Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2020, Az. XI R 11/18

11. Senat | REWIS RS 2020, 3640

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bestimmung des Inhaltsadressaten einer Prüfungsanordnung; Festsetzungsverjährung; Treu und Glauben


Leitsatz

1. Zur Inhaltsbestimmung eines Verwaltungsakts ist zwar der erklärte Wille der Behörde zu erfassen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften; allerdings ist ein in seinem Ausspruch eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid insofern keiner Auslegung zugänglich.

2. Eine Außenprüfung, die aufgrund einer gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht wirksam gewordenen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen.

3. Ist Festsetzungsverjährung eingetreten, ermöglicht es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dass zu Lasten des Steuerpflichtigen ein erloschener Steueranspruch wieder auflebt; dies gilt unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung "vorwerfbar" ist oder nicht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 27.02.2018 - 2 K 33/16 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob bei Erlass der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Besteuerungszeiträumen 2004 bis 2007 (Streitjahre) eine ... Klinik, bis sie aufgrund Ausgliederungs- und Übernahmevertrags vom 22.08.2007 ihr gesamtes Vermögen gegen Gewährung einer Kommanditbeteiligung an der [X.] ([X.]) auf diese übertrug. Beide Gesellschaften gehören der sog. [X.] an.

3

Ihre Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre, die Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden, hatte die Klägerin jeweils im zweiten nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahr beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) abgegeben.

4

Mit Schreiben vom 24.06.2009 informierte das [X.] im Vorfeld einer geplanten Umsatzsteuerprüfung bei der [X.] u.a. darüber, dass es davon ausgehe, dass diese als Rechtsnachfolgerin der Klägerin anzusehen sei. Am [X.] ordnete es unter Verwendung der Steuernummer der Klägerin eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) "bei der Firma A GmbH & Co. [X.] als RNF der [X.]" an. Diese --der damaligen steuerlichen Vertreterin aller Gesellschaften und Einzelpersonen der [X.] bekannt gegebene-- Prüfungsanordnung erging "an Sie als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten (§ 183 Abs. 1 [X.])". Die Außenprüfung sollte sich u.a. auf die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer der Zeiträume 2003 bis 2006 erstrecken.

5

Im Einspruchsverfahren gegen die Prüfungsanordnung mit der Begründung, die Frist zwischen der Bekanntgabe der Anordnung und dem Beginn der Prüfung sei zu kurz bemessen, erklärte die steuerliche Vertreterin unter Bezugnahme auf die vom [X.] verwendete Adressatenbezeichnung, sie gehe davon aus, dass es sich um eine einheitliche Prüfung bei allen Gesellschaften und Einzelpersonen der [X.] handele. Mit Schreiben vom [X.] erklärte sie die Rücknahme des Einspruchs. Das [X.] nahm mit Bescheid vom 09.08.2010 die Prüfungsanordnung für den Zeitraum 2003 zurück.

6

Am [X.] erließ das [X.] unter derselben Adressatenbezeichnung und Verwendung der Steuernummer der Klägerin eine "geänderte Prüfungsanordnung", nunmehr betreffend die Zeiträume 2004 bis 2007.

7

Im Rahmen der Außenprüfung wurden der steuerlichen Vertreterin u.a. Fragen/vorläufige Feststellungen übermittelt, die als zur "Betriebsprüfung bei [X.]" gehörend gekennzeichnet waren. Auch die Antworten der Mitarbeiter der steuerlichen Vertreterin mit Bezug zur Steuernummer der Klägerin und zur Auftragsbuchnummer der betreffenden Außenprüfung erfolgten mit Hinweis auf die Klägerin.

8

In seinem Bericht vom 29.11.2013 "über die Außenprüfung bei der Firma [X.]" stellte der Prüfer zur Umsatzsteuer der Streitjahre fest, dass die Klägerin trotz Ausführung auch steuerfreier Umsätze keine Vorsteueraufteilung vorgenommen hatte. Die gebotene Aufteilung führte zu [X.] von ... € (2004), ... € (2005), ... € (2006) und ... € (2007). In der Schlussbesprechung vom 02.07.2013 wurde hinsichtlich aller Prüfungsfeststellungen Einvernehmen erzielt. Die Prüfungsfeststellungen wertete das [X.] mit Änderungsbescheiden vom 18.03.2014 aus.

9

Die Einsprüche, mit denen die nunmehr durch die Prozessbevollmächtigte vertretene Klägerin Festsetzungsverjährung geltend machte, wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 07.12.2015 als unbegründet zurück. Das Finanzgericht ([X.]) München wies die Klage mit Urteil vom 27.02.2018 - 2 K 33/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1018) ab.

Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, bei Erlass der angefochtenen Steuerbescheide sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Eine Prüfungsanordnung für sie, die Klägerin, fehle von Beginn an, da die Prüfungsanordnung vom [X.] bzw. [X.] an die [X.] adressiert gewesen sei. Hilfsweise sei die nicht an den [X.]en gerichtete Prüfungsanordnung nichtig. Für den Fall, dass nicht von deren Nichtigkeit auszugehen sei, sei sie nicht auslegungsfähig, weil eindeutig an die [X.] als [X.]in gerichtet. Soweit das [X.] die Prüfungsanordnung für mehrdeutig und auslegungsfähig halte, berücksichtige es unzulässigerweise Handlungen nach Ergehen der fehlerhaften Prüfungsanordnung; insbesondere könne ihr Mitwirken an der Außenprüfung nicht zu ihren Lasten gehen. Schließlich sei ihr Berufen auf die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung entgegen der Auffassung des [X.] nicht nach [X.] und Glauben ausgeschlossen.

Die Klägerin beantragt, das [X.]-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 07.12.2015 und die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 vom 18.03.2014 aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Es verteidigt die Vorentscheidung. Das [X.] habe die Prüfungsanordnung zu Recht nicht als nichtig, sondern als auslegungsfähig angesehen. Dies beruhe auf den vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, was im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden könne, ob das [X.] die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen habe. Ein solcher Verstoß liege hier nicht vor. Die Adressierung der Prüfungsanordnung sei, soweit sie die [X.] als "Rechtsnachfolgerin" in Bezug genommen habe, unter einem zivilrechtlichen Gesichtspunkt der "teilweisen Gesamtrechtsnachfolge" bzw. "Sonderrechtsnachfolge", den das [X.] hervorgehoben habe, zutreffend gewesen. Aus dieser Dualität der zivil- und steuerrechtlichen Beurteilung ergebe sich über die vom [X.] angeführten Punkte hinaus ein weiteres Element einer Unsicherheit und damit Auslegungsfähigkeit des Verwaltungsakts. Aus den bereits bei Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erkennbaren Umständen zur Bestimmung des [X.]en habe das [X.] zutreffend geschlossen, dass der Klägerin "klar" gewesen sei, Adressatin der Prüfungsanordnung zu sein. Der [X.] müsse nicht zwingend für einen Dritten aus dem Bescheid selbst oder aus beigefügten Unterlagen erkennbar sein; entscheidend sei vielmehr, ob der [X.] durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann, was das [X.] hier zutreffend bejaht habe.

Der Grundsatz von [X.] und Glauben könne nicht einseitig zulasten der Verwaltung wirken. Dies wäre jedoch der Fall, wenn eine Nichtigkeit der Prüfungsanordnung bedingt, dass diese nicht die Rechtsfolge der Ablaufhemmung zeitigen könne, und jegliches Verhalten des Steuerpflichtigen unbeachtlich sein müsse.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Zu Unrecht hat das [X.] erkannt, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für das jeweilige Streitjahr dadurch gehemmt gewesen sei, dass vor deren Ablauf mit einer Außenprüfung begonnen wurde. Ferner ist die Klägerin entgegen der Auffassung des [X.] nicht nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben daran gehindert, den Ablauf der regulären Festsetzungsfrist geltend zu machen. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) reichen jedoch nicht aus, um den Streitfall abschließend zu entscheiden; das [X.] hat es ausdrücklich --auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu [X.] offengelassen, ob aufgrund Steuerhinterziehung eine verlängerte Festsetzungsfrist gilt.

1. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist der Erlass eines Steuerbescheides nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese Frist begann für das Streitjahr 2004 infolge der Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung im Jahre 2006 mit Ablauf des 31.12.2006, für die übrigen Streitjahre entsprechend mit Ablauf des 31.12.2007, des 31.12.2008 bzw. des 31.12.2009 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]). Die reguläre Festsetzungsfrist endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. [X.] jeweils nach vier Jahren mit Ablauf des 31.12.2010, des 31.12.2011, des 31.12.2012 bzw. des 31.12.2013, sofern ihr Ablauf nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] durch den Beginn der Außenprüfung, die sich auf die steuerlichen Verhältnisse der Streitjahre erstreckte, gehemmt wurde.

2. Im Streitfall ist der Ablauf der jeweiligen Festsetzungsfrist nicht gemäß § 171 Abs. [X.] dadurch gehemmt worden, dass vor Fristablauf mit einer Außenprüfung begonnen wurde. Zwar hat das [X.] für die Streitjahre Prüfungsanordnungen erlassen, doch sind diese gegenüber der Klägerin nicht wirksam geworden. Eine Außenprüfung, die aufgrund einer unwirksamen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Urteile des [X.] --[X.]-- vom 21.04.1993 - X R 112/91, [X.], 15, [X.] 1993, 649, unter [X.], Rz 37; vom 13.10.2016 - IV R 20/14, [X.], 475, Rz 39).

a) Eine Ablaufhemmung durch eine Außenprüfung setzt u.a. voraus, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 06.07.1999 - VIII R 17/97, [X.], 302, [X.] 2000, 306, unter [X.], Rz 21; vom 26.04.2017 - I R 76/15, [X.], 210, [X.] 2017, 1159, Rz 21). Das [X.] hat am [X.] eine Prüfungsanordnung zu den Zeiträumen 2003 bis 2006 und, nachdem es am 09.08.2010 die Prüfungsanordnung für den Zeitraum 2003 zurückgenommen hatte, am [X.] eine "geänderte Prüfungsanordnung" zu den Zeiträumen 2004 bis 2007 erlassen.

Regelungscharakter kommt dabei lediglich der Anordnung vom [X.] zu den Zeiträumen 2004 bis 2006 sowie der Anordnung vom [X.] zu dem Zeitraum 2007 zu. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das [X.] seine Ermessensentscheidung (zur Prüfungsanordnung allgemein vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 15.06.2016 - III R 8/15, [X.], 203, [X.] 2017, 25, Rz 15 ff.) vom [X.], die steuerlichen Verhältnisse der Zeiträume 2004 bis 2006 zu prüfen, nochmals einer inhaltlichen Prüfung unterzogen und für diese Zeiträume am [X.] eine neue Regelung erlassen hätte. Vielmehr stellt sich die "geänderte Prüfungsanordnung" insoweit als bloß wiederholende Verfügung dar, die keine neue Regelung mit unmittelbarer Rechtserheblichkeit traf (vgl. z.B. allgemein [X.]-Urteile vom 06.08.1996 - VII R 77/95, [X.], 107, [X.] 1997, 79, unter 2.b, Rz 27; vom 12.03.2015 - III R 14/14, [X.], 292, [X.] 2015, 850, Rz 39). Lediglich für den Zeitraum 2007 hat das [X.] am [X.] (erstmals) eine Regelung erlassen.

b) Diese der vormaligen steuerlichen Vertreterin bekannt gegebenen Prüfungsanordnungen vom [X.] und vom [X.] sind der Klägerin gegenüber nicht wirksam geworden, weil sie das [X.] nicht dieser gegenüber als [X.]in, sondern gegenüber der [X.] erlassen hat. Dies ergibt sich aus der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 [X.] "bei der Firma A GmbH & Co. [X.] als RNF der B GmbH".

aa) Mit der [X.] hat das [X.] nicht den zutreffenden [X.]en herangezogen. Denn wie sich aus der Bezeichnung der [X.] als (vermeintlicher) Rechtsnachfolgerin der Klägerin, der Angabe der Steuernummer der Klägerin sowie aus der Anordnung der Außenprüfung u.a. zur Körperschaftsteuer ergibt, sollten nicht die steuerlichen Verhältnisse der [X.], sondern diejenigen der Klägerin geprüft werden. Da aufgrund erfolgter Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes ([X.]) weder die Klägerin als übertragende Rechtsträgerin untergegangen noch eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten war (vgl. hierzu z.B. [X.]-Urteil vom 07.08.2002 - I R 99/00, [X.], 489, [X.] 2003, 835, unter [X.], Rz 17 f.), wären die Prüfungsanordnungen an die Steuerschuldnerin, die Klägerin, und nicht wie geschehen an die [X.] zu richten gewesen (vgl. allgemein [X.]-Urteil vom 13.10.2005 - IV R 55/04, [X.], 387, [X.] 2006, 404, unter I.2., Rz 16).

Hiervon geht auch die Finanzverwaltung aus. Da in Fällen einer Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 [X.]) keine Gesamtrechtsnachfolge i.S. des § 45 Abs. 1 [X.] vorliegt (so auch [X.]. 2 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung --AE[X.]-- zu § 45 [X.]), ist eine Prüfungsanordnung, die sich auf Zeiträume bis zur Ausgliederung bezieht, stets an den ausgliedernden Rechtsträger --im Streitfall die [X.] zu richten ([X.]. 9.3 AE[X.] zu § 197 [X.]).

bb) Fehler in der Bezeichnung des [X.] --bzw. der Person, die die Außenprüfung zu dulden hat (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 387, [X.] 2006, 404, unter I.2., Rz 16)-- können nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden, auch nicht dadurch, dass sich der Empfänger als Adressat angesehen hat (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 21.10.1985 - GrS 4/84, [X.]E 145, 110, [X.] 1986, 230, unter [X.], Rz 35; [X.]-Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05, [X.]/NV 2006, 1243, unter [X.]b cc, Rz 15). Denn die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Bescheides kann nicht vom Verhalten der Beteiligten abhängig sein (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.]E 145, 110, [X.] 1986, 230, unter C.[X.], Rz 39).

cc) Die Prüfungsanordnungen vom [X.] und vom [X.] können entgegen der Rechtsauffassung des [X.] auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie sich gegen die Klägerin als [X.]in richteten.

(1) Eine Bindung des erkennenden Senats an die Auslegung des [X.] nach § 118 Abs. 2 [X.]O besteht nicht. Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 25.09.1990 - IX R 84/88, [X.]E 162, 4, [X.] 1991, 120, unter B.I[X.]a, Rz 18; in [X.], 475, Rz 50; vom 21.06.2017 - V R 3/17, [X.]E 259, 140, [X.] 2018, 372, Rz 18).

(2) Die Angabe des [X.]en ist konstituierender Bestandteil eines jeden Verwaltungsakts. In diesem muss gemäß § 119 Abs. 1 [X.] hinreichend bestimmt sein, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Der [X.] ist genügend bestimmt, wenn Zweifel durch Auslegung behoben werden können (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 162, 4, [X.] 1991, 120, unter B.I[X.]a, Rz 18). Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts ist --der in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) niedergelegten Regel entsprechend-- der erklärte Wille der Behörde zu erfassen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.]/NV 2006, 1243, unter [X.]b bb, Rz 13; in [X.]E 259, 140, [X.] 2018, 372, Rz 18). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein seinem Ausspruch nach eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid insofern einer Auslegung zugänglich wäre (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 15.04.2010 - IV R 67/07, [X.]/NV 2010, 1606, Rz 23 f.; in [X.], 475, Rz 49).

(3) Auch wenn die Prüfungsanordnungen vom [X.] und vom [X.] --ebenfalls fehlerhaft-- "mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten (§ 183 Abs. 1 [X.])" ergingen, was auf die steuerlichen Verhältnisse der [X.] als beabsichtigten Prüfungsgegenstand hindeuten könnte, war der Wille des [X.] erkennbar, die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin in den Zeiträumen 2004 bis 2007 einer Außenprüfung zu unterziehen. In der [X.] unzutreffenden und in Widerspruch zu [X.]. 9.3 AE[X.] zu § 197 [X.] stehenden-- Annahme, aufgrund vollzogener Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 [X.] seien Bescheide an den übernehmenden Rechtsträger zu richten, hat das [X.] die [X.] willentlich an die [X.] als (vermeintliche) Rechtsnachfolgerin der Klägerin adressiert. Zweifel an der eindeutigen Bezeichnung der [X.] als der falschen [X.]in bestehen nicht.

(4) Ist danach im Streitfall mangels Mehrdeutigkeit für eine Auslegung kein Raum (vgl. z.B. allgemein [X.]-Urteile vom 22.06.1983 - I R 55/80, [X.]E 139, 291, [X.] 1984, 63, unter [X.], Rz 19; in [X.], 387, [X.] 2006, 404, unter I.4., Rz 18), kann es auf das vom [X.] angeführte weitere Verhalten der Beteiligten nicht ankommen. Dass sich die Klägerin als Adressatin der Prüfungsanordnung angesehen habe und an der Außenprüfung mitgewirkt hat, ist --wie nachgelagerte Umstände überhaupt-- ohnehin unbeachtlich (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.]E 145, 110, [X.] 1986, 230, unter C.[X.], Rz 39; [X.]-Urteile in [X.]E 162, 4, [X.] 1991, 120, unter B.I[X.]a, Rz 18; in [X.]/NV 2006, 1243, unter [X.]b bb, Rz 13; vom 30.09.2015 - II R 31/13, [X.]E 250, 505, [X.] 2016, 637, Rz 15).

c) Soweit nicht eine verlängerte Verjährungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz [X.]) greift, sind mithin die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der Streitjahre erloschen (§ 47 [X.]).

3. Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] ist es der Klägerin nicht verwehrt, sich auf den Ablauf der Festsetzungsfrist zu berufen.

Der Grundsatz von [X.] und Glauben gebietet es, dass im [X.] jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt. Gleichwohl dürfen sich daraus keine Steuerrechtsfolgen ergeben, ohne dass der Sachverhalt vorliegt, an den das Gesetz diese Rechtsfolgen knüpft. Denn der Grundsatz von [X.] und Glauben bringt keine [X.] zum Entstehen oder zum Erlöschen, er kann allenfalls verhindern, dass --wie mit [X.]-Urteil vom 17.06.1992 - X R 47/88 ([X.]E 169, 103, [X.] 1993, 174, unter 1.b, Rz 34 ff.) entschieden-- eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann. Ist aber --wie im [X.] Festsetzungsverjährung eingetreten, darf die Geltung von [X.] und Glauben nicht dazu führen, dass zu Lasten des Steuerpflichtigen ein erloschener Anspruch des [X.] aus dem Steuerschuldverhältnis wieder auflebt, unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung vorwerfbar ist oder nicht (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 08.02.1996 - V R 54/94, [X.]/NV 1996, 733, unter [X.], Rz 17; vom 19.08.1999 - III R 57/98, [X.]E 191, 198, [X.] 2000, 330, Rz 12; vom 22.01.2013 - IX R 1/12, [X.]E 239, 385, [X.] 2013, 663, Rz 21).

4. Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat --von seinem Standpunkt aus konsequenterweise-- nicht geprüft, ob im Streitfall die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] gilt (vgl. dazu den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss des [X.] München vom 24.03.2016 - 2 V 297/16, nicht veröffentlicht, unter II.2.c). Dies wird es im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 11/18

11.11.2020

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 27. Februar 2018, Az: 2 K 33/16, Urteil

§ 119 Abs 1 AO, § 169 Abs 1 S 1 AO, § 171 Abs 4 AO, § 47 AO, § 133 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2020, Az. XI R 11/18 (REWIS RS 2020, 3640)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3640


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI R 11/18

Bundesfinanzhof, XI R 11/18, 11.11.2020.


Az. 2 K 33/16

FG München, 2 K 33/16, 27.02.2018.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

12 K 465/22 (FG München)

Zum Inhaltsadressaten bei einer Prüfungsanordnung für eine Personengesellschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.


IX R 16/19 (Bundesfinanzhof)

Bekanntgabe der Prüfungsanordnung - vermögensverwaltende Personengesellschaft - Hemmung der Feststellungsfrist


2 K 33/16 (FG München)

Unwirksame Prüfungsanordnung, Außenprüfung, Inhaltsadressat, Umsatzsteuererklärung, Festsetzungsverjährung, Umsatzsteuerbescheid, Ablauf der Festsetzungsfrist


IV R 34/16 (Bundesfinanzhof)

Inhaltsadressat eines Gewerbesteuermessbescheids bei Ein-Unternehmer-Personengesellschaft


IX R 51/14 (Bundesfinanzhof)

Hemmung der Feststellungsverjährung bei Prüfung eines Gesamtobjekts (Die Entscheidung wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.