Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.05.2010, Az. B 1 KR 144/09 B

1. Senat | REWIS RS 2010, 6824

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Gegenstand

(Krankenversicherung - Berechnung des Krankengeldes - freiwillig versicherter selbstständig Erwerbstätiger - zugrunde zu legendes Einkommen - Nichtzulassungsbeschwerde - Revisionszulassung - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - Verfassungsmäßigkeit einer Regelung


Tatbestand

1

Der 1946 geborene, als hauptberuflich Selbstständiger freiwillig bei der beklagten Ersatzkasse in der [X.] versicherte Kläger bezog von der Beklagten für die [X.] vom 12.9. bis 2.10.2006 und vom 11.12.2006 bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld ([X.]) in Höhe von 5,42 Euro kalendertäglich. Berechnungsgrundlage war das Einkommen des [X.] nach dem Einkommensteuerbescheid 2004 in Höhe von 2.816,00 Euro (Bescheid vom 5.6.2007) bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit im [X.]. Der Kläger ist mit seinem Begehren, die Beklagte möge ihm unter Anrechnung des bereits gezahlten insgesamt höheres [X.] in Höhe von kalendertäglich 76,05 Euro (hilfsweise 65,71 Euro) leisten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das [X.] ([X.]) hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres [X.], weil er im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bzw vor Beginn der stationären Behandlung tatsächlich kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt habe. Die Vermutung in § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V, dass die Beitragsbemessung das Arbeitseinkommen des Versicherten zutreffend widerspiegele, sei widerlegt, wenn - wie im Falle des [X.] - das tatsächlich erzielte Einkommen vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erkennbar geringer als das der Beitragsbemessung zugrunde liegende gewesen sei ([X.], 43 = [X.]-2500 § 47 [X.]). Wie der Kläger selbst vorgetragen habe, habe er im [X.] kein Arbeitseinkommen erzielt. Diese Angabe könne zugrunde gelegt werden, auch wenn für dieses Jahr kein Einkommensteuerbescheid erlassen worden sei. Denn der Kläger mache in einem weiteren Berufungsverfahren - L 4 KR 2324/08 - Anspruch auf [X.] für die [X.] vom [X.] - mithin für das komplette [X.] - geltend (Urteil vom 30.10.2009).

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.].

Entscheidungsgründe

3

Die [X.]eschwerde des [X.] ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 S[X.] zu verwerfen. Ihre [X.]egründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten [X.] nach § 160 Abs 2 [X.] S[X.].

4

Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache beruft, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 S[X.] eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von [X.]edeutung ist (vgl z[X.] [X.] <[X.]> [X.] 3-1500 § 160a [X.]; [X.]-4100 § 111 [X.] S 2 f; s auch [X.]-2500 § 240 [X.] f mwN). Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden worden ist ( vgl [X.]-1500 § 160 [X.]; [X.] § 160 [X.] mwN). In diesem Fall muss deshalb dargetan werden, dass für die Frage - z[X.] mit [X.]lick auf einschlägige Kritik im Schrifttum oder bei den [X.] - erneut Klärungsbedarf entstanden ist ( vgl z[X.] [X.]-1500 § 160a [X.]; [X.]-4100 § 111 [X.] S 2 f ). Daran richtet sich die [X.]eschwerdebegründung nur teilweise aus.

5

Der Kläger formuliert folgende Rechtsfragen:

        

 1. "Ist einem freiwillig Versicherten selbstständig Tätigen, der auf Veranlassung der Krankenversicherung den höchstmöglichen [X.]eitrag zahlt, ein Krankengeld zu gewähren, das nicht auf Grundlage des zuletzt erzielten Einkommens berechnet wird, sondern in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berechnen ist ?"

        

2. "Ist für die Ermittlung des Regelentgeltes zur [X.]estimmung der Höhe des Krankengeldes bei freiwillig Versicherten unter [X.]eachtung der [X.]illigkeit und Verhältnismäßigkeit auf einen [X.]raum abzustellen, der die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Versicherten plausibel darstellt und eine sachgerechte [X.]ewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur [X.] der Arbeitsfähigkeit ermöglicht und kann hierbei entweder ein(en) kurzer [X.]raum herangezogen werden, der der Leistungsfähigkeit des Versicherten entspricht und diese realistisch abbildet oder kann auch ein [X.]raum herangezogen werden, der vor dem Kalenderjahr liegt, das der Arbeitsunfähigkeit vorangeht, damit unverhältnismäßige und unbillige Ergebnisse zu Lasten des freiwillig Versicherten verhindert werden ?"

6

Der [X.] lässt es offen, ob der Kläger damit Rechtsfragen hinreichend klar formuliert. Jedenfalls legt er nicht dar, dass sie trotz der bereits vorliegenden Rechtsprechung des [X.] noch klärungsbedürftig sind oder wieder geworden sind bzw dass sie entscheidungserheblich sind.

7

Soweit der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage aufwirft, ob von dem Grundsatz, dass bei der [X.]emessung des [X.] von hauptberuflich Selbstständigen auf das Einkommen in einem abgelaufenen Kalenderjahr abzustellen ist, eine Ausnahme anzunehmen ist, wenn die [X.]en der Erwerbstätigkeit in dem maßgeblichen Kalenderjahr zu kurz waren, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angemessen wiederzugeben, wirft er möglicherweise eine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Insoweit hat der [X.] in seinem Urteil vom 6.11.2008 offen gelassen, "ob etwas anderes gilt, wenn der [X.]raum der Erwerbstätigkeit im abgeschlossenen Kalenderjahr zu kurz war, um einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen monatlichen Einkünften herzustellen, oder wenn die Arbeitsunfähigkeit im [X.] der selbstständigen Tätigkeit eintritt" ([X.] 1 KR 8/08 R - USK 2008-128 - juris Rd[X.]9). Allerdings legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass diese Frage entscheidungserheblich ist. Er führt nämlich weder aus, dass seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in dem Jahr vor dem Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit - dem [X.] - nur deshalb nicht höher eingestuft werden konnte, weil die zu berücksichtigenden [X.]en der Erwerbstätigkeit zu kurz waren, noch bringt er vor, dass er seine Erwerbstätigkeit im [X.] erstmals aufgenommen hat. Nach den Feststellungen des [X.], die der Kläger nicht mit Verfahrensrügen erfolgreich angreift und an die der [X.] gebunden ist (vgl § 163 S[X.]), war er vielmehr im gesamten [X.] arbeitsunfähig und damit wirtschaftlich nicht leistungsfähig.

8

Den übrigen Ausführungen des [X.] ist nicht zu entnehmen, dass mit den aufgeworfenen Fragen klärungsbedürftige Rechtsfragen verbunden sein könnten. Soweit der Kläger ausführt, er habe "unverschuldet" - wegen Arbeitsunfähigkeit in den Jahren 2004 und 2005 - kein (maßgebliches) Einkommen erzielt, sodass seine Einkünfte aus den Jahren 2002 und 2003 zur [X.]-[X.]erechnung hätten herangezogen werden müssen, beachtet er nicht hinreichend, dass nach der Rechtsprechung des [X.] für die [X.]erechnung des [X.] bei hauptberuflich Selbstständigen im Grundsatz auf das Einkommen im letzten abgeschlossenen Kalenderjahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abzustellen ist ([X.], Urteil vom 6.11.2008 - [X.] 1 KR 8/08 R - USK 2008-128 - juris Rd[X.]2 ff). Von daher hätte er darlegen müssen, weshalb der Umstand, dass schon in den letzten Jahren vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im [X.] gehäuft [X.] aufgetreten waren, gegen die [X.]erücksichtigung des tatsächlich erzielten Einkommens im maßgeblichen Referenzzeitraum sprechen sollte und nicht vielmehr wegen der Entgeltersatzfunktion des [X.] bei fehlenden Einkünften sogar dazu führen müsste, dass dem Versicherten dann auch konsequent kein Anspruch auf [X.] zusteht. Der Kläger setzt sich nicht hinreichend damit auseinander, dass die Entgeltersatzfunktion des [X.] - wie der [X.] bereits entschieden hat - auch bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen gewahrt bleiben muss (vgl ausführlich [X.]E 92, 260 = [X.] 4-2500 § 47 [X.], jeweils RdNr 6 ff).

9

Das Vorbringen des [X.], der vom [X.] ([X.]) aufgestellte Grundsatz sei verletzt, dass gleich hohe [X.]eiträge keine unterschiedlich hohen Ansprüche auf [X.] begründen dürfen ([X.]E 92, 53 = [X.] 3-2200 § 385 [X.]), vermag die Klärungsbedürftigkeit der Fragen ebenfalls nicht darzulegen. Die [X.]eschwerdebegründung würdigt nicht hinreichend, dass das [X.] zu diesem Einwand bereits Stellung genommen hat: Das [X.] hat in derselben Entscheidung ebenfalls ausgesprochen, dass der Versicherte durch die [X.]erechnung von Lohnersatzleistungen nicht besser gestellt werden darf, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalls steht ([X.], ebenda, [X.] S 21 f). Unter diesem [X.]lickwinkel ist eine den Sinn und Zweck der Regelung in den Vordergrund stellende einschränkende Auslegung von § 47 Abs 4 Satz 2 SG[X.] V nicht nur verfassungsrechtlich erlaubt, sondern sogar geboten ([X.]E 92, 260 = [X.] 4-2500 § 47 [X.] Rd[X.]6).

Soweit der Kläger vorbringt, bei Pflichtversicherten könne nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.] 2200 § 182 [X.]; [X.]E 74, 199 = [X.] 3-4100 § 59 [X.]) ein anderer [X.]eobachtungs- oder [X.]ezugszeitraum berücksichtigt werden, um [X.] zu vermeiden, und deshalb wegen der anderen [X.]ehandlung der freiwillig Versicherten einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 [X.] rügt, legt er die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit (hier: Verstoß gegen den Gleichheitssatz) einer Regelung beruft, darf sich nämlich nicht auf die [X.]enennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter [X.]erücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll ([X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1; ferner z[X.] [X.], [X.]eschlüsse vom [X.] - [X.] 12 RA 16/05 [X.] und vom 16.2.2009 - [X.] 1 KR 87/08 [X.]). Hierzu müssen der [X.]edeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des [X.] dargelegt werden. An alledem fehlt es. So geht die [X.]eschwerdebegründung weder auf die vom [X.] aufgestellten Voraussetzungen für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 [X.] ein noch auf die Auslegung des § 47 Abs 4 Satz 2 SG[X.] V durch das [X.] (vgl insbesondere [X.] 4-2500 § 47 [X.]0 Rd[X.]7 f). Sie berücksichtigt damit nicht hinreichend die Unterschiede der Ermittlung des [X.] bei Pflicht- und freiwillig Versicherten. Insoweit hätte es auch einer Auseinandersetzung damit bedurft, dass § 47 Abs 4 Satz 2 SG[X.] V bei selbstständigen Erwerbstätigen das Arbeitseinkommen als für die Ermittlung des [X.] maßgeblich ansieht, das nach § 15 Abs 1 Satz 1 SG[X.] IV definiert wird als der nach dem allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Auch sozialversicherungsrechtlich muss mithin - anders als etwa bei einem abhängig [X.]eschäftigten - auf das Kalenderjahr als dem steuerrechtlich maßgeblichen Veranlagungszeitraum abgestellt werden ([X.] [X.] 4-2500 § 47 [X.]0 Rd[X.]7). Weshalb es angesichts dieser Ausführungen des [X.] zweifelhaft sein sollte, dass es auf das Kalenderjahr - unabhängig von der Dauer der Krankheitsphasen - ankommt, thematisiert der Kläger nicht.

2. Der [X.] sieht von einer weiteren [X.]egründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 S[X.]).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 S[X.].

Meta

B 1 KR 144/09 B

10.05.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Reutlingen, 2. September 2008, Az: S 2 KR 3659/07, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 47 Abs 1 S 1 SGB 5, § 47 Abs 4 S 2 SGB 5, § 240 Abs 4 S 2 SGB 5, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.05.2010, Az. B 1 KR 144/09 B (REWIS RS 2010, 6824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6824

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