherweise auch schon bei anderweitiger Rechtshängigkeit, einerVerurteilung entgegenstehen. Derartige Probleme ergaben sich hier deshalbnicht, weil der Angeklagte bislang unbestraft ist und auch nicht weitergehendbelangt wird.Die Möglichkeit, auf der Grundlage der vom [X.] getroffenenFeststellungen in den drei Fällen auf die Verhängung von Schuldsprüchendurchzuerkennen, ist dem Senat aus grundsätzlichen Erwägungen versagt,da dem bestreitenden Angeklagten, der die Freisprüche nicht anfechtenkonnte, hierdurch insoweit eine Instanz genommen würde (BGHSt 48, 77, 99m.w.[X.]). Die Gleichartigkeit der Tatvorwürfe mit den [X.] unddie im wesentlichen identische Beweisgrundlage rechtfertigen nicht die An-nahme eines Ausnahmefalles.Über die Vorwürfe muß daher ein neues Tatgericht entscheiden, dasauch nicht an die zu jenen Fällen bislang getroffenen [X.] den weiteren rechts-fehlerfreien Schuldspruch indes nicht tragenden [X.] Feststellungen gebundenist, die der Angeklagte nicht angreifen konnte und die daher ebenfalls derAufhebung unterliegen (§ 353 Abs. 2 StPO).- 8 -Im Verurteilungsfalle wird das neue Tatgericht mit der im angefochte-nen Urteil nunmehr rechtskräftig verhängten (Einzel-)Strafe eine neue Ge-samtfreiheitsstrafe zu bilden haben. Sollte es indes in diesen Fällen zu keinerVerurteilung kommen, wird ihm die Entscheidung über die Aussetzung derVollstreckung jener rechtskräftig verhängten zweijährigen Freiheitsstrafe ge-mäß § 56 Abs. 2 StGB obliegen.[X.] Häger [X.] Raum

Meta

5 StR 563/03

03.02.2004

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2004, Az. 5 StR 563/03 (REWIS RS 2004, 4744)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4744

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