Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2010, Az. 1 StR 212/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 5062

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 [X.] vom 7. Juli 2010 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja [X.]R: ja ___________________________ [X.] § 55 Abs. 1; [X.] §§ 318, 331, 460, 462 Auch bei einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 [X.] durch das Berufungsgericht vorzunehmen, wenn der erstinstanzliche [X.] eine Entscheidung zu dieser Frage nicht ge-troffen hat. [X.], [X.]. vom 7. Juli 2010 - 1 [X.] - [X.] - 2 - in der Strafsache gegen wegen Betruges hier: [X.] des 5. Strafsenats des [X.] vom 23. März 2010 - 3 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 7. Juli 2010 beschlossen: Auch bei einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist eine Gesamt-strafenbildung nach § 55 [X.] durch das Berufungsgericht vorzunehmen, wenn der erstinstanzliche [X.] eine Ent-scheidung zu dieser Frage nicht getroffen hat. Gründe: [X.] Das [X.] hat die Angeklagte durch Urteil vom 14. Juli 2009 wegen Betruges in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Für zwei Taten wurden Einzelgeldstrafen verhängt, für die übri-gen zwölf Taten [X.] von zwei Monaten bis zu sieben Mona-ten. 1 Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung hat sie ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch und innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs auf die Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt. Ihr Rechtsmittel hatte keinen [X.]. Denn das [X.] hat durch Urteil vom 11. November 2009 erkannt: 2 "Auf die Berufung der Angeklagten wird das Urteil des Amts-gerichts [X.] vom 14. Juli 2009 in Ziffer 2 (= Strafaus-spruch) wie folgt neu gefasst: - 4 - Die Angeklagte wird unter Einbeziehung der Verurteilung durch den Strafbefehl des [X.] vom 8. Oktober 2009 ([X.].: 2 Cs 57 Js 29363/ 08) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten und einer Woche verurteilt. Die Angeklagte wird zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten bezüglich der Taten zwischen dem 18. Oktober 2008 und dem 26. November 2008 verurteilt. Die Angeklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfah-rens". Bei der einbezogenen Strafe aus dem Strafbefehl des [X.] vom 8. Oktober 2009 handelt es sich um eine Geld-strafe von 15 Tagessätzen zu je 20 Euro für eine am 22. Juni 2008 begangene Tat. Zum [X.]punkt des Urteils des Amtsgerichts [X.] vom 14. Juli 2009 war der Strafbefehl noch nicht erlassen. 3 Gegen das Urteil des [X.] hat die Angeklagte [X.] eingelegt und insbesondere die Verletzung materiellen Rechts gerügt. 4 Das [X.] beabsichtigt, die Revision der Ange-klagten als unbegründet zu verwerfen. 5 Es hält die Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung zwar für wirksam, ist aber der Auffassung, dass die [X.] das Berufungsgericht nicht an einer nachträglichen Gesamt-strafenbildung hindere. 6 - 5 - An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das [X.] durch die Entscheidungen des [X.] vom 15. September 2004 ([X.], 449) und des [X.] vom 9. Januar 2007 (NStZ-RR 2007, 196) gehindert. 7 Das [X.] ist der Auffassung, die in § 318 [X.] angelegte weit reichende Dispositionsfreiheit des [X.] sei durch die Rechtsmittelgerichte im Rahmen des Möglichen zu respektieren. Eine an sich zulässige Berufungsbeschränkung sei zwar dann unwirksam, wenn Gründe materieller Gerechtigkeit ihrer Anerkennung [X.]stünden. Auch nach diesem Maßstab sei eine Gesamtstrafenlage i.S.d. § 55 [X.] hier aber unbeachtlich, da über die Einbeziehung weiterer Strafen im Be-schlussverfahren gemäß § 460 [X.] entschieden werden könne. Es bestehe kein absoluter Vorrang des [X.] vor dem [X.]ussverfahren; Ausnahmefälle seien bereits anerkannt worden. Der Grundsatz der Dispositi-onsfreiheit gebiete die Ausklammerung der Frage nachträglicher Gesamtstra-fenbildung aus dem Prüfungsprogramm der Berufungshauptverhandlung. Der Disposition durch den Rechtsmittelführer gebühre der Vorrang gegenüber dem verfahrensökonomischen Gesichtspunkt, ein von Amts wegen zu betreibendes gesondertes [X.]ussverfahren durch die Behandlung der Gesamtstrafenbil-dung nach § 55 [X.] zu erübrigen. Der Rechtsmittelführer könne beachtliche Gründe haben, die Frage der ihm (z.B. bei bisheriger Aussetzung der einzie-hungsfähigen Freiheitsstrafe zur Bewährung und drohender Nichtaussetzung der zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe) möglicherweise nachteiligen nachträgli-chen Gesamtstrafenbildung erst zu späterer [X.] prüfen zu lassen, zu der z.B. wegen Erledigung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine Einbeziehung ausscheidet oder die Legalprognose für eine Strafaussetzung sich verbessert hat. 8 - 6 - Das [X.] ist ebenfalls der Ansicht, die mit der Regelung des § 318 [X.] gewährte Dispositionsfreiheit des [X.] erlaube ihm die Beschränkung seines Rechtsmittels mit der Wirkung, dass die nicht angegriffenen Teile der Entscheidung in Rechtskraft erwachsen. Die neu entstandene Gesamtstrafenlage erfordere keine Korrektur zu Lasten der Dispositionsfreiheit des Rechtsmittelführers, weil die Bildung der Gesamtstrafe nach Rechtskraft der Entscheidung im [X.]usswege gemäß § 460 [X.] nachträglich erfolgen könne. 9 Das [X.] hat deshalb die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem [X.] zur Entscheidung über folgende Rechts-frage vorgelegt: 10 "Ist bei einer Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 [X.] durch das Berufungsgericht zulässig?". Der [X.] ist der Rechtsauffassung des vorlegenden [X.]s beigetreten und hat beantragt, wie folgt zu beschließen: 11 "Bei einer Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 [X.] durch das Berufungsgericht zulässig, wenn der erste [X.] eine Entscheidung zu dieser Frage nicht ge-troffen hat". Zutreffend hat der [X.] darauf hingewiesen, dass die [X.] des [X.] zu weit gefasst ist. Sie [X.] nämlich über die Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren hinaus nach ihrem Wortlaut auch solche Fälle erfassen, in denen dem [X.] - 7 - stanzlichen [X.] die Strafen, welche hätten einbezogen werden können, [X.] waren und er daher bewusst eine Entscheidung über die Gesamtstrafen-bildung getroffen hat. Hat der Tatrichter aber die Anwendung des § 55 [X.] geprüft und rechtsirrtümlich abgelehnt, ist eine Korrektur dieses Urteilsspruchs nur im Rechtsmittelzug möglich. § 55 [X.] ist dann nicht i.S.d. § 460 [X.] "außer Betracht geblieben" (vgl. [X.] [X.] 6. Aufl. § 460 [X.]. 5). In [X.] Fällen bleibt es bei entsprechender - wirksamer - Rechtsmittelbeschrän-kung bei der Rechtskraft der Entscheidung und diese könnte auch im Be-schlussverfahren gemäß §§ 460 ff. [X.] nicht korrigiert werden. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung durch den [X.] vor, ist eine Gesamtstrafenbildung durch ihn nicht nur zuläs-sig, sondern er ist hierzu grundsätzlich verpflichtet ([X.]St 25, 382, 383), er hat sie vorzunehmen. Der [X.] hat daher die [X.] wie folgt präzisiert und neu ge-fasst: 13 Auch bei einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist eine Gesamt-strafenbildung nach § 55 [X.] vorzunehmen, wenn der erst-instanzliche [X.] eine Entscheidung zu dieser Frage nicht getroffen hat. I[X.] Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 GVG sind gegeben. 14 1. Der [X.] hat diese Rechtsfrage noch nicht entschieden. Der [X.]uss vom 11. Februar 1988 (4 [X.] = [X.]St 35, 208 f.) betraf 15 - 8 - einen anders gelagerten Sachverhalt, bei dem insbesondere das Verschlechte-rungsverbot zu prüfen war. 2. Die [X.] ist entscheidungserheblich. 16 Das [X.] kann die Revision der Angeklagten nicht wie beabsichtigt verwerfen, ohne von der Rechtsansicht des [X.] und des [X.] abzuweichen. Neben den vom vorlegenden [X.] bereits genann-ten Judikaten steht auch der [X.]uss des [X.]s Karlsruhe vom 24. November 2006 ([X.].: 2 [X.]/06) der beabsichtigten Verwerfung [X.]. 17 Die [X.] wäre allerdings dann nicht entscheidungserheblich, wenn die Berufungsbeschränkung unwirksam wäre. Gegen die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung könnte zwar sprechen, dass das [X.] rechtsfehlerhaft die [X.] nicht festgesetzt hat und dass die letzte Vorstrafe der Ange-klagten unvollständig und damit rechtsfehlerhaft mitgeteilt wird (vgl. u.a. BayObLG NStZ-RR 2004, 336). Bedenken begegnet aber vor allem die Be-hauptung des vorlegenden [X.]s, die Erwägungen des Amtsge-richts zur Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe seien hier inhalt-lich nicht so eng mit der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur [X.] verbunden, dass diese nicht unabhängig davon überprüft werden könnte. Denn das Amtsgericht hat bei der Begründung der Bewährungsversagung for-muliert: "Unter Berücksichtigung aller oben im Einzelnen bereits geschilderten Umstände, auf die verwiesen wird und die auch für die Sozialprognose erheb-lich sind". 18 - 9 - Die Rechtsansicht des vorlegenden [X.]s - der sich auch der [X.] angeschlossen hat -, dass die Berufungsbeschrän-kung gleichwohl wirksam ist, ist noch vertretbar, so dass die Vorlage zulässig ist (vgl. [X.]. [X.]. 43 zu § 121 GVG mwN). 19 Auch die weiteren Erwägungen des [X.]s, die zur [X.] der beabsichtigten Verwerfung der Revision angeführt werden, insbeson-dere auch dazu, dass kein Verstoß gegen das [X.] ist, sind vertretbar und deshalb für den [X.] bindend. 20 Danach ist die [X.] entscheidungserheblich. 21 II[X.] Der [X.] beantwortet die [X.] wie aus der [X.]ussformel ersichtlich. 22 In der Sache stimmt der [X.] der vom [X.] und dem vorlegenden [X.] vertretenen Rechtsansicht zu (vgl. auch [X.] [X.] 53. Aufl. [X.]. 20a zu § 318; Graf-Eschelbach [X.] [X.]. 28 zu § 318; Ruß in einer Anmerkung NStZ 1983, 137; [X.] NStZ-RR 2008, 236). 23 Sinn und Zweck des Gesetzes (§ 55 [X.] und §§ 460 ff. [X.]) gebieten eine Gesamtstrafenbildung durch das erkennende Gericht. Die [X.] hindert eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung durch das Berufungsgericht nicht. 24 - 10 - 1. § 55 [X.] regelt die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe. Er gilt auch für das Berufungsgericht (vgl. Fischer [X.] 57. Aufl. [X.]. 20 zu § 55). Der Tatrichter ist grundsätzlich verpflichtet, auf eine Gesamtstrafe zu erkennen, wenn im [X.]punkt seines Urteils die Voraussetzungen der §§ 53 ff. [X.] vor-liegen. Er darf die Festsetzung der Gesamtstrafe nicht dem Verfahren nach §§ 460 ff. [X.] überlassen ([X.]St 12, 1; 20, 292, 293; 23, 98, 99; 25, 382, 384; vgl. auch [X.] [X.] 6. Aufl. [X.]. 4 zu § 460). Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken des § 55 Abs. 1 [X.], die durch eine getrennte Aburteilung entstandenen Vor- und Nachteile auszugleichen. Danach sind Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 [X.] behandelt worden wären, auch nach getrennter Aburteilung noch nachträglich so zu behandeln, dass der Täter im Ergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist (st. Rspr.; [X.]. 2 zu § 55 mwN). Hierbei kommt es allein auf die materiell-rechtliche Regelung und nicht auf die verfahrensrechtliche Situation an ([X.]St 32, 193). 25 Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, der auf Grund einer Hauptverhandlung und des darin gegebe-nen unmittelbaren persönlichen Eindrucks von dem Angeklagten entscheidet (vgl. Ruß in NStZ 1983, 137, 138). Sein Urteil bietet eine bessere Garantie für eine gerechte Strafzumessung als ein nachträgliches [X.]ussverfahren (vgl. [X.]St 12, 1, 6 ff.; 25, 382, 384). 26 Das [X.] ist wegen des in ihm erhobenen [X.] und wegen des in der Hauptverhandlung gewinnbaren unmittelbaren persönli-chen Eindrucks dem [X.]ussverfahren grundsätzlich überlegen (vgl. [X.] in [X.] Kommentar [X.] 12. Aufl. [X.]. 46 zu § 55). Im [X.] - 11 - fahren wird hingegen gemäß § 462 Abs. 1 Satz 1 [X.] ohne mündliche Ver-handlung im [X.] entschieden. Das [X.]ussverfahren kommt nur zum Zuge, wenn bei der [X.] Entscheidung § 55 [X.] "außer Betracht geblieben" ist (vgl. [X.] aaO [X.]. 4 zu § 460), wobei mit den Worten "außer Betracht geblieben sind" ein tatsächliches Geschehen umschrieben wird ([X.]St 12, 1, 3). 28 Dass insbesondere aus prozessökonomischen Gründen vereinzelt Aus-nahmen von diesem Grundsatz zugelassen wurden (vgl. hierzu [X.]. 35 zu § 55) rechtfertigt nicht, für den vorliegenden Fall eine weitere Aus-nahme anzunehmen. Denn prozessökonomische Gesichtspunkte sprechen [X.] dafür, dass das Berufungsgericht selbst gleich die Gesamtstrafenbildung vornimmt. Nur so wird auch dem [X.]eunigungsgebot Rechnung getragen. 29 Für dieses Ergebnis spricht auch der prozessökonomische Grund, dass sich nicht noch ein weiteres Gericht im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 460 ff. [X.] mit der Gesamtstrafenbildung befassen soll. Deshalb steht die neu ge-schaffene Möglichkeit für das Revisionsgericht (§ 354 Abs. 1b [X.]), den [X.] über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufzuheben, dass eine nach-trägliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 [X.] zu treffen ist, gerade nicht entgegen. Denn Ziel des Gesetzes ist, dass das erkennende Gericht selbst sofort die Gesamtstrafenbildung vornimmt. [X.] bietet das Verfahren vor dem Gericht, das auf Grund einer Hauptverhand-lung und des darin gegebenen unmittelbaren persönlichen Eindrucks von dem Angeklagten entscheidet, eine bessere Garantie für eine gerechte Strafzumes-sung ([X.]St 25, 382, 384). 30 - 12 - Das Verfahren gemäß §§ 460 ff. [X.] dient der Nachholung der unter-lassenen Gesamtstrafenbildung nach § 55 [X.]. § 460 [X.] erfasst die Fälle, in denen die nach § 55 [X.] grundsätzlich zwingend gebotene Gesamtstrafen-bildung im Erkenntnisverfahren unterblieben ist. § 460 [X.] stellt nur einen zu-sätzlichen Rechtsbehelf zur Sicherung des mit § 55 [X.] verfolgten Zieles dar, wobei das Erkenntnisverfahren grundsätzlich Vorrang hat. 31 Es wäre widersinnig, die gebotene Gesamtstrafenbildung in das minder wertvolle Ersatzverfahren zu verlagern, wenn eines der Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist und deshalb die Möglichkeit besteht, die [X.] festzusetzen, in der die Bildung einer ge-rechten Gesamtstrafe weit sicherer verbürgt ist ([X.]St 12, 1, 9). 32 Das Gesetz will, dass in allen Strafsachen von einiger Bedeutung neben den Berufsrichtern auch Laienrichter über die Schuld- und Straffrage mitent-scheiden. Sie können aber bei der Bildung einer Gesamtstrafe nur mitwirken, wenn über ihre Höhe in einer Hauptverhandlung und nicht im [X.]ussverfah-ren entschieden wird. Die Ausschaltung der Laienrichter bei der Bildung der Gesamtstrafe auch in Fällen, in denen ihre Mitwirkung in einer Hauptverhand-lung nach der Verfahrenslage noch möglich ist, würde deshalb einen sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die gesetzlich geregelte Zuständigkeit und Be-setzung der Gerichte bedeuten ([X.]St 12, 1, 7). 33 2. Weder die eingetretene Teilrechtskraft, noch die Dispositionsbefugnis stehen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung durch das Berufungsgericht entgegen. 34 - 13 - a) Das Nachverfahren gemäß §§ 460 ff. [X.] bezweckt die [X.] des materiellen Rechts ohne Rücksicht auf die Rechtskraft der vorlie-genden Urteile ([X.]St 35, 208, 214). Liegen die Voraussetzungen des § 460 [X.] vor, so darf in die Rechtskraft früherer Entscheidungen eingegriffen wer-den. Der beschließende [X.] im nachträglichen Verfahren hat keine größe-ren Befugnisse als der erkennende [X.] (vgl. Ruß aaO). 35 Was im Nachverfahren gemäß §§ 460 ff. [X.] zulässig ist, kann in der zweiten Instanz schwerlich untersagt sein (vgl. [X.] in [X.]/[X.] [X.] 27. Aufl. [X.]. 42 zu § 55). 36 § 55 [X.] ermächtigt und verpflichtet den Tatrichter in rechtskräftige frü-here Gesamtstrafen einzugreifen; dies gilt erst recht für die Durchbrechung der Rechtskraft im selben Rechtszug (vgl. [X.] aaO [X.]. 20a zu § 318 [X.]). Für die Bildung der Gesamtstrafe nach § 55 [X.] gibt die sachliche, nicht die verfahrensrechtliche Lage den Ausschlag. 37 b) Der Angeklagte wird in seiner Freiheit zur Einlegung und [X.] der Berufung nicht beeinträchtigt, da die Gesamtstrafenbildung ohne Rücksicht auf sein Rechtsmittel auf jeden Fall stattfindet (vgl. auch [X.]St 35, 208, 215). Deshalb gebührt dem auf Grund einer Hauptverhandlung [X.] [X.] der Vorzug. Dem gesetzgeberischen Ziel einer einheit-lichen Entscheidung auf Grund einer Gesamtwürdigung der Taten und des [X.] würde das Gericht nicht gerecht werden, wenn es auf das Verfahren nach §§ 460 ff. [X.] verweisen würde. 38 - 14 - Hat der erstinstanzliche [X.] keine Gesamtstrafenentscheidung ge-troffen, muss das Berufungsgericht die Gesamtstrafenbildung nachholen ([X.]St 35, 212). 39 Hierin liegt kein Verstoß gegen § 331 Abs. 1 [X.]; denn die Gesamtstra-fenbildung enthält in diesem Fall keine Abänderung der vorausgegangenen [X.], sondern einen im Berufungsurteil erstmals vor-zunehmenden gesetzlich gebotenen richterlichen [X.] ([X.]St 35, 212; [X.]. 20 zu § 55 [X.] mwN). Das Verschlechterungsverbot setzt voraus, dass der erste [X.] eine Rechtsfolge festgesetzt hat, um deren Verschärfung es geht. Fehlt es - wie hier - an der Festsetzung einer solchen Rechtsfolge, liegt eine richterliche Entscheidung, deren Änderung zum Nachteil des Angeklagten möglich wäre, überhaupt nicht vor ([X.]St 35, 212, 213). 40 Soweit das [X.] auf etwaige Vor-teile des Rechtsmittelführers verweist, die durch eine spätere Entscheidung im Nachverfahren entstehen könnten, ist darauf hinzuweisen, dass eine nachträg-liche Gesamtstrafenbildung den Verurteilten weder schlechter noch besser stel-len soll. Nach der Auffassung des [X.] dürfte der [X.] eine dem erstinstanzlichen [X.] unbekannte ge-samtstrafenfähige, aber zwischenzeitlich vollstreckte, Verurteilung nicht im We-ge des Härteausgleichs bei der Straffestsetzung berücksichtigen, obwohl sich dies unmittelbar zu Gunsten des Angeklagten auswirken würde (z.B. könnte hierdurch eine Freiheitsstrafe von einem oder zwei Jahren unterschritten wer-den). 41 - 15 - IV. Die [X.] ist daher wie aus der [X.]ussformel ersichtlich zu beantworten. 42 Die Entscheidung entspricht dem Antrag des [X.]s. 43 Nack Rothfuß [X.] [X.]

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1 StR 212/10

07.07.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2010, Az. 1 StR 212/10 (REWIS RS 2010, 5062)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5062

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