Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2018, Az. 1 StR 79/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 7203

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:260618U1STR79.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
79/18

vom
26. Juni
2018
in der Strafsache
gegen

wegen Diebstahls

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 26. Juni 2018, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf

als Vorsitzender,

die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. [X.],
die [X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.]
und der [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Bär,

Staatsanwältin

in der Verhandlung ,
Staatsanwältin

bei der Verkündung

als Vertreterinnen
der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 20. Oktober 2017, so-weit es den Angeklagten A.

betrifft, im Straf-ausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geld-strafe von 90 Tagessätzen zu je fünf Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil wen-det sich die Staatsanwaltschaft
mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten einge-legten und auf den Strafausspruch
beschränkten Revision, mit der sie eine deutlich höhere Strafe erstrebt.
Sie beanstandet im Wesentlichen, dass die [X.] die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls des Dieb-stahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 StGB verneint und sodann auch einen unbenannten besonders schweren Fall nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB abge-lehnt hat.
Ihr Rechtsmittel hat Erfolg.
1
2
-
4
-

I.
Nach den Urteilsfeststellungen beschlossen
der Angeklagte
und der Mit-angeklagte
Al.

,
im Elektronikfachmarkt von der Aktionsware
ein Tablet der Marke [X.] zu entwenden. Um die ca. 18 × 30 cm große Verpackung waren Elektrodrähte angebracht (sog. Sicherungsspinne). Bei Durchtrennen der Drähte oder Passieren des [X.] löst die Siche-rungsvorrichtung ein Alarmsignal aus.
Der Angeklagte entfernte mit einer von
ihm gewohnheitsmäßig als [X.] verwendeten 3,2
cm langen und in einem Bereich von 2 cm scharf-geschliffenen [X.] die Sicherungsspinne an der Verpackung des [X.]. Anschließend entnahm der Mitangeklagte Al.

das Tablet aus der Verpackung und steckte es unter sein T-Shirt in den Hosenbund. Die leere Verpackung legte er in einem Gang des Marktes ab.
Der Angeklagte
wollte nun auch ein Tablet für sich haben. Deshalb [X.] sich beide erneut zu der Aktionsware. Der Mitangeklagte Al.

nahm ein weiteres Tablet desselben Modells, bei dem sich allerdings die [X.] ohne Werkzeugeinsatz entfernen ließ. Zusammen mit dem verpackten Tablet gingen
die Angeklagten in die [X.]. [X.] deckte der Angeklagte den Mitangeklagten Al.

ab, während dieser versuchte, die Verpackung zu öffnen. Da er das Siegel nicht entfernen konnte, nahm er sein Taschenmesser, von dem der Angeklagte keine Kenntnis hatte, aus der [X.], schnitt das Siegel auf, riss die Verpackung auf und steckte das Tablet ebenfalls unter sein T-Shirt in den Hosenbund. Die leere Verpackung legte er zu den DVDs. Anschließend gingen beide in Richtung Ausgang und verließen ohne zu bezahlen den Markt.
3
4
5
-
5
-
Die [X.] hat das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB nicht für gegeben
erachtet, weil die Sicherungsspinne in ihrer Funktions-weise den an Kleidungsstücken verwendeten [X.] gleiche, also nicht den Gewahrsam des Berechtigten gegen den Bruch durch einen Unbefug-ten sichern solle, sondern der Wiedererlangung des [X.] diene, der bereits an den Täter verloren gegangenen
war.
Einen unbenannten besonders schweren
Fall i.S.d.
§ 243 Abs. 1 Satz 1 StGB hat die [X.] nach einer umfassenden Gesamtabwägung der zu Gunsten und zulasten des Angeklagten sprechenden Umstände abgelehnt.
II.
Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch
ist wirksam. [X.] isolierte Überprüfung der Strafzumessung ist möglich, ohne dass der Schuldspruch hiervon berührt wird.

III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

Der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand,
weil die getroffenen Feststellungen dem Revisionsgericht keine Prüfung ermög-lichen, ob die [X.] das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 StGB ohne Rechtsfehler verneint hat. Nach dieser Vorschrift liegt ein beson-ders schwerer Fall des Diebstahls in der Regel dann vor, wenn der Täter
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutz-vorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist. Die Schutzvorrichtung muss tatsächlich funktionsfähig und aktiviert sein. Deshalb ist ein offenes 6
7
8
9
10
-
6
-
Schloss oder [X.] keine Schutzvorrichtung gegen Wegnahme (z.B. [X.], Beschluss vom 20. April 2005

1 [X.]; [X.], StGB, 65.
Aufl., §
243 Rn. 16a;
LK-StGB/[X.], 12. Aufl., §
243 Rn. 29).
Schutzvorrichtungen i.S.d.
§ 243 Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 StGB sind

wie das als Beispiel erwähnte Behältnis

solche, die nach ihrer Beschaffenheit [X.] geeignet und bestimmt sind, die Wegnahme einer Sache erheblich zu er-schweren. Nicht ausreichend ist es, wenn die Schutzvorrichtung erst wirksam wird, wenn der Gewahrsam bereits gebrochen ist. Deshalb sind Sicherheitseti-ketten an Waren in Kaufhäusern, die akustischen oder optischen Alarm erst auslösen, wenn der Täter das Kaufhaus verlässt, keine Schutzvorrichtungen. Sie sind nicht dazu geeignet und bestimmt, den [X.]bruch, der bei handlichen und leicht beweglichen Sachen in der Regel mit dem Verbergen des [X.] in der Kleidung des [X.] oder in einem von diesem mitgeführten Behältnis innerhalb des Kaufhauses vollendet ist (vgl. hierzu z.B. [X.], [X.] vom 16. September 2014

3 [X.], Vollendung des Diebstahls durch Einstecken des Notebooks in den mitgeführten Jute-Beutel;
Urteil vom 6.
November 1974

3 StR 200/74, [X.]St 26, 24, 25 f.;
[X.], aaO, Rn. 16 und § 242 Rn. 18 mwN;
Schönke/[X.]/Eser/[X.], 29. Aufl., § 243 Rn.
25), zu verhindern, sondern sie dienen der Wiederbeschaffung des bereits an den Täter verlorenen [X.] ([X.], Beschluss vom 5.
De-zember 1997, 2 Ss 347/97

98/97 II, [X.], 1002;
OLG [X.], [X.] vom 29. Oktober 1984

1 [X.]/84,
NStZ 1985, 76; [X.], Beschluss vom 16. Januar 1993

3 Ss 396/92,
MDR 1993, 671, 672).
Hat
die Sicherungsspinne bei Durchtrennen mit dem Skalpell keinen Alarm ausgelöst, weil sie defekt oder nicht aktiviert war, handelt es sich nicht um eine Schutzvorrichtung i.S.d. §
243 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 StGB. Ob dies der Fall war oder die Sicherungsspinne ohnehin erst beim Verlassen des Elektro-11
12
-
7
-
nikfachmarkts Alarm ausgelöst hätte, lässt sich den Feststellungen nicht ent-nehmen. Hätte sie erst beim Verlassen des Markts Alarm ausgelöst, ist sie in der Funktionsweise den [X.] vergleichbar. Hat sie aber bereits beim Durchtrennen der Drähte Alarm ausgelöst, ist zu prüfen, ob diese Funkti-on bereits den Bruch des [X.] erschwert. So sind Einbruchsmelder an Gebäuden oder Autoalarmanlagen Schutzvorrichtungen, da sie dazu dienen, den [X.]wechsel durch Alarmierung hilfsbereiter Dritter zu erschweren ([X.], aaO, §
243 Rn. 30). Allerdings kann bei kleineren Gegenständen im Kaufhaus der [X.]bruch bei Ertönen des
Alarmsignals bereits vollzo-gen sein oder noch vollzogen werden; denn es macht das Personal nur auf ei-ne stattgefundene Manipulation oder einen erfolgten [X.]bruch auf-merksam. Das Personal kann, wenn es ihm gelingt, den Täter rechtzeitig zu erkennen und zugriffsbereite Personen vorhanden sind, Maßnahmen zu des-sen Ergreifung und Wiedererlangung des Gegenstands einleiten.
Der Senat hebt auch die Feststellungen zum Strafausspruch insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermögli-chen.

IV.

Der neue Tatrichter wird, soweit erneut die Verhängung einer Geldstrafe in Betracht kommen sollte, zu bedenken haben, dass zunächst unter Berück-sichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] das Nettoeinkommen zu bestimmen ist, das der Täter an einem Tag hat oder haben könnte (§
40 Abs.
2 Satz 1 und 2 StGB). Zum Einkommen gehört auch die vom Jobcenter bezahlte Miete als Teil der allgemeinen Lebenshaltungskosten (vgl. 13
14
-
8
-
MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., §
40 Rn. 100). Von den anzurechnenden Einkünf-ten sind jedenfalls damit zusammenhängende Ausgaben (wie z.B. Werbungs-kosten und Betriebsausgaben, Sozialversicherungsbeiträge) abzuziehen; au-ßergewöhnliche Belastungen sind in der Regel ebenfalls zu berücksichtigen ([X.], aaO, §
40 Rn. 65 ff.), nicht aber Stromkosten als allgemeine Lebens-haltungskosten. Ratenzahlungen für Rechtsanwaltskosten und Verurteilungen zu Geldstrafen sind Anlass dafür, Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB zu prüfen.
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf ist in den Ruhestand
getreten und daher gehindert zu
unterschreiben.

Jäger

Jäger [X.]

[X.] Bär

Meta

1 StR 79/18

26.06.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2018, Az. 1 StR 79/18 (REWIS RS 2018, 7203)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7203

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 79/18 (Bundesgerichtshof)

Besonders schwerer Fall des Diebstahls: Begriff der Schutzvorrichtung gegen Wegnahme; Sicherung von Waren in Kaufhäusern …


2 Ss 499/08 (Oberlandesgericht Hamm)


1 StR 402/16 (Bundesgerichtshof)


2 StR 43/16 (Bundesgerichtshof)


2 StR 385/10 (Bundesgerichtshof)

Diebstahl aus einem verschlossenen Behältnis: Öffnung mit dem dafür vorgesehenen Schlüssel durch einen Unbefugten


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 373/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.