Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2008, Az. V ZR 11/08

V. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 2722

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 18. Juli 2008 L e s n i a k, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.]-I-VO Art. 22 Nr. 1 Satz 1 ([X.]) Für Beseitigungs- und Schadensersatzklagen, die auf eine Eigentumsverletzung gestützt werden, ist nicht der ausschließliche Gerichtsstand des Art. 22 Nr. 1 Satz 1 [X.] gegeben. [X.], [X.]. v. 18. Juli 2008 - [X.] - [X.]AG [X.] - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2008 durch [X.] [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil der 12. Zivilkammer des Landge-richts [X.] vom 13. Dezember 2007 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien sind Brüder. Sie stammen aus [X.], leben aber seit lan-gem in [X.]. Im Jahre 1974 wurde ihnen von ihrem mittlerweile [X.] Vater ein auf [X.] belegenes Grundstück übertragen. Nach der —Ü-berlassungsurkundefi vom 2. Oktober 1974 sollten die Parteien das Grundstück teilen und darauf Gebäude errichten. In der Folgezeit wurde das Grundstück vermessen und katastermäßig zugeordnet. 1 [X.] mauerte der Beklagte ohne Absprache mit dem [X.] als Durchfahrt genutzte Öffnung in der beide Einfahrten abtrennenden Mau-er zu. Darüber hinaus ließ er die Mauer von 60 cm auf 2 Meter erhöhen. An die Stelle einer von dem Kläger abgerissenen Mauer, die beide Grundstücksteile trennte, ließ er eine neue, etwa 20 Meter lange und 2 Meter hohe Mauer errich-ten. Der Kläger verlangt die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Er 2 - 3 -hält die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte für gegeben, weil die Klageforderung auf einen Schadensersatzanspruch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis und damit nicht auf ein dingliches Recht im Sinne von § 22 Nr.1 [X.] gestützt werde. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender internationaler Zustän-digkeit (als unzulässig) abgewiesen. Demgegenüber hat das [X.] die internationale Zuständigkeit bejaht. Es hat das erstinstanzliche [X.]eil aufgeho-ben und die Sache auf Antrag des Beklagten an das [X.]. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen [X.]eils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hält den für dingliche Ansprüche an unbewegli-chen Sachen angeordneten ausschließlichen Gerichtsstand des Art. 22 Nr. 1 Satz 1 [X.] für nicht einschlägig. Schadensersatz- und Beseitigungsan-sprüche fielen hierunter nicht. Nach [X.] Recht sei zwar auch für [X.] aus § 1004 BGB der dingliche Gerichtsstand des § 24 ZPO eröffnet. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) lasse sich dies jedoch nicht auf die Regelung des Art. 22 Nr. 1 Satz 1 [X.] übertragen, die autonom und als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei. Die dingliche Rechtslage sei vorliegend lediglich als Vorfrage zu erörtern, was nach den Vorgaben des [X.] nicht ausreichend sei. 4 - 4 -I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Be-rufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der [X.] [X.] zu Recht bejaht. 5 1. § 545 Abs. 2 ZPO steht der Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht entgegen. Regelungsgegenstand der Vorschrift ist lediglich die [X.] (erstinstanzliche) Zuständigkeit ([X.] 153, 82, 84 ff.; [X.], [X.]. v. 27. Mai 2003, [X.], [X.], 1542, 1543; [X.]. v. 16. Dezember 2003, [X.], NJW 2004, 1456 f.; Beschl. v. 5. März 2007, [X.] 287/05, NJW-RR 2007, 1509, 1510). 6 2. Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik [X.]. Das führt nach Art. 2 [X.] zur internationalen Zuständigkeit der [X.] Gerichte. Allerdings wird die grundsätzliche Anknüpfung an den Staat des Wohnsitzes aufgelockert durch Regelungen, die dem Kläger nach seiner Wahl einen zusätzlichen Gerichtsstand einräumen, und durchbrochen durch Ge-richtsstände, die einem Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des Art. 2 [X.] entgegen stehen. Während etwa Art. 5 Nr. 3 [X.] dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Ansprüche aus einer unerlaubten (oder aus einer dieser gleichgestellten) Handlung auch am Ort des schädigenden Ereignisses geltend zu machen, sind für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ausschließlich zuständig die Gerichte des Mitglied-staats, in dem die Sache belegen ist (Art. 22 Nr. 1 Satz 1 [X.]). Letzteres hat das Berufungsgericht hier zu Recht verneint. 7 - 5 -a) Nach der Rechtsprechung des [X.] zu der insoweit wort- und in-haltsgleichen Vorgängervorschrift des Art. 16 Nr. 1 lit. a EuGVÜ ist der Begriff —dingliche Rechte an unbeweglichen Sachenfi im Interesse einer möglichst ein-heitlichen Rechtsanwendung autonom auszulegen (vgl. nur [X.] [X.] 1991, 45; NVwZ 2006, 1149, 1150). Danach liegt ein dingliches Recht vor, wenn das Recht an der Sache gegen jedermann wirkt, während persönliche Ansprüche nur gegen den jeweiligen Schuldner geltend gemacht werden können ([X.], NJW 1995, 37; Beschl. v. 5. April 2001, [X.]. [X.]/99 [[X.]], Slg. 2001, [X.]). 8 Allerdings ist Art. 22 Nr. 1 Satz 1 [X.] als Ausnahmevorschrift eng auszulegen, weil die ausschließliche Zuständigkeit dazu führen kann, dass den Parteien eine ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstands genommen wird und sie in gewissen Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von ihnen das Gericht des Wohnsitzes ist ([X.], NJW 1995, 37; NVwZ 2006, 1149, 1150). Dies führt zunächst dazu, dass Art. 22 Nr. 1 Satz 1 [X.] trotz Vorliegens eines dinglichen Rechts nicht anzuwenden ist, sofern der Zweck der Vorschrift dies nicht verlangt. Da der Grund für die ausschließliche [X.] der Gerichte des [X.] darin zu erblicken ist, dass diese we-gen der räumlichen Nähe am besten in der Lage sind, sich durch Nachprüfun-gen, Untersuchungen und Einholung von Sachverständigengutachten genaue Kenntnis des Sachverhalts zu verschaffen und die insoweit geltenden Regeln und Gebräuche anzuwenden, die im Allgemeinen die des [X.] sind ([X.], NJW 1985, 905; [X.] 2001, 41, 43; 2006, 159, 160), ist die aus-schließliche Zuständigkeit beispielsweise dann nicht gegeben, wenn der Schuldner nicht bestreitet, dass der Gläubiger Eigentümer der unbeweglichen Sache ist (vgl. [X.], NJW 1995, 37). 9 - 6 -Zum anderen steht die Notwendigkeit einer Begrenzung des aus-schließlichen Gerichtsstandes der Interpretation entgegen, Art. 22 Nr. 1 Satz 1 [X.] sei immer schon dann einschlägig, wenn es um eine exakte Ermitt-lung des Sachverhalts oder der in dem Belegenheitsstaat geltenden Regeln und Gebräuche geht. Nach der Rechtsprechung des [X.] genügt es für das Ein-greifen von Art. 22 Nr. 1 Satz 1 [X.] nämlich nicht, dass ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache von der Klage berührt wird oder dass [X.] in einem Zusammenhang mit einer unbeweglichen Sache steht ([X.], [X.] 1995, 314, 315; NJW 1995, 37). Auch rechtfertigt der Umstand, dass die dingliche Rechtslage als Vorfrage zu prüfen ist, nicht schon die Qualifikation eines Anspruchs als dingliches Recht (vgl. etwa [X.], NVwZ 2006, 1149, 1151; [X.]/Schütze, Internationale [X.]eilsanerkennung, [X.], [X.], 656; [X.], [X.]. 1976, 510, 511; ferner [X.]/[X.], 3. Aufl., Art. 22 [X.] [X.]. 13; [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., [X.]. 868). So entspricht es etwa allgemeiner Auffassung, dass [X.], die auf eine Eigentumsverletzung gestützt werden, nicht von Art. 22 Nr. 1 [X.] erfasst werden, mag die dingliche Rechtslage auch noch so umstritten sein. Der [X.] hat dies mit der Formel zusammengefasst, der dinglichen Rechtslage komme bei solchen Schadensersatzforderungen nur inzidente Bedeutung zu; ein dingliches Recht liege daher nicht vor (NVwZ 2006, 1149, 1151). Mit derselben Erwägung hat er das Eingreifen von Art. 22 Nr. 1 [X.] auch für Immissionsabwehrklagen verneint (aaO), also für Ansprüche, die bei Zugrundelegung [X.] [X.] unter § 1004 BGB fielen. 10 b) Danach kann für gesetzliche Ansprüche, die aus einer (behaupteten) Verletzung des (Mit-)Eigentums resultieren und die [X.] wie hier [X.] auf die Wieder-herstellung des status quo im Wege schadensersatzrechtlicher Naturalrestituti-on bzw. auf die Beseitigung einer aktuellen Eigentumsstörung gerichtet sind, 11 - 7 -nichts anderes gelten. Auch bei diesen Ansprüchen ist die dingliche Rechtslage nur inzidenter zu klären. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass nach [X.] Rechtsverständnis Ansprüche aus § 1004 BGB [X.] ebenso wie die [X.] nach § 985 BGB [X.] materiellrechtlich den dinglichen Ansprüchen [X.] werden. Darum kann es indessen im Rahmen der autonom [X.] nicht gehen, zumal die meisten anderen Rechtsordnungen sol-che Ansprüche nicht dinglich, sondern deliktsrechtlich einordnen, und zwar [X.] davon, ob die Haftung Verschulden voraussetzt (dazu [X.], [X.] 2005, 262, 264 m.w.N.; vgl. auch [X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., Art. 5 [X.] [X.]. 25c u. Art. 22 [X.] [X.]. 2a; [X.]/Mankowski, [X.] Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 22 [X.] I-VO, [X.]. 12b f.). Im Übrigen hat auch der [X.] bereits entschieden, dass Unterlassungs- und [X.] aus § 1004 BGB dem Wahlgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 [X.] unterfallen ([X.], [X.]. v. 24. Oktober 2005, [X.] 329/03, [X.], 689), der Klagen erfasst, die eine unerlaubte (oder eine dieser gleichge-stellte) Handlung zum Gegenstand haben. Diese deliktsrechtliche Qualifizierung von Ansprüchen aus § 1004 BGB ist zwar in einem Fall angenommen worden, in dem es um die Beeinträchtigung des Eigentums an einer beweglichen Sache ging. Es liegt indessen auf der Hand, dass die Bestimmung der Rechtsnatur eines Anspruches als deliktsrechtlich nicht davon abhängen kann, ob eine be-wegliche oder eine unbewegliche Sache betroffen ist. 3. Der Senat ist nicht gehalten, den Rechtsstreit nach Art. 68 Abs. 1, 234 EGV ([X.] v. 24. Dezember 2002, [X.], [X.] v. 10. Novem-ber 1997, S. 204 [konsolidierte Fassung]) dem [X.] zur Auslegung des Art. 22 Nr. 1 [X.] ([X.] 44/2001 des Rates, [X.], 1, 14) vorzulegen. Art. 22 Nr. 1, [X.] [X.] entspricht der Vorgängervorschrift des Art. 16 Nr. 1 lit. a EuGVÜ (Übereinkommen v. 27. September 1968, [X.]. 1972, [X.], [X.]), 12 - 8 -deren Auslegung durch die Rechtsprechung des [X.] hinreichend geklärt (vgl. [X.], [X.]. v. 4. August 2004, X[X.] 28/01, NJW-RR 2005, 72, 73) und hier le-diglich auf den Einzelfall anzuwenden ist. Dabei ist die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts vorliegend so offenkundig, dass keine vernünftigen Zwei-fel daran bestehen, dass auch die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten zu dem hier gefundenen Ergebnis gelangen würden (zu diesen Voraussetzungen [X.], NJW 1983, 1257, 1258; [X.], NJW 1988, 1456, 1457; [X.] 109, 29, 31 u. 35; 153, 82, 92). - 9 -II[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. [X.] Ri[X.] Dr. [X.] ist Ri'in[X.] [X.] infolge Urlaubs an der ist infolge Urlaubs an Unterschrift gehindert. der Unterschrift gehindert. [X.], den 21. Juli 2008 [X.], den 21. Juli 2008

Der Vorsitzende Der Vorsitzende [X.] Czub Roth Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 27.06.2007 - 2 C 4974/06 - LG [X.], Entscheidung vom 13.12.2007 - 12 S 94/07 -

Meta

V ZR 11/08

18.07.2008

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2008, Az. V ZR 11/08 (REWIS RS 2008, 2722)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2722

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