Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.05.2011, Az. V ZR 49/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6686

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BUNDES[X.]ERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
49/10
Verkündet am:

13. Mai 2011

Mayer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der [X.]eschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2011
durch [X.]
Dr.
Krüger,
die Richter [X.] und Prof.
Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. [X.] und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 19.
Februar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31.
August 2001 kaufte die Klä-gerin von der Beklagten zu
1 ein 856
qm großes [X.]rundstück für 20,3 Mio. DM. Der Eigentumsübergang sollte lastenfrei erfolgen. Nachdem die Beklagte zu
1 der Aufforderung zur Lastenfreistellung bis zum 14.
Juni 2002 nicht nachge-kommen war, verlangte die Klägerin mit Schreiben von demselben Tag unter Verzicht auf die Erfüllung des Kaufvertrags Schadensersatz wegen Nichterfül-lung. Sie beantragte am 22.
Dezember 2005 den Erlass jeweils eines Mahnbe-scheids gegen die Beklagten über einen als "Schadensersatzforderung aus 1
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Rückabwicklung des notariellen [X.]rundstückskaufvertrags des Notars
Dr.
[X.]. , [X.].

/2001 [X.] vom 31.08.2001 für bereits aufgewandte Beurkundungs-
und Finanzierungskosten" bezeichneten Anspruch von 69.893,08

nbescheide wurden am 2.
Januar 2006 erlassen und den Beklagten jeweils am 6.
Januar 2006 zugestellt, die dagegen Widerspruch er-hoben.
In dem anschließenden streitigen Verfahren hat die Klägerin den mit den [X.] geltend gemachten Betrag als erstrangigen Teil einer aus neun Positionen bestehenden Schadensersatzforderung von 119.617,25

e-ansprucht. Mit Schriftsatz vom 30.
November 2006 hat sie die Klageforderung dahingehend spezifiziert, dass die Beträge der Positionen 1 bis 7 vollständig und aus der Position 8 ein erstrangiger Teilbetrag geltend gemacht wird; [X.] hat sie die Klageforderung mit dem nächstrangigen Teilbetrag der [X.] und mit dem Betrag der Position 9 aufgefüllt.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat sie aufgrund der von den Beklagten erstmals
in der zweiten Instanz erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen.
Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will die Klägerin die Wiederherstellung der Entscheidung des [X.]s erreichen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Verjährungseinrede zulässig. Sie greife auch durch. Der Schadensersatzanspruch sei frühestens mit Ablauf
der den Beklagten gesetzten Frist zur Lastenfreistellung am 14.
Juni 2002 ent-standen. Die Verjährungsfrist habe deshalb mit Ablauf des Jahres 2002 begon-nen und am 31.
Dezember 2005 geendet. Die Verjährung sei nicht durch den Erlass der Mahnbescheide gehemmt worden, weil der geltend gemachte [X.] nicht hinreichend individualisiert worden sei. Die in dem streitigen Verfahren nachgeholte Individualisierung habe an dem Eintritt der Verjährung nichts geändert, weil sie nach dem Ablauf der Ver-jährungsfrist erfolgt sei.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der geltend gemachte Anspruch ist nicht verjährt.
1. Ob es -
wie die Klägerin meint
-
rechtlich zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht die erstmalig in der Berufungsinstanz erhobene [X.] als zulässig angesehen hat, kann offen bleiben. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht nämlich den Anspruch wegen nicht ausreichender Individuali-sierung in dem Mahnbescheid als verjährt angesehen.
a) Es hat allerdings zutreffend angenommen, dass der Anspruch am 14.
Juni 2002 entstanden war und die Verjährungsfrist nach den Regelungen in den §§
195, 199 Abs.
1 B[X.]B am 31.
Dezember 2005 endete.
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b) Ebenfalls zutreffend ist sein Ausgangspunkt, dass die Hemmung (frü-her Unterbrechung) der Verjährung durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren (§
204 Abs.
1 Nr.
3 B[X.]B) nur eintritt, wenn der Anspruch in dem Mahnbescheid durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unter-schieden und abgegrenzt werden kann, dass er über einen [X.] [X.]rundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht; wann diesen Anforderungen [X.]enüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden, vielmehr hängen Art und Umfang der erforderli-chen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (siehe nur B[X.]H, Urteil vom 14.
Juli 2010 -
VIII
ZR 229/09, NJW-RR 2010, 1455 Rn.
11 mwN; für das [X.] Verjährungsrecht B[X.]H, Urteil vom 30.
November 1999 -
VI
ZR 207/98, NJW
2000, 1420 mwN). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist nicht, dass aus dem Mahnbescheid für einen außenstehenden [X.] ist, welche konkreten Ansprüche geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (B[X.]H, Urteil vom 14.
Juli 2010 -
VIII
ZR 229/09 aaO).
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügen die [X.] in den [X.] diesen Anforderungen. Aus ihnen ergibt sich, dass gegen die Beklagten eine Schadensersatzforderung aus der Rückabwicklung des [X.]rundstückskaufvertrags vom 31.
August 2001 gel-tend gemacht wird, und zwar im Hinblick auf von der Klägerin aufgewendete Beurkundungs-
und Finanzierungskosten. Die Beklagten konnten daraus ohne weiteres entnehmen, welche Forderung in welcher Höhe die Klägerin verfolgte.
Denn ihnen waren sowohl das Schadensersatzverlangen als
auch die [X.]rundla-ge, auf welche die Klägerin es gestützt hatte, bekannt. Sie konnten deshalb 9
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aufgrund der Bezeichnung des Anspruchs in den [X.] entschei-den, ob und inwieweit sie sich dagegen zur Wehr setzen wollten.
d) Daran ändert nichts, dass sich erst in dem anschließenden streitigen Verfahren herausgestellt hat, dass die Klägerin in dem Mahnverfahren nur ei-nen Teilbetrag des ihr nach ihrer Ansicht zustehenden Anspruchs geltend [X.] hat.
aa) Auch wenn -
wie hier
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nur ein Teil eines [X.]esamtanspruchs, dessen Betrag sich aus einzelnen Positionen zusammensetzt, ohne Aufgliederung oder Bezifferung dieser Positionen im Mahnverfahren geltend gemacht wird, [X.] dies nach dem früheren Verjährungsrecht die Verjährung, und zwar hin-sichtlich sämtlicher Positionen bis zur Höhe der mit dem Mahnbescheid ver-langten [X.]esamtsumme; die fehlende Substantiierung konnte im Laufe des strei-tigen Verfahrens nachgeholt werden, und zwar auch dann noch, wenn der [X.] ohne die Unterbrechungswirkung der Zustellung des Mahnbescheids bereits verjährt gewesen wäre (B[X.]H, Urteil vom 8. Mai 1996 -
[X.]I
ZR 8/95, NJW
1996, 2152, 2153 mwN). Demgemäß bedurfte es, wenn -
wie hier
-
im Mahnverfahren ein einziger Schadensersatzanspruch geltend gemacht worden ist, keiner Einzelangaben zu der Schadenshöhe bereits in dem Mahnbescheid (B[X.]H, Urteil vom 30.
November 1999 -
VI
ZR 207/98, NJW
2000, 1420, 1421 mwN).
bb) An dieser Rechtslage hat sich nach der Neuregelung des [X.] durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.
November 2001 (B[X.]Bl. I S.
3138), bei der u.a. die Tatbestände der Verjährungsunterbre-chung abgeschafft und an ihre Stelle solche der Hemmung der Verjährung ge-treten sind, nichts geändert. Der um die Vereinheitlichung des [X.] bemühte [X.]esetzgeber ([X.]/[X.], B[X.]B [2009], Vorbe-merkung zu §§
194-225 Rn.
58) hat die bisherigen Unterbrechungstatbestände 11
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209 Abs.
2 B[X.]B aF) durch die heutigen Hemmungstatbestände (§ 204 Abs.
1 B[X.]B) ersetzt. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungshemmung durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung, hier durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren (§
204 Abs.
1 Nr.
3 B[X.]B), gegenüber den bisherigen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungsun-terbrechung durch dieselbe Maßnahme (§
209 Abs.
2 Nr.
1 B[X.]B aF) sind gleich geblieben (vgl. auch [X.]/J.
Schmidt-Räntsch, B[X.]B, 12.
Aufl., §
204 Rn.
1).
Nach wie vor gilt deshalb, dass das Erfordernis, einen angegebenen [X.]esamt-betrag bereits in dem Mahnbescheid aufzuschlüsseln, nur dann besteht, wenn eine Mehrzahl von Einzelforderungen geltend gemacht wird, nicht aber dann, wenn -
wie hier
-
[X.]egenstand des Mahnbescheids eine einheitliche Schadens-ersatzforderung ist, die sich aus mehreren unselbständigen Rechnungsposten zusammensetzt (B[X.]H, Urteil vom 17. November 2010 -
VIII
ZR
211/09, NJW
2011, 613, 614 Rn.
14).
e) Zu Unrecht hat sich das Berufungsgericht für seine gegenteilige An-sicht der fehlenden Individualisierung des Anspruchs in den [X.] auf das
Urteil des [X.] vom 21.
Oktober 2008 ([X.]
ZR 466/07, NJW
2009, 56) berufen. Der dort entschiedene und der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheiden sich in einem für die Beantwortung der Verjährungs-frage maßgeblichen Punkt.
aa) Die Klägerin des dortigen Verfahrens hatte im Mahnverfahren einen Teilbetrag von 25.000

-
was die hiesigen
Beklagten
in ihrer Revisionserwi-derung fälschlich in Abrede stellen
-
Rückzahlung zweier Darlehen geltend [X.]; in der Berufungsinstanz hat sie -
nach Ablauf der Verjährungsfrist
-
den Klageanspruch dahingehend
präzisiert, dass mit der Teilklage erstrangig die Forderung betreffend das eine Darlehenskonto und nachrangig die Hauptforde-rung betreffend das andere Darlehenskonto geltend gemacht werde. Der Bun-14
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desgerichtshof hat den Anspruch als in dem Mahnbescheidsantrag nicht aus-reichend individualisiert angesehen, weil für die dortige Beklagte nicht erkenn-bar gewesen sei, auf welche Forderung aus den beiden Konten und in welcher Höhe die dortige Klägerin
den Teilbetrag habe beziehen wollen; die in dem [X.] nachgeholte Individualisierung habe die verjährungshem-mende Wirkung der Zustellung des Mahnbescheids nicht herbeigeführt, weil sie keine Rückwirkung auf den Zustellungszeitpunkt gehabt habe (Urteil vom 21.
Oktober 2008 -
[X.]
ZR 466/07, NJW
2009, 56, 57 Rn.
18
ff.). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Zustellung von [X.], in denen der geltend gemachte Anspruch nicht ausreichend individualisiert ist, die [X.] auch dann nicht hemmt, wenn die Individualisierung nach dem Ablauf der Verjährungsfrist in dem anschließenden Streitverfahren nachgeholt worden ist (B[X.]H, Urteil vom 10.
Juli 2008 -
IX
ZR 160/07, NJW
2008, 3498, 3499 Rn.
16). Dies galt auch schon für das frühere Verjährungsrecht (B[X.]H, Urteil vom 17.
Oktober 2000 -
[X.]
ZR 312/99, NJW
2001, 305, 306
f. mwN).
bb) Diese Rechtsprechung findet hier keine Anwendung. Denn die Kläge-rin macht weder mehrere Forderungen noch einen Teilbetrag solcher Forderun-gen geltend, sondern
einen einzigen Schadensersatzanspruch wegen Nichter-füllung. Die dazu in dem Mahnbescheid enthaltenen Angaben haben den [X.] hinreichend individualisiert. Die in dem streitigen Verfahren nach dem Ablauf der Verjährungsfrist vorgenommene Substantiierung
war, anders als in den vorstehend unter aa) genannten Entscheidungen des [X.], für die Individualisierung des in den [X.] bezeichneten Anspruchs nicht notwendig.
[X.]) Dass der [X.]. Zivilsenat des [X.] in der Entscheidung vom 21. Oktober 2008 ([X.]
ZR 466/07, NJW
2009, 56, 57 Rn.
22) gemeint hat, wegen des neuen Verjährungsrechts nicht an die Rechtsprechung zu dem 16
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früheren Verjährungsrecht (s.o., B[X.]H, Urteil vom 8. Mai 1996 -
[X.]I
ZR 8/95, NJW
1996, 2152, 2153) gebunden zu sein, und damit Zweifel an der [X.]eltung dieser Rechtsprechung auch für die jetzige Rechtslage zum Ausdruck bringen wollte, steht das der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Denn die eher
beiläufigen Überlegungen tragen das Urteil nicht, weil der dortige Sachverhalt ([X.]eltendmachung eines [X.] aus zwei Forderungen) ein anderer ist als der, welcher der Entscheidung vom 8.
Mai 1996 ([X.]I
ZR 8/95, NJW
1996, 2152, 2153) zugrunde liegt ([X.]eltendmachung eines Teils einer einzigen Forderung).
2. Das Berufungsurteil hat somit keinen Bestand; es ist aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da sich das Berufungsgericht bisher nicht mit den Voraus-setzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs befasst hat, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO), damit dies geschehen kann.

Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
L[X.] Mainz, Entscheidung vom 04.12.2008 -
2 O 189/06 -

OL[X.] [X.], Entscheidung vom 19.02.2010 -
8 U 1567/08 -

18

Meta

V ZR 49/10

13.05.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.05.2011, Az. V ZR 49/10 (REWIS RS 2011, 6686)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6686

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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