Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2020, Az. AK 8/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11611

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:140520BAK8.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 8/20

vom
14. Mai
2020
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen [X.] u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Beschuldig-ten und seines Verteidigers am 14. Mai 2020 beschlossen:

Eine Haftprüfung durch den [X.] nach den §§
121, 122 St[X.]O ist derzeit nicht veranlasst.

Gründe:
I.
Der Beschuldigte wurde am 15.
März 2019 festgenommen und befand sich zunächst aufgrund eines Haftbefehls des [X.] vom 16.
März 2019 wegen des Vorwurfs eines Waffendelikts in Untersuchungshaft. Diesen Haftbefehl hob das [X.] mit Beschluss vom 26.
September 2019 ([X.]) auf. Der Beschuldigte wurde allerdings nicht aus der Untersuchungshaft entlassen. Vielmehr erließ der [X.] des [X.] am gleichen Tag einen neuen Haftbefehl ([X.]/19). Gegenstand dieses Haftbefehls war der Vorwurf, der Be-schuldigte habe am 30.
Januar 2019 einen von ihm gespendeten Geldbetrag in Höhe von 190

Februar 2019 eine weitere, von ihm bei mehreren Spendern eingesammelte Geldsumme in Höhe von 546

rieren lassen, um damit die Organisation "[X.]"
([X.]) zu unterstüt-zen. Zudem habe er auf seinem Mobiltelefon Dateien gespeichert, die [X.] zur Herstellung von Sprengstoffen enthielten. Dadurch habe er in zwei tat-mehrheitlichen Fällen eine ausländische [X.] unterstützt, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB), Totschlag (§
212 1
-
3
-
StGB) oder Kriegsverbrechen (§§
8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen, und jeweils in Tateinheit dazu Vermögenswerte mit dem Wissen oder in der Absicht zur Verfügung gestellt, dass diese von einer anderen [X.]erson zur Begehung ei-ner der in §
89c Abs.
1 Nr.
1 StGB genannten Straftaten verwendet werden [X.], wobei die Tat dazu bestimmt gewesen sei, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen,
wirtschaft-lichen oder [X.] Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder zu be-einträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat erheblich schädigen könne, sowie -
ebenfalls tateinheitlich
-
einem Bereit-stellungsverbot eines im [X.] oder der [X.] veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsakts der
Europäischen Gemeinschaft oder der [X.] zuwidergehandelt (strafbar gemäß §
129a Abs.
1 Nr.
1 und 2, Abs.
5,
§
129b Abs.
1 Sätze
1 und 2, §
89c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, Satz
2, §§
52, 53 StGB, §
18 Abs.
1 Nr.
1a) Vari-ante
8 [X.]; Taten 1. -
2. des Haftbefehls). Ferner habe er sich eine Schrift verschafft, die nach ihrem Inhalt geeignet sei, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§
89a Abs.
1 StGB) zu dienen, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen (strafbar gemäß §
91 Abs.
1 Nr.
1 und 2 StGB; Tat 3. des Haftbefehls).
In der Folge befand sich der Beschuldigte aufgrund dieses Haftbefehls bis zum 15.
April 2020 in Untersuchungshaft. An diesem Tag hob der Ermitt-lungsrichter des [X.] den vorgenannten Haftbefehl auf und setz-te einen Haftbefehl vom 9.
April 2020 (2 [X.]) in Vollzug (2 [X.] 230/20). Gegenstand des neuen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich [X.] an der [X.] beteiligt, indem er zusammen mit sechs anderen Beschuldigten

in [X.] eine Zelle gegründet habe, um im Namen
des [X.] im Inland und/oder Ausland den bewaffneten Kampf gegen "Ungläubige"
2
-
4
-
aufzunehmen und in [X.] oder T.

Anschläge, auch unter
Einsatz von Schusswaffen und Sprengstoff, zu begehen.

Noch vor Erlass dieses neuen Haftbefehls hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Verfügung vom 9.
März 2020 auf Antrag der [X.] die Akten dem [X.] zur besonderen Haftprüfung gemäß §§
121, 122 St[X.]O vorgelegt. Die [X.] hat beantragt, die Fortdauer der [X.] über sechs Monate hinaus anzuordnen. Der [X.], der das Ermittlungsverfahren am 31.
März 2020 übernommen hat, hat am 16.
April 2020 im Hinblick auf den neuen Haftbefehl beantragt festzustellen, dass eine Haftprüfung durch den [X.] derzeit nicht veranlasst ist.

II.
Eine Haftprüfung nach den §§
121, 122 St[X.]O ist derzeit nicht veranlasst. Der Beschuldigte befindet sich zwar mittlerweile seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft. Im Hinblick auf die ihm mit dem Haftbefehl vom 9.
April 2020 vorgeworfene Tat ist jedoch eine neue [X.] im Sinne des §
121 Abs.
1 St[X.]O in Gang gesetzt worden, deren Lauf am 21.
Dezember 2019 begonnen hat und deren Ablauf somit noch nicht bevorsteht.
1.
Gemäß §
121 Abs.
1 St[X.]O darf der Vollzug der Untersuchungshaft "wegen derselben Tat" vor dem Erlass eines Urteils nur unter besonderen
Voraussetzungen länger als sechs Monate aufrechterhalten werden.
Der Begriff derselben Tat im Sinne
dieser Vorschrift weicht vom pro-zessualen Tatbegriff im Sinne des §
264 Abs.
1 St[X.]O ab und ist mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des 3
4
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5
-
[X.]s (Beschlüsse
vom 6.
April 2017 -
AK
14/17, juris Rn.
6; vom 7.
September 2017 -
AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10, 11; vom 16.
Januar 2018
-
AK 78/17, juris Rn.
11; s. auch [X.], 7.
Aufl., §
121 Rn.
10 [X.]) erfasst er alle Taten des Beschuldigten von dem [X.]punkt an, in dem sie -
im Sinne eines dringenden Tatverdachts
-
bekannt geworden sind und in ei-nen bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind. Dadurch wird eine sogenannte Reservehaltung von [X.] vermieden, die darin bestünde, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordene Taten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der [X.] zum Gegenstand
eines neuen oder erwei-terten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue [X.] zu eröffnen. Somit löst es keine neue Haftprüfungsfrist gemäß §
121 Abs.
1 St[X.]O aus, wenn ein neuer Haftbefehl lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert wird, die schon bei Erlass des ersten Haftbefehls -
im Sinne eines dringenden Tatverdachts
-
bekannt waren.
Tragen dagegen die erst im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordenen Tatvorwürfe für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht [X.] ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue [X.] in Gang gesetzt; für den Fristbeginn ist indes der [X.]punkt maßgeblich, in dem sich der Verdacht hin-sichtlich der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdichtet hat. [X.] ist insoweit mithin, wann der neue bzw. erweiterte Haftbefehl hätte [X.] werden können, nicht hingegen, wann die Staatsanwaltschaft ihn erwirkt hat. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Haftbefehl spätestens an dem auf die [X.] folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6.
April 2017 -
AK 14/17, juris Rn.
8; vom 25.
Juli 2019 -
AK 34/19, [X.], 626 Rn.
8).
7
-
6
-
2. An diesen Maßstäben gemessen hat der Haftbefehl vom 9.
April 2020 eine neue [X.] eröffnet, deren Lauf an dem Tag begann, an [X.] der erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können. Der Haftbefehl vom 9.
April 2020 ist wegen eines weiteren selbständigen [X.], der nicht Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 26.
September 2019 war (unten a)), erst im [X.] der nachfolgenden Ermittlungen bekannt geworden ist (unten b)) und für sich genommen den [X.] rechtfertigt (unten c)); zu einem dringenden Tatverdacht hat sich dieser Vorwurf erst am 21.
Dezember 2019 verdichtet.
a) Der Beschuldigte ist -
über die Vorwürfe des früheren
Haftbefehls hin-aus
-
der [X.]en Beteiligung
an der außereuropäischen terroristi-schen [X.] "[X.]" ([X.]) dringend verdächtig.
aa) Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
(1) Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islami-scher Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" -
die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.]alästina
-
umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] sowie das Regime des [X.] [X.]räsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

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-
7
-
Die Führung der [X.], die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29.
Juni 2014 aus "[X.] im [X.] und in Großsyrien" ([X.]IG) in "[X.]" ([X.]) umbenannte -
wodurch sie von der territorialen Selbst-beschränkung Abstand nahm
-, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 [X.] inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war [X.] von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "[X.]ropagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". [X.] werden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medi-enstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein [X.] nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem "[X.]rophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah -
Rasul -
Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die -
zeitweilig mehreren tausend
-
Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und
in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
Die [X.] teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.] und [X.], aber auch in Gegnerschaft zum [X.] stehender Oppositionsgrup-pen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von [X.] sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellten, sa-hen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Ein-schüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der [X.] immer wieder [X.] an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Ter-12
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roranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung.
(2) Der aus T.

stammende, zur Tatzeit in [X.] leben-
de Beschuldigte, der sich mit ebenfalls den Ideen des [X.] nahestehenden [X.] zu einer Gruppe zusammengeschlossen hatte, stand jedenfalls seit dem 14.
Januar 2019 mit Anhängern bzw. Mitgliedern des [X.] im [X.] Kampfge-biet in Verbindung. In der Folge erörterte
er über den [X.]-Dienst "Tele-gram"
vor allem mit einem inzwischen identifizierten hochrangigen [X.]-Mitglied,
das sich in der Stadt A.

im Kampfgebiet des [X.] aufhielt, ob die bereits
zu diesem [X.]punkt mit den Mitbeschuldigten gebildete Gruppe den Kampf des [X.] eher mit dem Transfer finanzieller Mittel oder mit Anschlägen in [X.] oder T.

unterstützen solle. Während zu Beginn die finanzielle Unter-
stützung der Kämpfer in [X.] im Vordergrund stand und deren Organisation mit weiteren Chat-[X.]artnern aus dem Umfeld des [X.] konkret besprochen wurde, gewannen die Überlegungen, die Gruppe könne zur Umsetzung der Ziele des [X.] selbst in [X.] "[X.] machen", zunehmend an Raum. Der dem [X.] angehörende Gesprächspartner des Beschuldigten gab diesem entsprechende Instruktionen zum Aufbau einer Zelle, die unter anderem den Rat enthielten, die Gruppe solle sich einen Anführer suchen, sich dessen Befehlsgewalt unterwer-fen und somit in die Befehlsstrukturen des [X.] einordnen. Diese Ideen und In-struktionen gab der Beschuldigte unter anderem über "[X.]"
an weitere Mitbeschuldigte weiter. Darüber hinaus wurden sie in dem Gruppenchat beim [X.]-Dienst "[X.]"
erörtert, den einer der Mitbeschuldigten am 1.
Februar 2019 für die konspirative und abgeschottete Kommunikation einge-richtet hatte und an der der Beschuldigte regelmäßig teilnahm. An der [X.] in diesem [X.]-Dienst beteiligte sich auch ein inzwischen mit großer Wahrscheinlichkeit identifiziertes [X.]-Mitglied, das in [X.] eine Führungsposition innehatte und die Beschuldigten in ihrer radikal-islamistischen 14
-
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-
Überzeugung und jihadistischen
Motivation bestärkte und zur Einhaltung der Befehlsketten des [X.] anhielt. In der Folge kristallisierte sich in der [X.] das Vorhaben heraus, in [X.] zu verbleiben und hier Anschläge zu begehen, um die Ziele des [X.] umzusetzen und seine Struktur zu stärken. So erwogen sie einen Mordanschlag auf einen in der Öffentlichkeit be-kannten Islamkritiker mittels einer Schusswaffe.
Noch während dieser Überlegungen lud der Beschuldigte über einen sog. [X.]-Bot, also ein [X.]rogramm, mittels dessen automatisch Nachrichten oder Dokumente im [X.] "[X.]"
verschickt werden können, Rezep-turen zur Herstellung von Sprengstoffen aus handelsüblichen und frei zugängli-chen Materialien auf sein Handy. Darüber hinaus transferierte er im Februar 2019 auf Aufforderung des in [X.] aufhältigen [X.]-Mitglieds Geldbeträge in Höhe von 500

ansässigen Finanzdienstleister
"[X.]

Ltd." ([X.]

). Um der [X.] noch größere Finanz-
mittel verschaffen zu können, nahm der Beschuldigte den Auftrag zur Tötung eines sich in Al.

aufhaltenden Geschäftsmannes gegen Bezahlung an. Er
begab sich zur Ausführung des [X.]lanes sogar nach Al.

, wo die Tat aller-
dings scheiterte, da er und der mitreisende Mitbeschuldigte sich der Identität der [X.]erson nicht sicher waren.

bb) Der dringende Tatverdacht (§
112 Abs.
1 Satz
1 St[X.]O) hinsichtlich der Tatvorwürfe beruht auf Folgendem:
(1) Betreffend
die ausländische terroristische [X.] [X.] ergibt er sich aus mehreren Gutachten des Sachverständigen Dr. S.

sowie Aus-
werteberichten des [X.]s.
(2) Der Beschuldigte hat in seiner polizeilichen Vernehmung vom 18. und 20.
Dezember 2019 eingeräumt, mit den Mitbeschuldigten eine von der Ideolo-15
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-
10
-
gie des [X.] getragene Gruppe gebildet zu haben, die sich später in einer Chat-gruppe des [X.]-Dienstes "[X.]"
über finanzielle Hilfen für den bewaff-neten Kampf der [X.] und die eigene Teilnahme am [X.] austauschte sowie sich durch einen sich in [X.] aufhaltenden [X.] unter-richten ließ. Dass die Gruppe der Beschuldigten als eine Zelle
agierte, die sich in die Strukturen des [X.] eingliederte, um in [X.] finanzielle Mittel zu generieren und Anschläge zu verüben, ergibt sich zudem aus einer [X.] des auf dem Handy des Beschuldigten gesichteten, bislang ausgewerte-ten [X.] bei den [X.]-Diensten "[X.]"
und "[X.]"
sowie der übrigen polizeilichen Ermittlungen, die die Identifizierung einiger Chat-partner in [X.] und [X.] zum Gegenstand haben und die Einbindung der Gruppe in die Strukturen und [X.]lanungen des [X.] zu belegen geeignet sind.
Schon dem Vermerk zu den "ersten Erkenntnissen"
aus der Auswertung des am 15.
März 2019 sichergestellten Mobiltelefons des Beschuldigten vom 25.
Juni 2019, der insbesondere einen Teil des "[X.]"-[X.] des Beschuldigten mit einem zum damaligen [X.]punkt noch nicht identifizierten Kommunikationspartner in [X.] zum Inhalt hatte, sind neben Gesprächsinhal-ten zu den Bemühungen des Beschuldigten um finanzielle Transaktionen zur Unterstützung der Kämpfer des [X.] in [X.] auch solche zu entnehmen, die auf die Bildung einer von radikal-islamistischem Gedankengut getragenen Gruppe des Beschuldigten und weiterer Beteiligter hindeuten. Nach dem Inhalt der [X.] ausgewerteten Chats befasste diese Gruppe sich mit der Frage, wie sie
-
neben oder statt finanzieller Hilfen
-
den Kampf des [X.] unterstützen könne. Der Chat-[X.]artner des Beschuldigten in [X.], den dieser insoweit um [X.], riet schließlich, den [X.] dort zu "machen", wo die Gruppe sich aufhalte, wozu sie sich einen Anführer suchen solle, um sich dessen Befehlsgewalt zu unterwerfen.
19
-
11
-
Diese ersten Hinweise darauf, dass sich die Gruppe der Beschuldigten dem [X.] angeschlossen haben könnte, um in [X.] Anschläge zu bege-hen, verdichteten sich im Ermittlungsverlauf durch die bei der weiteren [X.] der aus dem Mobiltelefon des Beschuldigten ausgelesenen Chatinhalte gewonnenen Erkenntnisse, die in dem polizeilichen Vermerk vom 20.
Januar 2020 dargelegt werden und die Vernetzung des Beschuldigten mit mehreren [X.]-Führungspersonen im Ausland offenbaren. Insbesondere gründet der Verdacht einer [X.]en Beteiligung des Beschuldigten am [X.] und der Einbin-dung der zusammen mit den Mitbeschuldigten gebildeten Gruppe in die Struktu-ren der [X.] auf
den
im polizeilichen Sachstandsbericht vom 25.
Februar 2020 zusammengetragenen Ermittlungsergebnissen. Dieser [X.] ergibt auch die Identifikation einiger der ausländischen Chat-[X.]artner des Beschuldigten, bei denen es sich wahrscheinlich um hochrangige Führungsmit-glieder des [X.] handelt, deren Anweisungen sich die Gruppe um den [X.] unterwarf. Zudem stützt er sich auf Inhalte der über den [X.]-Dienst "[X.]"
ausgetauschten Gruppenchats, die die ideologische Beeinflus-sung der Gruppenmitglieder durch ein sich in [X.] aufhaltendes [X.]-Mitglied und Bekenntnisse der Gruppenmitglieder, insbesondere des [X.], zum [X.] offenbaren. Ein Vermerk über die Auswertung dieses Chatver-kehrs liegt allerdings noch nicht vor.
(3) Die Ermittlungen haben zudem
den dringenden Tatverdacht hinsicht-lich der Taten bestätigt, die Gegenstand des Haftbefehls vom 26.
September 2019 waren. Dies gilt sowohl für die beiden Geldtransfers über den

Finanzdienstleister [X.]

an Mitglieder des [X.] als auch bezüglich
der von einem
sog. [X.]-Bot heruntergeladenen Rezepturen, mit denen -
wie die sach-verständige Begutachtung dieser Anleitungen ergeben hat
-
aus handelsübli-chen Inhaltsstoffen Sprengstoff hergestellt werden kann.
20
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-
12
-
cc) Danach hat sich der
Beschuldigte im Hinblick auf die im Haftbefehl vom 9.
April 2020 weitgehend erstmals beschriebenen Tathandlungen mit ho-her Wahrscheinlichkeit wegen [X.]er Beteiligung an einer auslän-dischen terroristischen [X.] gemäß §
129a Abs.
1, §
129b Abs.
1 Satz
1, 2 StGB strafbar gemacht.
(1) Die [X.]e Beteiligung
setzt eine gewisse formale Ein-gliederung des [X.] in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die [X.] von innen und nicht lediglich
von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung in-nerhalb der [X.] einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehö-rend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die [X.], mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der [X.] zu deren Mitglied. Auch wenn die Mitgliedschaft in einer Verei-nigung auf der Grundlage der Legaldefinition des §
129 Abs.
2 StGB nicht [X.], dass sich der Täter in das "[X.]" der Organisation integriert und sich deren Willen unterordnet, so setzt die [X.]e Beteiligung
an einer [X.] dennoch eine gewisse,
einvernehmliche Eingliederung des [X.] in die Organisation voraus. Erforderlich ist, dass er eine organisati-onsbezogene Tätigkeit zur Förderung der kriminellen Ziele der [X.] von innen und nicht nur von außen her entfaltet (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
März 2018 -
StB 32/17, NStZ-RR
2018, 206, 207).
Das Erfordernis einer gewissen formalen Eingliederung des [X.] in die Organisation führt auch dazu, dass die Frage, ob ein Täter, der in der Bundes-republik [X.] lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen [X.] im Ausland beteiligt, regelmäßig bereits deshalb besonderer [X.]rüfung bedarf, 22
23
24
-
13
-
weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation
aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort [X.] hat, an dem [X.]sstrukturen bestehen. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die [X.], mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der [X.] zu deren Mitglied (vgl. [X.], Urteil vom 14.
August 2009 -
3
StR 552/08, [X.]St
54, 69
Rn.
128).
(2) Gemessen daran ist der dringende Tatverdacht einer mitgliedschaftli-chen Beteiligung des Beschuldigten am [X.] gegeben. Mit hoher Wahrscheinlich-keit ist davon auszugehen, dass er -
zusammen mit den anderen Mitgliedern der Gruppe
-
den [X.] mit den in der beim [X.]-Dienst "[X.]"
eingerichte-ten [X.] erörterten und teilweise auch schon durchgeführten Aktivitäten nicht nur von außen unterstützen wollte, sondern sich in die Organisation ein-ordnete und sich sowohl in [X.] vor allem mit seinem inzwischen als hochrangiges [X.]-Mitglied identifizierten Ansprechpartner in [X.] als auch im Gruppenchat mit dem in [X.] aufhältlichen [X.]-Mitglied der Anleitung und Befehlsgewalt des [X.] unterwarf. Unter den gegebenen Umständen steht der Mitgliedschaft des Beschuldigten nicht entgegen, dass die Ermittlungen bisher seinen förmlichen Beitritt zu der Organisation nicht ergeben haben. [X.] in den bisher noch nicht gänzlich ausgewerteten Gruppenchats bekannte er sich ausdrücklich zu seiner Zugehörigkeit zum [X.] und seiner Gefolgschaft hin-sichtlich des damaligen Anführers des [X.], [X.].
Ebensowenig spricht gegen eine [X.]e Beteiligung an der ausländischen terroris-tischen Organisation [X.], dass der Beschuldigte selbst sich nie im Kampfgebiet des [X.] aufhielt. Denn er stand in unmittelbarem
Kontakt mit wesentlichen [X.] des [X.], mit denen er sich beriet und von denen er sich anleiten ließ. Die nach ausführlichen Erörterungen mit diesen [X.]ersonen ge-troffene Entscheidung der Gruppe, Anschläge in [X.] zu begehen, ist 25
-
14
-
dabei auch vor dem Hintergrund der dem [X.] durch ausländi-sche Sicherheitsbehörden übermittelten Erkenntnisse zu bewerten, der Anfüh-rer des [X.] habe Anfang 2019 angeordnet, dass als Vergeltung für die zu diesem [X.]punkt in [X.] und dem [X.] erlittenen Gebietsverluste Anschläge in den Ländern [X.]s durch sich dort befindende Zellen begangen werden sollen.
Da die Eingliederung des Beschuldigten in die Strukturen des [X.] bereits im Januar 2019 begann, sind die beiden im Februar 2019 vorgenommenen Geldüberweisungen, die Übernahme des Auftrags zur Tötung des [X.] Geschäftsmannes, um Geld für den [X.] zu generieren, sowie die Erörterung möglicher Anschlagsziele als Beteiligungshandlungen an der terroristischen [X.] [X.] zu werten. Ob diese ihrerseits einen eigenen Straftatbestand erfüllen und damit eigenständige Fälle der [X.]en Beteiligung an einer terroristischen [X.] darstellen, kann vorliegend offenbleiben.
(3) Die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts folgt unbeschadet der [X.]
129b Abs.
1 Satz
2 Variante
1 und
4 StGB (zum Strafanwendungs-recht im Einzelnen s. [X.], Beschluss vom 6.
Oktober 2016 -
AK
52/16, juris Rn.
33
ff.) schon daraus, dass der Beschuldigte die Tat in [X.] beging.
(4) Die nach §
129b Abs.
1 Satz
2 und 3 StGB erforderliche Ermächti-gung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Ta-ten im Zusammenhang mit der sich als "[X.]" ([X.]) bezeichnenden ausländischen terroristischen [X.] liegt -
als Neufassung der bisherigen Verfolgungsermächtigung
-
seit dem 13.
Oktober 2015 vor.
dd) Die [X.]e Beteiligung des Beschuldigten am [X.] ist so-wohl nach [X.]en (§
52 StGB) als auch verfahrensrechtlichen (§
264 St[X.]O) Maßstäben nicht identisch mit den Taten, die
bereits Gegenstand des Haftbefehls vom 26.
September 2019 waren.
26
27
28
29
-
15
-
(1) Die den dem Beschuldigten in dem genannten Haftbefehl vorgewor-fenen Taten, wonach er am 30.
Januar 2019 einen Geldbetrag von 190

am 5.
Februar 2019 eine weitere Summe von 546

an ein Mitglied des [X.] zur Unterstützung dieser [X.] überwiesen haben soll, bilden mit den dem Beschuldigten mit Haftbefehl vom 9.
April 2020 im Einzelnen angelasteten mit-gliedschaftlichen [X.]n keine materiellrechtlich einheitliche Tat. Dies gilt selbst dann, wenn die im ursprünglichen Haftbefehl als Unterstützung einer ausländischen terroristischen [X.] nach §
129a Abs.
1 Nr.
1 und 2, Abs.
5, §
129b Abs.
1 Sätze
1 und 2 StGB gewerteten Transaktionen nach dem jetzigen Ermittlungsstand ebenfalls als Beteiligungsakte an der terroristischen [X.] [X.] zu würdigen wären. Auch dann stellen sie im Verhältnis zu der dem Beschuldigten nunmehr vorgeworfenen Mitgliedschaft in einer terroristi-schen [X.] eigenständige Taten dar. Denn
die in dem früheren
[X.] beschriebenen Überweisungen erfüllen in zwei tatmehrheitlichen Fällen neben der ursprünglich angenommenen Unterstützung einer terroristischen [X.] jeweils tateinheitlich den weiteren Straftatbestand des §
18 Abs.
1 Nr.
1a) Variante 8 [X.].
Danach ist die Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines im [X.]en veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der [X.] im Bereich der Gemeinsamen Außen-
und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, mit Strafe bedroht. Ein solches Bereitstellungsverbot ergibt sich aus Art.
2 Abs.
2 der im [X.]en veröffentlichten ([X.].
L
139 vom 29.
Mai 2002, S.
9) Verordnung ([X.]) Nr.
881/2002 des Rates vom 27.
Mai 2002, wonach den
in Anhang
I der
Verordnung aufgeführten natür-lichen
und
juristischen [X.]ersonen,
Organisationen,
Einrichtungen
und
Vereini-gungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressour-30
31
-
16
-
cen zur Verfügung gestellt werden dürfen. In dieser Anlage
I ist seit der Durch-führungsverordnung ([X.]) Nr.
632/2013 der [X.] vom 28.
Juni 2013 ([X.].
L
179 vom 29.
Juni 2013, S.
85) auch der [X.] gelistet.
Die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift tritt nicht konkurrenzrechtlich [X.] die [X.]e Beteiligung an einer terroristischen [X.] zu-rück. Das Bereitstellungsverbot des Art.
2 Abs.
2 der Verordnung ([X.]) Nr.
881/2002 des Rates vom 27.
Mai 2002 bezieht sich auf den tatsächlichen Vorgang des [X.], der dazu führt, dass der gelisteten
[X.]erson oder Einrichtung
ein wirtschaftlicher Vorteil zu Gute kommt (vgl. [X.], [X.] vom 23.
April 2010 -
AK
2/10, [X.]St 55, 94
Rn.
19). Ziel
des Bereit-stellungsverbots ist es, den gelisteten
[X.]ersonen oder Einrichtungen
in tatsächli-cher Hinsicht die materiellen Grundlagen ihrer Tätigkeit vorzuenthalten ([X.], Beschluss vom 9.
Dezember 2014 -
3
StR 62/14, juris Rn.
27). Damit kommt dem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot auch dann ein eigener Unrechts-gehalt zu, wenn die Überweisung durch ein Mitglied der [X.] selbst er-folgt.
Da hinsichtlich der im ursprünglichen Haftbefehl aufgeführten Überwei-sungen die [X.]e Betätigung in der jeweiligen Verwirklichung des Straftatbestandes des §
18 Abs.
1 Nr.
1a) Variante
8 [X.] besteht, unterfallen diese Tätigkeiten nicht der tatbestandlichen Handlungseinheit sämtlicher für sich genommen nicht strafbarer [X.] für die [X.], sondern treten -
idealkonkurrierend mit der eigenständigen, isolierten Erfüllung des §
129a Abs.
1 StGB
-
in Tatmehrheit zu dieser (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Juli 2015 -
3
StR 537/14, [X.]St 60,
308
Rn.
23, 39). Es handelt sich insoweit auch nach natürlicher Auffassung nicht um einheitliche Lebensvorgänge, so dass der Grundsatz Gültigkeit beansprucht, wonach [X.] selbständige Taten 32
33
-
17
-
auch prozessual selbständig sind ([X.], aaO, juris Rn.
47, in [X.]St 60,
308
ff. nicht abgedruckt).
Nach alledem liegen hier unterschiedliche Taten im Sinne des §
121 St[X.]O vor.
(2) Ob die Überweisungen an den [X.], die dem Beschuldigten im [X.] vom 26.
September 2019 vorgeworfen worden sind, zudem tateinheitlich den Tatbestand der Terrorismusfinanzierung nach §
89c Abs.
1 Nr.
1 StGB er-füllen und wie sich das Konkurrenzverhältnis in diesem Fall, in dem sich die Unterstützung der terroristischen [X.] bzw. die [X.]e Betei-ligung an dieser in der Zuwendung
von [X.] erschöpft, darstellt (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 9.
Januar 2020 -
AK
61/19, juris Rn.
31), kann hier [X.] offenbleiben wie die Frage, ob sich der Beschuldigte auch mit anderen, im neuen Haftbefehl aufgeführten Beteiligungshandlungen nach weiteren Straftat-beständen strafbar gemacht hat.
b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich des mit Haftbefehl vom 9.
April 2020 neu hinzugetretenen Vorwurfs der [X.]en Beteiligung am [X.] hat sich erst nach Erlass des ursprünglichen Haftbefehls vom 26.
September 2019 ergeben. Entgegen dem Vorbringen des Verteidigers rechtfertigen die ur-sprünglich bekannten Kommunikationsinhalte erst in ihrer Neubewertung durch die später gewonnenen Erkenntnisse den Tatverdacht der [X.]en Beteiligung des Beschuldigten an einer terroristischen [X.]. Insoweit gilt:
Bei der anlässlich eines -
mit den [X.]en [X.] möglicherweise schon im Zusammenhang stehenden, ebenfalls aber gesondert strafbaren
-
Waffendelikts erfolgten Festnahme des Beschuldigten am 15.
März 2019 und der zeitgleich durchgeführten Durchsuchung ist
unter 34
35
36
37
-
18
-
anderem sein Mobiltelefon sichergestellt
worden, auf dem sich große gespei-cherte Datenmengen befunden
haben. Allein die Telekommunikation bei dem [X.]-Dienst "[X.]"
hat
54
Chats mit einem Ausdruck von über 2.200
Seiten
umfasst, wobei die Gespräche wechselnd auf [X.] und tad-schikisch geführt wurden und einer aufwendigen Übersetzung bedurft
haben. Ein erster polizeilicher Auswertungsvermerk vom 25.
Juni 2019, der ungefähr ein Drittel des [X.]-Chat-Verkehrs erfasst hat, hat den Verdacht der im Haftbefehl vom 26.
September 2019 aufgeführten Überweisungen an den [X.] ergeben, daneben aber auch schon Hinweise, dass der Beschuldigte, der er-kennbar mit dem [X.] jedenfalls nahestehenden [X.]ersonen im [X.] [X.] kommunizierte, mit anderen zusammen Anschläge unter anderem in [X.] zur Durchsetzung der Ziele des [X.] erwog.
Die Hinweise auf eine [X.]e Beteiligung am [X.] sind
aller-dings so vage
gewesen, dass der [X.], dem die [X.] am 10.
Juli 2019 die Akten zur Verfahrensüber-nahme vorgelegt hatte, in seiner Verfügung vom 27.
Juli 2019 zutreffend einen dahingehenden Verdacht verneint und das Verfahren lediglich wegen des [X.] der Unterstützung einer terroristischen [X.] durch die genannten Transaktionen und des Sich-Verschaffens einer Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat übernommen und
sodann wegen min-derer Bedeutung an die Generalstaatsanwaltschaft zurückgegeben hat. [X.] ist der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 26.
September 2019 wegen des dargelegten Verdachts insbe-sondere der Überweisung von [X.] an den [X.] ergangen. Erst die [X.] der weiteren Auswertungen des technisch teilweise schwer zugäng-lichen [X.]-[X.] (vgl. polizeilicher Auswertungsvermerk vom 20.
Januar 2020 [offensichtlich falsch:
"2019"]), der bislang noch nicht abge-schlossenen Auswertung der Gruppenchat-Verläufe des [X.]-Dienstes 38
-
19
-
"[X.]", der Einlassung des Beschuldigten am 18. und 20.
Dezember 2019, der Identifizierung der Mitbeschuldigten sowie der erst in jüngster [X.] erfolgten (möglichen) Identifizierung zweier Chatpartner des Beschuldigten in [X.] und [X.] hat den dringenden Verdacht ergeben, der Beschuldigte habe den [X.] nicht nur unterstützt, sondern sich -
zusammen mit Mitbeschuldigten
-
auch als Mitglied an der [X.] beteiligt (vgl. die [X.] vom 18., 25.
Februar und 26.
März 2020). Der [X.] hat mit Vermerk vom 31.
März 2020 das Verfahren wieder übernommen und auf die Mitbeschul-digten sowie im Tatvorwurf erweitert.
c) Die [X.]e Beteiligung des Beschuldigten am [X.] rechtfer-tigt für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls.
aa) Beim Beschuldigten bestehen, auch wenn nur der neu [X.] Tatvorwurf Berücksichtigung findet, die Haftgründe der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 St[X.]O) sowie darüber hinaus der [X.] (§
112 Abs.
3 St[X.]O). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Er ist t.

Staatsangehöriger und verfügt über zahlreiche Beziehungen ins Ausland. Seine Frau und die gemeinsamen Kinder leben in [X.].

. Hinweise auf eine Arbeits-
stelle oder eine Einbindung in sonstige [X.] Strukturen haben sich nicht er-geben. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass der Beschuldigte sich, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entzie-hen wird. Danach sind -
erst recht
-
Umstände gegeben, die die Gefahr [X.], dass ohne Inhaftierung des Beschuldigten zumindest die alsbaldige [X.] der Tat gefährdet sein könnte (zur gebotenen restriktiven Handhabung des §
112 Abs.
3 St[X.]O vgl. [X.]/[X.], St[X.]O, 63.
Aufl., §
112 39
40
-
20
-
Rn.
37 [X.]). Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§
116 Abs.
1 St[X.]O) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.
bb) Schließlich steht die Anordnung der Untersuchungshaft im Hinblick auf die dem Beschuldigten zur Last liegende [X.]e Beteiligung am [X.] nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Ver-urteilung zu erwartenden Strafe (§
112 Abs.
1 Satz
2, §
120 Abs.
1 Satz
1 St[X.]O).
(1) Insoweit hat der [X.] auch berücksichtigt, dass dem in Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgebot besondere Bedeutung zukommen kann, falls sich -
wie hier
-
die Haftdauer insgesamt verlängert, weil während des [X.] eine neue [X.] in [X.] worden ist und eine Haftprüfung nach den §§
121, 122 St[X.]O deshalb nicht stattfindet (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6.
April 2017 -
AK 14/17, juris Rn.
37; vom 7.
September 2017 -
AK
42/17, [X.], 10, 11).
(2) Zudem ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Blick zu [X.], dass der Ermittlungsrichter des [X.] dem [X.] die Akten -
bezogen auf den Haftbefehl vom 26.
September 2019
-
erst mehr als zweieinhalb Monate nach Ablauf der Frist des §
121 Abs.
1 St[X.]O vorgelegt hat. Bereits aufgrund des oben erwähnten polizeilichen Ermittlungsvermerks vom
25.
Juni 2019 haben konkrete Verdachtsmomente hinsichtlich der im Haft-befehl vom 26.
September 2019 vorgeworfenen Taten vorgelegen, die zu einer Erweiterung oder Ersetzung des Haftbefehls vom 16.
März 2019 hätten Anlass geben müssen. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des [X.]s darauf an, wann die neuen Tatsachen den Ermittlungsbehörden bekannt geworden sind, nicht wann die Staatsanwaltschaft den Ermittlungsstand bewertet und ei-nen neuen Haftbefehl beantragt hat (vgl. Beschluss vom 25.
Juli 2019
41
42
43
-
21
-
-
AK
34/19, [X.], 626 Rn.
8, 39
f. [X.]). Danach wäre schon am [X.], mithin am 26.
Juni 2019, der Haftbefehl an die veränderte Sachlage anzu-passen gewesen. Die Sache hätte somit bereits Ende Dezember 2019 dem [X.] zur Haftprüfung vorgelegt werden müssen. Da das [X.] die Vorlage erst zum 18.
März 2020 verfügt hat, ist diese
um mehr als zweieinhalb Monate verspätet.
Diese Verspätung führt jedoch zum jetzigen [X.]punkt noch nicht zur Un-verhältnismäßigkeit der [X.]. Denn ungeachtet
des Umstandes, dass dem Beschleunigungsgebot in Fällen der Ersetzung des Haftbefehls während eines laufenden Untersuchungshaftvollzugs besondere Bedeutung zukommt, setzt die nachträglich im Sinne eines dringenden Tatverdachts bekannt [X.] eine neue [X.] in Gang, um den [X.] Gelegenheit zur Durchführung weiterer Ermittlungen zu geben. Der Gesetzeszweck gebietet es in den Fällen, in denen vor einer Haftprüfungsent-scheidung des [X.]s nach §§
121, 122 St[X.]O ein neuer Haftbefehl ergeht, der sich auf einen erweiterten oder neuen Tatverdacht bezieht, grundsätzlich nicht, die bisherige Haftdauer schematisch in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzu-beziehen. Die zeitliche Begrenzung der Untersuchungshaft nach §
121 Abs.
1 St[X.]O soll die Strafverfolgungsbehörden dazu anhalten, die Ermittlungen hin-sichtlich der dem Haftbefehl zugrundeliegenden Tat und das weitere Verfahren zu beschleunigen. Anlass, diesem Beschleunigungsgebot entsprechend Ermitt-lungen wegen weiterer Taten durchzuführen, die ihrerseits zum Erlass eines Haftbefehls führen oder in einen bestehenden Haftbefehl aufgenommen werden können, haben die Ermittlungsbehörden aber erst dann, wenn sie von den be-treffenden Taten Kenntnis erlangen (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
April 2017
-
AK
14/17, juris Rn.
37 [X.]). Die verspätete Vorlage, die einen aufgehobenen und ersetzten Haftbefehl betrifft, ist deshalb nicht von allein entscheidender Be-deutung, zumal der Verstoß gegen die [X.]flicht zur Vorlage innerhalb der [X.]
-
22
-
monatsfrist nach §
121 Abs.
1, §
122 Abs.
1 St[X.]O ohnehin nicht zur Aufhebung des Haftbefehls, sondern lediglich dazu führt, dass im Falle einer verspäteten Vorlage erhöhte Anforderungen an die [X.]rüfung der Voraussetzungen der Haft-fortdauer zu stellen sind ([X.]/[X.], St[X.]O, 63.
Aufl., §
121 Rn.
28; vgl. auch [X.], Beschluss vom 22.
Februar 2018 -
AK
4/18, juris Rn.
63).
Allerdings wird im Fortgang des Verfahrens zur Wahrung des [X.] die insgesamt erlittene Haftdauer in den Blick zu nehmen
sein. Der [X.] geht davon aus, dass der [X.] seine Ankündigung, das Ermittlungsverfahren zügig abzuschließen, umsetzen wird.
d) Der Ablauf der durch den Haftbefehl vom 9.
April 2020 in [X.]en [X.] steht noch nicht bevor. Dieser wird erst am 21.
Juni 2020 eintreten. Nach dem oben [X.] ist für den Fristbeginn der [X.]-punkt maßgebend, zu dem sich die einen neuen Haftbefehl rechtfertigenden Ermittlungsergebnisse zu einem dringenden Tatverdacht verdichtet haben. Die-ser [X.]punkt ist in Fällen wie dem hiesigen, in dem erst eine Zusammenfüh-rung einzelner Erkenntnisse den dringenden Tatverdacht begründet, häufig schwer zu fixieren. Vorliegend ist er mit den Erkenntnissen der in den oben ge-nannten [X.], die im Januar und Februar 2020 erstellt worden
sind, aktenkundig geworden. Da der [X.] keinen Anlass zu der Annahme hat, die Ermittlungsbehörden hätten ihre Erkenntnisse den Akten über einen länge-ren [X.]raum als zur Verfassung der Ermittlungsvermerke notwendig vorenthal-ten, wäre mithin von einer Verdichtung eines dringenden Tatverdachts im [X.] auszugehen. Allerdings ergibt sich aus den Vorhalten, die dem Be-schuldigten bei seiner Vernehmung am 18. und 20.
Dezember
2019
gemacht worden sind, dass den
Ermittlungsbehörden noch nicht schriftlich in den Akten niedergelegte Erkenntnisse -
insbesondere hinsichtlich der Identifizierung der Mitbeschuldigten und der noch nicht gänzlich ausgewerteten Chat-Kommuni-45
46
-
23
-
kation im [X.]-Dienst "[X.]"
-
zu diesem [X.]punkt bereits bekannt ge-wesen sind, die
durch die Angaben des Beschuldigten in der Vernehmung teil-weise Bestätigung gefunden haben. Der [X.] geht deshalb mit dem [X.] davon aus, dass sich mit dem Abschluss der Vernehmung des Beschuldigten der Verdacht seiner [X.]en Beteiligung an einer terroristischen [X.] zu einem dringenden verdichtet hat. Damit hätte der auf den neuen Vorwurf erweiterte Haftbefehl am 21.
Dezember 2019 erlassen und verkündet werden können.
e) Soweit die Verteidigung für den Fall einer Entscheidung, die die Un-tersuchungshaft des Beschuldigten fortdauern lässt, die Beiziehung der "voll-ständigen"
Akten beantragt hat, ist darauf zu verweisen, dass dem [X.] die Existenz weiterer Akten, die auch dem [X.] nicht vorliegen, nicht bekannt ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör erfordert mithin keine weitere Frist zur Stellungnahme zum Antrag des
[X.]s, da sich das Gehörsrecht nur auf die Kenntnis der Akten bezieht, die auch dem [X.] vorliegen und die Grundlage dieser Entscheidung sind.

Schäfer

Spaniol

Erbguth
47

Meta

AK 8/20

14.05.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2020, Az. AK 8/20 (REWIS RS 2020, 11611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11611

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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