Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.10.2020, Az. 2 C 18/19

2. Senat | REWIS RS 2020, 4330

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Gegenstand

Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens bei bestandskräftig gewordenen Ruhensbescheiden


Leitsatz

Bestandskräftig gewordene rechtswidrige Ruhensbescheide sind nicht nur im Fall bundesverfassungsgerichtlicher Nichtigerklärungen, sondern darüber hinaus auch bei Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel ab dem Beginn des Kalendermonats nach der Entscheidung zurückzunehmen, aufgrund der sich das bisherige Verwaltungshandeln - eindeutig - als rechtswidrig erweist.

Tenor

Auf die Revisionen des [X.] und der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. August 2019 dahingehend geändert, dass die erneute Entscheidung über den Antrag des [X.] vom 29. Dezember 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.] zu erfolgen hat.

Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung von Bescheiden, mit denen die Beklagte das Ruhen eines Teils seines Ruhegehalts wegen Versorgungsleistungen aus einer zwischenstaatlichen Verwendung festgestellt hat.

2

Der im Jahr 1938 geborene Kläger ist [X.] im Ruhestand. Während seiner aktiven Dienstzeit war er von März 1971 bis Juli 1983 und von Mai 1992 bis Juli 1996 bei verschiedenen [X.]-Organisationen tätig. Er war hierfür von der Beklagten jeweils beurlaubt und erhielt von der [X.] als Versorgung Kapitalbeträge in Höhe von insgesamt umgerechnet 111 677,86 €.

3

Die Beklagte versetzte den Kläger mit Ablauf des 30. September 2003 in den Ruhestand. Mit Bescheid vom 3. Januar 2005 stellte sie fest, dass die Versorgungsbezüge für die [X.] ab dem 1. Oktober 2003 in Höhe von monatlich 1 198,37 € ruhen. Der Widerspruch des [X.] gegen diesen Bescheid blieb erfolglos.

4

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2013 bat der Kläger um Mitteilung, ob die Beklagte die [X.] aufgrund der Rechtsprechung des [X.] wegen überprüfen werde. Dies lehnte die Beklagte ab und wies den Widerspruch hiergegen zurück.

5

Auf die Klage des [X.] hat das Verwaltungsgericht die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, über den Antrag des [X.] vom 29. Dezember 2013 auf Änderung der Regelung des Ruhens seiner Versorgungsbezüge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Kapitalbetrag sei zwischenzeitlich aufgezehrt worden und es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für seine Dynamisierung. Wegen der Aufzehrung liege eine Reduzierung des Rücknahmeermessens auf Null vor.

6

Der [X.]hof hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die erneute Verbescheidung des Antrags vom 29. Dezember 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu erfolgen habe. Der Kläger habe einen unerfüllten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. Der Bescheid sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. Entgegen der Ansicht des [X.] beruhe dies nicht auf dem Fehlen eines Endzeitpunkts für die Ruhensregelung. Rechtswidrig seien jedoch sowohl die Dynamisierung als auch die Verrentung des [X.]. Die mit dem [X.] eingeführten Regelungen für die Verrentung seien auf den Kläger nicht anwendbar und die Verwendung der geschlechtsspezifischen Verrentungsdivisoren sei unionsrechtswidrig.

7

Hiergegen richten sich die wechselseitigen Revisionen des [X.] und der Beklagten.

8

Der Kläger begehrt inhaltlich weiterhin die Neubescheidung seines Antrags unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung und beantragt (sinngemäß),

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] Würzburg vom 28. März 2017 zurückzuweisen und das Urteil des Bayerischen [X.]hofs vom 13. August 2019 aufzuheben, soweit es dem entgegensteht, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Klage vollständig abzuweisen und das Urteil des Bayerischen [X.]hofs vom 13. August 2019 und das Urteil des [X.] Würzburg vom 28. März 2017 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen, sowie die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Der Vertreter des [X.] unterstützt den Antrag der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen des [X.] und der [X.]eklagten, über die der [X.] in sachdienlicher Auslegung ihres [X.]egehrens (§ 88 VwGO) und gemäß § 101 Abs. 2, § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Einverständnis der [X.]eteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, sind jeweils zum Teil begründet.

Die für die Zulässigkeit der Revision des [X.] erforderliche [X.]eschwer ist gegeben, weil sich die Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts nicht mit der des [X.] deckt und für ihn insoweit ungünstig ist (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 3. Dezember 1981 - 7 [X.] 30.80 u.a. - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 51 f., vom 30. Mai 1984 - 4 [X.] 58.81 - [X.]VerwGE 69, 256 <258> und vom 18. Juli 2013 - 5 [X.] 8.12 - [X.]VerwGE 147, 216 Rn. 11 ff.). Maßgeblich ist insoweit insbesondere, dass das [X.]erufungsgericht den [X.] vom 3. Januar 2005 entgegen der Rechtsauffassung des [X.] nicht wegen der Aufzehrung des [X.] und des damit verbundenen Fehlens einer zeitlichen [X.]egrenzung als rechtswidrig angesehen hat.

Das [X.]erufungsurteil verletzt [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Der Kläger hat einen Anspruch aus § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag vom 29. Dezember 2013 auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens. [X.] vom 3. Januar 2005 ist bereits deshalb rechtswidrig, weil die [X.]eklagte die [X.] des [X.] ohne ausreichende gesetzliche Grundlage dynamisiert und für die [X.] bis zum Ablauf des 27. März 2008 auch ohne ausreichende gesetzliche Grundlage verrentet hat (1.). Auch unter [X.]erücksichtigung der am 28. März 2008 in [X.] getretenen gesetzlichen Grundlage für die Verrentung bleibt der [X.]escheid hinsichtlich der Verrentung des [X.] rechtswidrig, weil der [X.] des [X.]escheids den gemäß Art. 157 AEUV gewährleisteten Grundsatz der Entgeltgleichheit verletzt (2.). Ohne diese rechtswidrigen Grundannahmen wäre der Ruhensbetrag geringer gewesen (3.). Dass die [X.]eklagte das teilweise Ruhen des Ruhegehalts des [X.] ohne zeitliche [X.]egrenzung festgestellt hat, ist hingegen rechtmäßig (4.). In der Rechtsfolgeentscheidung ist das Rücknahmeermessen über das vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Maß hinaus reduziert (5.).

1. [X.] vom 3. Januar 2005 ist rechtswidrig, weil die [X.]eklagte die [X.] des [X.] ohne ausreichende gesetzliche Grundlage dynamisiert hat. Außerdem fehlte bis zum Ablauf des 27. März 2008 die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Verrentung des [X.].

Der maßgebliche [X.]punkt für die [X.]eurteilung der Sach- und Rechtslage richtet sich nach dem materiellen Recht (stRspr; vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 31. März 2004 - 8 [X.] 5.03 - [X.]VerwGE 120, 246 <250>, vom 25. November 2004 - 2 [X.] 17.03 - [X.]VerwGE 122, 237 <241> und vom 13. Dezember 2007 - 4 [X.] 9.07 - [X.]VerwGE 130, 113 Rn. 10).

[X.]ei [X.]en handelt es sich um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung, für die die im jeweiligen Monat geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Dies folgt bereits daraus, dass das Ruhen kraft Gesetzes eintritt und [X.]e zwar zulässig, aber nicht erforderlich sind. Im Umfang des durch das [X.] hat ein solcher Verwaltungsakt deshalb lediglich deklaratorische [X.]edeutung ([X.]VerwG, Urteile vom 26. November 2013 - 2 [X.] 17.12 - [X.] 239.1 § 53 [X.] Nr. 27 Rn. 10 und vom 15. November 2016 - 2 [X.] 9.15 - [X.] 239.1 § 55 [X.] Nr. 30 Rn. 18 ff.). Diese Feststellung des Dienstherrn ändert nichts daran, dass sich die gesetzmäßige Höhe des [X.] in jedem Monat aus dem in diesem Monat geltenden Recht und den jeweils vorliegenden Tatsachen ergibt.

Ab dem [X.]punkt der Zurruhesetzung des [X.] mit Ablauf des 30. September 2003 sind zunächst die [X.] des § 69c Abs. 5 Satz 2 und 3 des [X.]eamtenversorgungsgesetzes ([X.]) i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 20. Dezember 2001 ([X.] I S. 3926) anzuwenden. Für [X.]eamte, die - wie der Kläger - die [X.]en [X.]. § 56 [X.] vor dem 1. Januar 1999 zurückgelegt haben, ist nach § 69c Abs. 5 Satz 2 [X.] 2001 § 56 [X.] in der bis zum 30. September 1994 geltenden Fassung anzuwenden, es sei denn, die Anwendung des § 56 [X.] in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung ist für den Versorgungsempfänger günstiger. Außerdem bleibt § 85 Abs. 6 [X.] nach § 69c Abs. 5 Satz 3 Halbs. 1 [X.] 2001 unberührt.

§ 85 Abs. 6 [X.] 2001 hat keinen Einfluss auf das Ruhen des Ruhegehalts des [X.]. Sinn dieser spezielleren Übergangsvorschrift ist es, den jährlichen Satz für die zeitbezogene [X.]erechnung des Mindestruhensbetrags im Rahmen von § 56 [X.] an den sich aus den Übergangsregelungen des § 85 [X.] ergebenden Ruhegehaltssatz anzupassen (vgl. zur wortgleichen Regelung des [X.] <[X.]> [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 6. November 2018 - 2 [X.] 10.18 - [X.] 449.4 § 94b [X.] Nr. 1 Rn. 16). Danach ist § 85 Abs. 6 [X.] im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil der Ruhegehaltssatz des [X.] richtigerweise nicht nach § 85 Abs. 1 [X.] berechnet worden ist. Es war nicht veranlasst, den Kläger als am 31. Dezember 1991 bereits vorhandenen [X.]eamten [X.]. § 85 Abs. 1 [X.] zu begünstigen, weil er auch nach damals neuem Recht den [X.] in Höhe von 75 Prozent erreichte. Auch auf der Grundlage von § 85 Abs. 1 [X.] hätte er lediglich diesen Satz erreichen können. Die Anwendung des § 85 Abs. 1 [X.] (und damit auch des § 85 Abs. 6 [X.]) ist somit nach § 85 Abs. 4 Satz 1 [X.] ausgeschlossen. Für eine Ergänzung des § 85 Abs. 6 [X.] um ein Günstigkeitsprinzip wie in § 69c Abs. 5 Satz 2 [X.] ist angesichts der ausdrücklichen Regelungen kein Raum. Außerdem gibt es hierfür angesichts des [X.] kein [X.]edürfnis (so zur Parallelregelung des [X.], [X.]eschluss vom 6. November 2018 - 2 [X.] 10.18 - [X.] 449.4 § 94b [X.] Nr. 1 Rn. 16).

Der danach gemäß § 69c Abs. 5 Satz 2 [X.] 2001 vorzunehmende Günstigkeitsvergleich führt zur Anwendung des § 56 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung der [X.]ekanntmachung vom 20. September 1994 ([X.] [X.]). Diese ist für den Kläger günstiger, weil § 56 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1994 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 3 [X.] in seinem Fall zu einer [X.]egrenzung der Höhe des [X.] führt (siehe unten 3.).

[X.] der [X.]eklagten vom 3. Januar 2005 war bei Anwendung des § 56 [X.] 1994 von Anfang an rechtswidrig, weil die [X.]eklagte die Dynamisierung und die Verrentung der [X.] ohne gesetzliche Grundlage durchgeführt hat. Diese Grundlage wäre jedoch erforderlich gewesen ([X.]VerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 [X.] 30.06 - [X.]VerwGE 131, 29 Rn. 24 ff.).

Wegen der fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Dynamisierung ist der [X.]escheid auch weiterhin rechtswidrig. Die mit dem [X.] vom 5. Februar 2009 ([X.] I S. 160) eingeführte Regelung für die Dynamisierung von [X.]n nach § 69c Abs. 5 Satz 5 [X.] 2009 i.V.m. mit § 55 Abs. 1 Satz 8 [X.] 2009 erfasst aufgrund ihres Wortlauts nur [X.] von [X.]eamten, die ab dem 28. März 2008 in den Ruhestand getreten sind ([X.]VerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 [X.] 47.11 - [X.] 239.1 § 56 [X.] Nr. 8 Rn. 12). Auf die [X.] des bereits 2003 in den Ruhestand getretenen [X.] fand und findet die Regelung daher keine Anwendung.

Für die Verrentung der [X.] findet jedoch die diesbezügliche Neuregelung des [X.]es für die [X.] ab dem 28. März 2008 Anwendung. Diese Neuregelung gilt anders als die Neuregelung für die Dynamisierung auch für die am 28. März 2008 vorhandenen Ruhestandsbeamten wie den Kläger ([X.]VerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 [X.] 47.11 - [X.] 239.1 § 56 [X.] Nr. 8 Rn. 13 ff.). Nach § 69c Abs. 5 Satz 5 [X.] 2009 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 9 [X.] 2009 erfolgt die Verrentung in Fällen wie dem des [X.] mithilfe eines Verrentungsdivisors, der sich aus dem zwölffachen [X.]etrag des [X.] nach Anlage 9 zum [X.]ewertungsgesetz ([X.]) i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 23. Juni 1993 ([X.] I S. 944), für den hier maßgeblichen [X.]raum zuletzt geändert durch Art. 18 Nr. 10 des Gesetzes vom 13. Dezember 2006 ([X.] [X.]), ergibt. [X.] der [X.]eklagten vom 3. Januar 2005 ist insofern für die [X.] ab dem 28. März 2008 nicht mehr wegen des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage für die Verrentung des [X.] rechtswidrig (vgl. insoweit [X.], Urteile vom 20. Januar 2016 - 1 A 2021/13 - juris Rn. 49 und vom 7. Dezember 2016 - 1 [X.]/15 - juris Rn. 48).

Auf die Frage des maßgeblichen Rechts hat das Inkrafttreten des [X.] ([X.]esStMG) vom 9. Dezember 2019 ([X.] I S. 2053) keinen Einfluss. Gemäß § 69m Abs. 2 Satz 1 [X.] 2019 sind die für den Kläger maßgeblichen Regelungen in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

2. Der [X.] vom 3. Januar 2005 ist zudem wegen des Verstoßes gegen Art. 157 AEUV unionsrechtswidrig. Die [X.]eklagte hat den Kapitalbetrag unter [X.]erücksichtigung des Geschlechts des [X.] verrentet, indem sie für ihre [X.]erechnung den Vervielfältiger der Anlage 9 zum [X.]ewertungsgesetz ([X.] a.F.) für [X.] im Alter von 65 Jahren verwendete (vgl. [X.]escheid vom 3. Januar 2005, Anlage 1 S. 2). Diese Verrentung von [X.]n unter Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln verstößt gegen den gemäß Art. 157 AEUV gewährleisteten Grundsatz der Entgeltgleichheit, weil eine solche Verallgemeinerung der statistischen Lebenserwartung zu einer diskriminierenden [X.]ehandlung der [X.]eamten gegenüber [X.]eamtinnen führt ([X.]VerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 19.19 - Rn. 18 ff. ; vgl. insbesondere [X.], Urteil vom 3. September 2014 - [X.]/13 - [X.], 349 Rn. 25 ff.). Dies führt entgegen der Annahme des [X.]erufungsurteils aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben jedoch nicht zur [X.]ildung eines Mittelwerts, sondern zur Anwendung des für Frauen geltenden Vervielfältigers ([X.]VerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 19.19 - Rn. 31 ff.; vgl. insbesondere [X.], Urteil vom 7. Oktober 2019 - [X.]/18, [X.] - [X.] 2020, 33 Rn. 17 f., 33 ff.). Zur näheren [X.]egründung wird auf das vorstehend zitierte Urteil des [X.]s vom heutigen Tage [X.]ezug genommen.

3. Ohne diese rechtswidrigen Grundannahmen hätte der monatliche Ruhensbetrag unter dem [X.]etrag gelegen, den die [X.]eklagte mit [X.]escheid vom 3. Januar 2005 festgestellt hat. Die [X.]eklagte hätte den von ihr festgestellten Mindestruhensbetrag in Höhe von monatlich 1 198,37 [X.] nach § 56 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1994 i.V.m. § 69c Abs. 5 Satz 2 [X.] 2001 und § 56 Abs. 1 Satz 3 [X.] auf die von der [X.] gewährte Versorgung deckeln müssen. Maßgeblich ist insoweit für jeden Monat die Höhe des verrenteten [X.] (siehe unten 4.).

Der verrentete Kapitalbetrag beträgt ohne die genannten Rechtsfehler für die [X.] ab dem 28. März 2008 monatlich 877,89 [X.] (111 677,86 [X.]/12/10,601). Der (nicht dynamisierte) Kapitalbetrag in Höhe von 111 677,86 [X.] war nach § 55 Abs. 1 Satz 9 [X.] 2009 i.V.m. Anlage 9 zu § 14 [X.] 2006 unter Heranziehung des Vervielfältigers für eine [X.]eamtin im Alter von 65 Jahren (10,601) zu verrenten.

Für die [X.] bis zum Ablauf des 27. März 2008 ergibt sich ein [X.]etrag in Höhe von monatlich 511,21 [X.] (111 677,86 [X.]/12/18,205). Insoweit sind die Vorgaben des [X.]s in der Entscheidung zum Verfahren [X.]VerwG 2 [X.] 30.06 heranzuziehen und ist auf den Mittelwert der Lebenserwartung für 65-jährige Frauen und Männer im Jahr 2003 abzustellen ([X.]VerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 [X.] 30.06 - [X.]VerwGE 131, 29 Rn. 35).

4. [X.] vom 3. Januar 2005 ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die [X.]eklagte das Ruhen ohne zeitliche [X.]egrenzung festgestellt hat.

Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG stehen einer Ruhensregelung ohne zeitliche [X.]egrenzung grundsätzlich nicht entgegen ([X.], [X.]eschluss vom 23. Mai 2017 - 2 [X.]vL 10/11 u.a. - [X.]E 145, 249). Das [X.] hat entschieden, dass § 55b Abs. 3 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz ([X.]) in den Fassungen vom 5. März 1987 und vom 18. Dezember 1989 mit dem Grundgesetz vereinbar ist ([X.], ebenda). Der [X.] hat daraufhin bereits hinsichtlich dieser Fassungen der [X.] entschieden, dass er an seinen abweichenden Ausführungen in den Urteilen zu den Verfahren [X.]VerwG 2 [X.] 47.11 und 2 [X.] nicht mehr festhält ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 29. März 2019 - 2 [X.] - [X.] 449.4 § 55b [X.] Rn. 12 und vom 29. August 2019 - 2 [X.] 73.18 - [X.] 239.1 § 56 [X.] Nr. 9 Rn. 11).

Dass im Fall des [X.] § 56 [X.] Anwendung findet und es sich um spätere Fassungen der Norm handelt, führt zu keinem anderen Ergebnis. § 56 [X.] ist insoweit mit § 55b [X.] identisch und auch die späteren Fassungen enthalten keine Regelung dahingehend, dass das Ruhen enden muss, sobald die Summe der Ruhensbeträge die Höhe des [X.] erreicht (a.A. OVG Lüneburg, [X.]eschluss vom 21. Mai 2019 - 5 LA 236/17 - juris Rn. 42; a.A. vor der genannten Entscheidung des [X.]: [X.], Urteile vom 20. Januar 2016 - 1 A 2021/13 - juris Rn. 33 ff. und vom 7. Dezember 2016 - 1 [X.]/15 - juris Rn. 32 ff.).

§ 56 Abs. 6 Satz 1 [X.] 2001 sieht zwar vor, dass der Ruhensbetrag die von der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung nicht übersteigen darf, doch bezieht sich dies allein auf den jeweiligen monatlichen Ruhensbetrag in Relation zur Höhe des verrenteten [X.].

Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei dem Ruhensbetrag [X.]. § 56 Abs. 6 Satz 1 [X.] 2001 nicht um eine Summe von Ruhensbeträgen, sondern um den im jeweiligen Monat ruhenden [X.]etrag handelt. Aus den gesamten Regelungen des § 56 [X.] 2001 geht hervor, dass sie jeweils der [X.]erechnung von monatlichen Ruhensbeträgen dienen. So handelt es sich etwa auch bei den dort genannten Höchstgrenzen gemäß § 56 Abs. 1 [X.] 2001 i.V.m. § 54 Abs. 2 [X.] um monatsbezogene Werte. [X.]ei der Versorgung mit [X.]n ermöglicht es § 55 Abs. 1 [X.] 2009, mittels der Verrentung monatsbezogene Werte zu ermitteln, die dann über § 56 Abs. 3 Satz 3 [X.] 2009 zu monatsbezogenen Ruhensbeträgen führen. Dass dies auch den [X.]egriff des [X.] prägt, zeigt sich an § 56 Abs. 8 [X.] 2009, der sich auf den bei Anwendung der Absätze 1 bis 7 ergebenden Ruhensbetrag bezieht. Gemeint ist vom Gesetzgeber auch hier der im jeweiligen Monat ruhende [X.]etrag.

Darüber hinaus zeigen auch die Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 56 Abs. 6 Satz 1 [X.] sowie die Vorgängerregelung in § 160b Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. sowie später § 56 Abs. 1 Satz 3 [X.] nicht geschaffen hat, um das Ruhen im Falle der Versorgung durch [X.] auf die Höhe des gesamten [X.] zu begrenzen. § 160b Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. bezog sich bei seiner Einführung mit dem Gesetz vom 19. Juli 1968 ([X.] I S. 848) allein auf laufende Versorgungsleistungen der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen. Die Regelung begrenzte die Höhe des monatlichen [X.] auf die Höhe der laufenden Versorgungsleistung im jeweiligen Monat. Die Empfänger von [X.]n erhielten diesen Schutz damals nicht (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 23. Mai 2017 - 2 [X.]vL 10/11 u.a. - [X.]E 145, 249 Rn. 99). Sie schützte der Gesetzgeber durch die Möglichkeit, den Kapitalbetrag an den Dienstherren abzuführen und dadurch das Ruhen abzuwenden (vgl. [X.]. V/2251 S. 7).

Mit dem Gesetz zur Änderung des [X.]eamtenversorgungsgesetzes, des [X.] sowie anderer versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20. September 1994 ([X.]ÄndG, [X.] [X.]) erweiterte der Gesetzgeber den Schutz für die Empfänger von [X.]n, indem er in § 56 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1994 auch auf § 56 Abs. 1 Satz 3 [X.] verwies. Durch die in § 56 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1994 erstmals vorgesehene Verrentung der [X.] war es möglich geworden, den § 56 Abs. 1 Satz 3 [X.], der dem § 160b Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. entsprach (vgl. hierzu [X.]. 7/2505 [X.]), auch auf [X.] anzuwenden. [X.]ei der Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 3 [X.] 1994 war dabei nach § 56 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1994 der sich bei einer Verrentung des [X.] ergebende [X.]etrag zugrunde zu legen. Die Höhe des verrenteten [X.] begrenzt seitdem für jeden einzelnen Monat die Höhe des [X.]. Die Einführung der darüber hinaus gehenden, vom Kläger begehrten [X.]egrenzung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag ist im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien ([X.]. 12/5919) nicht erkennbar.

Die Einführung des § 56 Abs. 6 Satz 1 [X.] 1998 mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29. Juni 1998 ([X.] I S. 1666) brachte ebenfalls nicht die vom Kläger gewünschte [X.]egrenzung. Grund für diese "Verschiebung" des ansonsten unangetasteten § 56 Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. war nach der [X.]egründung des Gesetzesentwurfs allein die systematische Zusammenfassung mit den neuen "[X.]" ([X.]. 13/9527 S. 41).

Der Kläger wird durch die fehlende zeitliche [X.]egrenzung entgegen seiner Auffassung auch nicht ungerechtfertigt oder unangemessen benachteiligt. Der wirtschaftliche Wert eines [X.] wird nicht allein durch seinen Nennwert, sondern wesentlich durch das mit ihm verbundene Anlage- bzw. Nutzungspotenzial bestimmt (siehe auch insoweit [X.], [X.]eschluss vom 23. Mai 2017 - 2 [X.]vL 10/11 u.a. - [X.]E 145, 249 Rn. 86). Einem [X.]eamten oder Soldaten, der kein solches Anlage- und/oder Nutzungspotenzial für sich sieht oder der die mit dem Erhalt eines [X.] verbundenen Risiken nicht eingehen möchte, hat der Gesetzgeber seit der ersten Fassung des § 56 [X.] stets die Wahlmöglichkeit eröffnet, den Kapitalbetrag abzuführen und dafür das volle Ruhegehalt zu erhalten. An dem einmal ausgeübten Wahlrecht muss sich der [X.]eamte oder Soldat für die Dauer des [X.]ezugs von Ruhegehalt festhalten lassen.

Der Hinweis des [X.], Empfänger von laufenden Versorgungsleistungen zwischenstaatlicher Einrichtungen profitierten davon, dass die laufenden Versorgungsleistungen erheblich höher als der Ruhensbetrag seien und auch laufend erhöht würden, ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Die nationalen Regelungen für das Ruhen sind für laufende Versorgungsleistungen und einmalige Versorgungsleistungen - abgesehen von den Regelungen für den erforderlichen Zwischenschritt der Verrentung - identisch. Geringe [X.] führen bei rechtmäßiger Verrentung ebenso wie geringe laufende Versorgungsleistungen zu einer Deckelung nach § 56 Abs. 1 Satz 3 [X.] oder § 56 Abs. 6 Satz 1 [X.]. Hohe laufende Versorgungsleistungen führen bei Anwendung der Höchstgrenzenberechnung ebenso zu höheren Ruhensbeträgen wie hohe [X.]. In Fällen, in denen die laufende Versorgungsleistung oder der Kapitalbetrag weder so hoch sind, dass die Höchstgrenzenberechnung greift, noch so niedrig sind, dass sie zu einer Deckelung des [X.] führen, greift der insoweit identische Mindestruhensbetrag. Sollte einem [X.]eamten oder Soldaten der Kapitalbetrag, auf den der [X.] Gesetzgeber keinen unmittelbaren Einfluss hat, zu gering sein, hat er die bereits genannte Wahl, den Kapitalbetrag an den Dienstherren abzuführen und das volle Ruhegehalt zu erhalten.

5. Der Kläger hat nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die ([X.] vom 3. Januar 2005 für die [X.]räume und in dem Umfang, in dem die [X.]eklagte rechtswidrig einen zu hohen Ruhensbetrag festgestellt hat.

Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG besteht nicht (a). Der Kläger hat grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG. Dieses Ermessen ist jedoch bei Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] in so erheblichen Umfang verdichtet, dass rechtswidrige [X.]e in der Regel ab dem [X.]eginn des Kalendermonats nach der Entscheidung zurückzunehmen sind, aufgrund der sich das bisherige Verwaltungshandeln - eindeutig - als rechtswidrig erweist (b). Im Fall des [X.] sind in dieser Hinsicht die Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] in den Verfahren [X.]/13 und (letztlich eindeutig) [X.]/18 sowie jene des [X.]s zu den Verfahren [X.]VerwG 2 [X.] 30.06 und 2 [X.] 47.11 maßgeblich (c).

a) Nachträgliche Änderungen der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage zugunsten des [X.] [X.]. § 51 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegen im Streitfall nicht vor. Eine Gerichtsentscheidung stellt keine solche Änderung der Sach- oder Rechtslage dar (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 16. Februar 1993 - 9 [X.] 241.92 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 29 S. 15; Urteile vom 11. September 2013 - 8 [X.] 4.12 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 48 Rn. 21 und vom 13. August 2020 - 1 [X.] 23.19 - juris Rn. 13).

b) Das Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG steht grundsätzlich im Ermessen der [X.]eklagten. Dies belegt, dass ein zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führender Rechtsverstoß nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme und einen darauf zielenden Anspruch des [X.]etroffenen bildet. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung [X.] belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der [X.]estandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit [X.]lick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist ([X.]VerwG, Urteile vom 20. März 2008 - 1 [X.] 33.07 - [X.] 402.242 § 54 AufenthG Nr. 5 Rn. 12 und vom 24. Februar 2011 - 2 [X.] 50.09 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 11; vgl. auch Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 [X.] 12.92 - [X.]VerwGE 95, 86 <92 f.>). Ob ein solcher Ausnahmefall angenommen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab ([X.]VerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 6 [X.] 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13, vom 24. Februar 2011 - 2 [X.] 50.09 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 11 und vom 13. August 2020 - 1 [X.] 23.19 - juris Rn. 19).

Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die [X.]ehörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die [X.]erufung der [X.]ehörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, sodass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 7. Juli 2004 - 6 [X.] 24.03 - [X.]VerwGE 121, 226 <231>; Urteile vom 17. Januar 2007 - 6 [X.] 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13 und vom 9. Mai 2012 - 6 [X.] 3.11 - [X.]VerwGE 143, 87 Rn. 51).

Das [X.]eamtenversorgungsrecht als hier maßgebliches Fachrecht kennt im Unterschied zum Sozialversicherungsrecht und Sozialverfahrensrecht - jenseits von § 48 VwVfG - keine speziellen Vorschriften für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts. Allerdings ist das [X.]eamtenversorgungsrecht deshalb nicht frei von gesetzgeberischen Wertungen mit Einfluss auf das Rücknahmeermessen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (vgl. etwa [X.]VerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - [X.]VerwGE 145, 14 Rn. 29).

Insoweit ist zunächst zu beachten, dass auch im [X.]eamtenversorgungsrecht nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 3 [X.] eine strikte Gesetzesbindung der Verwaltung gilt (siehe hierzu [X.]VerwG, Urteile vom 27. März 2008 - 2 [X.] 30.06 - [X.]VerwGE 131, 29 Rn. 25, vom 27. Januar 2011 - 2 [X.] - [X.] 449.4 § 55b [X.] Nr. 1 Rn. 11 und vom 31. Mai 2012 - 2 [X.] 18.10 - [X.] 449.4 § 53 [X.] Nr. 1 Rn. 21). Nach § 3 Abs. 3 [X.] kann auf die gesetzlich zustehende Versorgung weder ganz noch teilweise verzichtet werden.

Hinzu kommt die verfassungsrechtliche Verankerung des Versorgungsanspruchs. Durch die materiell-gesetzlichen Regelungen hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum ausgeübt, der ihm verfassungsrechtlich durch den [X.] eröffnet ist. Der sich daraus ergebende Versorgungsanspruch genießt verfassungsrechtlichen Schutz, weil der Versorgungsberechtigte ihn in der aktiven Dienstzeit [X.] hat ([X.]VerwG, Urteile vom 27. Januar 2011 - 2 [X.] - [X.] 449.4 § 55b [X.] Nr. 1 Rn. 22, vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - [X.] 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 30 und vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - [X.]VerwGE 145, 14 Rn. 29; vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 23. Mai 2017 - 2 [X.]vL 10/11 u.a. - [X.]E 145, 249 Rn. 91). Die Rechtsnatur des Versorgungsanspruchs spricht deshalb dafür, dass der Anspruch der Ruhestandsbeamten auf Festsetzung und Auszahlung des Ruhegehalts in gesetzlicher Höhe auch durch die Aufhebung entgegenstehender [X.]escheide ab einem gewissen [X.]punkt verwirklicht wird (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - [X.]VerwGE 145, 14 Rn. 29). Der materiellen Gerechtigkeit kommt in der Abwägung mit der Rechtssicherheit im Rahmen des § 48 VwVfG von daher besonderes Gewicht zu.

In dieselbe Richtung weist der bereits oben erwähnte Umstand, dass es sich bei [X.]en um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung handelt (s.o. Rn. 17).

Zum Versorgungsfestsetzungsbescheid hat der [X.] bereits entschieden, dass bei für nichtig erklärten Normen dem § 79 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]G die gesetzliche Wertung entnommen werden kann, dass bestandskräftige [X.] ab dem [X.]punkt der Nichtigerklärung für die Zukunft aufzuheben sind ([X.]VerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - [X.] 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 24 ff. und vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - [X.]VerwGE 145, 14 Rn. 20, 27 ff. sowie [X.]eschluss vom 8. Mai 2013 - 2 [X.] 5.13 - NVwZ 2013, 953 Rn. 11).

Die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung durch das [X.] stellt die zeitliche Grenze für den Geltungsanspruch der auf der für nichtig erklärten Vorschrift beruhenden unanfechtbaren Entscheidung dar. [X.]is zur Nichtigerklärung der gesetzlichen Regelung gebührt der Rechtssicherheit der Vorrang. Für den [X.]raum danach setzt sich demgegenüber das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit durch ([X.]VerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - [X.] 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 28 und vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - [X.]VerwGE 145, 14 Rn. 27; [X.]eschluss vom 8. Mai 2013 - 2 [X.] 5.13 - NVwZ 2013, 953 Rn. 11). Das [X.] hat dementsprechend aus den Regelungen des § 79 Abs. 2 [X.]G den allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene fehlerhafte Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen nachteiligen Wirkungen nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung der verfassungswidrigen Entscheidung ergeben würden, abgewendet werden sollen ([X.]VerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - [X.] 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 28 mit Verweis u.a. auf [X.], [X.]eschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 [X.]vR 1905/02 - [X.]E 115, 51 <63>).

Dieser Rechtsgedanke ist auf Versorgungsfestsetzungsbescheide zu übertragen, die zwar nicht im engeren Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 2 [X.]G vollstreckt werden, aber die Grundlage für monatlich im Voraus zu zahlende Versorgungsbezüge bilden. Ihre [X.]estandskraft wird nur für die Vergangenheit geschützt, sodass der [X.]etroffene nicht unter [X.]erufung auf die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung für die Vergangenheit höhere Leistungen beanspruchen kann. Demgegenüber gebührt für die Zukunft der materiellen Gerechtigkeit und nicht der Rechtssicherheit der Vorrang, sodass der Verwaltungsakt an die Rechtslage anzupassen ist. Andernfalls müsste [X.] zeitlich unbegrenzte Geltung beigemessen werden, obwohl ihre gesetzliche Grundlage wegen der Nichtigerklärung weggefallen ist (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - [X.] 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 29 und vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - [X.]VerwGE 145, 14 Rn. 27 f.).

Der [X.] lässt ausdrücklich offen, ob ein [X.] ein Dauerverwaltungsakt im Sinne der Kategorien des allgemeinen Verwaltungsrechts ist. Die fachrechtlichen [X.]esonderheiten des [X.]eamtenversorgungsrechts veranlassen den [X.] vielmehr dazu, ihn - wie erwähnt - als feststellenden Verwaltungsakt mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung zu bezeichnen (s.o. Rn. 17).

Dessen ungeachtet können die vorstehend dargestellten Wertungen auf [X.]e übertragen werden. Hiernach sind rechtswidrige [X.]e nicht nur im Fall bundesverfassungsgerichtlicher Nichtigerklärungen, sondern darüber hinaus auch bei entsprechend eindeutigen Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] in der Regel ab dem [X.]eginn des Kalendermonats nach der Gerichtsentscheidung zurückzunehmen, aufgrund der eine Rechtsfrage als abschließend geklärt angesehen werden kann (vgl. zur [X.]edeutung der Rechtsprechung dieser beiden Gerichte bereits [X.]VerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - [X.]VerwGE 145, 14 Rn. 31 ff., [X.]eschluss vom 12. Dezember 2012 - 2 [X.] 90.11 - juris Rn. 15 f.; [X.], Urteil vom 28. Februar 2013 - 1 [X.]f 10/12 - juris Rn. 29, 38 f., 43). Wegen der unterschiedlichen Verfahrensregelungen, wie Entscheidungen der hier angesprochenen Gerichte ([X.], [X.], [X.]VerwG) den Verfahrensbeteiligten gegenüber bekanntgegeben oder [X.] (z.[X.]. der Fachwelt) gegenüber veröffentlicht werden, hält es der [X.] aus Gründen der Praktikabilität für sachgerecht, auf den [X.]eginn des Kalendermonats nach dem Entscheidungsdatum abzustellen, unter dem der Richterspruch ergangen ist, der die in Rede stehende Rechtsfrage - eindeutig - geklärt hat.

c) Nach diesen Maßstäben ist seit der Entscheidung des [X.]s zum Verfahren [X.]VerwG 2 [X.] 30.06 vom 27. März 2008 hinreichend geklärt, dass die Dynamisierung und die Verrentung der [X.] zuvor ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erfolgt war ([X.]VerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 [X.] 30.06 - [X.]VerwGE 131, 29 Rn. 24 ff.). Seit der Entscheidung des [X.]s zum Verfahren [X.]VerwG 2 [X.] 47.11 vom 5. September 2013 ist zudem geklärt, dass die nachträglich mit Rückwirkung ab dem 28. März 2008 erlassene Regelung für die Dynamisierung der [X.] nach § 69c Abs. 5 Satz 5 [X.] 2009 oder § 56 Abs. 3 Satz 3 [X.] 2009 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 8 [X.] 2009 aufgrund ihres Wortlauts nur [X.] von [X.]eamten erfasst, die ab dem 28. März 2008 in den Ruhestand getreten sind ([X.]VerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 [X.] 47.11 - [X.] 239.1 § 56 [X.] Nr. 8 Rn. 12). Soweit der mit den [X.]en festgestellte Ruhensbetrag auf einer Dynamisierung des [X.] beruht, ist das Rücknahmeermessen der [X.]eklagten für den [X.]raum ab der Entscheidung vom 5. September 2013 hin zu einem Rücknahmeanspruch verdichtet. Hinsichtlich beider Rechtsfragen greift diese Ermessensreduzierung ab dem Folgemonat des Datums der jeweiligen Gerichtsentscheidung.

Soweit [X.]e auf einer geschlechtsspezifischen Verrentung der [X.] beruhen, ist seit der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in dem Verfahren [X.]/13 vom 3. September 2014 hinreichend geklärt, dass die statistisch unterschiedlich lange Lebenserwartung von Männern und Frauen unionsrechtlich grundsätzlich keine Ungleichbehandlung rechtfertigt (vgl. [X.], Urteil vom 3. September 2014 - [X.]/13 - [X.], 349 Rn. 25 ff.; Generalanwältin [X.], Schlussantrag vom 15. Mai 2014 - [X.]/13 - juris Rn. 50 ff.; vgl. nunmehr auch [X.]VerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 19.19 - Rn. 18 ff. ). Seit der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in dem Verfahren [X.]/18 vom 7. Oktober 2019 ist zudem - eindeutig - geklärt, dass dies bis zu einer Herstellung der Gleichheit zur Anwendung des für [X.]eamtinnen geltenden Vervielfältigers für Frauen führt (sog. Angleichung "nach oben", vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 2019 - [X.]/18, [X.] - [X.] 2020, 33 Rn. 33 ff.; [X.]VerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 19.19 - Rn. 31 ff.). Hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Verrentung ist das Datum der letztgenannten Entscheidung des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2019 maßgeblich für die Ermessensreduzierung (mit Wirkung ab dem Folgemonat).

Für den [X.]raum vor diesen Entscheidungen ist das Ermessen der [X.]eklagten jeweils nicht im obigen Sinne reduziert. Es ist insofern auch mit Hinblick auf das Fachrecht nicht "schlechthin unerträglich", wenn für diesen [X.]raum an der [X.]estandskraft der [X.]e im oben dargestellten Umfang festgehalten wird. Dies gilt auch, soweit der [X.] wegen des Verstoßes gegen den nach Art. 157 AEUV gewährleisteten Grundsatz der Entgeltgleichheit teilweise unionsrechtswidrig war. Auch das Unionsrecht kennt den Grundsatz der Rechtssicherheit und verlangt grundsätzlich nicht, dass eine Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist (vgl. [X.], Urteile vom 13. Januar 2004 - [X.]-453/00, [X.] - Slg. 2004, [X.] Rn. 24 und vom 19. September 2006 - [X.]-392/04, [X.] Germany GmbH - und - [X.]-422/04, Arcor AG & [X.]o. KG - Slg. 2006, [X.] Rn. 51; [X.]VerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 6 [X.] 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 16 und [X.]eschluss vom 21. Juni 2013 - 3 [X.] 89.12 - juris Rn. 8). Für eine Ausnahme von diesem Grundsatz (vgl. hierzu [X.], Urteile vom 13. Januar 2004 - [X.]-453/00, [X.] - Slg. 2004, [X.] Rn. 28 und vom 19. September 2006 - [X.]-392/04, [X.] Germany GmbH - sowie - [X.]-422/04, Arcor AG & [X.]o. KG - Slg. 2006, [X.] Rn. 52; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. Juni 2013 - 3 [X.] 89.12 - juris Rn. 9), die eine weitergehende Verpflichtung zur Aufhebung zur Folge haben könnte, ist vorliegend nichts ersichtlich.

6. [X.] folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dem Kläger ist ein Teil der Kosten aufzuerlegen, weil er teilweise unterlegen ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Kläger zwar nur einen [X.]escheidungsantrag gestellt hat, das Gericht jedoch in seinem [X.]escheidungsurteil mit seiner Rechtsauffassung auf eine geringere [X.]indung der [X.]eklagten für dessen erneute Entscheidung erkennt, als der Kläger sie mit seiner Klage angestrebt hat ([X.]VerwG, Urteile vom 24. September 2009 - 7 [X.] 2.09 - [X.]VerwGE 135, 34 Rn. 67 und vom 17. September 2015 - 2 [X.] 27.14 - [X.] 232.0 § 21 [X.] 2009 Nr. 2 Rn. 42). Angemessen ist in Anbetracht der vom Kläger im Ergebnis begehrten [X.]eschränkung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag, dass die beiden Hauptbeteiligten (Kläger und [X.]eklagte) die Kosten des Verfahrens nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO je zur Hälfte tragen.

Meta

2 C 18/19

07.10.2020

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 13. August 2019, Az: 14 B 18.1276, Urteil

Art 157 AEUV, § 79 Abs 2 BVerfGG, § 56 Abs 6 BeamtVG, § 55 Abs 1 BeamtVG, § 56 Abs 1 BeamtVG, § 56 Abs 3 BeamtVG, § 69c Abs 5 BeamtVG, § 69m Abs 2 S 1 BeamtVG, § 85 Abs 6 BeamtVG, § 85 Abs 1 BeamtVG, § 85 Abs 4 BeamtVG, Art 3 Abs 1 GG, Art 33 Abs 5 GG, § 48 VwVfG, § 51 Abs 5 VwVfG, § 51 Abs 1 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.10.2020, Az. 2 C 18/19 (REWIS RS 2020, 4330)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4330

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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