Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.02.2016, Az. 26 W (pat) 37/13

26. Senat | REWIS RS 2016, 16124

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "POLLO REAL (IR-Marke)/real,- (Widerspruchsmarke zu 1), Wort-Bild-Marke)/real,- (Widerspruchsmarke zu 2), Gemeinschaftsbildmarke)" - zur Ähnlichkeit von Einzelhandelsdienstleistungen und den auf sie bezogenen Waren – zum Aufmerksamkeitsgrad des Verkehrs – zur Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit - zur Kennzeichnungskraft – zur Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke [X.] 928 856

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 17. Februar 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], des Richters [X.] und des Richters kraft Auftrags Schödel

beschlossen:

1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 18 des [X.] vom 23. November 2010 und 4. März 2013 werden teilweise aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 002251130 hinsichtlich folgender Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:

[X.]: Retail trade services in [X.] via global computer networks concerning all goods in classes 1 to 34.

Insoweit wird das [X.] angewiesen, der angegriffenen Marke den Schutz in der [X.] zu verweigern.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

[X.] [X.]

3

ist am 16. Februar 2007 unter der Nummer 928 856 international registriert worden für Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 18: Handbags, wallets, [X.], [X.], hide or leather briefcases, [X.], goods made of these materials not included in other classes, saddlery and leatherware not included in other classes;

5

Klasse 35: Retail trade services in [X.] via global computer networks concerning all goods in classes 1 to 34.

6

Gegen die Schutzgewährung dieser Marke für [X.] hat die Inhaberin beider [X.] Widerspruch erhoben

7

1. aus der Wort-/[X.]ildmarke (rot, blau, weiß)

Abbildung

8

die am 9. Februar 2005 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register unter der Nummer 304 60 276 eingetragen worden ist für Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 bis 17, 19 bis 34, 36 bis 45 und der

9

Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; [X.]üroarbeiten;

2. und aus der Gemeinschaftsbildmarke

Abbildung

die am 4. November 2005 beim Harmonisierungsamt für den [X.]innenmarkt ([X.]) unter der Nummer 002251130 für Dienstleistungen der

Klasse 35: [X.]etrieb eines [X.]; Einzelhandel mit Lebensmitteln und anderen Verbrauchsgütern sowie Gebrauchsgütern für Endverbraucher;

Klasse 41: Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;

Klasse 42: Verpflegung; [X.]eherbergung von Gästen

eingetragen worden ist.

Mit [X.]eschlüssen vom 23. November 2010 und 4. März 2013, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 18 des [X.] beide Widersprüche zurückgewiesen. Zur [X.]egründung hat sie ausgeführt, bei der Widerspruchsmarke zu 1.) liege für die Waren der Klasse 18 Identität vor, während die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen der Klasse 35 unähnlich seien. [X.]ei der [X.] zu 2.) seien die Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 identisch, während im Übrigen Unähnlichkeit gegeben sei. Trotz [X.] werde der erforderliche erhebliche Markenabstand eingehalten. Die [X.] seien durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Für den [X.]etrieb eines [X.] könne sogar von einer etwas gesteigerten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden. [X.]ei den Adressaten der fraglichen alltäglichen Waren und Dienstleistungen handele es sich um breite Verkehrskreise, die diese ohne besondere Sorgfalt erwerben bzw. in Anspruch nehmen würden. Da die jüngere Marke über den [X.]estandteil „[X.]“ verfüge, der den [X.] fehle, unterschieden sich die Vergleichsmarken in der Wortlänge, der [X.], im Wortanfang, in der [X.], der Vokalfolge sowie im Sprech- und [X.]etonungsrhythmus. Die angegriffene Marke erscheine als zusammengehöriger [X.], weil die inländischen Verkehrskreise weder die [X.]edeutung „Huhn“ oder „Hühnchen“ für „[X.]“, noch die Gesamtbedeutung „reales“ oder „echtes Huhn“ erfassten. Für weitere Arten von Verwechslungsgefahren sei nichts vorgetragen oder ersichtlich. Eine etwaige Serienzeichenverwechslung scheide schon wegen der graphischen Gestaltung der [X.] aus.

Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, hochgradige Ähnlichkeit bestehe auch zwischen den Einzelhandelsdienstleistungen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsdienstleistung „Verpflegung“ in Klasse 42 sowie den [X.] „Geschäftsführung“ und „Werbung“. Die [X.] besäßen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Das habe auch schon das [X.] bestätigt (Entscheidung vom 3. November 2011, [X.] 1106881 – [X.]/[X.] GOURMET [X.]). Die Widersprechende betreibe allein in [X.] rund 320 Warenhäuser unter der bekannten [X.]ezeichnung „[X.]“. [X.]ei der im August 2003 durchgeführten [X.] zur [X.]ekanntheit der [X.]ezeichnung „real“ hätten fast 70 % der [X.]efragten diese [X.]ezeichnung mit dem Lebensmittelgeschäft der Widersprechenden in Verbindung gebracht. [X.]ei der [X.] im März 2012 hätten noch etwa 61 % das Wort „real“ Verbrauchermärkten bzw. einer Lebensmittel- oder Supermarktkette zugeordnet. Dieser enorme [X.]ekanntheitsgrad strahle auf verwandte Waren und Dienstleistungen aus. Keinesfalls komme den [X.] ein beschreibender Inhalt zu, da es sich um [X.] handele. Es sei eine hohe Zeichenähnlichkeit gegeben, weil der [X.]estandteil „[X.]“ in der jüngeren Marke als rein beschreibend in den Hintergrund trete. Darüber hinaus bestehe die Gefahr mittelbarer Verwechslung, da die Widersprechende Inhaberin einer Serie [X.] Marken mit dem [X.]estandteil „real“ sei, nämlich „[X.] QUALITY“ (30764283), „[X.] SELECTION“ (30764284), „[X.] [X.]IO“ (30764282), „[X.] Junior Cup International Street Soccer“ (30511036), „[X.] REISEN“ (30463716) und „[X.] [X.]“ (30603074). Ferner habe das [X.] in neun Entscheidungen aufgrund prägender Eigenschaft des [X.]estandteils „real“ die Verwechslungsgefahr bejaht. Wegen der einzelnen Entscheidungen wird auf die Seiten 5 bis 7 der [X.]eschwerdebegründung ([X.]l. 31 – 33 [X.]) [X.]ezug genommen. Da der [X.]estandteil „real“ in der angegriffenen Marke eine selbständige kennzeichnende Stellung behalte, sei auch eine assoziative Verwechslungsgefahr gegeben.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

die [X.]eschlüsse der Markenstelle für Klasse 18 des [X.] vom 23. November 2010 und 4. März 2013 aufzuheben und der angegriffenen Marke den Schutz in der [X.]undesrepublik [X.] wegen der Widersprüche aus den Marken 304 60 276 und [X.] 002251130 zu verweigern.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im [X.]eschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Amtsverfahren hat er die Auffassung vertreten, die [X.] seien [X.], weil das Wort „real“ nur zum Ausdruck bringe, dass die geschützten Dienstleistungen tatsächlich erbracht würden. Sie erhielten ihre Schutzfähigkeit nur durch das eine Preisangabe symbolisierende Komma mit Strich und die farbige Ausgestaltung. Da die angegriffene Marke von dem allein schutzfähigen [X.]estandteil „[X.]“ geprägt bzw. mitgeprägt werde, scheide eine Verwechslungsgefahr aus.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 23. November 2015 sind die Verfahrensbeteiligten unter [X.]eifügung von Recherchebelegen ([X.] 1 bis 3, [X.]l. 59 – 72 [X.]) auf die Rechtsauffassung des Senats hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt [X.]ezug genommen.

II.

Die zulässige [X.]eschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Zwischen der angegriffenen Marke und der älteren Gemeinschaftsmarke 002251130 besteht hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gemäß §§ 119 Abs. 1, 124, 114, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] i. V. m. Art. 5 Abs. 1 PMMA, Art. 6

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; [X.], 356 [X.]. 45 f. - [X.]/[X.] [O[X.]ELIX/MO[X.]ILIX]; [X.]GH, [X.]eschluss vom 14. Januar 2016 - I Z[X.] 56/14 [X.]. 19 – [X.]ioGourmet m. w. N.).

1. Widerspruch aus der Gemeinschaftsbildmarke 002251130 Abbildung (Widerspruchsmarke zu 2.)

a) Ausgehend von der hier maßgeblichen [X.] besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen teilweise Identität und teilweise weit unterdurchschnittliche Ähnlichkeit.

aa) Die [X.] der Klasse 35

bb) Zwischen den [X.] der Klasse 35

Der [X.]undesgerichtshof (GRUR 2014, 378 Rn. 39 – [X.]) hat zur Frage der Ähnlichkeit zwischen Einzelhandelsdienstleistungen und den auf sie bezogenen Waren unter [X.]ezugnahme auf seine Rechtsprechung zur [X.]ranchenähnlichkeit nach § 15 Abs. 2 [X.] (vgl. [X.], 635 [X.]. 16 – [X.]/ROLLER’s Metro) festgestellt, dass es für die Annahme einer Ähnlichkeit ausreicht, wenn sich die Dienstleistungen auf die entsprechenden Waren beziehen und die angesprochenen Verkehrskreise auf Grund dieses Verhältnisses annehmen, die Waren und Dienstleistungen stammten aus denselben Unternehmen. Davon ist für das Verhältnis zwischen Waren und den hierauf bezogenen Einzelhandelsdienstleistungen u. a. dann auszugehen, wenn große Handelshäuser in dem betreffenden Warensektor neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anbieten.

Auch wenn Lederwaren in einem Warenhaus verkauft und als Gebrauchsgüter für den Endverbraucher angesehen werden, sind die vom [X.]GH geforderten Voraussetzungen beim Einzelhandel mit Lederwaren der Klasse 18 nur vereinzelt gegeben, z. [X.]. gibt es die Lederwareneigenmarke „[X.]“ des Handelsunternehmens „[X.]“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Handelsmarke). In diesem [X.]ereich haben Handelsmarken nur sehr geringe Umsatzbedeutung (http://www.handelswissen.de/data/themen/Marktpositionierung/Sortiment/Markenprofil/Handelsmarken). Es kann daher nur von einer sehr geringen Ähnlichkeit ausgegangen werden.

Zwischen den angegriffenen Lederwaren und den [X.] der Klassen 41 und 42 besteht keine Ähnlichkeit.

b) Die maßgeblichen Verkehrskreise in [X.]ezug auf die Waren und Dienstleistungen, die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich zu den [X.] liegen, sind neben den jeweiligen Fachverkehrskreisen auch die Allgemeinheit der Verbraucher.

Auszugehen ist von dem angesprochenen inländischen Verkehr, der alle Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Waren und Dienste Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. [X.] [X.], 428 [X.]. 65 - [X.]). Maßgeblich ist dabei nicht ein flüchtiger, sondern ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher ([X.] [X.], 411 RdNr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] GRUR 1999, 723 [X.]. 29 - [X.]). Dabei kann der Aufmerksamkeitsgrad je nach Art der Waren und Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein.

Den Einzelhandelsdienstleistungen mit Lebensmitteln und Verbrauchsgütern werden die Verkehrskreise eher unterdurchschnittliche Aufmerksamkeit widmen, da es hier um den Erwerb alltäglicher Waren geht, der regelmäßig ohne größere Sorgfalt erfolgt, während sie höherpreisigen Gebrauchsgütern und Lederwaren eine leicht überdurchschnittliche Aufmerksamkeit entgegenbringen.

aa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen [X.]enutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] [X.], 1096 [X.]. 31 - [X.]ORCO/[X.] [[X.]uchst. a]; [X.]GH, [X.]eschl. v. 14. Januar 2016 – I Z[X.] 56/14 [X.]. 31 - [X.]ioGourmet). Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt ([X.]GH WRP 2015, 1358 [X.]. 10 - [X.]/[X.]solar; [X.]GH GRUR 2008, 905, 907 [X.]. 16 - [X.]). Ist der Wortbestandteil einer Wort-[X.]ild-Marke nicht unterscheidungskräftig, so kann dem Zeichen in seiner Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die graphischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht. Einfache, werblich übliche graphische Gestaltungen sind allerdings regelmäßig nicht hinreichend unterscheidungskräftig (vgl. [X.]GH a. a. O. - [X.]ioGourmet).

bb) Das Markenwort „real“ ist ein Adjektiv mit der [X.]edeutung „in materieller Form vorhanden“, „auf die Wirklichkeit bezogen“ (vgl. www.wortbedeutung.info; www.duden.de) und wird synonym mit „echt“ oder „wirklich“ verwendet. In der [X.]edeutung „echt“, „wirklich“ besitzt das Zeichenwort in Alleinstellung keinen beschreibenden [X.]egriffsinhalt. Unter [X.]erücksichtigung der Grafik mit Komma und Gedankenstrich lehnt sich die Widerspruchsmarke zwar an eine Preisangabe an. Ein Verständnis der Widerspruchsmarke als werblich anpreisende Aussage dahingehend, dass die mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu einem echten, guten Preis-Leistungsverhältnis zu erhalten sind bzw. in Anspruch genommen werden können, setzt aber eine analysierende [X.]etrachtung voraus. Trotz der unterschwellig anklingenden Werbeanpreisung kommt daher eine verminderte Kennzeichnungskraft nicht in [X.]etracht (vgl. [X.]PatG 29 W (pat) 101/11 – [X.]/[X.]). Auch die farbliche Gestaltung der Wort-/[X.]ildmarke trägt zu deren durchschnittlicher Kennzeichnungskraft bei.

d) Die Frage, ob die von der Widersprechenden zum Nachweis einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der [X.] für den Lebensmitteleinzelhandel bzw. für eine Supermarktkette vorgelegten Unterlagen als ausreichend anzusehen sind, bedarf keiner näheren Erörterung, da die intensive [X.]enutzung der Widerspruchsmarke im Inland für eine Supermarktkette im [X.]ereich des Lebensmittel- und Gebrauchsgütereinzelhandels gerichtsbekannt ist. Der Widerspruchsmarke ist damit für die Dienstleistungen der Klasse 35 ein deutlich größerer Schutzumfang zuzubilligen.

e) Sowohl ausgehend von einer deutlich erhöhten Kennzeichnungskraft bei gleichzeitig unterdurchschnittlicher Aufmerksamkeit des Verkehrs hinsichtlich der identischen Dienstleistungen der Klasse 35 als auch ausgehend von einer nur durchschnittlichen Kennzeichnungskraft bei leicht überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit des Publikums hinsichtlich der entfernt ähnlichen Waren der Klasse 18 hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zur Verneinung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr ein.

aa) Maßgeblich für die [X.]eurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter [X.]erücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente ([X.]GH, [X.], 833, Rn. 30 – Culinaria/[X.]), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden [X.]etrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.], [X.], 428, Rn. 53 – [X.]; [X.]GH, [X.], 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere [X.]estandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können ([X.], [X.], 1042, [X.]. 28 f. - [X.] LIFE; [X.]GH, [X.], 64, [X.]. 14 - Maalox/[X.]). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen [X.]estandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)[X.]ild, im Klang und im [X.]edeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die [X.]ejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.] (vgl. [X.], [X.], 413, [X.]. 19 - [X.]/SIR; [X.]GH a. a. [X.]. 37 - [X.]ioGourmet).

[X.] [X.]“ und Abbildung

aaa) Sowohl aufgrund der grafischen Ausgestaltung der Widerspruchsmarke als auch aufgrund des zusätzlichen Wortes „[X.]“ in der jüngeren Marke scheidet eine schriftbildliche Ähnlichkeit aus.

bbb) Auch in klanglicher Hinsicht bestehen erhebliche Unterschiede. Die angegriffene Marke verfügt über vier Silben, während die Widerspruchsmarke nur aus zwei Silben besteht. Die beiden dunklen Vokale „O“ am stärker beachteten Wortanfang unterscheiden sich deutlich von der hellen Silbenfolge „e-a“ der Widerspruchsmarke.

Die jüngere Marke wird auch nicht durch den [X.]estandteil „[X.]“ geprägt. Die einzelnen Wortelemente werden von den angesprochenen Verkehrskreisen vielmehr als gleichgewichtig wahrgenommen. Der Gesamteindruck der Marke wird von „[X.]“ zumindest mitbestimmt.

Das Substantiv „[X.]“ wird in der [X.] und in der [X.] jeweils mit „Huhn“ oder „Hühnchen“ übersetzt. Das Adjektiv „real(e)“ bedeutet in beiden Sprachen „wirklich“ oder „echt“ bzw. „tatsächlich“, in der [X.] Sprache hat es noch die zusätzliche [X.]edeutung „königlich“ (vgl. www.leo.org). Die angegriffene Marke „[X.] [X.]“ bedeutet somit „wirkliches Huhn“, „echtes Hühnchen“ oder „königliches Huhn“. Abgesehen davon, dass der inländische Durchschnittsverbraucher das Wort „[X.]“ und dessen [X.]edeutung nicht kennen wird, wird der [X.] auch für den - die beiden Handelssprachen beherrschenden - Fachverkehr keinen Sinn machen, so dass „[X.] [X.]“ als einheitlicher [X.] aufgefasst werden kann.

cc) Aufgrund des fehlenden Sinngehalts der Vergleichsmarken ist auch eine begriffliche Ähnlichkeit zu verneinen.

f) Eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens scheidet ebenfalls aus.

Diese Art der Verwechslungsgefahr greift dann ein, wenn die Zeichen in einem [X.]estandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht und deshalb die nachfolgenden [X.]ezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet. Das Vorliegen einer Zeichenserie setzt die [X.]enutzung mehrerer Marken mit einem gemeinsamen Stammbestandteil voraus, damit die angesprochenen Verkehrskreise das gemeinsame Element kennen und mit der Zeichenserie in Verbindung bringen (vgl. [X.] GRUR 2008, 343 [X.]. 64 - [X.]/[X.] [[X.]AIN[X.]RIDGE]; [X.]GH [X.], 1239 [X.]. 40 – [X.]/Volks.Inspektion).

g) Es kommt aber eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne unter dem Aspekt des gedanklichen In-Verbindung-[X.]ringens in [X.]etracht. Sie kann gegeben sein, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den [X.] ausgeht. Eine solche Verwechslungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden ([X.]GH [X.], 1239 [X.]. 45 – [X.]/Volks.Inspektion).

aa) Eine solche Verwechslungsgefahr ist gegeben, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender [X.]estandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen des Inhabers der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses [X.]estandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. [X.], [X.], 1042 [X.]. 31 - [X.] LIFE; [X.], 933 [X.]. 34 [X.]; [X.]GH [X.], 646 [X.]. 15 – [X.]; [X.]GH [X.], 859 - Malteserkreuz).

bb) Dennoch besteht hinsichtlich der identischen Dienstleistungen der Klasse 35 eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne aufgrund einer selbständig kennzeichnenden Stellung des [X.]estandteils „[X.]“ in der angegriffenen Marke.

Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft des in das jüngere [X.] übernommenen älteren Zeichens kann eine solche selbständig kennzeichnende Stellung bewirken. [X.] ein Zeichen Ähnlichkeiten mit einer bekannten Marke auf, wird das angesprochene Publikum wegen der Annäherung an die bekannte Marke häufig annehmen, zwischen den Unternehmen, die die Zeichen nutzten, lägen wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen vor ([X.]GH a. a. [X.]. 47 - [X.]/Volks.Inspektion).

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.]GH ist anerkannt, dass Marken mit gesteigerter Kennzeichnungskraft über einen weiten Schutzbereich verfügen (vgl. [X.] GRUR Int. 2000, 899 [X.]. 41 - [X.]/[X.]; [X.]GH a. a. [X.]. 47 - [X.]/Volks.Inspektion). Intensiv genutzten Marken kommt eine erhöhte Schutzbedürftigkeit zu. Je bekannter eine Marke ist, desto größer ist die Zahl der Wettbewerber, die ähnliche Zeichen benutzen möchten ([X.] GRUR 2008, 503 [X.]. 36 - adidas/[X.] Mode; [X.]GH a. a. [X.]. 47 - [X.]/Volks.Inspektion).

Aufgrund der gesteigerten Kennzeichnungskraft und [X.]ekanntheit der Widerspruchsmarke für die identischen Dienstleistungen der Klasse 35 behält der [X.]estandteil „[X.]“ in der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung, die die von diesen Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise annehmen lässt, zwischen den Unternehmen bestünden wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen. Dabei ist unschädlich, dass der übernommene Zeichenteil „real“ ohne Komma, Gedankenstrich und Farbe nicht völlig identisch, sondern nur ähnlich mit der Widerspruchsmarke ist (vgl. [X.]GH [X.], 859, 860 – Malteserkreuz).

2. Widerspruch aus der Wort-/[X.]ildmarke 304 60 276 Abbildung (Widerspruchsmarke zu 1.)

a) Ausgehend von der [X.] besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen teilweise Identität und teilweise Unähnlichkeit.

bb) Zwischen den Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 der angegriffenen Marke

[X.]ei der [X.]eurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren oder Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die [X.]eurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb [X.]erührungspunkte aufweisen (vgl. [X.] [X.], 582 [X.]. 85  [X.]; [X.]GH a. a. [X.]. 21 - [X.]ioGourmet). Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen ist für die [X.]eurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden. Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstandes der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist ([X.]GH a. a. O. - [X.]ioGourmet).

Nach diesen rechtlichen Grundsätzen besteht zwischen den hier maßgeblichen beiderseitigen Dienstleistungen keine Ähnlichkeit. Die Dienstleistungen der Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung und die Erledigung von [X.]üroarbeiten werden als selbständige geschäftliche Tätigkeit für Dritte regelmäßig nicht von Einzelhandelsunternehmen erbracht. Einzelhandelsunternehmen erbringen ihrerseits für Dritte regelmäßig auch keine [X.], Geschäftsführungs-, Unternehmensverwaltungsdienstleistungen und erledigen keine [X.]üroarbeiten für Dritte. Diese Dienstleistungen weisen auch in ihrer wirtschaftlichen [X.]edeutung, also in der Art und dem Zweck der Leistung sowie dem Nutzen für den Empfänger der Dienstleistung, erhebliche und für den Durchschnittsverbraucher dieser Leistungen auf den ersten [X.]lick erkennbare Unterschiede zu Einzelhandelsdienstleistungen auf, so dass es an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür fehlt, der Durchschnittsverbraucher werde eine gleiche betriebliche Herkunft der Dienstleistungen annehmen ([X.]PatG 26 W (pat) 530/13 – [X.]ildmarke/Sportarena; 29 W (pat) 547/13 – GOURMET [X.]io/[X.]ioGourmet).

Mangels Ähnlichkeit scheidet eine Verwechslungsgefahr für die sich in Klasse 35 gegenüberstehenden Dienstleistungen daher aus. Ob und in welchem Grad eine Ähnlichkeit zwischen den weiteren Vergleichswaren bzw. –dienstleistungen besteht, kann dahingestellt bleiben, da eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne aufgrund selbständig kennzeichnender Stellung, wie sie bei der Widerspruchsmarke zu 2.) festgestellt wurde, ohnehin nur bei im Identitätsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen angenommen werden kann.

b) Die von den Waren der Klasse 18 angesprochenen Verkehrskreise sind sowohl die Endverbraucher als auch der Lederfachhandel. Sie werden diesen Waren in der Regel mit leicht überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit begegnen, da es sich um Waren handelt, die für einen längeren Zeitraum angeschafft werden und damit mit gewisser Sorgfalt ausgesucht werden.

Die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Dienstleistungen der Klasse 35 vermag deren originäre Kennzeichnungskraft für Lederwaren jedoch nicht zu erhöhen. Denn der erweiterte Schutzumfang einer Marke beschränkt sich grundsätzlich auf diejenigen Waren und Dienstleistungen, für die eine durch [X.]enutzung gesteigerte Verkehrsgeltung anzuerkennen ist. Sie vermag zwar im Einzelfall auf eng verwandte Waren oder Dienstleistungen auszustrahlen ([X.]GH [X.], 930 [X.]. 71 – [X.]/[X.]arbie [X.]). Vorliegend fehlt es aber an einer solchen engen Verwandtschaft zwischen Einzelhandelsdienstleistungen und Lederwaren, sie sind, wie bereits eingangs erörtert, nur sehr gering ähnlich.

d) Ausgehend von [X.], durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und einem leicht überdurchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad hält die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Die [X.] zeigen (schrift-)bildlich, klanglich und begrifflich, wie oben bereits ausgeführt, ausreichende Unterschiede. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist daher zu verneinen. Das gilt auch, wie bereits bei der Widerspruchsmarke zu 2.) eingehend dargelegt, für eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens.

e) Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne aufgrund selbständig kennzeichnender Stellung scheidet aus, weil es an der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Waren der Klasse 18 fehlt.

[X.]

Für eine Auferlegung der Verfahrenskosten auf eine der Verfahrensbeteiligten aus [X.]illigkeitsgründen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 [X.]) gibt weder die Sach- und Rechtslage noch das Verhalten der [X.]eteiligten Anlass.

Meta

26 W (pat) 37/13

17.02.2016

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.02.2016, Az. 26 W (pat) 37/13 (REWIS RS 2016, 16124)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16124

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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