Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 05.06.2013, Az. 2 BvR 2677/11

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2013, 5323

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Abfärberegelung des § 15 Abs 3 Nr 1 EStG - Personengesellschaft (hier: GbR) für Verfassungsbeschwerde gegen eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung nicht beschwerdebefugt - zudem Zweifel bzgl der hinreichenden Substantiierung der Verfassungsbeschwerde


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft mittelbar die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach dieser Vorschrift gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt, also Einkünfte aus einem gewerblich betriebenen Unternehmen erzielt.

2

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin - eine [X.] - unmittelbar gegen die finanzgerichtlichen Entscheidungen, mit welchen die Bescheide über die einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 2001 bis 2003 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31. Dezember des jeweiligen Streitjahres bestätigt worden sind. [X.] macht sie geltend, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verletze Art. 3 Abs. 1 GG, soweit die Abfärbewirkung nur bei Personengesellschaften, nicht aber bei anderen Mitunternehmerschaften wie Bruchteilsgemeinschaften, Gütergemeinschaften oder Erbengemeinschaften eintreten könne. Nach der Rechtsprechung des [X.] sei zwar die Ungleichbehandlung von Personengesellschaften und Einzelunternehmern im Hinblick auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG wegen des praktischen Bedürfnisses nach einer klaren Zuordnung der Einkünfte zu einer Einkunftsart gerechtfertigt, da wegen des Verfahrens der einheitlichen und gesonderten [X.] die Abgrenzung der gewerblichen von den nicht gewerblichen Einkunftsanteilen bei Personengesellschaften schwieriger festzustellen sei als bei Einzelunternehmern. Diese Begründung könne aber für die vorliegend gerügte Ungleichbehandlung zwischen Personengesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG und anderen Personenmehrheiten, die Mitunternehmerschaften seien, nicht herangezogen werden. Denn die angenommenen praktischen Ermittlungs- und Zuordnungsschwierigkeiten bestünden bei gewerblich tätigen Bruchteils-, Güter- und Erbengemeinschaften, bei denen das Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 179 ff. [X.] zur Anwendung komme, in gleicher Weise. Diese Personenmehrheiten könnten ebenfalls unterschiedliche Einkünfte erzielen und Vermögensmassen haben.

3

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die in § 93a Abs. 2 [X.] geregelten Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichneten Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

4

1. Dahin gestellt bleiben kann, ob die Verfassungsbeschwerde den [X.] gemäß § 23 Abs. 1, § 92 [X.] genügt. Zweifel bestehen insoweit unter folgendem Aspekt: Das [X.] hat durch Beschluss des [X.] vom 15. Januar 2008 (- 1 BvL 2/04 -, [X.] 120, 1 <43 ff.>) entschieden, dass die Einordnung der gesamten Tätigkeit einer nur teilweise gewerbliche Einkünfte erzielenden Personengesellschaft als Gewerbebetrieb durch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist. Die Verfassungsbeschwerde dürfte demgegenüber nicht hinreichend aufzeigen, inwieweit der Umstand, dass die [X.] des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nur bei Personengesellschaften, nicht aber bei anderen mitunternehmerischen Personenmehrheiten (Bruchteilsgemeinschaften, Gütergemeinschaften und Erbengemeinschaften) gilt, unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit gegen den Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit verstößt. Die Verfassungsbeschwerde befasst sich zwar mit der steuerlichen Behandlung dieser Personenmehrheiten, nicht aber mit der Frage, ob nicht darüber hinaus Unterschiede beziehungsweise Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art zwischen Personengesellschaften und den angesprochenen mitunternehmerischen Personenmehrheiten bestehen, die einen Grund für die in Rede stehende unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Behandlung bilden.

5

2. Jedenfalls ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die Beschwerdeführerin nicht gemäß § 90 Abs. 1 [X.] zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde berechtigt ist. In Bezug auf das als verletzt gerügte Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG fehlt es an der erforderlichen Selbstbetroffenheit.

6

Während bei der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer die [X.] selbst Steuersubjekt und daher Träger des allgemeinen Gleichheitsgrundrechts ist, kennt das Einkommensteuerrecht nur die Besteuerung der natürlichen Personen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies gilt auch dann, wenn letztere als Feststellungsbeteiligte im Rahmen einer Mitunternehmerschaft gewerbliche Einkünfte erzielen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Die Anerkennung einer beschränkten Steuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft, die sich darauf bezieht, dass sie Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation ist, lässt die Grundentscheidung unberührt, dass Subjekte der Einkommensteuer allein die einzelnen Gesellschafter sind (vgl. [X.], Großer Senat, Beschluss vom 25. Juni 1984 - GrS 4/82 -, [X.] 1984 S. 751, und Beschluss vom 3. Juli 1995 - GrS 1/93 -, [X.] 1995 S. 617), an die sich der [X.]sbescheid inhaltlich richtet (vgl. [X.], Urteil vom 27. Mai 2004 - [X.]/02 -, [X.] 2004 S. 964). Auch wenn die [X.] inzwischen nach der Rechtsprechung des [X.] Rechtspositionen wie namentlich das Eigentumsrecht einnehmen kann und sie insoweit auch rechtsfähig ist, so dass ihr das Grundrecht auf Eigentum zusteht und sie zur Geltendmachung dieses Grundrechts im Verfahren der Verfassungsbeschwerde befugt ist (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. September 2002 - 1 BvR 1103/02 -, NJW 2002, [X.]), vermag die Anerkennung zivilrechtlicher (Teil-)Rechtsfähigkeit der [X.] an der im Einkommensteuerrecht geltenden Rechtslage nichts zu ändern. Daher gilt auch forthin, dass eine von einer Personengesellschaft gegen eine einheitliche und gesonderte [X.] erhobene Verfassungsbeschwerde mangels eigener Betroffenheit unzulässig ist (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 26. Februar 1987 - 1 BvR 1441/86 -, juris, und Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 24. November 1988 - 2 BvR 1694/87 -,juris). Im Übrigen führt die im fachgerichtlichen Verfahren angeordnete Prozessstandschaft der Gesellschaft (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO) nicht zur Beschwerdebefugnis im Verfassungsbeschwerdeverfahren (vgl. [X.] 31, 275 <280>; [X.]K 8, 136 <140>).

7

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2677/11

05.06.2013

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BFH, 29. September 2011, Az: IV B 115/20, Beschluss

§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 705 BGB, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG, § 15 Abs 3 Nr 1 EStG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 05.06.2013, Az. 2 BvR 2677/11 (REWIS RS 2013, 5323)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5323

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Steuerfreiheit der Beteiligungserträge gemeinnütziger Körperschaften aus gewerblich geprägten Personengesellschaften


Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1079/20

Zitiert

1 BvL 2/04

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