Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2016, Az. 3 StR 453/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 313

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:211216B3STR453.16.1

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 453/16
vom
21. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen

wegen [X.]s

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführerin am 21.
Dezember 2016 gemäß §
349 Abs.
4, §
354 Abs.
1, §
206a Abs.
1 [X.] einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6.
Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
2.
Die Kosten des Verfahrens und die der Angeklagten entstan-denen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
3.
Über die Verpflichtung zur Entschädigung der Angeklagten nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfol-gungsmaßnahmen entscheidet der [X.] nach Anhörung der Beteiligten durch gesonderten Beschluss.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen [X.] zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die nicht ausgeführte Verfahrensrüge ist bereits unzulässig (§
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]). Die Sachrüge hat dagegen Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es die Angeklagte betrifft (§
349 Abs.
4 [X.]), und zur Einstellung des Verfahrens gegen sie, weil es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (§
354 Abs.
1, §
206a Abs.
1 [X.]).
1
-
3
-
I.
1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen fassten die Angeklagte und der Mitangeklagte U.

G.

den Entschluss, dass dieser in das Wohnhaus der alleinstehenden I.

B.

, der Mutter des geschiedenen Ehemanns der Angeklagten, T.

B.

, einbricht, um dort Bargeld und Wertsachen zu entwenden. Bei der Ausführung
der gemeinschaftlich geplanten Tat traf der Mitangeklagte in dem Wohnhaus, nachdem er Diebesgut an sich genommen hatte, auf I.

B.

. Er erwürgte sie, stellte ihren Tod fest, be-seitigte Spuren und verließ den Tatort mit der Beute, welche die Angeklagten später gemeinsam verbrauchten.
2. Das [X.] hat angenommen, dass beide Angeklagte mittäter-schaftlich einen [X.] begingen (§
242 Abs.
1, §
244 Abs.
1 Nr.
3, §
25 Abs.
2 [X.]). Den von dem Mitangeklagten U.

G.

tat-einheitlich verübten Mord (§
211 [X.]) hat es als der Angeklagten nicht zu-rechenbaren Mittäterexzess bewertet.

II.
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen [X.] durfte nicht ergehen. Es fehlt an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen [X.]. Den Kindern der I.

B.

, H.

Bi.

und T.

B.

, die form-
und fristgerecht (vgl. §
158 Abs.
2 [X.], §
77b [X.]) Strafantrag gegen die Angeklagte gestellt haben (Bl.
869
f. d.
SA Bd.
IV), steht kein Antragsrecht zu. Im Einzelnen:
2
3
4
-
4
-
a) Nach §
247 [X.] bedarf es für die Verfolgung des [X.] der Angeklagten zum Nachteil der verstorbenen I.

B.

, ihrer früheren Schwiegermutter, eines [X.]. Diese war Angehörige der Angeklagten im Sinne von §
11 Nr.
1 Buchst.
a [X.], weil beide in gerader
Linie verschwägert waren (§
1590 Abs.
1 BGB); trotz der Scheidung von
T.

B.

dauerte das Angehörigenverhältnis zur Tatzeit fort (s. auch §
1590 Abs.
2 BGB).
§
247 [X.] gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut -
anders als §
248a [X.] -
nicht nur für den Grundtatbestand des Diebstahls nach §
242 [X.], sondern für alle seine -
auch in §§
243, 244, 244a [X.] normierten -
Be-gehungsweisen, gleich ob gesetzlich als besonders schwere Fälle oder als Qualifikationstatbestände ausgestaltet (vgl. MüKo[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
247 Rn.
2; NK-[X.]-Kindhäuser, 4.
Aufl., §
247 Rn.
2), damit auch für das abgeurteilte Vergehen gemäß §
244 Abs.
1 Nr.
3 [X.]. Auf die Form der [X.] desjenigen, dessen Angehöriger der Verletzte ist, kommt es dabei nicht an (vgl. LK/[X.], [X.], 12.
Aufl., §
247 Rn.
5).
b) Die beiden Kinder der Verstorbenen sind nicht strafantragsberechtigt.
aa) Das der I.

B.

zustehende Antragsrecht ist mit ihrem Tod nicht auf die Strafantragsteller übergegangen, sondern erloschen. §
77 Abs.
2 [X.], wonach ein Übergang des Antragsrechts beim Tod des Verletzten [X.], ist nicht anwendbar. Die Vorschrift bewirkt dies nur "in den Fällen, die das Gesetz bestimmt"; sie gilt daher nicht für das Strafantragserfordernis nach §
247 [X.], der einen derartigen Übergang -
anders als etwa § 194 Abs.
1 Satz
5 oder §
230 Abs.
1 Satz
2 [X.] -
nicht vorsieht (vgl. [X.], [X.] vom 6.
Juni 2003 -
2
Ss 367/03, [X.], 111, 112 [für §
266 Abs.
2 i.V.m. §
247 [X.]]; NK-[X.]-Kindhäuser aaO, Rn.
9 aE).
5
6
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8
-
5
-
bb) Der [X.] hat erwogen, ob H.

Bi.

und/oder T.

B.

möglicherweise als Erben der I.

B.

selbst Verletzte gemäß §
247 [X.] gewesen sein könnten, wobei die Erbenstellung im Wege des [X.] zu klären gewesen wäre. Zwar ist das Antragsrecht als höchstpersönliches Recht nicht vererblich. Das Eigentum der Verstorbenen ging jedoch kraft Gesetzes unmittelbar mit dem Tod auf die Erben über (§
1922 Abs.
1 BGB). Im Sinne des §
247 [X.] verletzt ist -
jedenfalls -
der Eigentümer (s. hierzu im Einzelnen [X.], Urteil vom 26.
Juli 1957 -
4 [X.], [X.]St
10, 400, 401
ff.; S/S-Eser/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
247 Rn.
10
f.; LK/[X.] aaO, Rn.
6).
Da für die Strafantragsberechtigung die Zeit der Tat maßgebend ist (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Juli 1979 -
4
StR 204/79, [X.]St
29, 54, 55
f.; S/S-Stern-berg-Lieben/[X.] aaO, §
77 Rn.
10), käme ein originäres Antragsrecht der Strafantragsteller in Betracht, wenn entweder der [X.] (§
244 Abs.
1 Nr.
3 [X.]) über den Erbfall hinaus fortgedauert oder der [X.] U.

G.

dem Erbfall zeitlich nachfolgend eine der Angeklagten zu-rechenbare Unterschlagung (§
246 Abs.
1 [X.]) begangen hätte. Beide [X.] liegen hier nicht vor.
(1) Eine Verletzung des Eigentums der Strafantragsteller durch den [X.] scheidet schon deshalb aus, weil dieser mit dem Tod der I.

B.

bereits beendet war. Daher braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob ein Strafantragsrecht auch demjenigen zusteht, dessen [X.] ausschließlich im Zeitraum zwischen formeller Vollendung und materieller Beendigung der Tat besteht.
Ein Diebstahl ist beendet, wenn -
in weiterer Verwirklichung der [X.] -
der Gewahrsam an der Beute gefestigt und gesichert ist. Wann der Zeitpunkt erreicht ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls 9
10
11
12
-
6
-
ab. [X.] Kriterien sind, ob sich der Täter noch im unmittelbaren Herr-schaftsbereich des Bestohlenen befindet oder noch direkte Eingriffsmöglichkei-ten von diesem oder einem dritten Beobachter -
gegebenenfalls in der Form der Nacheile -
vorhanden sind (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Oktober 2014 -
5
StR 395/14, [X.]R [X.] §
252 Frische Tat
5; Beschlüsse vom 18.
Februar 1988
-
4
StR 28/88, [X.]R [X.] §
252 Frische Tat
3; vom 1.
September 1999
-
1
StR 416/99, [X.], 31; vom 26.
Mai 2000 -
4
StR 131/00, [X.], 88, 89 mwN; vom 1.
Februar 2011 -
3 [X.], [X.], 637, 638).
Mit dem Tod der I.

B.

trat die Beendigung des [X.] ein. Nach den Feststellungen lebte die Verstorbene allein in dem Wohnhaus, in das der Mitangeklagte U.

G.

einbrach. Durch den Tod endete der durch ihren generellen [X.] begründete Gewahrsam an den im Wohnhaus befindlichen Sachen, ohne dass er auf eine andere Per-son -
etwa einen Mitbewohner oder eine (anwesende) Hausangestellte -
hätte übergehen können (vgl. [X.], Urteile vom 14.
Januar 1987 -
3
StR 546/86, [X.]R [X.] §
242 Abs.
1 Gewahrsam
1; vom 9.
Dezember 2009 -
5
StR 403/09, [X.], 122
f.; S/S-Eser/[X.] aaO, §
242 Rn.
30). Ein I.

B.

oder einer solchen Person zuzuordnender Herrschaftsbereich existierte danach nicht mehr. Dass für den Mitangeklagten das reale Risiko des [X.] eines Dritten bestand, ist hier weder festgestellt noch sonst ersicht-lich.
(2) Eine dem Tod der I.

B.

zeitlich nachfolgende Unterschla-gung, mit der das Eigentum der Strafantragsteller verletzt worden wäre, liegt ebenso wenig vor. Insbesondere der vom Mitangeklagten U.

G.

vorge-nommene Abtransport der Beute stellt keine eigenständige Unterschlagungs-handlung zum Nachteil der Erben dar.
13
14
-
7
-
Mit der Beendigung des [X.]s war auch die
Zueignung endgültig abgeschlossen. Es waren ein Aneignungs-
und ein Ent-eignungserfolg eingetreten.
Hat sich indes ein Täter eine fremde Sache durch eine strafbare Hand-lung bereits zugeeignet, kann er sie sich in einem späteren
Zeitpunkt nicht noch einmal im Sinne von §
246 Abs.
1 [X.] zueignen, ohne vorher seine Schein-eigentümerposition wieder aufgegeben zu haben (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Dezember 1959 -
GSSt 1/59, [X.]St
14, 38; ferner [X.], Urteil vom 17.
Oktober 1961 -
1
StR 382/61, [X.]St
16, 280, 281
f.; Beschluss vom 13.
Juli 1995 -
1
StR 309/95, [X.], 131, 132; MüKo[X.]/[X.] aaO, §
246 Rn.
40; SSW-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
246 Rn.
20); eine solche Position lässt sich nicht beliebig wiederholend begründen. Ohne Einfluss hie-rauf ist, dass die (erste) strafbare Zueignungshandlung -
wie hier -
nicht verfolgt werden kann.
2. Die angeklagte prozessuale Tat (§
264 [X.]) umfasst auch kein [X.] verfolgbares strafbares Verhalten der Angeklagten, so dass das Verfahren einzustellen ist.

III.
1. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die notwendi-gen Auslagen der Angeklagten beruht auf §
467 Abs.
1, 3 Satz
2 Nr.
2 [X.]. Der [X.] hat von dem ihm durch §
467 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 [X.] eingeräum-ten Ermessen dahin Gebrauch gemacht, nicht davon abzusehen, ihre notwen-digen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Es ist nicht unbillig, die Staats-kasse hiermit zu belasten. Maßgebend ist dafür zum einen, dass das Verfah-15
16
17
18
-
8
-
renshindernis bereits vor Anklageerhebung bestand und auch erkennbar war, ohne dass dies in einer tatrichterlichen Hauptverhandlung noch hätte aufgeklärt werden müssen (vgl. [X.], Urteil vom 1.
März 1995 -
2
StR 331/94, [X.]R [X.] §
467 Abs.
3 Verfahrenshindernis
1); zum anderen ist ein prozessual vorwerfbares Verhalten der Angeklagten nicht ersichtlich (vgl. [X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl., §
467 Rn.
18 mwN).
2. Über die Verpflichtung zur Entschädigung der Angeklagten nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ([X.]) hat der [X.] selbst zu befinden, weil er die das Verfahren abschließende Sach-entscheidung getroffen hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11.
März 2008 -
3
StR 378/07, [X.], 266; vom 26.
Mai 2015 -
3
StR 437/12, [X.], 438, 439). Er behält dies einem weiteren Beschluss vor, der erlassen werden wird, nachdem die Beteiligten dazu angehört worden sind (vgl. §
8 Abs.
1 Satz
2 [X.]).
Becker Gericke Tiemann

Berg Hoch
19

Meta

3 StR 453/16

21.12.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2016, Az. 3 StR 453/16 (REWIS RS 2016, 313)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 313

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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